Transkript
Rosenbergstrasse
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Unser Krankenversicherungssystem mit Kopfprämien, steuerfinanzierten Prämienverbilligungen, ebenfalls zur Hälfte über Steuern abgegoltenen Spitalkosten sowie frei wählbaren Franchisen mag etwas kompliziert sein, ist aber am Ende sehr fein ausbalanciert. Sozialer Ausgleich und Eigenverantwortung haben ihren Platz. BR Berset möchte – für einen weniger auf Selbstverantwortung, dafür mehr auf staatliche Einflussnahme setzenden Sozialdemokraten verständlich – an diesem System herumschrauben, aktuell zum Beispiel, indem die Wahlmöglichkeiten bei den Franchisen eingeschränkt und die Prämienrabatte reduziert werden. Auf die Frage, was er zum Vorwurf sage, diese Massnahme sei erstens unnötig, zweitens habe man keine Ahnung, was sie an Finanzen eigentlich bringe, drittens sei sie ein falsches Zeichen in Richtung weniger statt mehr Eigenverantwortung und viertens ein Schrittchen in Richtung der vom Volk mehrmals hockkant abgelehnten Einheitskasse, eines Lieblingsprojekts der SP, reagierte der BR gereizt und beleidigt: «Das ist ein Witz.» Zugeben musste sein Bundesamt allerdings, dass es keine Ahnung hat, wie hoch die Summe der Rechnungen ist, die von den Franchisenehmern selber bezahlt werden und was auf die Krankenkassen zukommt, wenn ein Teil der Versicherten wegen unattraktiver Rabatte auf eine höhere Franchise verzichtet. Also doch alles nur Herumgestochere, um Genossen zufriedenzustellen?
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Irgendwann, wenn alles seinen normalen Gang geht, kommt der Tag. Die Wohnung der Eltern muss aufgelöst werden. Klingt nett, heisst aber: sich trennen. Nicht nur von Menschen, auch von Gegenständen. Von den daran hängenden Erinnerungen. Schlimmer noch: Man muss entsorgen. Schulfhefte, Bilder, Bücher, eine
Tasse, die einen ein Kinderleben lang begleitet hat. Das total vergriffene Leiterlispiel, Eile mit Weile, viele Abende lang gespielt. Tipp-Kick, Kinderpost, Schwarzer Peter – weg damit? All die fast vergessenen Bücher «Signal von der Shiloh-Ranch», «Biggels in Afrika», «Struwwelpeter» – angebräunt und am Zerfallen – ins Altpapier? Dutzendfach Nippsachen, Souvenirs aus aller Welt, Selbstgebasteltes ohne Gebrauchswert, die damals sündhaft teure Filmkamera – adieu. Fotos, klar, behält man, auch wenn vergilbt; es sind ja leider – oder zum Glück – nicht Tausende wie heute. Frage: Wer freut sich eigentlich dereinst, wenn wir selbst mal dauerhaft «umziehen», darüber? Na ja, vielleicht besser, man geht mit dem Hund spazieren.
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Vorschau (Trailer) eines TV-Berichts über militante Tierschützer: «Wo liegt die Grenze des Erträglichen beim Tierschutz?» Und dazu Bilder, die eigentlich eher die Frage nahelegen: «Wo liegt die Grenze des Erträglichen bei Tierhaltung und Tierversuchen?»
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Vorschau auf das Wort oder das Unwort des Jahres 2015: Vielleicht «Mama Merkel» oder «Willkommenskultur». Vielleicht aber auch «Its a german problem».
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Apropos Willkommenskultur: Alle haben gesehen, wie Deutschland auf den Bahnhöfen die Flüchtlinge willkommen hiess. Die Welt bewundert die Deutschen. Am meisten aber bewundern sich die Deutschen (Medien) dafür selbst. Man schätzt, die Begeisterung und die Tränen der Promis vor Rührung über sich selbst werde etwa zwei Monate anhalten. Vielleicht auch nur zwei Wochen. Und dann … das De-
bakel ist absehbar; allein es vorherzusagen, heisst hüpfen in einem journalistischen und ideologischen Minenfeld.
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Auch Saudi-Arabien (Zahl der beherbergten Nahost-Flüchtlinge: null) will nun helfen. Die Scheichs haben angeboten, in Deutschland den Bau von 200 Moscheen für die Flüchtlinge islamischen Glaubens zu finanzieren. Leider kein Witz.
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Unglaublich, wie stillos die Welt sein kann: Wir werden auf der Autobahn überholt von zwei grauen Ferraris. Man muss sich das vorstellen: GRAUE Ferraris! Das kommt heraus, wenn man Biederkeit mit zu viel Geld kreuzt.
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Worüber ärgern wir uns sonst noch? Ach ja, über Littering. Wir werden uns noch lange ärgern, denn Littering ist für die Litternden genau so lange kein Thema, wie es nichts kostet. Und es kostet nichts, weil man die (meist jungen) Umweltschweinchen nicht erwischt. Erwischen tut man sie nicht, weil man es nicht ernsthaft will. Parksünder erwischt man fast ausnahmslos. Weil man will.
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Und das meint Walti, ziemlich abgeklärt: Von den wenigen Vorteilen des Alters schätze ich einen besonders: Ich muss nicht mehr gewinnen, es genügt mir zu wissen, dass ich recht habe.
Richard Altorfer
ARS MEDICI 18 I 2015
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