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POLITFORUM
Xundheit in Bärn
POSTULAT vom 24.9.2014
Numerus clausus: Israelisches Modell für die Selektion der Medizinstudenten in der Schweiz?
Ignazio Cassis Ständerat FDP Kanton Tessin
Der Bundesrat wird beauftragt, zu prüfen und Bericht zu erstatten, wie die Zulassungsprüfung für das Studium der Humanmedizin qualitativ verbessert werden kann. Es sollen Vor- und Nachteile des israelischen Modells überprüft und die Kosten mit denen des in der Schweiz geltenden Eignungstests Medizin (EMS) verglichen werden. Daraus soll insgesamt beurteilt werden können, ob das israelische Modell eine für die Schweiz bessere Option ist.
Begründung Die Festlegung und Umsetzung des EMS liegt in der Kompetenz der Kantone. Da diese Prüfung aber seit Längerem kritisiert wird, liegt deren Verbesserung nahe.
Im heutigen Verfahren werden nämlich soziale Kompetenzen wie Kommunikationsfähigkeit, Entscheidungs- und Stressverhalten und Empathie weitgehend ausser Acht gelassen; zudem sind immer wieder Zwischenfälle bei der Durchführung aufgetreten (z.B. wurden Fragen vorgängig bekannt). Ein erweiterter Test soll nebst benötigten Fachkenntnissen auch die beruflich-soziale Eignung überprüfen. Das erfolgreiche israelische Modell ist dabei für die Schweiz besonders interessant, da die gesundheitspolitische Ausgangslage beider Länder vergleichbar ist. Das zweistufige israelische Modell erteilt nach einem Psychometrietest den verbleibenden Bewerbern die Zulassung zu einem Simulationstest. Die Bewerber werden auf ihr Verhalten in realitätsnahen Szenarien geprüft, was die zum Studium zugelassene Gruppe offenbar um gut 20 Prozent verändert. Diese Simulationstests wer-
den erst in einem zweiten Schritt durchgeführt, weil sie kostenintensiv sind. Ein wichtiger Vorteil besteht darin, dass die Studienbewerber bereits ein erstes Mal mit beruflich simulierten Situationen in Berührung kommen. Das israelische Modell bietet eine geeignete Grundlage für die Verbesserung des Schweizer Modells, weil seine Verlässlichkeit und Reproduzierbarkeit bestätigt werden konnte (SAeZ 2014/04; 129–131). Vielleicht wäre ein neues System
teurer, aber die Kosten würden sich langfristig auszahlen: Dank besser selektionierter Ärzte steigen nämlich die Qualität und die Kosteneffizienz der Medizin. Die Selektion muss zudem ihr Ziel wirksam erreichen: die besten Kandidaten für die heute sehr vielfältigen Formen des Ärzteberufs (Medizin, Public Health, Forschung, Verwaltung usw.) zu finden.
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Stellungnahme des Bundesrates vom 11.11.2015
Der Eignungstest Medizin (EMS), der an den Universitäten Basel, Bern, Fribourg und Zürich zur Anwendung kommt, stellt fest, ob eine Kandidatin oder ein Kandidat geeignet ist, das Medizinstudium erfolgreich zu absolvieren. Diese Art der Zulassungsbeschränkung führt zu hohen Studienerfolgsquoten an den Universitäten mit Numerus clausus. Es wird weiter davon ausgegangen, dass wichtige soziale und fachliche Kompetenzen, die Ärztinnen und Ärzte
zur Berufsausübung beherrschen müssen, während der mehrjährigen Aus- und Weiterbildung erworben werden. Der Bundesrat ist sich bewusst, dass in den letzten Monaten wiederholt Kritik am EMS geäussert worden ist. Zwar liegt die Festlegung und Umsetzung des EMS grundsätzlich in der Kompetenz der Kantone, wie dies im Postulat richtig festgehalten wird. Die Kantone sind für die Auswahl der Studierenden an ihren Universitäten
zuständig, und es ist an ihnen, allfällige alternative Auswahlverfahren wie das israelische Modell zu prüfen oder einzuführen. An den Westschweizer Universitäten beispielsweise erfolgt die Selektion vor allem während des ersten Studienjahres. Der Bundesrat teilt aber die Ansicht des Postulanten, dass vor dem Hintergrund der Kritik der EMS überprüft werden sollte. Die Schweizerische Hochschulkonferenz (SHK) soll 2016, unter der Koordinationsleitung des Bundes, im Bereich Humanmedizin die Thematik der Eignungsprüfungen
aufnehmen. Die SHK plant, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, welche Effizienz und Kosten sowie alternative Verfahren zum EMS prüfen und diskutieren soll. Die Resultate sollen bis Ende 2016 in Form eines Berichts vorgelegt werden. Aus den erwähnten Gründen erachtet es der Bundesrat deshalb nicht als zweckmässig, zum jetzigen Zeitpunkt einen separaten Bericht zu verfassen. Er beantragt die Ablehnung des Postulats.
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POLITFORUM
INTERPELLATION vom 24.9.2015
Mehr Operationen – mehr Boni. Höhere Gesundheitskosten? Höhere Gesundheitsrisiken?
Bea Heim Nationalrätin SP Kanton Solothurn
Etliche Spitäler kennen oder planen Lohnmodelle mit Boni, die sich an Mengenzielen orientieren. Ärzte kommen unter Druck, jährlich bestimmte Mengenziele zu erreichen. Die Gefahr steigt, dass medizinisch nicht unbedingt notwendige Eingriffe und Verfahren vorgenommen werden, so der Präsident der leitenden Spezialärzte. Laut FMH werden Ärzte dazu verleitet, vorschnell zu operieren, mehr Umsatz für das Spital zu generieren. Leistungs- oder Wachstumsziele betreffend Umsatz, Einnahmen, Auslastung medizinischer
Geräte und Vorgaben zur Zahl von Eingriffen sind problematisch. Der Bundesrat habe bis jetzt keine Kenntnis von Leistungsverträgen mit so zielgerichteten Boni, sagte er am 27. August 2014 auf die Interpellation. Sollten aus solchen Vergütungssystemen höhere Fallzahlen ohne medizinische Notwendigkeit resultieren, so der Bundesrat, widerspreche das der Zielsetzung des KVG. Er werde die Entwicklung aufmerksam verfolgen. «Unnötige Leistungen setzen Patienten unnötigen Risiken aus», sagt er. Das zeigt, dass mengenzielorientierte Bonimodelle dem WZW-Artikel 56 KVG widersprechen, eventuell auch Artikel 41 MedBG. Laut Artikel 58 KVG hat der Bundesrat zu regeln, «mit welchen Massnahmen die Qualität oder der zweckmässige Einsatz der Leistungen zu sichern
oder wieder herzustellen ist». Er kann dies nur gemeinsam mit den Kantonen tun und wenn Transparenz hinsichtlich Leistungsvolumina und medizinischer Notwendigkeit besteht.
Ist der Bundesrat nicht auch der Meinung, dass: O nach den Berichten aus Fachkreisen und medial über solche Lohnmodelle Handlungsbedarfbesteht? Der Bundesrat versprach, «die Entwicklung aufmerksam zu verfolgen» – was sind seine Erkenntnisse und Folgerungen? Ein Widerspruch besteht zwischen den WZW-Zielen und mengenorientierten Lohnmodellen, da Letztere zu überflüssigen Behandlungen führen können. O ein Widerspruch besteht zwischen dem Qualitätsartikel Arti-
kel 58 KVG und mengenorientierten Lohnmodellen, da nicht unbedingt nötige Eingriffe Patienten unnötigen Risiken aussetzen. O die Thematik Lohnmodelle bei der Verfeinerung der Kriterien zur Spitalplanung zu beachten wäre? O die Kantone wegen des WZWArtikels 56 KVG betreffend Lohnmodellen Vorgaben machen müssten? O offengelegt werden müsste, ob ein Spital mit mengenzielorientierten Lohnmodellen geführt wird, damit Patienten bei der heutigen Wahlfreiheit wissen, ob eventuell andere Beweggründe für Untersuchungen oder Eingriffe mit im Spiel sein könnten als medizinische Notwendigkeit.
INTERPELLATION vom 22.9.2015
Ausufernder Aktivismus bei der Strategie «Gesundheit 2020»
Gregor Rutz Nationalrat SVP Kanton Zürich
Die Strategie «Gesundheit 2020» legt vier übergeordnete Handlungsfelder fest, zu denen 12 Ziele mit je 3 Massnahmen gehören – also insgesamt 36 Massnahmen. Sie ergänzen die bereits laufenden Massnahmen im Gesundheitsbereich. Die Massnahmen von «Gesundheit 2020» werden in über 82 Teilprojekten umgesetzt, welche in einzelnen Faktenblättern beschrieben sind. Die darin vorgesehenen staatlichen Massnahmen gehen weit über den Bereich der
Gesundheitspolitik hinaus: Sie reichen von der Krebsstrategie über das Humanforschungsgesetz bis zu Massnahmen gegen Spiel- und Internetsucht, neuen Werbeverboten für Tabakprodukte und der Teilnahme der Schweiz am Europäischen Gesundheitsprogramm 2014–2020, welches wiederum zahlreiche Werbeverbote, Auflagen und Verbote enthält und fordert. Die Strategie «Gesundheit 2020» wird in breit angelegten nationalen Konferenzen diskutiert, wobei der Bund immer wieder betont, die meisten Teilnehmer seien mit den vorgestellten Massnahmen einverstanden und hätten sogar signalisiert, deren Umsetzung aktiv mitzutragen. Faktum ist: Wir haben es
hier mit einem kaum je da gewesenen staatlichen Aktivismus zu tun, der erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft haben wird.
Vor diesem Hintergrund bitte ich den Bundesrat um die Beantwortung der folgenden Fragen: 1. Ist er sich bewusst, dass die Bundesversammlung es verworfen hat, ein Präventionsgesetz zu schaffen? Warum schlägt er trotzdem etliche gesetzliche Massnahmen in diesem Bereich vor – im Wissen darum, dass ihm die gesetzliche Grundlage dafür verweigert worden ist? 2. Wie viel kosten die im Rahmen der Strategie «Gesundheit 2020» vorgesehenen Massnahmen insgesamt?
3. Wie viele Stellen in der Verwaltung sind damit beschäftigt, die Massnahmen der Strategie «Gesundheit 2020» zu erarbeiten beziehungsweise umzusetzen? 4. Wie viele Stellen in der Verwaltung wurden zusätzlich geschaffen, um die Massnahmen der Strategie «Gesundheit 2020» zu erarbeiten bzw. umzusetzen? 5. In welchen Bereichen und für was konkret sind neue Werbeverbote geplant? 6. Wo beabsichtigt der Bund, zusätzliche Auflagen für bestimmte Produkte oder Dienstleistungen zu erlassen?
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