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STUDIE REFERIERT
Welches Antibiotikum bei Hautinfektionen?
Gute Resultate mit Clindamycin und Trimethoprim-Sulfamethoxazol
Die Anzahl von Hautinfektionen mit methicillinresistentem Staphylococcus aureus (MRSA) hat beträchtlich zugenommen. Bis anhin liegen jedoch nur wenige Daten zur Wirksamkeit verschiedener Antibiotika bei endemischem Vorkommen dieses Erregers vor. In einer randomisierten, doppelblinden Studie erwiesen sich Clindamycin und Trimethoprim-Sulfamethoxazol bei Erwachsenen und Kindern mit Zellulitis, Abszessen oder beiden Hautläsionen als vergleichbar wirksam und sicher.
New England Journal of Medicine
Infektionen der Haut und des Unterhautgewebes kommen in der ambulanten Versorgung häufig vor. Hautinfektionen können mit Komplikationen wie einer Bakteriämie, der Notwendigkeit eines chirurgischen Eingriffs oder sogar mit dem Tod verbunden sein (1). Seit den Neunzigerjahren hat sich der methicillinresistente Staphylococcus aureus (MRSA) in den USA und in vielen anderen Ländern zum vorherrschenden Verursacher von eitrigen Hautinfektionen wie Abszessen entwickelt. Die mikrobiologischen Charakteristika der Zellulitis sind weniger gut definiert, da bei diesen Läsionen meist kein Material zum Anlegen einer Kultur für den Erregernachweis entnommen werden kann (2). Zur empirischen Behandlung von Hautinfektionen werden in den USA derzeit meist Clindamycin (Dala-
MERKSÄTZE
O MRSA ist in vielen Ländern der häufigste Verursacher von eitrigen Hautinfektionen wie Abszessen.
O Die Zellulitis wird vermutlich vorwiegend von Streptococcus pyogenes und anderen betahämolysierenden Streptokokken verursacht.
O Zur Behandlung von Abszessen und Zellulitis sind Clindamycin und TMPSMX vergleichbar wirksam und sicher.
cin und Generika®) oder TrimethoprimSulfamethoxazol (TMP-SMX; Bactrim® und Generika) empfohlen, weil beide Medikamente gegen MRSA und methicillinempfindlichen Staphylococcus aureus (MSSA) wirksam sind (1). In einer randomisierten, multizentrischen, prospektiven doppelblinden klinischen Studie verglichen Loren G. Miller von der University of California (USA) und seine Arbeitsgruppe die Wirksamkeit und Sicherheit von Clindamycin und TMP-SMX bei der Behandlung unkomplizierter Hautinfektionen. Die Studienteilnehmer wurden aus vier amerikanischen Zentren in Regionen mit endemischem MRSAVorkommen rekrutiert (1). Die Forscher schlossen ambulante Patienten mit Zellulitis, Abszessen (Durchmesser > 5 cm) und beiden Läsionsarten in ihre Untersuchung ein. Bei den Abszessen wurde eine Inzision mit Drainage durchgeführt. Anschliessend erhielten alle Patienten im Verhältnis 1:1 randomisiert Clindamycin oder TMP-SMX über einen Zeitraum von 10 Tagen. Als primären Endpunkt definierten die Wissenschaftler die klinische Heilung 7 bis 10 Tage nach Beendigung der Behandlung (1).
Ergebnisse
An der Studie nahmen 524 Patienten («Intention-to-treat»-Population) in einem durchschnittlichen Alter von 21,7 Jahren teil. Unter ihnen waren 155 Kin-
der (29,6%). Von den Teilnehmern litten 160 (30,5%) unter einem Abszess, 280 (53,4%) unter einer Zellulitis, und 82 (15,6%) wiesen eine gemischte Hautinfektion auf (1). Bei 217 der 524 Teilnehmer (41,4%) wurde Staphylococcus aureus in den Läsionen nachgewiesen. Die Isolate von 167 (77%) dieser 217 Patienten waren mit MRSA infiziert. Bei 27 der 217 Isolate (12,4%) wurde eine Resistenz gegenüber Clindamycin beobachtet, und 1 der 217 Isolate (0,5%) war gegenüber TMP-SMX resistent. Der Anteil geheilter Patienten war in beiden Behandlungsgruppen vergleichbar. In der «Intention-to-treat»-Population lagen die Heilungsraten unter Clindamycin bei 80,3 Prozent und unter TMP-SMX bei 77 Prozent. In der evaluierbaren Population (466 Teilnehmer) betrugen die Heilungsraten unter Clindamycin 89,5 Prozent und unter TMP-SMX 88,2 Prozent. In Subgruppenanalysen zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Heilungsraten beider Antibiotika bei Kindern, Erwachsenen sowie bei Patienten mit Zellulitis, mit Abszessen oder mit beiden Läsionsarten. Auch nach einem Monat waren die Heilungsraten unter Clindamycin und unter TMP-SMX vergleichbar: In der «Intention-to-treat»-Gruppe betrugen sie 73,1 Prozent und 67,7 Prozent, in der Gruppe der evaluierbaren Patienten 83,9 Prozent und 78,2 Prozent. Der Anteil der Nebenwirkungen war ebenfalls in beiden Gruppen ähnlich (18,9% und 18,6%). Als unerwünschte Wirkungen zeigten sich in der Clindamycin- und in der TMP-SMX-Gruppe Diarrhö (9,7% und 10,1%), Übelkeit (2,3% und 2,7%), Erbrechen (2,3% und 1,6%), Juckreiz (1,5% und 1,2%) und Hautausschlag (1,2% und 0,8%). Durch Clostridium difficile verursachte Diarrhöen traten nicht auf. Schwere Nebenwirkungen wurden ebenfalls nicht beobachtet (1).
Diskussion
Miller und seine Kollegen weisen darauf hin, dass bei einer Zellulitis das verursachende Pathogen in den meisten Fällen nicht identifiziert werden kann. Auch in ihrer Studie konnte bei 80 Prozent der Zellulitisläsionen keine Kultur zum Nachweis des Erregers angelegt werden, weil die Haut intakt war.
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STUDIE REFERIERT
Empirische Daten weisen jedoch darauf hin, dass die Zellulitis am häufigsten von Streptococcus pyogenes verursacht wird (1). Als Limitation ihrer Studie werten die Autoren, dass sich die Beobachtungszeit nur über einen Monat nach Behandlungsende erstreckte. Da Infektionen mit Staphylococcus aureus häufig rezidivieren, könnte dieser Zeitraum zu kurz sein, um die Wirksamkeit beider Antibiotika zur Verhinderung von Rückfällen beurteilen zu können (1).
Kommentar
Michael Wessels vom Boston Children’s Hospital (USA) merkt im Editorial an, dass durch das Studiendesign möglicherweise ein kleiner, aber bedeutsamer Unterschied bezüglich der Wirksamkeit von TMP-SMX und Clindamycin verschleiert worden sein könnte. In der Studie zeigte sich ein nicht signifikanter Wirksamkeitsunterschied zugunsten von TMP-SMX bei Abszessen. Gleichzeitig wurde ein ebenfalls nicht signifikanter Wirksam-
keitsunterschied zugunsten von Clindamycin bei Zellulitis beobachtet (2). Diese Unterschiede zeigten sich seiner Ansicht nach nicht unerwartet. Zum einen wurde bei 12,4 Prozent der mit Staphylococcus aureus infizierten Isolate eine Resistenz gegenüber Clindamycin nachgewiesen, und die niedrigere Heilungsrate unter Clindamycin erreichte bei diesen Patienten fast eine Signifikanz (p = 0,06). Zum anderen wurden die meisten Fälle von Zellulitis vermutlich durch eine Infektion mit Streptococcus pyogenes oder anderen betahämolysierenden Streptokokken verursacht. Gegenüber diesen Erregern ist Clindamycin wahrscheinlich effektiver als TMP-SMX. Des Weiteren diskutiert Wessels die Frage, ob bei Abszessen ein Antibiotikum erforderlich ist. In älteren Untersuchungen wurde bei unkomplizierten Hautinfektionen kein oder nur ein geringer Nutzen von Antibiotika nach Abszessinzision und Drainage beobachtet. Eine Antibiotikatherapie hält er daher vorwiegend für Patienten mit
Anzeichen einer systemischen Erkran-
kung oder mit Komorbiditäten für
empfehlenswert.
Michael Wessels ist der Meinung, dass
sich die Behandlung der Zellulitis pri-
mär gegen betahämolysierende Strep-
tokokken richten sollte, und empfiehlt
Penicillin oder andere Betalaktame als
Substanzen der ersten Wahl für diese
Indikation. Letztlich zeigt die Studie
seiner Ansicht nach jedoch, dass die
meisten Patienten mit unkomplizierten
Hautinfektionen mit einem der beiden
(gängigen Antibiotika Clindamycin
oder TMP-SMX) mit gutem Ergebnis
behandelt werden können (2).
O
Petra Stölting
Quellen: 1. Miller LG et al.: Clindamycin versus trimethoprim-
sulfamethoxazole for uncomplicated skin infections. N Engl J Med 2015; 372(12): 1093–1103. 2. Wessels MR: Choosing an antibiotic for skin infections (editorial). N Engl J Med 2015; 372(12): 1164–1165.
Interessenkonflikte: Vier der neun Autoren der Studie haben Gelder von verschiedenen Pharmaunternehmen erhalten.
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