Transkript
23rd UNITED EUROPEAN GASTROENTEROLOGY WEEK
Immer noch wütet der Darmkeim
Auf der Suche nach dem optimalen Umgang mit Helicobacter pylori
Infektionen mit Helicobacter pylori stehen hinter praktisch allen Fällen von peptischen Ulzera, die nicht auf chronischen NSAR-Gebrauch zurückzuführen sind, und stellen auch einen wesentlichen Risikofaktor für Dyspepsie dar. Die entstehenden Kosten für die Gesundheitssysteme sind beträchtlich. Optimierte Strategien zur Eradikation des Bakteriums werden daher dringend gesucht.
Reno Barth
Ungeachtet der hohen Prävalenz und der klinischen Konsequenzen sind zum Management der chronischen Infektion mit H. pylori nur relativ spärliche Daten verfügbar. Mit dem europaweiten Register HP-EUREG wurde nun erhoben, wie in den verschiedenen europäischen Ländern mit der Erkrankung umgegangen wird (1). An dem systematischen, prospektiven Register beteiligten sich 30 Länder, es konnten mehr als 11 000 Patienten eingeschlossen werden, von denen 9181 für die erste Interimsanalyse verfügbar waren. Die Daten zeigen eine ausgeprägte Diversität bei der Behandlung der Erkrankung
MERKSÄTZE
O Die Infektion mit H. pylori wird in Europa mit sehr unterschiedlichen Regimen und suboptimalen Erfolgsraten behandelt.
O Resistente Stämme von H. pylori stellen weltweit ein zunehmendes Problem dar.
O Die Datenlage zu optimalen Therapien resistenter Infektionen ist begrenzt.
O Breites Screening auf H. pylori bringt keine klinischen oder ökonomischen Vorteile.
O Die Eradikation des Bakteriums könnte sich günstig auf eine mit der Infektion assoziierte Thyreoiditis auswirken.
in den verschiedenen Ländern und bei den einzelnen Gastroenterologen. Die häufigsten First-Line-Therapien (61%) waren Tripeltherapien, bestehend aus einem PPI und zwei Antibiotika. Mit wismutfreien Vierfachregimen wurden 16 Prozent der Patienten behandelt, 11 Prozent erhielten sequenzielle Therapien und 7 Prozent Wismutquadrupel. Bei 30 Prozent der Patienten traten Nebenwirkungen auf, die allerdings nur bei 0,3 Prozent zum Abbruch der Therapie führten. Die Eradikationsrate lag insgesamt bei 80 Prozent, lediglich bei 67 Prozent der Therapieversager wurde ein zweiter Therapieversuch unternommen. Die verschiedenen Regime unterschieden sich auch im Hinblick auf ihre Wirksamkeit. Die relativ simple Kombination eines PPI mit Clarithromycin und Amoxicillin über 10 Tage brachte eine Erfolgsrate von 78 Prozent, mit der Vierfachtherapie konnten 92 Prozent erreicht werden. Die Verlängerung der Therapie auf 14 Tage brachte eine leichte Verbesserung der Eradikationsraten (auf 81% für die Tripelkombination). Dazu der Erstautor der Studie, Dr. Adrian Gerald McNicholl von der Universidad Autónoma de Madrid, der im Rahmen der UEGW die Daten präsentierte: «Die Erfolgsraten der Therapie sind eindeutig suboptimal. Das liegt in erster Linie daran, dass die Dreifachkombination als Standard auch in Regionen eingesetzt wird, in denen Resistenzen häufig
sind, und daher komplexere Regime empfohlen werden.»
Fluorochinolone
sind (noch) eine Alternative
Spanien ist eine solche Region, in der mit der Standardkombination kein optimales Ansprechen mehr erwartet werden kann. «Aufgrund der zunehmenden Resistenzen gegen Clarithromycin haben die Ansprechraten bezüglich der Standarddreifachkombination in Spanien in den vergangenen Jahren stark abgenommen», sagt dazu Dr. Alexander Flores Cucho von der Universität Sevilla. Als Option in der Zweitlinie bieten sich Dreierkombinationen auf Basis von Fluorochinolonen an. In Sevilla wurde nun die Wirksamkeit einer Dreierkombination aus PPI, Amoxicillin und Levofloxacin bei Patienten untersucht, die zuvor auf das Standardregime nicht angesprochen hatten (2). Es wurden 145 Patienten identifiziert, die nach dem Versagen der Standardtherapie die zu untersuchende Kombination erhielten. Demografische und klinische Faktoren wurden erhoben, die mittels 13-C-Harnstoff-Atemtest oder Ureaseschnelltest auf H.-pylori-Infektion getestet wurden. Dabei wurde eine Eradikationsrate von 83,4 Prozent gefunden. Eine Analyse der Erfolgsraten nach dem Jahr der Behandlung zeigte ein sehr gutes Ansprechen von 91,2 Prozent im Jahr 2011, das dann stark abnahm, in den letzten Jahren jedoch wieder zunahm. Die neuesten Daten stammen aus dem Jahr 2014 und zeigen eine Erfolgsrate von 85,3 Prozent. Am schlechtesten war die Eradikationsrate mit 66,7 Prozent bei Patienten mit Magenulzera, während sie bei Duodenalulzera bei 88,9 Prozent lag. Die Erfolgsbilanz ist also vorsichtig zu bewerten. Flores Cucho: «Obwohl die Eradikationsrate mit dem untersuchten Regime in den letzten Jahren wieder gestiegen ist, bedeutet das doch, dass in
148
ARS MEDICI 4 I 2016
23rd UNITED EUROPEAN GASTROENTEROLOGY WEEK
Foto: fotolia © Tatiana Shepeleva
unserer Region zunehmend bereits Stämme von H. pylori mit Resistenzen gegen Fluorochinolone vorhanden sind. Daher sollten auch weitere alternative Kombinationstherapien gegen die Infektion mit Helicobacter pylori untersucht werden.» Das könnte auch den Einsatz neuer, gegenwärtig noch nicht oder nur in begrenzten Regionen verfügbarer Antibiotika bedeuten. So berichtet eine japanische Gruppe von guten Ergebnissen mit dem Fluorochinolon Sitafloxacin, das in Japan gegenwärtig in der Drittlinie beziehungsweise bei Patienten mit Penizillinallergie eingesetzt wird. In Kombination mit Rabeprazol und Metronidazol führte das neue Antibiotikum in der Erst-, Zweit- und Drittlinie zu einer Eradikationsrate von durchschnittlich 92,2 Prozent (3). Die Autoren weisen allerdings auf 100 Prozent Eradikation hin, die bei den Patienten der Erstlinie beobachtet wurden. Damit komme Sitafloxacin zumindest in Japan auch als First-Line-Option infrage. Bemerkenswerterweise hatte eine Resistenz gegen Metronidazol nur geringen Einfluss auf die Wirksamkeit der Kombination.
Keine klinischen Vorteile
durch Bevölkerungsscreening
auf H. pylori
Bei Patienten mit Ulzera infolge einer Infektion mit H. pylori kann die Rezidivrate durch Eradikation des Keims auf wenige Prozent gesenkt werden. Daher wäre, so Dr. Maria Bomme vom Odense-Universitätsspital in Dänemark, ein bevölkerungsweites Screening auf H. pylori eine potenziell attraktive Option. Allerdings nur «potenziell», denn Langzeitdaten zu den Erfolgsaussichten dieser Strategie waren bis vor Kurzem kaum verfügbar. Diese Lücke sollte die HEP-FYN-Studie schliessen, deren 13-Jahre-Daten Bomme nun im
Rahmen der UEGW vorstellte (4). Ein Screening ist machbar, da mit dem 13C-Harnstoff-Atemtest ein kostengünstiger, nicht invasiver und zuverlässiger Test auf H. pylori zur Verfügung steht. Der Test detektiert mit 13C-markiertem Harnstoff die Aktivität der bakteriellen Urease. Im Rahmen der HEP-FYN-Studie wurde der Langzeiteffekt eines Screenings auf H. pylori im Hinblick auf die Prävalenz von Dyspepsie sowie die Inzidenz peptischer Ulzera in der gescreenten Population untersucht. Als sekundäre Endpunkte wurden die Lebensqualität sowie die Inanspruchnahme des Gesundheitssystems infolge von Dyspepsie erhoben. Die prospektive Interventionsstudie wurde in den Jahren 1998/1999 mit anfangs 20 011 Teilnehmern im Alter zwischen 40 und 65 Jahren begonnen, die in eine Screening- und eine Kontrollgruppe randomisiert wurden. Dyspepsie und Lebensqualität wurden nach 1, nach 5 und nach 13 Jahren erhoben, ebenso alle verfügbaren Registerdaten zu Krankenhaus- und Arztkontakten, Komorbidität, Endoskopie, Medikation und sozioökonomischen Faktoren. Für den Endpunkt Dyspepsie wurden komplette Fallanalysen durchgeführt, für den Endpunkt peptische Ulzera waren sowohl Intention-to-treat- als auch Per-protocolAnalysen möglich. Das Ergebnis der Studie erwies sich als Misserfolg: Zwar konnte mit 63 Prozent eine relativ hohe Beteiligung am Screeningprogramm erreicht werden, doch brachte dieses nicht den gewünschten Erfolg. Weder konnte die Prävalenz von Dyspepsie signifikant gesenkt werden, noch traten in der Screeninggruppe weniger peptische Ulzera auf. Auch hinsichtlich der Lebensqualität und der Nutzung des Gesundheitssystems gab es keine Unterschiede zwischen den Gruppen. Die Autoren schliessen aus diesen Daten, dass ein systematisches Screening im Vergleich zur gängigen Praxis des Nachweises von H. pylori bei Auftreten von Symptomen keinen Vorteil bringt.
Eradikation von H. pylori
könnte zur Besserung von
Autoimmunthyreoiditis führen
Die chronische Infektion mit Helicobacter pylori ist nicht nur mit Magenerkrankungen assoziiert. Aus ungeklär-
ten Gründen tritt bei den Betroffenen auch häufiger eine Autoimmunthyreoiditis auf. Allerdings ist die Frage ungeklärt, ob eine Eradikation des Bakteriums die Progression der Thyreoiditis beeinflusst. Eine ukrainische Gruppe untersuchte nun die Wirkung einer erfolgreichen Eradikation von H. pylori auf den Titer der Antikörper gegen Thyreoperoxidase (anti-TPO). In die Studie wurden 98 HP-positive Patienten mit Autoimmunthyreoiditis eingeschlossen (5). Als Kontrollgruppe fungierten Thyreoiditispatienten ohne Helicobacter-Infektion. Die Therapiegruppe wurde über 14 Tage mit dem First-Line-Regime Clarithromycin 500 mg, Pantoprazol 40 mg und Amoxicillin 1 g zweimal täglich behandelt. Der Anti-TPO-Spiegel wurde vor und nach der Eradikation mit ELISA bestimmt. Damit konnte bei 86 Prozent der Patienten eine erfolgreiche Eradikation erreicht werden. Das führte zu dramatischen Reduktionen der AntiTPO-Titer um bis zu 62 Prozent. Darüber hinaus wurde im Ultraschall eine deutliche Verbesserung der Schilddrüsenentzündung beobachtet. In der Kontrollgruppe sowie bei jenen HPpositiven Patienten, bei denen die Eradikation misslang, wurde weder ein Rückgang der Antikörper noch eine Besserung der Entzündung gesehen. Auf Basis dieser Ergebnisse fordern die Autoren grössere klinische Studien, die einerseits die klinischen Effekte der Behandlung klären und andererseits zur Definition eines optimalen Behandlungsprotokolls beitragen sollen. O
Reno Barth
Referenzen: 1. McNicholl AG et al.: European Registry on H. pylori
Management (Hp-EuReg): first-line treatments and interim analysis of 11 272 patients. UEGW 2015, OP192. 2. Flores Cucho A et al.: Evolution eradication rates with second-line therapy for Helicobacter pylori infection and factors associated with eradication therapy. UEGW 2015, OP197. 3. Sugimoto M et al.: Efficacy of sitafloxacin-based Helicobacter pylori eradication treatment for patients with metronidazole-resistance strain. UEGW 2015, OP193. 4. Bomme M et al.: Effects of community screening for Helicobacter pylori: 13-year follow-up of a randomized controlled trial (HEP-FYN). UEGW 2015, OP198. 5. Voloshyna I et al.: Helicobacter pylori eradication associated with decreasing level of autoantibodies to thyroid peroxidase. UEGW 2015, OP199.
Quelle: Sitzung «H. pylori: it still bugs us» an der United European Gastroenterology Week (UEGW), 22. Oktober 2015 in Barcelona.
ARS MEDICI 4 I 2016
149