Transkript
STUDIE REFERIERT
Mehr Aufmerksamkeit für Heuschnupfen
Allergische Rhinokonjunktivitis unterdiagnostiziert
Obwohl das Frühjahr auch die Saison für die allergische Rhinitis ist, wird sie häufig nicht als solche erkannt – sei es, weil die laufende Nase und die juckenden Augen für eine Bagatelle gehalten werden, sei es, weil man eher an eine Erkältung denkt. Einer aktuellen Untersuchung zufolge erlauben bereits vier Fragen eine Einschätzung, ob eine weiterführende allergologische Testung eingeleitet werden sollte (1).
Clinical Respiratory Journal/World Allergy Organization Journal
Auch wenn die Beschwerden einer allergischen Rhinitis (AR) oft als Bagatelle eingeschätzt werden, sind deren Auswirkungen keineswegs gering. Denn die Primärsymptome stören den Schlaf, schränken die intellektuellen Fähigkeiten ein und vermindern die Erholungsmöglichkeiten. Die Folge davon sind wiederum eine eingeschränkte Lebensqualität und schlechte Leistungen in Schule und Beruf. Zudem ist die allergische Rhinitis häufig mit weiteren
Konjunktivitis im Brennpunkt
Häufig vernachlässigt wird ein oft quälendes Begleitsymptom der AR: die Konjunktivitis. Die Augen jucken, tränen, sind gerötet; die Patienten blinzeln sehr häufig und reiben sich die Augen, was wiederum zu Lidekzemen führen kann. Gelegentlich sind diese Symptome nicht so vorherrschend beziehungsweise gehen in den anderen Rhinitissymptomen unter. Wie häufig die Konjunktivitis zusammen mit der AR auftritt, hat eine australische Studiengruppe um Professor Dr. Daniel Williams untersucht. 187 konsekutive AR-Patienten wurden explizit auf Augensymptome angesprochen. Allein mit der Befragung konnte bei 55 Prozent der Teilnehmer eine allergische Konjunktivitis diagnostiziert werden. Bei den Patienten, die keine Augenbeschwerden berichteten, wurden antiallergische Augentropfen appliziert. Mit dem topischen Antihistaminikum konnte bei weiteren 41 Prozent der Beschwerden-Score der Konjunktivitis gemindert werden (3). Fazit: Eine Konjunktivitis ist bei fast allen (95%) Patienten mit allergischer Rhinitis ein Begleitsymptom.
Komorbiditäten (z.B. Rhinosinusitis, Asthma, Konjunktivitis) assoziiert beziehungsweise stellt einen unabhängigen Risikofaktor für die Entwicklung eines Asthmas dar. Viele Patienten aber suchen wegen der vermeintlichen Befindlichkeitsstörung gar nicht den Arzt auf, sie behandeln sich mit Hilfe der Apotheker selbst oder halten die oft nur saisonal begrenzten Beschwerden einfach aus. Der allergischen Rhinitis kommt nicht die nötige Aufmerksamkeit zu; sie ist unterdiagnostiziert lautet denn auch das Fazit einer dänischen Studie. Das Team von Dr. Christian Grønhøj Larsen von der Universität Kopenhagen hat 1277 Patienten, die mindestens ein Rhinitissymptom angaben, eingehend hinsichtlich ihrer Atemwegsbeschwerden befragt und einem Prick-Test unterzogen. Dabei konnte bei 23 Prozent der Teilnehmer eine allergische Rhinitis definitiv nachgewiesen werden, von denen 43 Prozent keinerlei Therapie erhalten hatten (2).
Mit vier Fragen der AR auf der Spur
Für den Hausarzt ist es nicht einfach, die allergische Rhinitis zu diagnostizieren, zumal wenn die Erkältungszeit und die (Frühblüher-)Pollensaison zusammenfallen. Um Abhilfe zu schaffen, haben italienische Allergologen einen kurzen Fragebogen entwickelt, mit dem der Arzt den Verdacht auf AR erhärten kann. Professor Dr. Maurizio Galimberti und Kollegen stellten 401 Patienten mit nasalen Symptomen neun Fragen und unterzogen sie anschliessend einem Prick-Test auf inhalative Allergene. Bei 78 Prozent der Teilnehmer bestätigte sich mit dem
Prick-Test der Verdacht auf eine allergische Rhinitis, bei 22 Prozent fiel der Test negativ aus. Bei der näheren Analyse kristallisierten sich vier Fragen als wegweisend für die weitere Diagnostik heraus: 1. Haben Sie Eltern/Blutsverwandte, die
an Heuschnupfen oder Asthma leiden? 2. Verschlimmern sich Ihre Nasen- oder Augenbeschwerden im Frühling? 3. Hatten Sie schon einmal Husten oder Atemnot während einer Anstrengung? 4. Benutzen Sie häufig Nasensprays?
Wurden die Fragen 2 bis 4 mit «ja» be-
antwortet, ergab sich eine Wahrschein-
lichkeit von 85 Prozent für einen posi-
tiven Prick, das heisst für eine manifeste
AR – auch ohne Berücksichtigung der
Familienanamnese. In diesen Fällen
können Hausärzte und Nichtallergolo-
gen von einem Bedarf für eine weitere
Abklärung durch den Allergologen
ausgehen. Zielgerichtet könne so eine
Verbesserung der Zuweisungen er-
reicht und damit die Anzahl nicht ange-
messener Testungen reduziert werden,
hoffen die Autoren. Dadurch können
nicht nur Kosten vermieden, sondern
auch Hinweise für das Management der
Beschwerden abgeleitet werden, das sich
bei allergischer und nicht allergischer
Ursache der Rhinitis unterscheidet.
Denn allein aufgrund der Rhinitissym-
ptome – die bei allergischer und nicht
allergischer Genese gleich ausfallen –
würden viele Patienten (in der Studie
etwa 30%) unnötig einer allergologi-
schen Abklärung zugewiesen werden.
Bei einem Nein auf Frage 2 hingegen
kann eine nasale Zytologie dazu beitra-
gen, nicht allergische Formen der Rhi-
nitis weiter zu unterscheiden, so die
Autoren.
O
Angelika Ramm-Fischer
Referenzen: 1. Galimberti M et al.: Catching allergy by a simple question-
naire. World Allergy Organization Journal 2015; 8: 16. 2. Larsen CG et al.: Allergic rhinitis is often undiagnosed and
untreated: results from a general population study of Danish adults. Clin Respir J 2013; 7: 354–358. 3. Williams D et al.: Recognition of allergic conjunctivitis in patients with allergic rhinitis. World Allergy Organization Journal 2013; 6: 4.
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ARS MEDICI 6 I 2016