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POLITFORUM: XUNDHEIT IN BÄRN
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POLITFORUM

Xundheit in Bärn
INTERPELLATION vom 18.12.2015
Woraus bestehen die Windeln, hygienischen Binden und Tampons, die in der Schweiz verkauft werden?

Valérie Piller Carrard
Nationalrätin SP Kanton Freiburg
Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie der argentinischen Universität La Plata enthalten 85 Prozent der hygienischen Binden und Tampons Glyphosat, ein Herbizid, das von Monsanto unter dem Namen Roundup vertrieben wird. Die Erklärung: Beinahe die gesamte Baumwolle, die in Argentinien verwendet wird, ist gentechnisch verändert. Das stark kritisierte Glyphosat stört den Stoffwechsel des Menschen und wird von der WHO als «wahrscheinlich krebserregend» eingestuft. Das ist noch nicht alles: Die Produkte für die Damenhygiene sollen auch Dioxin enthalten, einen langlebigen organischen Schadstoff, der von der WHO klar als krebserregend eingestuft wird. Dioxin kann entstehen, wenn Viskose mit Chlor behandelt wird. Dieses Vorgehen wird von den Produzenten anscheinend angewandt, um ihre Produkte zu bleichen. Das Problem liegt darin, dass die grössten Hersteller sich weigern, die Bestandteile dieser Produkte preiszugeben. Die Befürchtung, unfreiwillig giftigen Substanzen ausgesetzt zu sein, erklärt den riesigen Erfolg, den die Petition einer jungen Französin zurzeit verzeichnet, die nach mehr Transparenz verlangt. Sowohl in der Schweiz als auch in anderen europäischen Ländern gelten die hygienischen Binden und Tampons als Gebrauchsgegenstände, und nichts zwingt

die Hersteller, die Liste der Bestandteile offenzulegen. Nur ein spezieller Status, wie ihn beispielsweise Medikamente haben, würde die Hersteller zwingen, alle Bestandteile auf der Verpackung aufzuführen. Wir haben das Recht zu wissen, was die Gegenstände beinhalten, die wir direkt auf der Haut oder sogar in uns tragen. Deshalb bitte ich den Bundesrat um die Beantwortung der folgenden Fragen: 1. Ein Grossteil der Schweizer Be-
völkerung benutzt die erwähnten Produkte. Sollte die Tatsache, dass diese Produkte möglicherweise giftige Substanzen enthalten, von den Behörden nicht stärker beachtet werden? Ist der Bundesrat nicht der Ansicht, es sei von grundlegender Bedeutung, die genaue Zusammensetzung der Damenhygieneprodukte und Windeln zu kennen? 2. Für diese Art von Produkten gilt in der Schweiz das Prinzip der Selbstkontrolle. Die Hersteller, Importeure und Verteiler müssen sicherstellen, dass die Produkte, die sie in Verkehr bringen, den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Ist es nicht etwas blauäugig, Grossunternehmen wie beispielsweise Johnson & Johnson oder Procter & Gamble, die diese Produkte herstellen, blind zu vertrauen? 3. Es handelt sich hier um ein Produkt, das eine Frau durchschnittlich einen Fünftel ihres Lebens lang im Körper trägt, das heisst, das direkt mit den Schleimhäuten in Kontakt kommt, die definitionsgemäss sehr aufnahmefähig sind. Verdient ein solches Produkt nicht einen speziellen Status?

Und das antwortete der Bundesrat am 24.2.16 (minim gekürzt)
Die Studie der argentinischen Universität La Plata weist in gewissen Hygieneartikeln Glyphosat nach, äussert sich jedoch nicht zu den Messwerten in Bezug auf die Gesundheitsrisiken für die Benutzerinnen. Die in dieser Studie gemessenen Glyphosatwerte bewegen sich jedoch in Konzentrationen, die tausendmal geringer sind als diejenigen Werte, die in Lebensmitteln als gesundheitlich unbedenklich festgelegt worden sind. 1. In der Schweiz werden Windeln, Binden und Tampons als Gebrauchsgegenstände betrachtet und müssen daher den Anforderungen der Gesetzgebung zu den Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen entsprechen. Die Gesetzgebung verlangt vom Hersteller nicht, dass er die Zusammensetzung dieser Hygieneartikel angibt. Für die in der Interpellation genannten Chemikalien wie Glyphosat oder Dioxin würde diese Pflicht zur Kennzeichnung der Zusammensetzung ohnehin nicht gelten, da sie nicht als Bestandteile, sondern als Schadstoffe eines Bestandteils dieser Windeln, hygienischen Binden oder Tampons gelten würden. Das Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständerecht verlangt nicht, dass die Schadstoffe der Bestandteile deklariert werden. 2. In der Schweiz gilt für diese Art von Produkten der Grundsatz der Selbstkontrolle, wie dies übrigens auch in der EU der Fall ist. Alle potenziellen Risiken dieser Hygieneartikel für die Gesundheit der Konsumentinnen und Konsumenten, auch diejenigen im Zusammenhang mit Schadstoffen, müssen durch den Hersteller beurteilt werden. Falls Risiken festgestellt werden, muss er geeignete Massnahmen ergreifen, um die Unschädlichkeit des Produkts sicherzustellen. Die durch die kantonalen Laboratorien durchgeführten amtlichen Kontrollen überprüfen die Umsetzung der Selbstkontrolle durch die Unternehmen (Risikobeurteilung, ergriffene Massnahmen und schriftliche Erfassung der Massnahmen). Diese Kontrollen beinhalten die Prüfung der Dokumentation und nötigenfalls Analysen. Es wurden noch keine Kontrollen über Glyphosatrückstände durchgeführt. Sollte sich herausstellen, dass Rückstände dieses Schadstoffs eine Gefahr für die Gesundheit darstellen – was nicht der Fall ist, wenn man sich auf die in der Studie gemessenen Werte bezieht –, würde der Bundesrat in Zusammenarbeit mit den kantonalen Laboratorien Kontrollen vorsehen. 3. Die allgemeinen Bestimmungen des Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständerechts legen fest, dass unter normalen oder vorhersehbaren Bedingungen verwendete Gebrauchsgegenstände nur in einer die menschliche Gesundheit nicht gefährdenden Menge Stoffe abgeben dürfen. Um sicherzustellen, dass in Verkehr gebrachte Windeln, Binden und Tampons den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, müssen die Hersteller also heute bereits der besonderen Verwendung dieser Hygieneartikel Rechnung tragen (Verwendungszweck, Kontakt mit sensiblen Körperteilen, Dauer des Kontakts usw.). Aus diesem Grund und in Übereinstimmung mit der EU scheint eine spezifische Regelung für diese Artikel derzeit nicht erforderlich.

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ARS MEDICI 8 I 2016

MOTION vom18.3.2016
Zusammensetzung von Binden und Tampons
Valérie Piller Carrard Nationalrätin SP Kanton Freiburg

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Der Bundesrat wird beauftragt, das Vorsorgeprinzip anzuwenden und Massnahmen zu ergreifen, damit die Öffentlichkeit so genau wie möglich über die Risiken aufgeklärt wird, die die Verwendung von Binden und Tampons birgt. Konkret müssen die Hersteller verpflichtet werden, die Inhaltsstoffe und Verunreinigungen in ihren Produkten anzugeben, sowie deren Toxizität und die Toxizität, die bei der Herstellung entsteht, zu untersuchen.

Begründung Seit Studien in gewissen Tampons und Binden Herbizide und Dioxin nachgewiesen haben, misstrauen Frauen diesen Produkten, die sie regelmässig verwenden und die mit ihrem Intimbereich in Kontakt kommen. Daher rührt auch der Erfolg einer Petition, die fordert, dass die Hersteller die vollstän-

dige Liste der Inhaltsstoffe auf der Verpackung angeben müssen. In Frankreich sind dafür mehr als 220 000 Unterschriften gesammelt worden. Die französische Monatszeitschrift «60 millions de consommateurs» hat vor Kurzem eine Studie veröffentlicht, die die Verunsicherung noch verstärkt; gemäss dieser Studie weisen die geringen Mengen an toxischen Rückständen, die in den Binden und Tampons nachgewiesen wurden, nicht kein Risiko auf. Dioxine und Organochlorpestizide sind endokrine Disruptoren, die sich laut WHO negativ auf die Fort-

pflanzung, die Entwicklung und das Immun- oder Hormonsystem auswirken können und auch krebserregend sein können. In Frankreich plant die Staatssekretärin für Verbraucherschutz, nachdem sie sich mit den Herstellern von Tampons und Binden unterhalten hat, die in Frankreich für Lebensmittelsicherheit, Umweltschutz und Arbeitsschutz zuständige Behörde ANSES zu beauftragen, genauere wissenschaftliche Erkenntnisse über Stoffe wie die Pestizid- und Dioxinrückstände zu gewinnen. Die Methoden, mit denen diese Rückstände in Binden und Tampons nachgewiesen und gemessen werden können, sollen
verbessert und die Auswirkungen auf die Gesundheit der Konsumentinnen soll wissenschaftlich besser untersucht werden. Die Staatssekretärin kündigte an, dass sie sich auch an
die Europäische Kommission wenden wird, damit in Europa darüber nachgedacht wird, welche Sicherheitsvorschriften für diese

Produkte gelten sollen, und damit die Kontrollkampagnen koordiniert werden können. Angesichts dieser Entwicklungen beunruhigt mich die abwartende Haltung, die der Bundesrat in seiner Antwort auf meine Interpellation zum Ausdruck bringt. Auf den Beweis zu warten, dass Binden und Tampons ein Gesundheitsrisiko darstellen, bevor Kontrollen bei den in der Schweiz verkauften Produkten vorgenommen werden, ist unverantwortlich. Es handelt sich hierbei um eine wichtige Frage der öffentlichen Gesundheit.
(Die Antwort des Bundesrats steht noch aus.)

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