Transkript
FORTBILDUNG
Ambulant erworbene Pneumonie
Update 2016 der S3-Leitlinie
Unter einer ambulant erworbenen Pneumonie werden solche Lungenentzündungen verstanden, die ausserhalb des Krankenhauses bei einem nicht schwergradig immunsupprimierten Patienten auftreten. Diese Infektionen werden weiterhin deutlich unterschätzt, was auch die Letalität von rund 10 Prozent bei hospitalisierten Patienten erklärt. Im hohen Lebensalter und bei schweren Komorbiditäten soll das Therapieziel am Tag der Diagnose zusammen mit dem Willen des Patienten diskutiert werden.
Leitlinie
Die vorliegende Leitlinie ist ein Update und ersetzt die bis anhin gültige, 2009 publizierte Leitlinie zur Behandlung von Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie. Sie richtet sich an alle in die Behandlung von Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie involvierten Ärzte, insbesondere an Allgemeinärzte und Fachärzte für Innere Medizin im ambulanten Bereich sowie an Ärzte, die im Krankenhaus
MERKSÄTZE
O Die Symptome sind nicht spezifisch für die Abgrenzung einer ambulant erworbenen Pneumonie von anderen Infektionen der unteren Atemwege.
O Bei der klinischen Verdachtsdiagnose einer ambulant erworbenen Pneumonie sollte, soweit möglich, immer eine Röntgenthoraxaufnahme durchgeführt werden.
O Als einfacher Score mit guter Vorhersage des Letalitätsrisikos hat sich der CRB-65-Index etabliert.
O Patienten mit leichter Pneumonie ohne Komorbidität sollen als initiale kalkulierte Therapie der Wahl eine Monotherapie mit einem hoch dosierten Aminopenicillinpräparat erhalten, bei definierten Komorbiditäten hingegen ein hoch dosiertes Aminopenicillin/BetalaktamaseinhibitorPräparat.
O Bei der leichten bis mittelschweren Pneumonie soll die Dauer der antibiotischen Therapie 5 bis 7 Tage betragen.
tätig sind. Erstmals umfasst der Gültigkeitsbereich der Leitlinie zur ambulant erworbenen Pneumonie auch Österreich und die Schweiz, und entsprechend gehören der Leitliniengruppe auch von Fachgesellschaften delegierte Autoren aus Österreich und der Schweiz an.
Diagnostik bei Pneumonieverdacht
Zu den klinischen Symptomen gehören Atemwegssymptome (Husten mit oder ohne Auswurf, Dyspnoe, atemabhängige thorakale Schmerzen) einerseits und Allgemeinsymptome (Fieber oder Hypothermie, Malaise, Myalgien, Gelenkschmerzen, Kopfweh, Palpitationen, Kreislaufbeschwerden, Diarrhö) andererseits. Vor allem bei älteren Patienten kann auch Desorientiertheit vorkommen. Wegleitend sind bei der Untersuchung: O Dyspnoe mit erhöhter Atemfrequenz O Tachykardie, allenfalls begleitet von arterieller Hypotonie O auffällige Befunde in der Perkussion: abgeschwächter
Klopfschall über dem Thorax bei Infiltrationen und/oder parapneumonischem Pleuraerguss O inspiratorische Rasselgeräusche beziehungsweise Bronchialatmen.
Die Symptome sind nicht spezifisch für die Abgrenzung einer ambulant erworbenen Pneumonie von anderen Infektionen der unteren Atemwege. Dementsprechend ist ihr positiver Vorhersagewert allein oder in Kombination mit weniger als 50 Prozent bescheiden. Die klinische Untersuchung hat jedoch einen hohen negativen prädiktiven Wert. Mit steigendem Lebensalter präsentieren sich Patienten mit Pneumonie zunehmend symptomärmer, beispielsweise sind Fieber oder Husten mit Auswurf deutlich seltener. Häufiger sind hingegen Verwirrtheit und Durchfall, gelegentlich sogar als einzige Symptome. Der Nachweis eines neu aufgetretenen Infiltrats in einem bildgebenden radiologischen Verfahren der Lunge sichert die Diagnose. Bei der klinischen Verdachtsdiagnose einer ambulant erworbenen Pneumonie sollte daher, soweit möglich, immer eine Röntgenthoraxaufnahme durchgeführt werden. Der radiologische Befund kann die Ausdehnung (mono-/ multilobär, uni-/bilateral), Begleiterkrankungen (z.B. Herzinsuffizienz) sowie Komplikationen (Pleuraerguss, Abszedierung) dokumentieren. Bei allen Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie sollen Differenzialdiagnosen respektive zusätzliche Diagnosen erwogen werden, insbesondere Zustandsbilder mit Überwässerung, Aspirationen und nicht infektiösen Infiltraten wie
502
ARS MEDICI 11 I 2016
FORTBILDUNG
Tabelle:
CRB-65-Index zur Prädiktion des Letalitätsrisikos bei ambulanten und stationären Patienten
Atemfrequenz ≥ 30/min diastolischer Blutdruck ≤ 60 mm Hg oder systolischer Blutdruck < 90 mmHg Bewusstseinstrübung
Alter ≥ 65 Jahre
Punkte 1 1
1 1
CRB-65 bedeutet: Confusion, Respiratory rate, Blood pressure, 65: Alter ab 65 Jahre.
Für jedes festgestellte Kriterium wird ein Punkt vergeben, die höchstmögliche Punktzahl ist 4. Patienten mit einem Score von 0 können ambulant behandelt werden, bei einem Score von 1 bis 2 wird eine stationäre Aufnahme empfohlen, bei 3 bis 4 Punkten eine Intensivtherapie.
Lungenembolie, interstitielle Lungenerkrankung und Lungenkarzinom (starke Empfehlung, Evidenz B). Die unspezifische klinische Präsentation, nicht selten auch die Oligosymptomatik, machen eine differenzialdiagnostische Abgrenzung zu anderen Erkrankungen mit überlappender Symptomatik erforderlich.
Labor bei Pneumonieverdacht
Atemwegsinfektionen gehören zu den häufigsten Gründen für Arzt-Patienten-Kontakte und führen häufig zur Antibiotikaverschreibung im ambulanten Bereich. Wichtig ist, Patienten mit tiefen Atemwegsinfektionen, die keine solche Therapie benötigen, von solchen, die so rasch wie möglich antimikrobiell behandelt werden sollten, zu unterscheiden. Klinisch hat sich dies nicht selten als sehr schwierig bis unmöglich erwiesen, wenn eine Röntgenthoraxaufnahme nicht zeitgerecht oder gar nicht angefertigt werden kann. Biomarker könnten in dieser Situation eine wichtige Rolle spielen. Während in einer älteren Metaanalyse eine schlechte Prädiktion einer radiologisch gesicherten Pneumonie durch C-reaktives Protein (CRP) gefunden wurde, zeigte sich in einer neueren prospektiven Studie im Rahmen der Primärversorgung für unterschiedliche Schwellenwerte eine gute bis befriedigende Korrelation von CRP- und Procalcitonin-(PCT-) Werten mit einer radiologisch nachgewiesenen Pneumonie. Allerdings waren die positiv prädiktiven Werte niedrig und die negativ prädiktiven Werte nicht besser als zirka 90 Prozent. Eine systematische Übersicht konnte für CRP in der Diagnose einer Pneumonie nur begrenzte prädiktive Werte finden. Im Setting einer Notfallaufnahme eines Spitals beziehungsweise in populationsbezogenen Auswertungen erzielen CRP und PCT allgemein bessere Prädiktionen. In zwei Metaanalysen konnte CRP die Anzahl der Verschreibungen antimikrobieller Therapien bei vergleichbarem Ausgang signifikant reduzieren. Mehr Daten legen eine höhere Effektivität des PCT bei der Indikationsstellung für eine antibiotische Behandlung nahe. Eine Metaanalyse konnte PCT
als effektives Instrument zur Reduktion der Antiobiotikaverschreibung auch in der Primärversorgung bestätigen. Allerdings ist Folgendes immer im Auge zu behalten: Je weniger klinisch wahrscheinlich die Diagnose einer Pneumonie ist, desto geringere Aussagekraft hat die zusätzliche Bestimmung eines Biomarkers. In der ambulanten Praxis ist ein «Point of care»-Testverfahren zurzeit nur für CRP verfügbar.
Erfassung des Letalitätsrisikos in der Praxis
Als einfacher Score mit guter Vorhersage des Letalitätsrisikos hat sich der CRB-65-Index etabliert (Tabelle). Er wird aus drei einfach zu erhebenden klinischen und einem anamnestischen Parameter gebildet und ist auch ambulant gut anwendbar. Der CRB-65-Index wurde in zahlreichen Studien und mehreren aktuellen Metaanalysen validiert und zeigt eine gegenüber aufwendigeren Scores (CURB-65, PSI) vergleichbare Letalitätsvorhersage. Für Deutschland liegen Daten von CAPNETZ vor. Bei einem Score von 0 betrug die Letalität unter Studienbedingungen bei ambulanten und stationären Patienten in der CAPNETZ-Kohorte 0 Prozent, bei 1 bis 2 erfüllten Kriterien stieg die Letalität auf 6 Prozent und bei 3 bis 4 Kriterien auf 23 Prozent an. Allerdings ist der prädiktive Wert des CRB-65-Indexes für eine niedrige Letalität bei älteren Patienten und/oder Pflegeheimbewohnern unzureichend; in dieser Gruppe müssen daher weitere Kriterien zur Risikoabschätzung herangezogen werden.
Wann kann ambulant behandelt werden?
Zur Frage der ambulanten Therapie der Pneumonie gibt die Leitlinie zwei Empfehlungen ab: 1. Patienten, die nach klinischer Einschätzung des Arztes sta-
bil erscheinen, sollen ambulant behandelt werden, wenn folgende Kriterien zutreffen: CRB-65-Index = 0, ausreichende Oxygenierung (SaO2 > 90%) und fehlende Hinweise auf instabile Komorbiditäten, sofern keine Komplikationen vorliegen oder soziale Faktoren eine stationäre Aufnahme erforderlich machen. Für Patienten im Seniorenheim und/oder mit schlechter Funktionalität gelten zusätzliche Überlegungen, ebenso für Patienten mit palliativem Therapieziel (starke Empfehlung, Evidenz A). 2. Im Fall einer Entscheidung für eine ambulante Behandlung soll eine Reevaluation der Patienten nach 48 bis 72 Stunden erfolgen, da eine klinische Verschlechterung häufig in diesem Zeitraum eintritt (starke Empfehlung, Evidenz B).
In einer britischen Studie zeigte sich, dass bei Patienten, die trotz eines niedrigen Risikoscores (CRB-65-Index = 0/1) stationär behandelt wurden, die Letalität erhöht war. Die häufigsten Gründe für eine stationäre Aufnahme trotz niedriger Risikoscores waren Hypoxämie und instabile Komorbiditäten. In einer weiteren Studie zeigte sich die prognostische Risikoabschätzung bezüglich Mortalität beim CRB-65Index mit zunehmendem Alter verschlechtert. Kriterien wie Hypoxämie oder Sauerstoffpflichtigkeit, instabile Komorbiditäten, Komplikationen (z.B. Pleuraerguss) und soziale Faktoren (z.B. fehlende häusliche Versorgung), die eine stationäre Aufnahme eventuell trotz eines niedrigen Scores erforderlich machen können, müssen daher berücksichtigt werden.
ARS MEDICI 11 I 2016
503
FORTBILDUNG
Für Patienten, die eine Pneumonie in einer Pflegeinstitution erworben haben (nursing home-acquired pneumonia, NHAP), beziehungsweise für Patienten mit schlechter Funktionalität gelten zusätzliche Überlegungen. Bei Patienten mit NHAP diskriminiert der CRB-65-Index zwar weiterhin drei Risikogruppen, aufgrund der grundsätzlich hohen Letalität in dieser Gruppe gehört diese aber keiner Niedrigrisikoklasse mehr an. Um eine ambulante Therapie durchführen zu können, müssen eine ärztliche und eine pflegerische Betreuung (mindestens einmalige ärztliche Reevaluation nach 48 bis 72 h und hinreichende Versorgung) sowie eine zuverlässige Medikamentenapplikation und gegebenenfalls die Verfügbarkeit von Sauerstoff sichergestellt sein. Bei Patienten mit leichtgradigen, ambulant behandelbaren Pneumonien ist eine mikrobiologische Diagnostik im Regelfall nicht erforderlich (starke Empfehlung, Evidenz B). Grundsätzlich haben sich in den vergangenen Jahren keine wesentlichen Änderungen des Keimspektrums bei ambulant erworbener Pneumonie in Deutschland, Österreich und der Schweiz ergeben. Auch Befürchtungen, dass sich aufgrund der Altersstruktur der Patienten und der Resistenzentwicklung bei den Bakterien eine Verschiebung zum deutlich häufigeren Nachweis von multiresistenten Erregern (MRE) ergeben könnte, haben sich bisher nicht bewahrheitet. Insofern bedürfen auch die diagnostischen Strategien keiner grundlegenden Änderung, wie die Leitlinienautoren schreiben.
Welches Antibiotikum
bei welchem Pneumonieschweregrad?
Zur Wahl der antimikrobiellen Therapie geben die Leitlinien folgende Empfehlungen: 1. Patienten mit leichter Pneumonie ohne Komorbidität
sollen als initiale kalkulierte Therapie der Wahl eine Monotherapie mit einem hoch dosierten Aminopenicillinpräparat erhalten. Alternativ kann bei Penicillinallergie oder -unverträglichkeit ein Fluorochinolon (Moxifloxacin [Avalox® oder Generika], Levofloxacin [Tavanic® oder Generika]), nachgeordnet ein Makrolid (Azithromycin [Zithromax® oder Generika], Clarithromycin [Klacid® oder Generika]) oder ein Tetrazyklin (Doxycyclin [Vibramycin® oder Generika]) verabreicht werden (starke Empfehlung, Evidenz B). 2. Patienten mit leichter Pneumonie und definierten Komorbiditäten sollen eine initiale kalkulierte Therapie mit einem hoch dosierten Aminopenicillin/BetalaktamaseinhibitorPräparat erhalten. Alternativ kann bei Penicillinallergie oder -unverträglichkeit ein Fluorochinolon (Moxifloxacin, Levofloxacin) eingesetzt werden. Bei schwerer COPD und/oder Bronchiektasen kann eine Therapie mit Amoxicillin plus Ciprofloxacin (Ciproxin® oder Generika) oder Levofloxacin gegeben werden (starke Empfehlung, Evidenz B). In der Schweiz ist als oral und intravenös verabreichbares Aminopenicillin/BetalaktamaseinhibitorPräparat Amoxicillin plus Clavulansäure (Augmentin® oder Generika) erhältlich; die Kombination Piperacillin/ Tazobactam (Tazobac® oder Generika) steht nur zur parenteralen Therapie zur Verfügung. Die Kombination mit einem Betalaktamaseinhibitor führt zu einer Erweiterung der Wirksamkeit gegen betalaktamasebildende
Staphylococcus aureus, Haemophilus influenzae und betalaktamasebildende Enterobakterien. Ob diese Erweiterung tatsächlich das Risiko des Therapieversagens bei Patienten mit Komorbidität reduziert, ist nicht sicher belegt. Amoxicillin/Clavulansäure kann mit einer Hepatotoxizität einhergehen (1–17/100 000 Verordnungen). Bei Penicillinallergie oder -unverträglichkeit oder bei Verdacht auf Legionellen im Rahmen einer Epidemie sollte ein Fluorochinolon (Moxifloxacin oder Levofloxacin) gegeben werden. 3. Patienten mit mittelschwerer Pneumonie sollen als initiale kalkulierte antimikrobielle Therapie eine Aminopenicillin/ Betalaktamaseinhibitor-Kombination oder ein Cephalosporin der Klasse 2 oder 3a, gegebenenfalls zusammen mit Makrolid, erhalten. Werden bei klinischer Stabilisierung keine atypischen bakteriellen Erreger nachgewiesen, soll die allenfalls begonnene Makrolidtherapie nach drei Tagen beendet werden. Alternativ kann bei Patienten mit moderater ambulant erworbener Pneumonie eine Therapie mit einem Fluorochinolon (Moxifloxacin, Levofloxacin) erfolgen (starke Empfehlung, Evidenz B). 4. In der Situation einer Influenzapandemie oder einer hohen Aktivität einer saisonalen Influenza kann die kalkulierte frühzeitige Gabe von Oseltamivir (Tamiflu®) insbesondere bei hospitalisierten Patienten mit mittelschwerer beziehungsweise schwerer Pneumonie zusätzlich zur antibakteriellen Therapie erfolgen. Bleibt der Influenza-PCR-Nachweis negativ, soll Oseltamivir beendet werden (schwache Empfehlung, Evidenz C). 5. Multiresistente Erreger (MRSA, ESBL-bildende Enterobakterien, P. aeruginosa) sind bei ambulant erworbener Pneumonie sehr selten. Eine generell kalkulierte Therapie multiresistenter Erreger wird daher nicht empfohlen, ebenso keine antimikrobielle Therapie entlang von HCAP-Kriterien oder Scores. Stattdessen soll eine individuelle Risikoabschätzung erfolgen (starke Empfehlung, Evidenz B).
Wie lange Antibiotika?
Die Leitlinie setzt die Dauer der antibiotischen Therapie in Zusammenhang mit dem Schweregrad der ambulant erworbenen Therapie: 1. Bei der leichten bis mittelschweren Pneumonie soll die
Dauer der antimikrobiellen Therapie 5 bis 7 Tage betragen. Kürzere Therapien sind möglich bei rascher klinischer Stabilisierung. Vor Therapieende soll eine klinische Stabilisierung für mindestens 2 Tage erfolgt sein (starke Empfehlung, Evidenz A). 2. Bei schwerer Pneumonie sollte ebenfalls eine klinische Stabilisierung für mindestens 2 Tage erfolgt sein, bevor die antimikrobielle Therapie beendet wird – entsprechend einer Behandlungsdauer, die in der Regel nicht länger als 7 Tage sein sollte (moderate Empfehlung, Evidenz B). 3. Bei der mittelschweren Pneumonie soll nach klinischer Besserung (besserer Allgemeinzustand, Entfieberung, Reduktion Entzündungsparameter) eine orale Sequenztherapie durchgeführt werden (starke Empfehlung, Evidenz A). 4. Bei der schweren Pneumonie sollte initial für mindestens 3 Tage eine parenterale Behandlung erfolgen, eine anschliessende Sequenztherapie ist auch hier möglich (moderate Empfehlung, Evidenz B).
504
ARS MEDICI 11 I 2016
FORTBILDUNG
Zwei Metaanalysen haben die Literatur bis 2007 beurteilt, und es ist eine aktuelle Übersicht verfügbar. Bei der leichten bis mittelschweren Pneumonie des Erwachsenen und im Kindesalter ergaben sich keine signifikanten Unterschiede beim klinischen Ansprechen bei einer Therapiedauer zwischen 3 und 7 Tagen sowie zwischen 5 und 10 Tagen. Die Studien wurden sowohl im ambulanten als auch im stationären Umfeld durchgeführt, umfassten sowohl Betalaktame, Makrolide als auch Fluorchinolone als Substanzklassen und schlossen randomisierte Doppelblindstudien ein.
Welche Möglichkeiten zur Prävention
von Pneumonien gibt es?
Zu den Präventionsmöglichkeiten bei der ambulant erworbenen Pneumonie äussern sich die Leitlinien wie folgt: 1. Eine Grippeschutzimpfung soll entsprechend den jeweili-
gen nationalen (STIKO/BMG/BAG/EKIF) Empfehlungen durchgeführt werden (starke Empfehlung, Evidenz B). 2. Eine Pneumokokkenimpfung zur Primärprävention einer Pneumokokkenpneumonie soll als Standardimpfung bei Personen über 60 Jahre und als Indikationsimpfung bei Risikogruppen (chronische Krankheiten, angeborener oder erworbener Immundefekt bzw. Immunsuppression) durchgeführt werden (starke Empfehlung, Evidenz A). 3. Der 13-valente konjugierte Pneumokokkenimpfstoff (PCV13, Prevenar 13®) sollte zur Prävention einer Pneumokokkenpneumonie als Standardimpfung bei Personen über 60 Jahre und als Indikationsimpfung bei Risikogruppen (chronische Krankheiten, angeborener oder erworbener Immundefekt bzw. Immunsuppression) bevorzugt werden. Eine kontinuierliche Reevaluierung der Serotypentwicklung und ihre Auswirkung auf diese Empfehlung ist erforderlich (moderate Empfehlung, Evidenz B). 4. Nach erfolgter Impfung mit dem 23-valenten Pneumokokken-Polysaccharid-Impfstoff (PSV23, Pneumovax®) wird eine Revakzinierung mit PSV23 nicht empfohlen (starke Empfehlung, Evidenz B).
Auch einige weitere eine Pneumonie begünstigende Faktoren
bieten Ansatzpunkte für die Prävention. So sollen Patienten,
die eben eine Pneumonie durchgemacht haben, eine Rau-
cherentwöhnungsberatung erhalten (starke Empfehlung,
Evidenz B). Gegebenenfalls sollte die Indikation für eine
säureunterdrückende Therapie kritisch geprüft werden
(moderate Empfehlung, Evidenz B). Die Indikation für eine
bestehende antipsychotische Therapie, für Opiate bezie-
hungsweise für Benzodiazepine sollte auf dem Boden einer
Nutzen-Risiko-Abwägung gestellt respektive geprüft werden
(moderate Empfehlung, Evidenz B). Bei Patienten mit chro-
nisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) sollte die In-
dikation für eine Therapie mit inhalativen Kortikosteroiden
(ICS) hinterfragt werden. Im Einzelfall ist eine ICS-Dosis-
Reduktion, ein Substanzwechsel oder auch ein Absetzen des
ICS zu erwägen. Diese Patienten sollten jedoch über eine
mögliche Verschlechterung der COPD, insbesondere das ge-
steigerte Exazerbationsrisiko, aufgeklärt werden (moderate
Empfehlung, Evidenz B). Eine Neuverordnung von ACE-
Hemmern beziehungsweise von Statinen zur Prävention
einer ambulant erworbenen Pneumonie wird nicht empfoh-
len (moderate Empfehlung, Evidenz B bzw. starke Empfeh-
lung, Evidenz B).
O
Halid Bas
Quelle: Ewig S et al.: Behandlung von erwachsenen Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie und Prävention – Update 2016. S3-Leitlinie, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, der Paul-EhrlichGesellschaft für Chemotherapie, der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie, des Kompetenznetzwerks CAPNETZ, der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie, der Österreichischen Gesellschaft für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin und der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie. http://www.pneumologie.de/109.0.html
Interessenlage: Die Leitlinienautoren haben keine Interessenkonflikte deklariert.
506
ARS MEDICI 11 I 2016