Transkript
STUDIE REFERIERT
Topische Antiallergika bei saisonaler oder perennialer Konjunktivitis
Ein Cochrane-Review
Topische Antihistaminika oder Mastzellstabilisatoren lindern die Symptome einer saisonalen oder perennialen Konjunktivitis besser als Plazebo. Bei kurzfristiger Anwendung haben sich diese Substanzen zudem als gut verträglich erwiesen. Daten zur Langzeitsicherheit stehen noch nicht zur Verfügung. Zur fundierten Beurteilung der relativen Wirksamkeit der Substanzen untereinander liegt derzeit keine ausreichende Evidenz vor.
Cochrane Database of Systematic Reviews
Die Konjunktiva ist einer Vielzahl potenzieller Allergene ausgesetzt. Bei sensibilisierten Personen aktivieren Pollen, Hausstaub oder Substanzen tierischer Herkunft die Mastzellen in der Substantia propria. Dies führt zur Freisetzung von Histamin und anderen Entzündungsmediatoren und somit – je nach Allergen – zu einer saisonalen oder ganzjährigen allergischen Konjunktivitis. Personen mit allergischer Konjunktivitis leiden häufig auch an anderen Allergien, und bei manchen liegt eine familiäre Atopie vor. Bei mehr als 75 Prozent der Betroffenen manifestiert sich die allergische Konjunktivitis bilateral mit Augenjucken, Augenrötung und Anschwellen der Augenlider. Zu weiteren Symptomen gehören vermehrter Tränenfluss, Rhinitis und Brennen in den Augen. Asthmabedingte Beschwerden wie Husten und
Keuchen können ebenfalls gleichzeitig auftreten. Die saisonale oder perenniale Konjunktivitis ist nur selten mit Beeinträchtigungen der Sehkraft verbunden. Auch schwere Komplikationen kommen nur selten vor. Die Symptome der saisonalen oder perennialen allergischen Konjunktivitis werden hauptsächlich durch die Freisetzung von Histamin aus den Mastzellen vermittelt. Antihistaminika hemmen die Aktivität des Entzündungsmediators durch die Blockade der Histamin-1-Rezeptoren. Mastzellstabilisatoren verhindern durch eine Unterbrechung der intrazellulären Signalkette die Degranulation und darüber die Freisetzung des Histamins. Zu den topischen Behandlungsoptionen gehören Augentropfen, welche Antihistaminika, Mastzellstabilisatoren,
nicht steroidale Antirheumatika (NSAR), Kombinationen dieser Medikamente oder Kortikosteroide enthalten. In einem Cochrane-Review untersuchten Mayret Castillo von der Queen’s University of Belfast (Nordirland) und ihre Arbeitsgruppe die relative Wirksamkeit und die Sicherheit topischer Antihistaminika und topischer Mastzellstabilisatoren allein oder in Kombination zur Behandlung der saisonalen oder perennialen allergischen Konjunktivitis.
Ergebnisse
Für ihre Untersuchung werteten die Wissenschaftler 30 randomisierte kontrollierte Studien (RCT) mit insgesamt 4344 Patienten in einem Alter von 4 bis 85 Jahren aus. In den RCT wurden 17 Vergleiche zwischen verschiedenen Medikamenten oder eines Medikaments mit Plazebo durchgeführt (Abbildung). 10 der 30 Studien wurden von Medikamentenherstellern finanziert, 8 davon vollständig und 2 teilweise. In den verbleibenden 20 Studien lagen keine Angaben zur Finanzierung vor. Die folgenden Antihistaminika und Mastzellstabilisatoren wurden in mindestens einer Studie untersucht: O Nedocromil (in der Schweiz ausser
Handel) O Cromoglycinsäure (Opticrom®
und Generika) O Olopatadin (Opatanol®) O Ketotifen (Zaditen® Ophta) O Azelastin (Allergodil®) O Emedastin (Emadine®) O Levocabastin (Livostin®) O Mequitazin (nicht im AK der
Schweiz)
MERKSÄTZE
O Bei der saisonalen Konjunktivitis handelt es sich um die häufigste Form der allergischen Bindehautentzündung.
O Als Behandlungsstandard gelten Augentropfen mit einem Antihistaminikum, einem Mastzellstabilisator oder einer Kombination aus Vertretern beider Substanzklassen.
O Alle untersuchten Antihistaminika und Mastzellstabilisatoren lindern die Beschwerden besser als Plazebo.
Abbildung: Netzwerkdiagramm: Anzahl der Studien zum jeweiligen Medikamentenvergleich (nach Castillo et al. 2015)
ARS MEDICI 17 I 2015
821
STUDIE REFERIERT
O Bepotastinbesilat (nicht im AK der Schweiz)
O Kombination: Antazolin + Tetryzolin (Spersallerg®)
O Kombination: Levocabastin + Pemirolast-Kalium (nicht im AK der Schweiz).
Am häufigsten wurde Azelastin mit Plazebo (9 Studien) verglichen. Die meisten Studien wiesen nur geringe Teilnehmerzahlen auf. Die Qualität der Studien und der Ergebnisberichterstattung waren unterschiedlich, das Verzerrungsrisiko war jedoch insgesamt gering. In allen RCT wurden nur kurzfristige Effekte in Behandlungszeiträumen von 1 Woche bis zu 8 Wochen untersucht. Eine Metaanalyse war nur zum Vergleich von Olopatadin und Ketotifen möglich.
Aus den Studienergebnissen geht hervor, dass Antihistaminika und Mastzellstabilisatoren die Symptome der allergischen Konjunktivitis besser lindern als Plazebo. Schwere unerwünschte Wirkungen wurden unter beiden Medikamentenklassen nicht beobachtet. Zur Langzeitsicherheit liegen noch keine Daten vor.
Diskussion
In der Metaanalyse erwies sich Olopatadin zur Linderung von Juckreiz innerhalb von 14 Tagen als wirksamer im Vergleich zu Ketotifen. Dieses Ergebnis sollte nach Ansicht der Autoren jedoch aufgrund der Studienheterogenität vorsichtig interpretiert werden. In einzelnen Studien gab es Hinweise auf eine bessere Wirksamkeit von Eme-
dastin, Cromoglycinsäure und Ketoti-
fen im Vergleich zu Levocabastin. In
einer weiteren Einzelstudie zeigte Olo-
patadin eine bessere Wirksamkeit als
Cromoglycinsäure. Für eine fundierte
Beurteilung der relativen Wirksamkeit
der Antihistaminika und Mastzellstabi-
lisatoren untereinander reicht die Da-
tenlage nach Ansicht der Autoren je-
doch nicht aus.
O
Petra Stölting
Quelle: Castillo M et al.: Topical antihistamines and mast cell stabilisers for treating seasonal and perennial allergic conjunctivitis. Cochrane Database Syst Rev 2015; 6: CD009566.
Interessenkonflikte: keine deklariert
822
ARS MEDICI 17 I 2015