Transkript
FORTBILDUNG
Diabetische Retinopathie und Makulopathie nehmen zu
Ein Update zu Ursachen und Folgen des Diabetes mellitus an den Augen
Die Zahl der Patienten, die an einem Diabetes mellitus leiden, wird in den nächsten Jahrzehnten erheblich zunehmen, und damit auch die Zahl derjenigen, die in der Folge der Erkrankung eine Sehbehinderung entwickeln. Der folgende Beitrag behandelt wesentliche Faktoren diabetischer Sehstörungen, zeigt die präventive Bedeutung der Einstellung von Blutzucker, Blutdruck und Lipiden und skizziert die aktuellen Therapieoptionen.
Justus G. Garweg
MERKSÄTZE
O Die Prävalenz von Spätkomplikationen des Diabetes mellitus, insbesondere des Typs 2, dürfte sich in den nächsten 20 Jahren verdoppeln. Eine diabetische Retinopathie mit bis zu 29 Prozent und Makulopathie mit bis zu 18 Prozent sind häufige Komplikationen.
O Sehstörungen sind ein Spätsymptom der bereits fortgeschrittenen Augenbeteiligung. Die Prävention, nicht die Therapie von Sehstörungen, ist entscheidend für eine langfristige Erhaltung der Sehfunktion.
O Eine konsequente Behandlung auch der vaskulären Begleiterkrankungen (Hypertonus und Arteriolosklerose infolge der Dyslipidämie) kann das Auftreten mikrovaskulärer Komplikationen im Allgemeinen sowie der diabetischen Retinopathie und Makulopathie um Jahre hinauszögern und ist damit als kosteneffiziente Präventivmassnahme anzusehen.
O Moderne pharmakologische Therapieoptionen ermöglichen – dies allerdings mit einem für die Patienten recht hohen Aufwand – eine Stabilisierung der Sehfunktion oft auch noch bei fortgeschrittenen diabetischen Veränderungen.
O Nur die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Diabetologen, Nephrologen, Angiologen, Ophthalmologen und Hausärzten kann eine Prävention und Progressionskontrolle diabetischer Sekundärerkrankungen erreichen.
Nach WHO-Schätzungen lag die weltweite Prävalenz des Diabetes mellitus (DM) im Jahr 2000 bei 2,8 Prozent und wird bis 2030 auf 4,4 Prozent ansteigen (1). Damit wird die Zahl der Diabetiker von derzeit circa 228 auf 366 Millionen ansteigen und sich in den nächsten 15 Jahren auch die Zahl der Patienten mit einer diabetesbedingten Sehbehinderung verdoppeln. Die Augenbeteiligung bei Diabetes (diabetische Retinopathie [DRP]) und diabetische Makulopathie [diabetisches Makulaödem = DME]) ist die wichtigste Ursache für einen Visusverlust und Erblindung bei Patienten im arbeitsfähigen Alter (20- bis 65-jährige). Eine diabetische Retinopathie findet sich bei jedem dritten Patienten mit Diabetes, in der Schweiz sind nach BAG-Schätzungen bis zu 5 Prozent aller Männer und 4 Prozent der Frauen betroffen. Unter den über 40-jährigen Patienten beträgt der Anteil mit diabetischer Retinopathie weltweit bis zu 40 Prozent, darunter 8,2 Prozent mit visusrelevanter diabetischer Makulopathie (2, 3).
Die Rolle der Komorbidität für den Verlauf des Diabetes
Ein Grossteil der sehr komplexen Pathophysiologie des Diabetes mellitus ist nach wie vor unklar. Erhöhte Blutzuckerwerte als Biomarker der Schwere der Stoffwechselstörung sind grundsätzlich prädiktiv für den langfristigen klinischen Verlauf der Erkrankung, reichen jedoch nicht aus, um im Einzelfall klinischen Verlauf und Komplikationen zu erklären. Denn selbst eine perfekte Blutzuckereinstellung kann zwar den Zeitpunkt von Komplikationen beeinflussen, das Fortschreiten der offensichtlich multifaktoriellen Erkrankung jedoch nicht verhindern (4, 5). Andere, unter anderem genetische und ethnische Faktoren sowie Ernährung und Lebensgewohnheiten haben mindestens eine katalysierende Wirkung (6–8). Folglich lassen sich auch das Auftreten und die Schwere einer diabetischen Retinopathie (DRP) nicht vorhersagen. Während die DRP Ausdruck einer fortgeschrittenen mikrovaskulären Schädigung ist, kann die diabetische Makulopathie auch ohne offensichtliche retinale mikrovaskuläre Veränderungen auftreten, weshalb dann eine angiografische Standortbestimmung sinnvoll ist. Mikrovaskuläre Veränderungen sind bei Diagnosestellung bereits bei knapp 18 Prozent der Typ-2-Diabetiker zu finden. Das bedeutet, dass vermutlich die Diagnose in bis zu einem Fünftel der Fälle Jahre bis Jahrzehnte nach Beginn der Stoffwechselerkrankung gestellt wird.
Frühe systemische Prävention
Die mikrovaskulären Veränderungen an Augen und anderen Organen korrelieren mit der Dauer und Schwere des
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Alle Abbildungen: © Garweg
pathie zu verlangsamen, bevor fortgeschrittene Stadien erreicht werden (9).
Abbildung 1a: Fortgeschrittene diabetische Retinopathie und Makulopathie: B = Blutung, P = Protein - und Lipidablagerung, L = Laserherd, N = N. opticus, G = Gefässe, M = Makula
Blutzucker, Lipide und Blutdruck kontrollieren
Die Strategie beinhaltet nicht nur eine möglichst gute Blutzuckerkontrolle, wie in der DCCT (Diabetes Control and Complications Trial) und der UKPDS (UK Prospective Diabetes Study) gezeigt wurde. Der Stellenwert einer Therapie der Dyslipidämie zusätzlich zur Kontrolle der Stoffwechseleinstellung kann das Risiko makro- und mikrovaskulärer Komplikationen erheblich reduzieren, wie die ACCORDStudie (10) gezeigt hat: Wenn neben einer guten Blutzuckerkontrolle auch eine gute Blutdruckkontrolle mit Zielwerten von 130/90 mmHg erreicht wird, kann die Progression einer vorliegenden diabetischen Retinopathie um 33 Prozent reduziert werden. Dass eine multifaktorielle therapeutische Intervention sehr viel Sinn macht, wurde in der Steno-II-Studie an Patienten mit Diabetes mellitus Typ II und Mikroalbuminurie gezeigt: nach knapp 8 Jahren strikter Kontrolle nicht nur des Blutzuckers, sondern auch des Blutdruckes sowie der Dyslipidämie mit konsekutivem Rückgang der Mikroalbuminurie konnte das Neuauftreten mikrovaskulärer Veränderungen, insbesondere auch der diabetischen Retinopathie, um etwa 50 Prozent gesenkt werden (11, 12).
Präventive Therapie kosteneffizient
Inzwischen hat sich der Diabetes Typ II zu einer weltweiten Epidemie entwickelt und verursacht heute bei uns Kosten in Höhe von mindestens 4 Prozent der gesamten Gesundheitskosten (BAG-Schätzung 2012). Wegen der hohen Folgekosten für die Behandlung der Diabeteskomplikationen ist eine präventive Therapie trotzdem bei Weitem kosteneffizient (13). Andererseits ist davon auszugehen, dass mit all den neuen systemischen therapeutischen Möglichkeiten sehr viel mehr Diabetiker bei relativ guter Lebensqualität spätere Stadien ihrer Mikroangiopathie erreichen und damit das Risiko, eine schwere Sehbehinderung zu erleben, deutlich grösser wird.
Abbildung 1b: Angiografischer Befund: Die Papille fluoresziert vermehrt wegen einer Fluoreszein-Leckage infolge der Angiopathie auch an der Papille (P). In der Makula zeigt sich die typische zystoide Ödemstruktur (CME), die kleinen aufleuchtenden Punkte entsprechen Mikroaneurismata (M) mit dem typischen hyperfluoreszenten Hof als Ausdruck der Leckage und die wolkigen Aufhellungen überall diffusen Gefässleckagen (L) aus defekten Kapillaren auch ausserhalb der Makula.
Diabetes, aber andere, vermutlich mindestens so relevante Faktoren steuern Beginn und Verlauf der Mikroangiopathie und der Retinopathie. Nach grossen Feldstudien mit Level-IEvidenz wird deshalb eine früh einsetzende präventive systemische Therapie diabetischer Begleiterkrankungen empfohlen, um das Auftreten und die Progression der Mikroangio-
Epidemiologische Informationen
Epidemiologische Daten zum Einfluss der Therapie auf langfristige Inzidenz und Progression der diabetischen Retinopathie und Makulopathie liegen nicht vor. Nach der bereits 30 Jahre alten, aber bisher nach wie vor wichtigsten epidemiologischen Studie zur DRP, der Wisconsin Epidemiologic Study of Diabetic Retinopathy (WESDR), wird angenommen, dass die Prävalenz des diabetischen Makulaödems bei bekanntem Diabetes mellitus Typ I und Typ II nach 20 Jahren bei etwa 28 Prozent liegt (14, 15). Bei insulinpflichtigem Diabetes mit einer Erstmanifestation vor dem 30. Lebensjahr liegt eine DRP nach 10 Jahren bereits in 20 Prozent vor, bei über 30-Jährigen mit insulinpflichtigem Diabetes sogar bei 25,4 Prozent, wohingegen über 30-Jährige mit nicht insulinabhängigem Diabetes eine Inzidenz von 13,9 Prozent zeigen (16). Die kumulative Inzidenz über 25 Jahre bei Typ-1-Diabetikern liegt bei etwa 29 Prozent, für ein DME bei 17 Prozent (17). Dabei wird das sogenannte «klinisch signifikante diabetische Makulaödem» (CSME) definiert als eine Netzhautverdickung mit einem Abstand von bis zu 500 µm von der Fovea, im Zusammenhang mit der diabetischen Netzhautgefäss-Schädigung (18).
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Abbildung 1c: OCT-Befund Gleicher Patient, optische Kohärenztomografie durch die Makula: Man sieht hier die angiografisch dargestellten Zysten im Querschnitt, ausserdem einen adhärenten Glaskörper mit vermutlich leichter Traktion und eine Strukturunregelmässigkeit auch im retinalen Pigmentepithel subfoveal.
Der Sehverlust bei diabetischer Retinopathie
und Makulopathie
Sehstörungen sind ein Spätsymptom des Diabetes und werden in der Regel erst bei fortgeschrittener Krankheitsdauer und fehlender Netzhautbehandlung beobachtet. Gutes Sehen wird trotz des Diabetes oft fälschlicherweise mit einer gesunden, nicht behandlungsbedürftigen Netzhaut gleichgesetzt. Häufigste Ursache der Diabetes-assoziierten Sehstörungen ist eine diabetische Makulopathie, die bei Typ 1-Diabetes um ein Drittel seltener als bei Typ 2 auftritt, wobei in 55 Prozent ein Auge, in 45 Prozent beide Augen betroffen sind. Ein Sehverlust kann aber auch entstehen durch eine Glaskörperblutung bei proliferativer diabetischer Retinopathie oder eine Traktion bzw. traktionsbedingte Netzhautablösung, die Ausdruck einer weitest fortgeschrittenen diabetischen Netzhautschädigung sind. Diese Veränderungen sind als Gewebsreaktion auf eine zunehmende Ischämie in der Netzhaut zu verstehen, im Sinne eines frustranen Versuchs einer Perfusionsverbesserung mit Vasoproliferationen. Wenn die Ischämieareale durch eine Laserbehandlung gezielt zerstört werden, führt dies zu einer Rekompensation des Sauerstoffbedarfs im Gewebe mit Reduktion der Gefässwandleckagen, Gefässaussprossungen und Proliferationen, auch wenn die Perfusion dadurch nicht verbessert wird. Auch der diabetischen Makulopathie liegt eine Gefässschädigung zugrunde, die aber besonders die perifovealen Kapillaren betrifft. Diese kann, muss aber nicht mit ischämischen Netzhautveränderungen vergesellschaftet sein. Hingegen ist sie sehr viel mehr an die systemische Gefässregulation gekoppelt. Dabei spielen die Blutdruckeinstellung, der Fettstoffwechsel, Hämoglobin und Albumin sowie die kardiale Pumpfunktion eine wesentliche Rolle (19–21). Klinisch und angiografisch beobachtet man Lipid- und Proteinablagerungen in der Netzhaut, Punktblutungen, Mikroaneurysmata (Abbildungen 1a und 1b) und mit moderner Bildgebung (optische Kohärenztomografie [OCT]) intraretinale Flüssigkeit und Entzündungszellen in der Retina (Abbildung 1c). Während das Risiko einer Erblindung durch die diabetische Retinopathie mittels Laserbehandlung und Vitrektomie abgenommen hat, ist die diabetische Makulopathie nach wie vor die wichtigste visusbedrohende Komplikation.
Lasern, Chirurgie oder Medikamente?
Während bei proliferativer diabetischer Retinopathie die Laserkoagulation der Netzhaut nach wie vor der Goldstan-
dard ist, wird diese bei DME – bis auf wenige Ausnahmen – nicht mehr empfohlen, da ihre Wirkung intravitrealen antiVEGF- und Steroidtherapien deutlich unterlegen ist (siehe unten). Die vitreoretinale Chirurgie wird heute im wesentlichen bei schwereren Komplikationen der diabetischen Retinopathie mit Glaskörperblutung, Makulatraktion oder traktiver Netzhautablösung erwogen (22). Patienten mit diabetischer Retinopathie haben auch mit all diesen Therapieoptionen eine deutlich reduzierte Lebensqualität in allen Bereichen (23–25).
Liegt der diabetischen Mikroangiopathie
eine entzündliche Pathologie zugrunde?
Als Ursache der sichtbaren Gefässschäden an der Netzhaut wurden erhöhte Konzentrationen des Zytokins VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) sowie multipler anderer Zytokine, insbesondere IL-6 und IL-8, nachgewiesen. Seit 15 Jahren wurden deshalb intravitreal applizierte Steroide, seit inzwischen mehr als 10 Jahren auch anti-VEGF-Präparate eingesetzt, um das diabetische Makulaödem erfolgreich zu behandeln. Nach neuesten Untersuchungen sind auch Akutphase-Zytokine, insbesondere PTX3, bereits in der Frühphase der diabetischen Makulopathie signifikant erhöht und korrelieren besser mit dem Ausmass der Störung der Blut-Retina-Schranke als die VEGF-Konzentration. Deshalb wird inzwischen vermutet, dass proinflammatorischen Entzündungsmediatoren wie PTX3 eine erhebliche Bedeutung in der Entstehung und Frühphase der diabetischen Makulopathie einzuräumen ist (26–28). In den letzten Jahren wurde darüber hinaus nachgewiesen, dass der Entstehung der diabetischen Mikroangiopathie eine retinale Neurodegeneration um Jahre vorausgeht (29). Im Tierexperiment ist diese bereits wenige Monate nach Auftreten eines experimentellen Diabetes, bei Patienten lange vor dem Auftreten von ersten Gefässveränderungen und Sehstörungen feststellbar (30). Im weiteren Verlauf ist auch lange vor klinisch fassbaren vaskulären Veränderungen eine Basalmembranverdickung in den Wänden mittlerer und kleinerer Gefässe als wesentliche strukturelle Veränderung des Diabetes nachweisbar (31). Das Ausmass der Veränderungen korreliert offensichtlich direkt mit der mittleren Höhe der Blutzuckerspiegel. Die Basalmembranverdickung wird über eine Aktivierung der Proteinkinase C, die Produktion von Advanced Glycation Endproducts (AGEs) und freien Sauerstoffradikalen sowie die vermehrte Expression von Matrixproteinen (insbesondere Kollagen und Fibronektin) infolge einer verminderten Aktivität von Matrixmetalloproteinasen, insbesondere MMP2 und MMP9, erklärt (32–34). All diese Veränderungen führen nicht nur zu Schäden an den Augen, sondern erklären auch eine 2- bis 6-fache Erhöhung der kardiovaskulären Mortalität sowie des Fortschreitens der Nephropathie und der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit, die die häufigste Ursache für Amputationen an den unteren Extremitäten ist (35, 36). Entsprechend überrascht es nicht, dass neben der Blutzucker-, Blutdruck- und Fettstoffwechsel-Kontrolle auch der Schweregrad der Nierenschädigung, das Vorhandensein einer Anämie und Schlafapnoe (insbesondere im Rahmen des metabolischen Syndroms) und möglicherweise die Therapie mit Glitazonen wesentliche Risikofaktoren für die Entstehung des DME darstellen (37).
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Hypoxie
diabetische Stoffwechselstörung
Hypertonie
arterielle Gefässwanddilatation
erhöhter intravasaler Druck in Kapillaren und Venen
Schädigung der «tight junctions»
Dilatation der Kapillaren und kleinen Venen
Überdehnung der Gefässwand
Abbildung 2
diabetische Makulopathie
Therapeutische Strategie
Da die fortgeschrittene diabetische Retinopathie Ausdruck einer diabetischen Spätschädigung der kleineren Gefässe ist, hat die Modifikation der systemischen Komorbidität erheblichen Einfluss auf die Progression der Erkrankung (Abbildung 2). Sie kann die Situation jedoch nicht bessern, sodass der Lasertherapie für die Stabilisierung der Retinopathie nach wie vor eine zentrale Rolle zukommt. Ein multifaktorieller Zugang, der nicht nur die Blutzucker- und die Blutdruckkontrolle, sondern auch eine Therapie der Dyslipidämie und vermehrten Thrombozytenaggregation einbezieht und die Folgen einer möglicherweise vorhandenen Nephropathie (Anämie und Albuminverlust) kontrolliert, ist oftmals alleine bereits in der Lage, die Makulopathie und damit die Sehfunktion mindestens vorübergehend zu verbessern (38). Ist auf der Ebene der Kontrolle systemischer Erkrankungen eine Besserung nicht zu erreichen, so ist für die diabetische Makulopathie, aber auch für nicht-proliferative Stadien der DRP eine Behandlung durch intravitreale Medikamentenapplikationen nicht mehr zu umgehen. Dabei stehen antiVEGF-Präparate trotz der hohen Therapiekosten wegen ihrer guten lokalen Verträglichkeit und funktionellen Verbesserung bei offensichtlich klinisch nicht relevant zunehmendem
Risiko vaskulärer Komplikationen im Vordergrund. Dafür
sind in der Schweiz zwei Präparate, Lucentis® und Eylea®,
zugelassen. Sie haben allerdings den Nachteil einer be-
schränkten Wirkdauer und müssen in vielen Fällen alle ein
bis zwei Monate in die betroffenen Augen injiziert werden.
Intravitreal applizierte Steroide wirken deutlich länger, je
nach Steroid jedoch weniger stark und sind mit einem erheb-
lichen Nebenwirkungsprofil (insbesondere Kataraktogenese
und Sekundärglaukom) vergesellschaftet, sodass deren An-
wendung über lange Zeit sehr zwiespältig gesehen wurde.
Mit der Entwicklung von Drug-Delivery-Systemen können
Wirkdauern bis über zwei Jahre erreicht werden. In der Kli-
nik hat seit seiner Zulassung vor einem Jahr das wegen eines
verhältnismässig günstigen Nebenwirkungsprofiles als einzi-
ges Steroid in der Schweiz zugelassene Dexamethason-
Implantat (Ozurdex®) mit einer Wirkdauer von 3 bis 5 Mo-
naten zunehmend Anwendung gefunden. Dieses muss nicht
operativ implantiert werden, sondern kann wie eine anti-
VEGF-Injektion unkompliziert in das Auge injiziert werden,
wird vollständig resorbiert und induziert auch langfristig ver-
hältnismässig wenig Probleme mit dem Augendruck (39). Da
an der Entstehung der diabetischen Makulopathie – wie oben
erwähnt – multiple Faktoren, insbesondere Zytokine, invol-
viert sind, ist anzunehmen, dass die derzeit häufig prakti-
zierte intravitreale Monotherapie mit anti-VEGF-Präparaten
auf die Dauer durch eine Kombinationstherapie ersetzt wird,
die die Entstehung und Unterhaltung der diabetischen
Makulopathie auf verschiedenen Ebenen angeht.
Im Zentrum aller Bemühungen muss aber ein strukturierter
und regelmässiger interdisziplinärer Austausch zwischen
allen betroffenen Disziplinen, Hausärzten, Diabetologen,
Angiologen, Kardiologen, Nephrologen, Neurologen, Podo-
logen und Ophthalmologen stehen, um einen möglichst er-
folgreichen multidisziplinären Zugang zu dem gemeinsamen
Problem der Prävention und Progressionskontrolle der dia-
betischen Sekundärerkrankungen zu erreichen (40).
O
Prof. Dr. med. Justus G. Garweg Berner Augenklinik am Lindenhofspital, Swiss Eye Institute, Bern und Rotkreuz, Universität Bern Bremgartenstrasse 119, 3012 Bern E-Mail: justus.garweg@swiss-eye-institute.com
Interessenkonflikte: keine
Literatur unter www.arsmedici.ch
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