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STUDIE REFERIERT
Benigne Schilddrüsenknoten – ein Risiko?
Italienische Studie untersucht Wachstumstendenz und Entartungsgefahr
In den letzten Jahren wurden immer häufiger asymptomatische Schilddrüsenknoten entdeckt, oft als Zufallsbefund. Derzeit gibt es keinen Konsens über die Nachsorge von zytologisch gutartigen Läsionen und sonografisch unauffälligen Knoten. Eine aktuelle Studie berichtet über den natürlichen Verlauf benigner, asymptomatischer Schilddrüsenknoten.
JAMA
Aufgrund verfeinerter Diagnostikmethoden werden immer öfter Schilddrüsenknoten diagnostiziert, häufig als Nebenbefund im Rahmen einer diagnostischen Abklärung, die gar nicht der Schilddrüse galt. Der Nachweis eines Schilddrüsenknotens kann beim Patienten Ängste hervorrufen, doch bei mehr als 90 Prozent der entdeckten Knoten handelt es sich um klinisch unbedeutende, gutartige Läsionen. Eine Feinnadelaspiration und eine zytologische Untersuchung sind die Methoden der Wahl, um verdächtige Läsionen zu identifizieren, die einer Schilddrüsenoperation bedürfen. Zu den etablierten Kriterien für eine initiale Biopsie zählen Knotengrösse und sonografische Charakteristika. Knoten, die kleiner als 1 cm sind (und die meist zufällig entdeckt werden), bedürfen keiner initialen Aspiration – es sei denn, dass sie bei der Sonografie verdächtige Merkmale aufweisen. Ergibt die initiale Abklärung, dass ein Knoten sonografisch unauffällig oder zytologisch gutartig ist, stellt sich die Frage der geeigneten Nachbeobach-
MERKSÄTZE
tungsstrategie. Diese Aufgabe ist nicht ganz einfach, da das Wissen über den natürlichen Verlauf von Schilddrüsenknoten unvollständig ist. Aktuelle Leitlinien empfehlen bei gutartigen Schilddrüsenknoten serielle Ultraschalluntersuchungen und eine erneute Zytologie, wenn ein signifikantes Wachstum beobachtet wird. Ein signifikantes Wachstum liegt definitionsgemäss vor, wenn mindestens zwei Knotendurchmesser um 20 Prozent oder mehr zugenommen haben, zumindest aber um 2 mm. Doch ist wenig darüber bekannt, wie häufig und in welchem Umfang Schilddrüsenknoten wachsen und bei welchen Patienten mit grösserer Wahrscheinlichkeit ein Knotenwachstum auftritt. Ausserdem ist nicht klar, ob die Annahme stimmt, dass eine Grössenzunahme von Schilddrüsenknoten tatsächlich Krebsgefahr signalisiert. Um diesen Fragen nachzugehen, initiierte ein italienisches Forscherteam eine prospektive, multizentrische Studie, um den natürlichen Verlauf zytologisch gutartiger und sonografisch unauffälliger Schilddrüsenknoten zu untersuchen. Kürzlich wurden die Fünfjahresdaten dieser Studie publiziert.
O Bei Patienten mit asymptomatischen Schilddrüsenknoten, die sonografisch oder zytologisch gutartig waren, zeigte die Mehrzahl der Knoten während einer fünfjährigen Nachsorge keine signifikante Grössenveränderung.
O In 15 Prozent der Fälle kam es zu einem signifikanten Knotenwachstum.
O Schilddrüsenkrebs wurde in 0,3 Prozent der Knoten diagnostiziert.
Zielkriterien: Knotenwachstum
und Diagnose eines Karzinoms
An der Studie nahmen 992 konsekutive Patienten aus acht italienischen Schilddrüsenzentren teil. Alle Teilnehmer wiesen ein bis vier asymptomatische, sonografisch oder zytologisch gutartige Schilddrüsenknoten auf. Das Wachstum der Knoten – der primäre Endpunkt – wurde im Rahmen von jährlichen Ultraschalluntersuchungen der Schilddrüse beurteilt. Die Wissenschaftler stuften das Knotenwachs-
tum als signifikant ein, wenn eine Grössenzunahme um 20 Prozent oder mehr bei mindestens zwei Knotendurchmessern festgestellt wurde, wobei die Zunahme mindestens 2 mm betragen musste. Sekundäre Endpunkte waren der sonografische Nachweis neuer Knoten und die Diagnose eines Schilddrüsenkarzinoms während der Nachbeobachtungszeit.
Nur in fünf Knoten
entwickelte sich ein Karzinom
Bei 153 Patienten (15,4%) kam es
während des fünfjährigen Follow-ups
zu einem Knotenwachstum. Von den
1567 ursprünglichen Knoten nahmen
174 an Grösse zu, und zwar von durch-
schnittlich 13,2 mm auf 18,1 mm
(grösster Durchmesser). Das Knoten-
wachstum war assoziiert mit dem
Vorliegen multipler Knoten, einem
Volumen des Hauptknotens von mehr
als 0,2 ml und männlichem Geschlecht.
Teilnehmer, die 60 Jahre oder älter
waren, wiesen im Vergleich zu Proban-
den unter 45 Jahren ein geringeres
Risiko für Knotenwachstum auf. Bei
184 Teilnehmern (18,5%) schrumpften
die Knoten spontan.
Ein Schilddrüsenkarzinom wurde in
5 der ursprünglichen Knoten (0,3%)
diagnostiziert, davon hatten lediglich
2 eine Grössenzunahme gezeigt. Ein
Karzinom wurde im Rahmen einer
Thyreoidektomie in 1 nicht visualisier-
ten Knoten festgestellt. Bei 93 Patienten
(9,3%) entwickelten sich neue Knoten;
in 1 dieser Knoten wurde ein Karzinom
entdeckt.
Bei Patienten mit asymptomatischen,
sonografisch oder zytologisch gut-
artigen Schilddrüsenknoten wies die
Mehrzahl der Knoten im Verlauf einer
fünfjährigen Nachbeobachtung keine
signifikante Grössenzunahme auf, und
nur in seltenen Fällen wurde Schild-
drüsenkrebs diagnostiziert, so das Fazit
der Autoren. Sie raten zu einer Über-
arbeitung der aktuellen Leitlinienemp-
fehlungen in Bezug auf die Nachsorge
bei asymptomatischen Schilddrüsen-
knoten.
O
Andrea Wülker
Durante C et al.: The natural history of benign thyroid nodules. JAMA 2015; 313(9): 926–935.
Interessenkonflikte: keine deklariert.
ARS MEDICI 19 I 2015
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