Transkript
Neue Akne-Guideline
Topische und systemische Aknemedikamente
FORTBILDUNG
Die American Academy of Dermatology (AAD) hat eine Leitlinie zum Management der Acne vulgaris bei Jugendlichen und Erwachsenen herausgegeben. Bei leichten Formen sind lokale Medikamente wie Benzoylperoxid, Retinoide, Azelainsäure, Dapson oder topische Antibiotika ausreichend wirksam. Zur Behandlung von schwerer Akne stehen systemische Antibiotika und Isotretinoin zur Verfügung. Für Frauen können auch kombinierte orale Kontrazeptiva eine geeignete Option darstellen.
Journal of the American Academy of Dermatology
Die entzündliche Hauterkrankung Acne vulgaris ist durch Komedonen, Papeln, Pusteln und Knötchen gekennzeichnet. Meist sind Teenager (85%) und junge Erwachsene betroffen. Die Erkrankung kann jedoch bereits im Kindesalter auftreten oder bis ins Erwachsenenalter persistieren. Zu den Schlüsselfaktoren der Pathogenese gehören eine follikuläre Hyperkeratose, die mikrobielle Kolonisierung mit Propionibacterium acnes, eine übermässige Talgproduktion und ein komplexes Entzündungsgeschehen unter Beteiligung
MERKSÄTZE
O Bei leichter Akne sind topische Medikamente meist ausreichend wirksam.
O Mit Kombinationen topischer Medikamente werden bessere Ergebnisse erzielt als mit den Einzelsubstanzen.
O Von einer Monotherapie mit topischen Antibiotika wird abgeraten.
O Bei mittelschwerer und schwerer Akne sind Kombinationen aus topischen und systemischen Medikamenten häufig sinnvoll.
O Isotretinoin sollte Patienten mit schwerer therapieresistenter Akne vorbehalten bleiben.
O Isotretinoin darf keinesfalls in der Schwangerschaft angewendet werden.
der angeborenen und der erworbenen Immunabwehr. Gemäss Studien könnten auch neuroendokrine Regulationsmechanismen, die Ernährung und genetische Faktoren bei der Entwicklung von Akne eine Rolle spielen. Für die Behandlung stehen topische und systemische Medikamente zur Verfügung. Eine Expertengruppe der American Academy of Dermatology (AAD) hat eine neue Leitlinie zum Management der Acne vulgaris bei Jugendlichen und Erwachsenen erarbeitet und einen Algorithmus zur Behandlung leichter, mittelschwerer und schwerer Akneformen entwickelt (Tabelle 2).
Topische Medikamente
Bei topischem Benzoylperoxid (BP; z.B. Aknefug®, Benzac®, Benzaknen®, Lubexyl®) handelt es sich um eine antibakterielle Substanz, die P. acnes durch die Freisetzung von freiem Sauerstoff vernichtet und zudem antiseborrhoische, bleichende und keratolytische Eigenschaften aufweist. Benzoylperoxid wird als Einzelsubstanz oder in Kombination mit topischem Erythromycin oder topischem Clindamycin zur Behandlung leichter Akneformen empfohlen. Bei mittelschwerer bis schwerer Akne kann BP mit einem topischen Retinoid kombiniert werden. Da BP der Entwicklung bakterieller Resistenzen entgegenwirkt, wird es auch als Begleitmedikation einer topischen oder systemischen Antibiotikabehandlung empfohlen. BP steht als Hautwaschemulsion, Schaum, Creme oder Gel in Konzentrationen von 2,5 bis 10 Prozent zur Verfügung. Die Wirksamkeit kann sich bereits innerhalb von 5 Tagen zeigen. Topische Antibiotika wirken antibakteriell und entzündungshemmend. Aufgrund des Risikos für bakterielle Resistenzentwicklungen sollten sie nicht als Monotherapie, sondern in Kombination mit BP angewendet werden. Clindamycinlösung oder -gel (Dalacin T® und Generika) gilt derzeit als topisches Antibiotikum der ersten Wahl. Topisches Erythromycin (Aknilox®) ist aufgrund der Resistenzentwicklung von Staphylokokken und P. acnes im Vergleich zu Clindamycin weniger wirksam. Neben den Einzelsubstanzen stehen auch Fixkombinationen mit Clindamycin/BP (Duac Akne®) oder Erythromycin/BP (nicht im AK der Schweiz) zur Verfügung. Topische Retinoide wie Tretinoin (Airol®), Adapalen (Differin®) und Tazaroten (Zorac®; in der Schweiz ausser Handel) wirken komedolytisch und antientzündlich. Diese Wirkstoffe werden als Monotherapie bei Komedonenakne oder in Kombination mit anderen topischen oder oralen antimikrobiell wirkenden Substanzen bei gemischter und entzündlicher Akne empfohlen. Retinoide verstärken die Wirkung aller topischen Regime und erhalten die Hautreinheit nach Absetzen
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FORTBILDUNG
Tabelle 1:
WHO-Empfehlungen zur Anwendung kombinierter oraler Kontrazeptiva
Kombinierte Kontrazeptiva nicht empfohlen
O Schwangerschaft O aktive Brustkrebserkrankung O Stillzeit < 6 Wochen nach der Geburt O Alter ≥ 35 Jahre und starke Raucherin (≥ 15 Zigaretten/Tag) O systolischer Blutdruck ≥ 160 mmHg
diastolischer Blutdruck ≥ 100 mmHg O Diabetes mit Endorganschaden O Diabetesdauer > 20 Jahre O tiefe Venenthrombosen oder Lungenembolie in der
Anamnese O grössere Operationen mit längerer Immobilisierung O ischämische Herzerkrankung (aktuell oder zurückliegend) O zerebrovaskuläre Ereignisse in der Vorgeschichte O Kopfschmerzen wie Migräne mit fokalen neurologischen
Symptomen (jedes Lebensalter), ohne Aura wenn ≥ 35 Jahre O aktive virale Hepatitis O schwere dekompensierte Zirrhose
(nach Zaenglein et al. 2016)
Vorsichtige Anwendung oder spezielles Monitoring
O Lebertumor (benigne oder maligne) O Stillzeit (6 Wochen bis 6 Monate nach der Geburt) O nach der Geburt (< 21 Tage) O Alter ≥ 35 Jahre und Raucherin (< 15 Zigaretten/Tag) O Bluthochdruck in der Vorgeschichte (auch Hypertonie in der
Schwangerschaft) oder wenn Monitoring nicht möglich ist O Bluthochdruck: systolisch 140–159 mmHg;
diastolisch 90–99 mmHg O Kopfschmerzen: Migräne ohne fokale neurologische
Symptome < 35 Jahre O bekannte Hyperlipidämie sollte evaluiert werden (z.B. Art
und Schwere) O Brustkrebs in der Anamnese; ≥ 5 Jahre erkrankungsfrei O Gallenwegserkrankung O leichte dekompensierte Zirrhose O Cholestase im Zusammenhang mit früherer Anwendung
kombinierter Kontrazeptiva O gleichzeitige Einnahme von Medikamenten, welche die
Leberenzyme beeinflussen
oraler Medikamente. Tretinoin kann durch BP oxidiert und damit inaktiviert werden. Beide Substanzen sollten daher zeitlich getrennt appliziert werden. Im Zusammenhang mit topischen Retinoiden kann es zur Fotosensibilisierung kommen. Die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) hat Tretinoin und Adapalen der Schwangerschaftskategorie C zugeordnet (unerwünschte fetale Wirkungen im Tierversuch – keine randomisierten, kontrollierten Studien bei Patienten; Nutzen bei Anwendung rechtfertigt potenzielle Risiken). Nur Tazaroten gehört zur FDA-Schwangerschaftskategorie X und ist somit kontraindiziert. In der Schweiz dürfen topische Retinoide in der Schwangerschaft nicht angewendet werden (Quelle: Pharmawiki). Azelainsäure (Skinoren®) wirkt komedolytisch, antibakteriell und antientzündlich. Die Substanz eignet sich für Patienten mit empfindlicher Haut und wird auch als adjuvantes Medikament empfohlen. Topische Azelainsäure wurde von der FDA in die Schwangerschaftskategorie B eingestuft (kein fetales Risiko im Tierversuch; keine randomisierten, kontrollierten Studien bei Patienten). In der Schweiz wird darauf hingewiesen, dass Azelainsäure in der Schwangerschaft und in der Stillzeit nicht angewendet werden sollte (Quelle: Pharmawiki). Dapson (nicht im AK der Schweiz) ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Sulfone. Topisches Dapsongel (5%) wird für vorwiegend entzündliche Akneformen empfohlen. Sind zusätzlich Komedonen vorhanden, kann Dapson mit topischen Retinoiden kombiniert werden. In Kombination mit BP kann es zu oxidativ bedingten orange-braunen Verfärbungen kommen, die jedoch abwaschbar sind. Dapson wurde der Schwangerschaftskategorie C zugeordnet.
Zur Wirksamkeit weiterer topischer Behandlungsoptionen wie Salizylsäure (z.B. Aknichthol®), Schwefel (z.B. Acne Gel Widmer®, Aknedoron®), Nicotinamid (topische Darreichungsform nicht im AK der Schweiz), Resorcinol (als Einzelsubstanz nicht im AK der Schweiz), Natriumsulfacetamid (in der Schweiz nur als Augensalbe im Handel), Aluminiumchlorid (zur Behandlung von Akne nicht im AK der Schweiz) und Zink (zur Behandlung von Akne nicht im AK der Schweiz) liegt nur eine begrenzte Evidenz aus Studien vor. Häufig ist die Anwendung mehrerer topischer Medikamente sinnvoll, die unterschiedliche Faktoren der Pathogenese beeinflussen. Meist können mit der Kombination bessere Ergebnisse erzielt werden als mit der jeweiligen Monotherapie.
Systemische Antibiotika
Systemische Antibiotika werden bei mittelschwerer bis schwerer Akne sowie bei entzündlichen Formen empfohlen, die sich gegenüber einer topischen Behandlung als resistent erwiesen haben. In Studien zeigten Tetracyclin (in der Schweiz nur als Prodrug Lymecyclin [Tetralysal®] im Handel), Doxycyclin (Vibramycin® und Generika), Minocyclin (Minocin Akne® und Generika), Trimethoprim/Sulfamethoxazol (TMP/ SMX; Bactrim® und Generika), Trimethoprim (als Monopräparat nicht im AK der Schweiz), Erythromycin (Erythrocin), Azithromycin (Zithromax® und Generika), Amoxicillin (Clamoxyl® und Generika) und Cefalexin (in der Schweiz nur als Tierarzneimittel im Handel) bei Akne Wirksamkeit. Die Klasse der Tetracycline gilt als erste Wahl zur Behandlung mittelschwerer bis schwerer Akne. Doxycyclin und Minocyclin sind wirksamer als Tetracyclin und untereinander vergleichbar wirksam. In der Schwangerschaft sind Tetracycline kontraindiziert.
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FORTBILDUNG
Tabelle 2:
Algorithmus zur Behandlung von Acne vulgaris bei Heranwachsenden und jungen Erwachsenen
Leichte Akne
Behandlung der ersten Wahl
Benzoylperoxid (BP) oder topisches Retinoid oder topische Kombinationstherapie (Fixkombination oder Einzelmedikamente) BP + Antibiotikum oder Retinoid + BP oder Retinoid + BP + Antibiotikum
Alternative Behandlung
Zugabe eines topischen Retinoids oder BP (wenn noch nicht erfolgt) oder anderes Retinoid oder topisches Dapson
Mittelschwere Akne
topische Kombinationstherapie (Fixkombination oder Einzelmedikamente) BP + Antibiotikum oder Retinoid + BP oder Retinoid + BP + Antibiotikum oder orales Antibiotikum + topisches Retinoid + BP oder orales Antibiotikum + topisches Retinoid + BP + topisches Antibiotikum
andere Kombinationstherapie oder Wechsel des oralen Antibiotikums oder Zugabe kombinierter oraler Kontrazeptiva oder orales Spironolacton (Frauen) oder orales Isotretinoin
Schwere Akne
orales Antibiotikum + topische Kombinationstherapie (Fixkombination oder Einzelmedikamente) BP + Antibiotikum oder Retinoid + BP oder Retinoid + BP + Antibiotikum oder orales Isotretinoin
Wechsel des oralen Antibiotikums oder Zugabe kombinierter oraler Kontrazeptiva oder orales Spironolacton (Frauen) oder orales Isotretinoin
(nach Zaenglein et al. 2016)
Die beiden oralen Makrolide Erythromycin und Azithromycin sollten Patienten vorbehalten bleiben, die nicht mit Tetracyclinen behandelt werden können. Dazu gehören schwangere Frauen und Kinder unter acht Jahren. Erythromycin sollte aufgrund eines erhöhten Risikos für bakterielle Resistenzen nur bei ausgewählten Patienten angewendet werden. Von anderen systemischen Antibiotika – ausser Tetracyclinen oder Makroliden – raten die Experten ab, da nur begrenzte Daten für die Wirksamkeit bei Akne vorliegen. TMP/SMX und TMP sollten nur bei Unverträglichkeit oder Unwirksamkeit von Tetracyclinen angewendet werden. Die Applikation systemischer Antibiotika wird auf den kürzestmöglichen Zeitraum begrenzt (meist 3 Monate), um die Entwicklung bakterieller Resistenzen zu minimieren. Zudem sollten systemische Antibiotika immer in Kombination mit topischem Benzoylperoxid und/oder einem topischen Retinoid appliziert werden. Dies wirkt der Resistenzbildung ebenfalls entgegen und dient zudem der Erhaltung des Behandlungserfolgs nach Absetzen der systemischen Antibiotika. Wenn traditionelle Antibiotika nicht angewendet werden können (etwa in der Schwangerschaft oder bei allergischen Reaktionen gegenüber anderen Antibiotikaklassen), sind Penicilline oder Cephalosporine eine geeignete Alternative.
Hormonelle Optionen
Kombinierte orale Kontrazeptiva (Östrogen/Progestin) sind aufgrund ihrer antiandrogenen Eigenschaften auch gegen Akne wirksam. Die FDA hat derzeit vier Kombinationen zur
Behandlung von Akne bei Frauen zugelassen, die zusätzlich oral verhüten möchten. Dabei handelt es sich um Ethinylestradiol/Norgestimat (Cilest®), Ethinylestradiol/Norethisteronacetat/Eisenfumarat (nicht im AK der Schweiz), Ethinylestradiol/Drospirenon (Yasmin®, Yasminelle® und YAZ® sowie Generika und Autogenerika) und Ethinylestradiol/ Drospirenon/Levomefolat (nicht im AK der Schweiz). Aus randomisierten Studien geht hervor, dass mit einer statistisch signifikanten Verbesserung des Hautbilds erst am Ende des dritten Zyklus nach Behandlungsbeginn gerechnet werden kann. Bei der Verschreibung kombinierter oraler Kontrazeptiva sollten die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO (World Health Organization) beachtet werden (Tabelle 1). In Einzelfällen kann auch der Aldosteronrezeptorantagonist Spironolacton (z.B. Aldactone®) bei Akne von Nutzen sein. Von der FDA ist die Anwendung als Antiandrogen allerdings nicht zugelassen. Spironolacton gehört zur Schwangerschaftskategorie C.
Isotretinoin
Orales Isotretinoin reduziert die Sebumproduktion, die Anzahl der Akneläsionen und die Narbenbildung. Diese Substanz wurde von der FDA zur Behandlung schwerer behandlungsresistenter nodulärer Akne zugelassen. Bei der Anwendung ist zu beachten, dass der Wirkstoff auch die Stimmungslage beeinflussen kann. Zu Baseline und bis zum Ansprechen auf die Behandlung wird zudem die regelmässige
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FORTBILDUNG
Überwachung der Leberfunktion, des Serumcholesterins und der Triglyzeride empfohlen. Ein vollständiges Blutbild ist nicht routinemässig erforderlich. Da Isotretinoin stark fruchtschädigend wirkt, muss sichergestellt werden, dass die Patientin bei Behandlungsbeginn nicht schwanger ist und während der Behandlung nicht schwanger wird. Alle Patienten sollten vor Behandlungsbeginn über die zahlreichen Nebenwirkungen und Risiken im Zusammenhang mit Isotretinoin informiert werden.
Weitere Optionen und Ernährung
Zur Wirksamkeit physikalischer Methoden wie gepulstem Farbstofflaser und chemischen Peelings mit Glykolsäure (nicht im AK der Schweiz) liegt nur eine begrenzte Evidenz vor. Zur Behandlung einzelner Akneknoten können intraläsionale Kortikosteroidinjektionen von Nutzen sein. In zwei klinischen Studien hat sich topisches Teebaumöl als wirksam bei Akne erwiesen. Die Effektivität war mit BP vergleichbar, Teebaumöl wurde aber besser vertragen.
Bis anhin liegen keine speziellen Ernährungsempfehlungen
bei Akne vor. In zwei kleinen Studien wurde allerdings eine
signifikante Verbesserung des Hautbilds unter einer Diät mit
geringer glykämischer Last beobachtet.
O
Petra Stölting
Quelle: Work Group: Zaenglein AL et al.: Guidelines of care for the management of acne vulgaris. J Am Acad Dermatol 2016 Feb 15, pii: S0190-9622(15)02614-6, doi: 10.1016/j.jaad.2015.12.037.
Interessenkonflikte: Die Erarbeitung der Leitlinie wurde nicht von medizinischen oder pharmazeutischen Unternehmen finanziert. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe haben Gelder von unterschiedlichen Pharmaunternehmen erhalten.
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