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Qualitätssicherung in der Praxisapotheke: Kein Kinderspiel, aber auch keine Hexerei!
Die Selbstdispensation hat sich bestens eta-
bliert und gilt als patientenfreundlicher,
sicherer und kostengünstiger Medikamenten-
abgabekanal. Dennoch muss bei der Führung
einer Praxisapotheke eine Fülle an Gesetzen,
Vorschriften und Richtlinien beachtet werden.
Das verwendete Qualitätssicherungssystem
spielt daher bei der Umsetzung dieser Vorga-
ben eine umso wichtigere Rolle. Die APA hat
hierfür ein QS-Handbuch entwickelt und die-
sen Sommer neu revidiert.
Fabienne Bünzli
Sind alle Protokolle und Dokumentationen zur Qualitätssicherung (QS) in der Praxisapotheke vorhanden? Wurden alle Vorschriften eingehalten? In Arztpraxen macht sich vor einer Inspektion der Heilmittelkontrolle oftmals eine gewisse Nervosität breit. Zwar erfreut sich die ärztliche Medikamentenabgabe, die sogenannte Selbstdispensation, einer grossen Beliebtheit – gilt sie doch als patientenfreundlicher, sicherer und kostengünstiger Abgabekanal. Dennoch bestehen bei einigen Praxen Unsicherheiten hinsichtlich der Umsetzung der geltenden Vorgaben. Denn im Verlauf der letzten Jahre sahen sich die selbstdispensierenden Ärzte mit einer zunehmenden Fülle an Gesetzen, Verordnungen und Vorschriften konfrontiert. Dieser Umstand hatte zwangsläufig auch einen steigenden bürokratischen Mehraufwand zur Folge.
Gesetzeskonforme Führung
der Praxisapotheke
Das erfolgreiche Führen einer Praxisapotheke ist zwar kein Kinderspiel, aber auch keine Hexerei. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Qualitätssicherung. So gewährleistet ein umfassendes System den gesetzeskonformen und reibungslosen Betrieb der Praxisapotheke. Wichtig ist dabei auch die Praktikabilität des verwendeten Tools. Gelangen die jeweiligen Unterlagen doch tagtäglich im Praxisalltag zur Anwendung und müssen entsprechend benutzerfreundlich konzipiert sein. Ein gutes Qualitätssystem umfasst klare Regelungen und Dokumentationen der Verantwortlichkeiten und Arbeitsprozesse. Nur wenn die Zuständigkeiten eindeutig festgelegt und die Abläufe ausreichend protokolliert sowie kontrolliert werden, lässt sich eine vollständige QS erstellen. Um diesen wichtigen Grundstein zu legen, empfiehlt sich das Verwenden eines Handbuches. Ein solches Dokument kann beispielsweise bei der APA bezogen und als Vorlage benutzt werden. In einem zweiten Schritt gilt es, dieses Handbuch an die jeweilige Praxis anzupassen, damit sämtliche Vorgänge abgedeckt und erfasst werden. Je spezifischer die QS-Unterlagen den tatsächlichen Abläufen entsprechen, umso effizienter lassen sich die entsprechenden Prozesse dokumentieren.
Umfangreiche QS-Vorschriften
Die Qualitätssicherung in der Praxisapotheke umfasst eine Vielzahl an Aspekten. Ein wichtiger Punkt ist die Lagerung der Heilmittel. So ist darauf zu achten, dass die Räume beziehungsweise Einrichtungen zur Lagerung der Heilmittel sauber, abschliessbar und für Patienten sowie Fremdpersonen nicht zugänglich sind. In einem inter-
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Die Anforderungen an die Qualitätssicherung sind hoch. Umso wichtiger ist daher die Wahl des Arbeitsinstruments.
nen Schliesskonzept sollen dabei die Zutrittsbefugnisse innerhalb der Arztpraxis festgelegt werden. Für Betäubungsmittel gelten besondere Lagerungsvorschriften. Zudem sind sämtliche Betäubungsmittelein- und -ausgänge unter Angabe von Menge, Datum, Patienten- sowie Präparatenamen fortlaufend schriftlich zu protokollieren. Auch der Temperaturkontrolle kommt eine wichtige Bedeutung im Rahmen der Qualitätssicherung zu. So muss die Temperatur in der Praxisapotheke einmal wöchentlich, beim Medikamentenkühlschrank hingegen täglich gemessen und dokumentiert werden. Der Toleranzbereich in der Praxisapotheke liegt bei 15 bis 25 °C, im Kühlschrank bei 2 bis 8 °C. Zur Überprüfung kann ein kalibriertes Minimum-Maximum-Thermometer oder ein Datenlogger verwendet werden. Ein besonderes Augenmerk ist dabei auf die Massnahmen bei einer Abweichung der vorgeschriebenen Temperaturen zu legen. Denn die Stabilität von Arzneimitteln ist ausserhalb des angegebenen Toleranzbereiches nicht mehr in jedem Fall gewährleistet. Die betroffenen Produkte müssen daher entsorgt oder für die Weiterverwendung gesperrt werden. In letzterem Fall ist eine Absprache mit dem jeweiligen Hersteller erforderlich. Die Abgabe von Arzneimitteln ist nur unter Aufsicht des behandelnden Arztes
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NACHGEFRAGT
bei Dr. pharm. Samuel Steiner Vorstandsmitglied Kantonsapothekervereinigung (KAV) und Vorsteher Kantonsapothekeramt Bern
tion zukommt. Da es in ruralen Regionen meist nur wenige öffentliche Apotheken gibt, ermöglicht die ärztliche Medikamentenabgabe eine flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung.
1. APA: Warum ist die Qualitätssicherung in der Praxisapotheke wichtig?
Samuel Steiner: Zum einen ist sie gesetzlich vorgeschrieben. Dabei geht es aber in keiner Weise darum, den Betrieben unnötigen bürokratischen Mehraufwand aufzuhalsen oder sie von ihren Kernaufgaben abzuhalten. Vielmehr spielt die Qualitätssicherung eine zentrale Rolle bei der Sicherstellung des Patientenwohls beziehungsweise bei der Patientensicherheit. So ist die QS eminent wichtig, um langfristig eine qualitativ hochstehende ärztliche Medikamentenabgabe zu gewährleisten. Dies kann nur durch klar definierte,
standardisierte Prozesse erreicht werden. Zum anderen ist die Qualitätssicherung ein gutes Tool für die Einschulung von neuem Personal. Dadurch kann sichergestellt werden, dass alle Mitarbeitenden über denselben Ausbildungsstand verfügen und nach denselben Vorgaben arbeiten. Vor dem Hintergrund, dass in Praxen je länger je mehr Teilzeitangestellte tätig sind, gewinnt dieser Aspekt zusätzlich an Relevanz.
2. Welche Vorteile sehen Sie in der Selbstdispensation (SD)?
Im Kanton Bern verfügen wir bekannterweise über ein Mischsystem – in städtischen Gebieten mit zwei Apotheken keine SD, in den ländlichen Gebieten SD. Dabei habe ich die Erfahrung gemacht, dass der ärztlichen Medikamentenabgabe insbesondere in ländlicheren Gebieten eine wichtige Funk-
3. Beim Führen einer Praxisapotheke gilt es, unzählige Gesetze, Vorgaben und Richtlinien zu beachten. Wäre es nicht möglich, diese Regulierungsdichte etwas zu reduzieren?
Um eine sichere ärztliche Medikamentenabgabe im Sinne des Patientenwohls zu gewährleisten, sind Gesetze und Vorgaben zwingend nötig. Wir halten es aber für wichtig, Transparenz hinsichtlich der geltenden Vorschriften zu schaffen und den Ärzten entsprechende Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Im Kanton Bern beispielsweise senden wir den SD-Praxen im Vorfeld einer Inspektion eine Checkliste zu. Diese ist auch auf unserer Website einsehbar. Dadurch haben die entsprechenden Ärzte ein Instrument, mit dem sie sich vorbereiten können. Meines Wissens wird dies auch in anderen Kantonen so gehandhabt. Zudem wird vielen Ärzten bewusst, dass die Regulierungsdichte gar nicht so hoch ist – wenn man sich an einige wichtige «Spielregeln» hält.
erlaubt. Auf jeder Packung muss ausserdem ein Etikett angebracht werden. Darauf sind der Vorname und Name des Patienten, die Einnahmevorschriften (wie viel, wie oft und wann), das
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Medikamente dürfen nur an Patienten abgegeben werden, die in der Praxis in Behandlung stehen.
Datum der Abgabe und der Preis zu vermerken. Des Weiteren dürfen Medikamente nur an Patienten abgegeben werden, die in der Praxis in Behandlung stehen. Zudem muss mindestens
alle 12 Monate ein Inventar der Heilund Betäubungsmittel erstellt und dokumentiert werden. Die entsprechenden Bestandeskontrollen umfassen sowohl die Praxisapotheke als auch den Notfallkoffer.
QS-Handbuch der APA
neu revidiert
Die erwähnten Vorschriften decken zwar nur einen Teil der Qualitätssicherung ab. Dennoch verdeutlichen sie, dass das Führen einer Praxisapotheke einer sorgfältigen sowie umfangreichen Dokumentation bedarf. Umso wichtiger ist daher die Wahl des entsprechenden Arbeitsinstruments. Die APA hat hierfür bereits im Jahr 2005 ein Handbuch zur Qualitätssicherung entwickelt und im Sinne einer laufenden Aktualisierung mehrfach angepasst. Die letzte Revision wurde dabei im Frühling dieses Jahres vorgenommen. Die Überarbeitungen der Unterlagen fanden jeweils in Absprache mit den Heilmittel-
inspektoraten ausgewählter Kantone statt. Das Handbuch behandelt alle relevanten Aspekte der Qualitätssicherung. Darin enthalten sind Dokumente sowie Protokolle zum Personalwesen, zum Umgang mit Heil- und Betäubungsmitteln, zum Bestellwesen sowie zu den Retouren und Entsorgungen. Ferner finden sich Unterlagen zu den Massnahmen bei Beanstandungen und Produkterückrufen, den Temperaturkontrollen, den Reinigungsvorschriften, der Wiederaufbereitung von Mehrwegmaterialien in Dampf-Klein-Sterilisatoren, dem Notfallkoffer, der Kontrolle der Ablaufdaten von Heilmitteln sowie der Selbstinspektion. Des Weiteren sind im Handbuch die wichtigsten rechtlichen Grundlagen enthalten. Das Handbuch kann von APA-Mitgliedern kostenlos bezogen werden. Zudem bieten wir ein sogenanntes «Protokollheft». Darin sind alle Protokolle aus dem Handbuch enthalten.
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4. Die QS-Vorschriften variieren teilweise zwischen den verschiedenen Kantonen. Gibt es vonseiten der Kantonsapothekervereinigung Bestrebungen hin zu einer verstärkten Harmonisierung der Vorgaben?
Wir sind uns der Problematik rund um die unterschiedlichen kantonalen Vorschriften bewusst und erachten die aktuelle Situation ebenfalls als suboptimal. Daher haben wir
appelliert zudem an die Politik, solche Harmonisierungsbestrebungen verstärkt auch in die kantonalen Gesetzes- und Verordnungsrevisionen einfliessen zu lassen.
5. Welche «Dos und Don’ts» treffen Sie häufig auf Inspektionen an?
Vorbildlich sind insbesondere jene Praxen, die im Vorfeld unserer Kontrollbesuche Selbstinspektionen durchführen. Diese
«Als Berner Kantonsapotheker habe ich die Erfahrung gemacht, dass wir bei Inspektionen tendenziell weniger Mängel feststellen als früher.»
bestimmte Projekte zur Harmonisierung lanciert. So arbeiten wir derzeit an der Vereinheitlichung unseres Positionspapiers «Qualitätssicherungssystem (QSS) in Betrieben», das auch die Anforderungen an Praxisapotheken festlegt. Ziel ist es, das aktuelle Positionspapier der Kantonsapothekervereinigung Nordwestschweiz gemeinsam mit anderen kantonalen Heilmittelinspektoraten fachlich so anzupassen, dass es in allen Kantonen zur Anwendung gelangt. Die Kantonsapothekervereinigung
Massnahme hilft den Betrieben, ihre Qualitätssicherungssysteme zu optimieren, und dient gleichzeitig als Vorbereitung für unsere Inspektionen. Dadurch entsteht eine Win-win-Situation. Erfreulich ist zudem, dass die QS-Vorschriften und Anforderungen im Kanton Bern je länger je besser umgesetzt werden. Als Berner Kantonsapotheker habe ich die Erfahrung gemacht, dass wir bei Inspektionen tendenziell weniger Mängel feststellen als früher.
Als «No-Go» würde ich eine schlechte Beschriftung von Arzneimitteln sowie die Lagerung von Arzneimitteln in nicht geeigneten Kühlschränken bezeichnen. Glücklicherweise kommt dies aber nur selten vor. Auf die korrekte Etikettierung von Heil- und Betäubungsmitteln und die korrekte Lagerung von Arzneimitteln legen wir grössten Wert. Denn schlussendlich geht es hier um die Patientensicherheit. Gewisse Schwierigkeiten ergeben sich aber auch auf personeller Ebene. So gestaltet sich der Umgang mit Praxisinhabern, die sich gegen die Implementierung der Qualitätssicherung sträuben, nicht immer einfach.
6. Was sind Ihre Tipps für das erfolgreiche
Führen einer Praxisapotheke?
Wichtig ist in erster Linie, die geltenden Vor-
gaben und Richtlinien einzuhalten. Hierfür
empfiehlt es sich, auf geeignete Vorlagen
und Arbeitsinstrumente zurückzugreifen.
Damit wird der Grundstein für ein gut struk-
turiertes, übersichtliches und effizientes
Qualitätssicherungssystem gelegt. Bei Fra-
gen oder Unklarheiten raten wir zudem,
direkt mit dem zuständigen Heilmittel-
inspektorat Kontakt aufzunehmen. Wir hel-
fen gerne weiter.
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Innovatives Tool Kürzlich wurde ebenfalls die APAWebsite komplett überarbeitet. Die Revision der QS-Unterlagen sollte dabei direkt mit dem neuen Online-Auftritt
Die Einrichtungen zur Lagerung der Arzneimittel sollten sauber, abschliessbar und für Unbefugte nicht zugänglich sein.
verbunden werden. Ziel war es, das Handbuch zur Qualitätssicherung in einem geschützten Mitgliederbereich auf der Website anzubieten. Dahinter steckte die Überlegung, die APA-Mit-
glieder durch die digitale Bereitstellung
der QS-Dokumente bestmöglich in
ihrem Praxisalltag zu unterstützen. So
können Sie mithilfe dieser Plattform
jederzeit kostenlos auf die Unterlagen
zugreifen, das Handbuch downloaden
und spezifisch an ihre Praxis anpassen.
Für Nicht-Mitglieder ist das Handbuch
beziehungsweise das Login zur Online-
Plattform zu einem Preis von 200 Fran-
ken erhältlich.
Die QS-Unterlagen der APA haben sich
dabei im Praxisalltag der selbstdispen-
sierenden Ärzte bewährt und gelangen
täglich zur Anwendung. Davon zeugt
unter anderem die rege Nachfrage nach
dem QS-Handbuch. Die Anforderun-
gen an die Qualitätssicherung sind
zwar hoch. Mit dem richtigen Arbeits-
instrument lassen sich jedoch die ent-
sprechenden Vorgaben relativ einfach
umsetzen und dokumentieren.
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Fabienne Bünzli
Wer ist die APA?
Die Vereinigung der Ärzte mit Patientenapotheke (APA) setzt sich für eine sichere, qualitativ hochstehende und günstige Medikamentenversorgung der Patientinnen und Patienten ein. Hierbei vertritt Sie die Interessen der selbstdispensierenden Ärzte gegenüber der Politik, der Industrie und den Grossisten. Die APA ist als Verein organisiert und umfasst rund 1000 Mitglieder. Für APA-Mitglieder ist das Handbuch «Qualitätssicherung der Praxisapotheke» kostenlos. Zudem erhalten sie gratis ein sogenanntes «Protokollheft». Darin sind alle Protokolle aus dem Handbuch enthalten. Werden auch Sie bei uns Mitglied, und füllen Sie den Anmeldetalon auf unserer Website aus (www.patientenapotheke.ch), oder kontaktieren Sie uns via Mail (info@patientenapotheke.ch), Telefon (071 246 51 40) oder Fax (071 246 51 01).
Ärzte mit Patientenapotheke (APA) Kolumbanstrasse 2, Postfach 148, 9008 St. Gallen
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