Transkript
BERICHT
Evidenzbasierte topische Psoriasistherapie
Kortikosteroide und Kombinationen mit Vitamin-D3-Analoga im Vordergrund
Bei vielen Patienten mit Plaquepsoriasis sind topische Behandlungen ausreichend wirksam. Zahlreiche Studien helfen bei der Auswahl geeigneter Therapien. Da mündliche Therapieanleitungen häufig missverstanden werden, ist es wichtig, den Patienten klar formulierte, gut verständliche Behandlungsinstruktionen in schriftlicher Form mitzugeben. Über die topische Psoriasistherapie sprach PD Dr. Antonio Cozzio, Leiter der Dermatologischen Poliklinik, Universitätsspital Zürich, an der Fortbildung «Leichte und schwere Psoriasis – Wie behandle ich im Jahr 2016?» der Dermatologischen Klinik am USZ.
Alfred Lienhard
Auch bei der topischen Therapie sollte eine gezielte Erfolgsbeurteilung durchgeführt werden. Wenn die topische Behandlung bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer Psoriasis eine PASIReduktion von mindestens 75 Prozent bewirkt hat, kann sie weitergeführt werden. Bei geringerem Behandlungserfolg sollte, abhängig von der Beeinträchtigung der Lebensqualität, eine Änderung der Behandlungsstrategie erwogen werden.
Induktionstherapie
mit topischen Kortikosteroiden
Für die Induktionstherapie eignen sich topische Kortikosteroide der Stärkeklasse IV wie etwa Clobetasolpropionat (Dermovate®), wobei darauf zu achten ist, dass die Behandlungsdauer 4 Wochen, das Behandlungsareal 10 Prozent der Körperoberfläche und die applizierte Menge 50 Gramm pro Woche nicht überschreiten. Metaanalysen zeigen, dass hochpotente Klasse-IV-Steroide die wirksamste Behandlung bei Plaquepsoriasis im Bereich von Körper und Kopfhaut darstellen. Gut sei die Evidenzlage auch für die Induktionstherapie mit Kombinationen von Vitamin-D3-Analoga (VD) und topischen Kortikostero-
iden (Topical CorticoSteroids, TCS), so der Referent. Bei topischen Kortikosteroiden ist die 1-mal tägliche Anwendung ausreichend. Häufigere Applikation verbessert den therapeutischen Effekt nicht weiter. Vergleichsstudien mit verschiedenen Kortikosteroiden (z.B. Klasse-III- vs. Klasse-IV-Steroide) fehlen. Okklusion ist eine wirksame Behandlungsvariante. In einer 30-tägigen Vergleichsstudie reduzierte das stark wirksame Klasse-III-Kortikosteroid Betamethasonvalerat in Cremeform (0,12%) bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer chronischer Plaquepsoriasis den PASI um 39,5 Prozent. In Pflasterform (Betesil®) war die Wirksamkeit dagegen deutlich höher mit einer PASIReduktion von 61,7 Prozent (1).
Erhaltungstherapie
mit topischen Kortikosteroiden
Zur langfristigen Erhaltungstherapie kann eine intermittierende Behandlung mit einem Steroid der Klasse III oder IV verwendet werden (3 Applikationen nacheinander 1-mal pro Woche, danach Wochenendtherapie). In einer plazebokontrollierten Doppelblindstudie applizierten Psoriasispatienten nach erfolgreicher Induktionstherapie wäh-
rend bis zu 6 Monaten jede Woche im Abstand von jeweils 12 Stunden 3-mal augmentierte BetamethasondipropionatSalbe 0,05% (2). Die Remission blieb damit bei 60 Prozent der Patienten erhalten, in der Plazebogruppe dagegen nur bei 20 Prozent. Augmentiertes Betamethasondipropionat (Diprolen®) enthält Propylenglykol als Penetrationsverstärker. Zur Erhaltungstherapie bei Kopfhautpsoriasis kann ein Steroid der Stärkeklasse III oder IV wie Clobetasolpropionat (z.B. Clobex® Shampoo, Clarelux® Schaum, Dermovate® Scalp Application) entweder als Therapie bei Bedarf (wenn Symptome auftreten) oder als regelmässige Therapie intermittierend (z.B. am Wochenende) eingesetzt werden (3).
Topische Kortikosteroide
in der Schwangerschaft
Malformationsrate (Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte) und Frühgeburtlichkeit werden durch Anwendung topischer Kortikosteroide aller Stärkeklassen in der Schwangerschaft nicht erhöht (4–6). Ein kleines Risiko für Plazentainsuffizienz und erniedrigtes Geburtsgewicht (small-for-date babies, SGA) besteht, wenn potente und sehr potente topische Steroide im 3. Trimester in grösserer Menge (über 300 g) verwendet werden (5). Kein derartiges Risiko ist bei Anwendung schwach und mittelstark wirksamer Kortikosteroide vorhanden (6). Wenn topische Steroide erforderlich sind, sollten in der Schwangerschaft Präparate der Stärkeklassen I bis III bevorzugt werden. Der Referent empfahl doppelt veresterte Steroide mit raschem Abbau in der Haut und ohne systemische Nebenwirkungen, beispielsweise Prednicarbat (Prednitop®, Prednicutan®), Methylprednisolonaceponat (Advantan®) und Mometasonfuroat (Elocom®, Monovo®).
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ARS MEDICI 9 I 2016
BERICHT
Induktionstherapie mit Vitamin-
D3-Analoga und Kortikosteroiden
Als Induktionstherapie bei Plaquepsoriasis ist die Kombination eines Vitamin-D3-Analogons mit einem topischen Kortikosteroid (VD/TCS) doppelt so effektiv wie ein VD allein. Dies zeigt eine systematische Übersicht von 9 randomisierten, kontrollierten Studien (7). Auch für die Skalpbehandlung ist die Kombinationstherapie signifikant besser (objektiv und bezüglich Lebensqualität) als die beiden Monotherapien (7). In einer 4-wöchigen randomisierten, kontrollierten Doppelblindstudie wurde gezeigt, dass die 1-mal tägliche Anwendung des Kombinationsprodukts Calcipotriol/Betamethasondipropionat in Salbenform (Daivobet® Salbe) ebenso effizient ist wie die 2-mal tägliche Anwendung (PASI-Reduktion 68,6 Prozent bzw. 73,8 Prozent, Unterschied statistisch nicht signifikant und klinisch nicht relevant) (8). Auch die Kosteneffizienz spricht für die Kombinationsbehandlung 1-mal täglich. Zwar sind die Kosten pro Gramm höher als bei VDMonotherapien, aber die Erfolgsrate der Kombinationstherapie ist wesentlich höher. Unter dem Strich (Kosten pro Erfolg) erweise sich die Kombinationstherapie als günstiger im Vergleich zu Monotherapien, so der Referent.
Erhaltungstherapie mit Vitamin-
D3-Analoga und Kortikosteroiden
Im Anschluss an die während 4 Wochen durchgeführte Induktionstherapie gilt es, eine Erhaltungstherapie auszuwählen. Dabei helfen die Resultate von drei Langzeitstudien mit einem Follow-up von 6 Monaten (2 Studien)
beziehungsweise 12 Monaten (3. Studie) (7). Die erste Studie spricht für den Einsatz von VD unter der Woche und von TCS am Wochenende. Diese Behandlungsform ist der alleinigen TCSTherapie am Wochenende überlegen. Dass topische Steroide zur Erhaltungstherapie einen wichtigen Beitrag leisten, zeigt die zweite Studie. Die Behandlung mit VD unter der Woche und TCS am Wochenende erwies sich als bessere Therapieform als VD unter der Woche und Vehikel am Wochenende. In der dritten, wesentlich grösseren Studie (n = 634) zeigte sich für die Erhaltungstherapie mit der Kombination Calcipotriol/Betamethasondipropionat (1-mal täglich bei Bedarf) nach 12 Monaten ein Trend zu besserer Wirksamkeit im Vergleich zur Erhaltungsmonotherapie mit Calcipotriol 1-mal täglich (zufriedenstellender Erfolg in 84 bzw. 70%) (7,9). In einem Übersichtsartikel zur topischen Erhaltungstherapie halten deutsche Experten fest (9): O Bei der Skalppsoriasis ist die 1-mal
tägliche Behandlung mit Calcipotriol/Betamethason in Gelform (z.B. Xamiol®) signifikant wirksamer und besser verträglich als die CalcipotriolMonotherapie. In einer 52-wöchigen Studie wurde in 92 beziehungsweise 80 Prozent eine adäquate Symptomkontrolle erreicht. O An den übrigen Körperarealen war mit Calcipotriol/Betamethason ein Trend zu besserer Wirksamkeit nachweisbar. O In direkten Vergleichsstudien war die Verträglichkeit der VD/TCS-Formulierungen besser im Vergleich zu VD-Monopräparaten.
O Die Langzeitbehandlung mit VD/TCS
ist sicher. Die Neigung zu uner-
wünschten Kortikosteroidnebenwir-
kungen wie Hautatrophie und Folli-
kulitis ist gering.
O
Alfred Lienhard
Fortbildungsveranstaltung der Dermatologischen Klinik, Universitätsspital Zürich: «Leichte und schwere Psoriasis – Wie behandle ich im Jahr 2016?»; Vortrag von PD Dr. Antonio Cozzio (Zürich): «Topische Therapie – ungeschlagen», 5. November 2015, Zürich.
Referenzen: 1. Pacifico A et al.: A new formulation of an occlusive
dressing containing betamethasonevalerate 0,1% in the treatment of mild to moderate psoriasis. J Eur Acad Dermatol Venereol 2006; 20: 153–157. 2. Katz HI et al.: Intermittent corticosteroid maintenance treatment of psoriasis: a double-blind multicenter trial of augmented betamethasone dipropionate ointment in a pulse dose treatment regimen. Dermatologica 1991; 183: 269–274. 3. Ortonne JP et al.: Scalp psoriasis: European consensus on grading and treatment algorithm. J Eur Acad Dermatol Venereol 2009; 23: 1435–1444. 4. European Dermatology Forum: Guidelines on Steroids in Pregnancy, 2010, www.euroderm.org/edf 5. Chi CC et al.: Safety of topical corticosteroids in pregnancy. Cochrane Database Syst Rev 2015; 10: CD007346. 6. Chi CC et al.: Evidence-based (S3) guideline on topical corticosteroids in pregnancy. Br J Dermatol 2011; 165: 943–952. 7. Devaux S et al.: Topical vitamin D analogues alone or in association with topical steroids for psoriasis: a systematic review. J Eur Acad Dermatol Venereol 2012; 26 (Suppl 3): 52–60. 8. Guenther L et al.: Efficacy and safety of a new combination of calcipotriol and betamethasone dipropionate (once or twice daily) compared to calcipotriol (twice daily) in the treatment of psoriasis vulgaris: a randomized, double-blind, vehicle-controlled clinical trial. Br J Dermatol 2002; 147: 316–323. 9. Augustin M et al.: Topical long-term therapy of psoriasis with vitamin D3 analogues, corticosteroids and their two compound formulations: position paper on evidence and use in daily practice. J Dtsch Dermatol Ges 2014; 12: 667–682.
Erstpublikation in «Schweizer Zeitschrift für Dermatologie und Ästhetische Medizin» (SZD) 1/16.
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