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Akupunktur gegen Kreuzschmerz wird nicht mehr empfohlen
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Das britische National Institute for Health and Care Excellence (NICE) wird in seiner für den Herbst 2016 erwarteten Aktualisierung der Therapieempfehlungen für Patienten mit Kreuzschmerzen die Akupunktur nicht mehr empfehlen. Es gebe nicht genügend Beweise, dass die Nadeltherapie besser als eine Scheinbehandlung ist.
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MEDIEN - MODEN - MEDIZIN
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19616
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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN

Orthopädie
Akupunktur gegen Kreuzschmerz wird nicht mehr empfohlen

Das britische National Institute for Health and Care Excellence (NICE) wird in seiner für den Herbst 2016 erwarteten Aktualisierung der Therapieempfehlungen für Patienten mit Kreuzschmerzen die Akupunktur nicht mehr empfehlen. Es gebe nicht genügend Beweise, dass die Nadeltherapie besser als eine Scheinbehandlung sei, so Prof. Mark Baker, Clinical Practice Director am NICE. Empfohlen wird vielmehr Bewegung wie Stretching, Yoga oder aerobes Training sowie

– wie bisher auch – das Weiterführen von Alltagsaktivitäten, soweit dies irgend möglich ist. Auch bei den Schmerzmittelempfehlungen zeichnen sich Änderungen ab. Paracetamol wird nicht mehr als erste Option genannt, sondern nichtsteroide Antiphlogistika (NSAID) in einer möglichst niedrigen Dosis. Opioide sollen zwar nicht routinemässig in Betracht gezogen werden, schwache Opioide seien jedoch mit oder ohne Paracetamol eine Alternative, falls NSAID nicht in Betracht kommen.

Psychotherapie – immer in Kombination mit physischem Training – wird bei fehlendem Erfolg anderer Massnahmen empfohlen beziehungsweise von Anfang an für Patienten, bei denen eine starke psychosoziale Komponente der Beschwerden vermutet wird.
RBOO
Wise J: Nice recommends exercise and not acupuncture for low back pain. BMJ 2016; 352: i1765.

Kardiologie
Q10 senkt Blutdruck vermutlich nicht

Dem frei verkäuflichen Coenzym Q10 wird eine blutdrucksenkende Wirkung zugeschrieben, die Datenlage ist allerdings recht dünn. In einem ersten Cochrane-Review aus dem Jahr 2009 kam man zu dem Schluss, dass es wegen der schlechten Studienqualität offen sei, ob Q10 den Blutdruck langfristig senken kann oder nicht. Nun hat man erneut bis einschliesslich 2015 nach Q10-Studien zur Blutdrucksenkung gesucht, die doppelblind, randomisiert und plazebokontrolliert waren sowie mindestens drei Wochen lang dauerten.

Das Ergebnis ist ernüchternd. Man konnte nur eine Cross-over-Studie mit insgesamt 30 Patienten neu in den Cochrane-Review aufnehmen und dafür eine der älteren, schlechteren Studien herausnehmen. Doch selbst von den jetzt wiederum drei Studien taugten nur zwei wirklich für die Metaanalyse, die dritte hatte ein allzu hohes Biasrisiko, so die Cochrane-Autoren. Bei den 50 Patienten, die am Ende für die CochraneAnalyse übrig geblieben waren, sank der systolische Blutdruck zwar um 3,68 mmHg (95%-Konfidenzintervall: −8,86 bis 1,49 mmHg)

und der diastolische um 2,03 mmHg (95%-KI:

−4,86 bis 0,81), die Konfidenzintervalle

waren aber sehr weit und der Unterschied

zu Probanden ohne Q10 statistisch nicht

signifikant.

Q10 hat vermutlich keinen klinisch relevan-

ten Einfluss auf den Blutdruck. Allerdings

seien neue, gut gemachte Studien nötig, um

eine hieb- und stichfeste Aussage hierzu

formulieren zu können.

RBOO

Ho MJ et al.: Blood pressure lowering efficacy of coenzyme Q10 for primary hypertension. Cochrane Database of Systematic Reviews 2016; Issue 3. Art. No.: CD007435.

© Miriam Dörr – Fotolia.com

Dermatologie
Hautkrebsscreening ist erfolgreich

In Deutschland wurde 2008 ein Hautkrebsscreeningprogramm eingeführt. Die Kosten für die Untersuchung alle zwei Jahre wird von den deutschen Krankenkassen für Patienten ab 35 Jahre bezahlt. Dr. Peter Mohr, Chefarzt an der Klinik für Dermatologie der Elbe Kliniken Buxtehude, zog am deutschen Krebskongress gegenüber dem Nachrichtendienst Medscape eine positive Bilanz. Es müssen 620 Personen gescreent werden, um ein malignes Melanom zu entdecken, beim Spinaliom sind es 920 und beim Basaliom 184 Personen. Die Untersuchung ist jedoch nicht invasiv und dauert nicht lange. Das Argument, man verunsichere Personen unnötig mit unklaren Befunden,

das bei anderen Krebsscreeningprogrammen immer wieder vorgebracht werde, lässt Mohr für das Hautkrebsscreening nicht gelten. Die Number Needed to Excise (NNE), das heisst die Anzahl der sich im Nachhinein tatsächlich als maligne herausstellenden verdächtigen Hautexzisate, sei jeweils sehr niedrig. Der Verdacht auf Basalkarzinome sei histologisch bei jedem zweiten Exzisat bestätigt worden, beim Plattenepithelkarzinom bei jedem vierten und bei den potenziellen malignen Melanomen war es bei 1 von 15 Exzisaten. «Mithilfe von Hochrechnungen zur Inzidenz der drei Tumorarten lässt sich ermitteln, dass wir mit dem Screening pro Jahr etwa 80 000

bösartige Hauttumoren in einem frühen

Stadium entdecken und entfernen, wenn

weiterhin – wie derzeit – knapp ein Drittel

der Berechtigten die Vorsorgetermine

wahrnimmt», bezifferte Mohr den Erfolg

des Screeningprogramms.

RBOO

Hautkrebs-Screening ein voller Erfolg: Jährlich 80 000 maligne Tumoren frühzeitig entdeckt und entfernt. Medscape. 17. März 2016.

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ARS MEDICI 7 I 2016

MEDIEN, MODEN, MEDIZIN

Neurologie
Transkranieller Gleichstrom bei der Rehabilitation nach Schlaganfall

Bei der transkraniellen Gleichstromstimulation (tDCS) wird mittels zwei Schwämmchen am Kopf Gleichstrom durch bestimmte Gehirnareale geschickt. Dies führt zu einer Veränderung der neuronalen Aktivität in diesem Areal, die je nach Applikation gesteigert, aber auch gehemmt werden kann. Die tDCS wird unter anderem auch in der Rehabilitation bei Patienten nach einem Hirnschlag angewendet. In einem aktulisierten Cochrane-Review (1) ging man nun der Frage nach, ob Alltagsaufgaben, Arm- und Beinfunktion, Muskelkraft und Kognition durch tDCS bei Schlaganfallpatienten positiv beeinflusst werden können. Man suchte nach entsprechenden Studien bis Februar 2015. In die Analyse wurden 32 Studien mit insgesamt 748 Teilnehmern einbezogen. Der Behinderungsgrad der Patienten war mittelschwer bis schwer. Im Detail gab es zahlreiche Variationen der tDCS (Stromstärke, Dauer der Anwendung etc.). In allen Studien erhielt die Vergleichsgruppe entweder eine scheinbare tDCS (Plazebo) oder eine andere aktive Therapie. Es zeigte sich, dass die tDCS tatsächlich das Wiedererlernen alltäglicher Aufgaben erleichtern kann. Hinsichtlich der Arm- und der Beinfunktion sowie der Muskelkraft zeigte sich in den vorliegenden Studien keine positive Wirkung der tDCS. Wenig ist bisher bekannt über die Wirkung der tDCS auf kognitive Fähigkeiten (inklusive Neglect) nach einem Schlag-

anfall. Nur 4 Studien mit insgesamt 41 Patien-

ten wurden dazu gefunden, konnten aber

nicht statistisch zusammen ausgewertet wer-

den, weil dafür nötige Daten nicht vorhanden

waren; in 3 der 4 Studien wurde von einem

positiven Effekt berichtet. Weitere Studien

sind nötig, um diese Frage zu klären. Ver-

mutlich wird man nicht allzu lange auf neue

Erkenntnisse warten müssen, denn die Coch-

rane-Autoren fanden bei der Suche nach

einschlägigen Studien für ihren Review nicht

weniger als 55 zurzeit noch laufende tDCS-

Studien mit Schlaganfallpatienten.

Einem anderen Phänomen, der Aphasie nach

einem Schlaganfall, widmeten sich die Auto-

ren einer kleinen, kürzlich vorgestellten Stu-

die (2). Sie behandelten 26 Schlaganfallpa-

tienten mit chronischer Aphasie zwei Wochen

lang mit tDCS. Die Therapie verbesserte vor

allem das Vermögen der Patienten, Gegen-

stände korrekt zu benennen. Die Betroffenen

konnten aber auch Alltagssituationen, etwa

beim Einkauf oder Arztgesprächen anschlies-

send leichter durchführen, heisst es in einer

Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft

für Klinische Neurophysiologie und Funktio-

nelle Bildgebung (DGKN).

RBOO

1. Elsner B et al.: Transcranial direct current stimulation (tDCS) for improving activities of daily living, and physical and cognitive functioning, in people after stroke. Cochrane Database of Systematic Reviews 2016; Issue 3. Art. No.: CD009645.
2. Meinzer M et al.: Electrical stimulation of the motor cortex enhances treatment outcome in post-stroke aphasia, 2016; 139 (Pt 4): 1152–1163.

Chirurgie
Geplatzte Darmnaht: Nicht immer ist der Chirurg schuld

Nach der Entfernung eines erkrankten Darmabschnitts muss der Chirurg die Verbindung zwischen den Darmenden wiederherstellen. Technisch eigentlich kein Problem, doch auch die perfekte Naht ist keine Garantie, dass zusammenwächst, was zusammengefügt wurde. Im ungünstigsten Fall entsteht in der Nahtreihe der Darmwand ein Loch, und Stuhl gelangt in den Bauchraum. Bislang wurden die Ursachen für diese Anastomoseninsuffizienz bei den Chirurgen gesucht. Neuere Forschungsergebnisse rücken nun das Mikrobiom in den Fokus. So konnte man zeigten, warum und auf welche Weise

Bakterien chirurgische Komplikationen nach Operationen am Gastrointestinaltrakt verursachen. Die Operation verändert die Zusammensetzung der Mikroorganismen im Darm und verschieben das Profil zu eher ungünstigen, die Wundheilung störenden Bakterien. Das intraoperative Auftragen von Antibiotika im Darmtrakt kann die Anastomoseninsuffizienz zwar verhindern, die langfristig bessere Lösung wäre aber das Ansiedeln beziehungsweise die Förderung günstiger Mikroben. Doch das ist noch Zukunftsmusik. DGAV/redO
Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) vom 31. März 2016.

Rückspiegel
Vor 10 Jahren
Hausärztedemo
Am 1. April 2006 demonstrieren in Bern Hausärztinnen und -ärzte vor dem Bundeshaus in Bern. Sie fordern eine Stärkung der Hausarztmedizin.
Vor 50 Jahren
Vier- bis fünfmal zum Arzt
In den USA geht jeder Bürger statistisch betrachtet 4,5-mal pro Jahr zu einem Arzt. Es gibt jedoch erhebliche Unterschiede nach Bevölkerungsschicht. So leisten sich eher die Gebildeten und Wohlhabenderen eine Arztkonsultation. Auch in den Regionen mit Krankenversicherungen ist die Zahl der Arztbesuche höher. Die Pro-Kopf-Zahl aus den Sechzigerjahren in den USA liegt übrigens in einer ähnlichen Grössenordnung wie die Anzahl der Arztbesuche in der Schweiz heutzutage.
Vor 100 Jahren
Appendizitis für Rechtsschläfer
Ein Professor aus Prag vermutet, dass permanentes Auf-der-rechten-Seite-Schlafen eine Blinddarmentzündung auslösen kann, weil der Transport von Stuhl und Gasen erschwert würde. Eine Statistik mit 53 Fällen untermauere seine Therapie. Ausserdem stellt er fest: «Da Bauern härter schlafen als die verwöhnten Städter, wechseln sie häufig ihre Lage im Schlafe; deshalb ist Appendizitis am Lande seltener», so wird er in «Ars Medici» 1916 zitiert.
RBO

ARS MEDICI 7 I 2016