Transkript
POLITFORUM
Xundheit in Bärn
INTERPELLATION vom 19.3.2015
Alterslimite für Ärzte mit besonders sensiblem Fachgebiet
Margrit Kessler Nationalrätin GLP Kanton St. Gallen
Am 31. Dezember 2013 waren laut Quelle der FMH in der Schweiz 258 Chirurgen über 65 Jahre alt und beruflich noch aktiv. Zehn davon waren über 80 Jahre alt. Nach schweren Fehlleistungen eines 78-jährigen Chirurgen wurde in der letzten Zeit das Thema Alter der Ärzte, besonders der Chirurgen, in den
Medien wieder aktuell. Selbst die FMH ist der Meinung, dass Chirurgen und invasiv tätige Ärzte mit besonders sensiblen Fachgebieten sich bereits mit 60 Jahren einer Gesundheitsprüfung unterziehen sollten.
Die öffentlichen Spitäler kennen eine Alterslimite, die Pensionierung, die sich zwischen 65 bis 67 Jahren bewegt. Einige Ärzte in Kaderpositionen verabschieden sich vorzeitig von den öffentlichen Spitälern und gehen in die Privatpraxis, damit sie keiner Alterslimite unterstellt sind und weiter
in ihrem Fachgebiet arbeiten können.
1. Kann sich der Bundesrat vorstellen, eine für eine bessere Patientensicherheit gesetzliche Anpassung in Bezug auf die Altersgrenze vorzunehmen, wie sie bereits in der Verordnung über die universitären Medizinalberufe des Kantons Zürich verankert sind?
2. Kann er sich vorstellen, Gesundheitsbeurteilung für besonders sensible Berufsbereiche innerhalb der akademi-
schen Gesundheitsberufe (Mikrochirurgie usw.) einzuführen? 3. Bis zu welchem Alter soll das selbstständige Führen von Operationen grundsätzlich möglich sein? 4. Bis zu welchem Alter dürfen Ärzte assistieren und ihre Erfahrung an Jüngere weitergeben? 5. Verlängerungsanträge sollten möglich sein. Von wem und in welchen Abständen müssten sie überprüft werden?
Antwort des Bundesrates vom 27.5.2015 (gekürzt)
1. Das in der Frühjahrssession 2015 revidierte Medizinalberufegesetz sieht keine Altersbeschränkung für die privatwirtschaftliche Berufsausübung der universitären Medizinalberufe in eigener fachlicher Verantwortung vor. Die kantonalen Aufsichtsbehörden sind dafür zuständig, die Bewilligungsvoraussetzungen zu überprüfen. Der Vollzug und die konkrete Umsetzung dieser Bestimmungen liegen in der Zuständigkeit der kantonalen Aufsichtsbehörden. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) erhebt aktuell bei den kantonalen Aufsichtsbehörden die jeweilige Vollzugspraxis mit dem Ziel, eine möglichst optimale Anwendung dieser Bestimmungen zu unterstützen. Die Resultate der Erhebung werden den kantonalen Aufsichtsbehörden bis Ende 2015 zur Kenntnis gebracht.
2. Der Bundesrat ist der Meinung, dass die kantonalen Aufsichtsbehörden für entsprechende Massnahmen zuständig sind. Konkret sind diese dafür verantwortlich, zu überprüfen, ob die Medizinalpersonen physisch und psychisch Gewähr für eine einwandfreie Berufsausübung bieten. Diese Überprüfung kann in Form eines Arztzeugnisses erfolgen, das nicht nur bei Bewilligungserteilung eingefordert wird, sondern regelmässig nach Erreichen einer bestimmten Altersgrenze. Den Kantonen bleibt es dabei unbelassen, solche Arztzeugnisse besonders für Medizinalpersonen zu verlangen, welche in einem sensiblen Fachbereich wie der Chirurgie tätig sind. 3./4. Aus der Sicht des Bundesrates ist eine fixe Altersgrenze wenig sinnvoll, da die gesundheitliche
und fachliche Entwicklung einer Ärztin oder eines Arztes individuell abläuft. Diesem Sachverhalt trägt die Bestimmung im MedBG Rechnung, wonach die Bewilligung nur erteilt wird, wenn die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller physisch und psychisch Gewähr für eine einwandfreie Berufsausübung bietet. Den Kantonen steht es zudem offen, eine Bewilligung befristet zu erteilen. Weiter beaufsichtigen die Kantone wie erwähnt die Einhaltung der Berufspflichten, darunter insbesondere die sorgfältige und gewissenhafte Berufsausübung und die Einhaltung der Fortbildungspflicht im Sinne der Qualitätssicherung. Dennoch hat der Bundesrat ein gewisses Verständnis für das Anliegen, für ausgewählte ärztliche Tätigkeiten eine Altersgrenze einzuführen oder aber ab einer gewissen Altersgrenze nur noch be-
fristete Bewilligungen für solche Tätigkeiten zu erteilen. Um eine entsprechende Regelung schweizweit einheitlich durchzusetzen, müsste allerdings das MedBG erneut angepasst werden. 5. Bereits heute gibt es Kantone, die ihre Bewilligungen für die privatwirtschaftliche Berufsausübung der universitären Medizinalberufe in eigener fachlicher Verantwortung befristen, nicht zuletzt, um die Bewilligungsvoraussetzungen regelmässig überprüfen zu können. Es sind deshalb wiederum die kantonalen Aufsichtsbehörden, die einerseits die entsprechende Bewilligung verlängern und andererseits bestimmen, wie lange die verlängerten Bewilligungen gültig sind.
Stand der Beratungen: Im Rat noch nicht behandelt.
Erste Hilfe für Menschen mit letzter Hoffnung
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ARS MEDICI 16 I 2015
POLITFORUM
INTERPELLATION vom 19.3.2015
Arzneimittel: Versorgungsprobleme lösen
Bea Heim Nationalrätin SP Kanton Solothurn
Versorgungsprobleme mit Arzneimitteln (AM) sind zum Tagesgeschäft geworden, melden europäische Spitalapotheker.
Auf ihre Befragung in 36 Ländern (Nov. 2014) gaben 86 Prozent von ihnen an, mit Lieferschwierigkeiten von AM konfrontiert zu sein, ein grosser Teil täglich oder mindestens wöchentlich. Oft fehlen Antiinfektiva, Krebsmedikamente und Betäubungsmittel. Der Verband
EAHP und die GSASA fordern ein Melderegister, wie es die US-amerikanische FDA realisiert hat. Die Transparenz zur Verfügbarkeit von AM soll auch in der Schweiz verbessert werden. Arbeiten zum Aufbau eines Melderegisters startete das BWL im Jahr 2012. Das BAG wurde beauftragt, die Situation zu analysieren und Handlungsempfehlungen aufzuzeigen. Der Bericht steht noch immer aus. Der aktuelle europaweite Lieferengpass mit Augmentin® (Nov. 2014-April 2015) zeigt die Dringlichkeit der Problematik, denn auch der zweite Anbieter auf dem Schweizer Markt kann den Bedarf nicht abdecken, Lieferprobleme auch bei alternativen Produkten beste-
hen. Die Pflichtlager können das Versorgungsproblem nicht auffangen.
Der Bundesrat wird gebeten, folgende Fragen zu beantworten: 1. Wie wird sichergestellt, dass sich
die im Aufbau befindliche Meldeund Koordinationsplattform der Schweiz als Frühwarnsystem eignet? 2. Umfasst die Meldepflicht alle versorgungskritischen Human-AM, alle AM der «List of essential Drugs» der WHO, alle BAG-empfohlenen Impfstoffe? Nach welchen Kriterien wird die Liste erstellt? Welche Fachkreise haben Zugang zu den Meldungen? 3. Wie wird mit Versorgungsengpässen umgegangen, wenn die AM nicht auf der Liste der Melde- und Koordinationsplattform figurieren? 4. Ist vorgesehen, dass die Herausgabe von Herstellungsunterlagen
und die Erteilung von Herstellbewilligungen an weitere Hersteller bei Versorgungsengpässen verfügt werden kann? 5. Wie wird sichergestellt, dass ein medizinischer Bedarf, zum Beispiel bei Marktrückzug und bei der Vergütung, geprüft wird? Wie wirkt sich ein Referenzpreissystem auf die Versorgung aus? 6. Wird im Zulassungsverfahren geprüft, dass ausreichend Massnahmen zur regelmässigen Wartung der Produktionsanlagen umgesetzt werden, um Versorgungsengpässe durch Qualitätsmängel zu vermeiden? 7. Wie wird die Lieferfähigkeit der Zulassungsinhaber im Zulassungsverfahren oder bei der Aufnahme auf die SL-Liste berücksichtigt? 8. Welche Massnahmen sieht er bei der Lagerhaltung und bei der Herstellung vor?
Die Antwort des Bundesrates vom 27.5.2015 (leicht gekürzt)
Der Bundesrat beurteilt die Versorgungssituation in der Schweiz zum gegenwärtigen Zeitpunkt als ausreichend und gesichert. Temporäre Versorgungslücken können aber zu einem grösseren Aufwand in der Beschaffung von Medikamenten durch die Leistungserbringer führen. Seit Oktober 2010 haben Spitäler und öffentliche Apotheken dank der vorgezogenen Revision des Heilmittelgesetzes deutlich mehr Möglichkeiten, Versorgungslücken durch direkte Einfuhr oder Eigenherstellung zu schliessen. Die Verantwortung für die Versorgung mit Arzneimitteln liegt im Grundsatz bei den Kantonen. In Erfüllung des Postulates Heim «Sicherheit in der Medikamentenversorgung» prüft das Bundesamt für Gesundheit (BAG) zusammen mit dem Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL), Swissmedic und der Armeeapotheke, mit welchen Massnahmen der Bund die Kantone bei dieser Aufgabe unterstützen kann. 1. Im 4. Quartal 2015 wird die Informations- und Koordinationsplattform des BWL ihren Betrieb aufnehmen. Ab diesem Zeitpunkt müssen Zulassungsinhaberinnen innert fünf Tagen melden, wenn absehbar ist, dass ein bestimmtes lebenswichtiges Arzneimittel während mehr als
vierzehn Tagen nicht lieferbar sein wird. 2./3. Die Zulassungsinhaberinnen müssen Versorgungslücken melden, wenn ein Arzneimittel nicht substituiert werden kann, wenn sich aus einer längeren Versorgungslücke gravierende gesundheitliche Folgen ergeben und wenn bei diesen Produkten in den letzten drei Jahren tatsächlich Versorgungsengpässe oder Lieferunterbrüche aufgetreten sind. Gemeldet werden müssen sowohl Präparate, welche auf der «List of essential Drugs» der WHO aufgeführt sind, als auch andere lebenswichtige Arzneimittel sowie alle Impfstoffe der Kategorie ATC J07 (Kinderlähmung, Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Haemophilus influenzae Typ b, Hepatitis B, HPV, Masern, Mumps, Röteln, Schweinegrippe). Wenn das BWL Kenntnis über Versorgungsengpässe bei anderen Arzneimitteln erhält, kommen die gleichen Prozesse zur Anwendung, wie bei den zu meldenden Arzneimitteln. Falls nötig werden weitere Präparate auf die Liste der zu meldenden Präparate aufgenommen. Die gemeldeten Daten unterstehen dem Berufs-, Geschäfts- und Fabrikationsgeheimnis. Der direkte Zugang ist daher dem BWL vorbehalten. 4./6. Wer die Zulassung eines Arz-
neimittels beantragen will, muss über eine Herstellbewilligung von Swissmedic verfügen. Diese wird auf entsprechendes Gesuch hin nach einem ordentlichen Verfahren erteilt. Dabei wird namentlich geprüft, ob die Firma die erforderlichen Good-Manufacturing-Practices-(GMP-)Standards erfüllt; dazu wird auch die Wartung der Anlagen der Herstellerfirma geprüft. Bei Herstellungsunterlagen handelt es sich um Geschäftsgeheimnisse und damit um vertrauliche Daten der Zulassungsinhaberin. Der Bund hat keine rechtlichen Grundlagen, die es ihm erlauben, die Herausgabe von Herstellungsunterlagen an Dritte zu verfügen. 5./6. Eine Firma entscheidet selbstständig, ob und wie lange sie ein Arzneimittel herstellen und in der Schweiz vermarkten will. Es ist der Zulassungsinhaberin ebenfalls freigestellt, ein Gesuch um Aufnahme eines Arzneimittels auf die Spezialitätenliste (SL) zu beantragen. Für den Rückzug vom Markt eines Arzneimittels ist kein Bewilligungsverfahren vorgesehen. Ist ein Arzneimittel von grosser medizinischer Bedeutung, kann das BAG ein zugelassenes Arzneimittel von Amtes wegen in die SL aufnehmen, ausnahmsweise eine Preiserhöhung gewähren oder auf eine Preissenkung im Rahmen einer Überprüfung der SL verzichten, auch wenn die
Kriterien zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit – der Auslandpreisvergleich und der therapeutische Quervergleich – dies nicht zulassen würden. Arbeiten für ein auf die Schweiz angepasstes Referenzpreissystem für patentabgelaufene Arzneimittel, welches auch die Versorgungssicherheit berücksichtigt, werden im Jahr 2015 aufgenommen. 7. Die Zulassung fokussiert auf Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit eines Arzneimittels. Die Lieferbarkeit ist weder in der Schweiz noch im Ausland Gegenstand des Zulassungsverfahrens. Die Verfügbarkeit am Markt ist eine der Voraussetzungen für die Aufnahme eines Arzneimittels in die SL. Arzneimittel, die nicht lieferbar sind, werden aus der SL gestrichen, wobei kurzfristige Lieferunterbrüche toleriert werden. 8. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die Lagerhaltung auf allen Stufen sowie die dezentrale Herstellung die wichtigsten Elemente für eine sichere Arzneimittelversorgung darstellen. Er wird sich im Kurzbericht dazu äussern, mit welchen konkreten Massnahmen der Bund und die Kantone eine sichere und geordnete Versorgung mit Heilmitteln im ganzen Land am wirkungsvollsten sicherstellen können.
Stand der Beratungen: Im Rat noch nicht behandelt.
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