Transkript
STUDIE REFERIERT
Höheres Risiko für gastrointestinale Blutungen bei neuen Antikoagulanzien?
Dabigatran und Rivaroxaban versus Warfarin
Unter der Therapie mit Antikoagulanzien besteht die Gefahr gastrointestinaler Blutungen. Eine Studie verglich das Blutungsrisiko der neuen oralen Antikoagulanzien Dabigatran und Rivaroxaban mit jenem von Warfarin bei Patienten mit und ohne Vorhofflimmern.
British Medical Journal
Vorhofflimmern stellt eine wesentliche Gefahr für einen Schlaganfall dar, welcher eine dauerhafte Behinderung oder gar den Tod zur Folge haben kann. Die Antikoagulation mit dem herkömmlichen Vitamin-K-Antagonisten Warfarin verringert das Risiko eines ischämischen Schlaganfalls oder einer systemischen Embolie. Neue orale Antikoagulanzien (NOAK) wie Dabigatran und Rivaroxaban haben sich in der Prävention eines ischämischen Schlaganfalls oder einer systemischen Embolie als gleichwertig erwiesen. Zudem ging die Gabe von NOAK mit einem geringeren Risiko für eine intrazerebrale Blutung einher. Die Studien ergaben jedoch ein höheres Risiko für das Auftreten gastrointestinaler Blutungen, insbesondere ab einem Alter von 75 Jahren.
Studienziel und -design
Ziel der Studie war, das Risiko einer gastrointestinalen Blutung bei Einnahme der NOAK Dabigatran und Rivaroxaban mit demjenigen von Warfarin zu vergleichen.
Hierzu wurde eine retrospektive Kohortenstudie durchgeführt. Ausgewertet wurden die Daten von Optum Labs Data Warehouse, einer grossen amerikanischen Datenbank, in welcher die Daten von Krankenversicherten gespeichert sind. In die Studie aufgenommen wurden Patienten, welche zwischen dem 1. November 2010 und dem 30. September 2013 erstmalig Dabigatran, Rivaroxaban oder Warfarin eingenommen hatten. Primärer Endpunkt war das Auftreten einer gastrointestinalen Blutung. Inzidenzraten (Ereignisse pro 100 Patientenjahre) wurden bestimmt, um die Zahl der gastrointestinalen Blutungen bei Einnahme der neuen Antikoagulanzien Dabigatran und Rivaroxaban mit derjenigen von Warfarin zu vergleichen. Der Vergleich erfolgte zum einen in einer Gruppe von Patienten, welche an Vorhofflimmern erkrankt waren, und zum anderen in einer Gruppe von Behandelten, die nicht unter Vorhofflimmern litten. Zudem wurde untersucht, ob die Effektivität altersabhängig war.
MERKSÄTZE
O Metaanalysen randomisierter Studien, welche die Häufigkeit gastrointestinaler Blutungen unter der Therapie mit Dabigatran bzw. Rivaroxaban mit der Behandlung mit Warfarin verglichen, ergaben höhere Blutungsraten unter der Therapie mit NOAK.
O Bei Patienten, die jünger als 65 Jahre sind, treten unter der Behandlung mit NOAK weniger häufig gastrointestinale Blutungen auf.
O Das Risiko gastrointestinaler Blutungen erhöht sich ab einem Alter über 65 Jahre und betrifft vornehmlich Patienten in einem Alter über 75 Jahre.
Studienergebnisse
Eingeschlossen in die Studie wurden 92 816 Patienten. 8578 Patienten nahmen Dabigatran ein, 16 253 wurden mit Rivaroxaban behandelt und 67 985 mit Warfarin. Es wurden Datensätze der mit Dabigatran Behandelten mit Datensätzen der mit Warfarin therapierten Patienten verbunden (gematcht), sodass 7749 Paare entstanden. Hier betrug die Inzidenz der gastrointestinalen Blutungen pro 100 Patientenjahre bei Behandlung mit Dabigatran 2,29 (95%-Konfidenzintervall [KI]: 1,88–2,79) und unter der Therapie mit Warfarin 2,87 (95%-KI: 2,41–3,41) bei Patienten mit Vorhofflimmern. Bei Patienten ohne Vorhofflimmern betrug die Inzidenz der gastrointestinalen Blutungen pro 100 Patienten-
jahre bei Behandlung mit Dabigatran 4,1 (95%-KI: 2,47–6,8) und 3,71 (95%-KI: 2,16–6,4) bei Therapie mit Warfarin. Zudem wurden Datensätze der mit Rivaroxaban Behandelten mit Datensätzen der mit Warfarin therapierten Patienten gematcht, sodass 732 Paare entstanden. Hier betrug bei Einnahme von Rivaroxaban die Inzidenz gastrointestinaler Blutungen pro 100 Patientenjahre bei Patienten mit Vorhofflimmern 2,84 (95%-KI: 2,3–3,52) und in Zusammenhang mit Warfarin 3,06 (95%-KI: 2,49–3,77). Bei Patienten ohne Vorhofflimmern betrug die Inzidenz gastrointestinaler Blutungen pro 100 Patientenjahre in Zusammenhang mit Rivaroxaban 1,66 (95%-KI: 1,23– 2,34) und in Zusammenhang mit Warfarin 1,57 (95%-KI: 1,25–1,99). Das Risiko gastrointestinaler Blutungen war bei Einnahme neuer Antikoagulanzien bei Patienten mit Vorhofflimmern ähnlich hoch wie das Risiko bei Einnahme von Warfarin (Dabigatran vs. Warfarin, Hazard Ratio [HR]: 0,79; 95%-KI: 0,61–1,25; Rivaroxaban vs. Warfarin, HR: 0,93; 95%-KI: 0,69–1,25). Das traf auch für Patienten ohne Vorhofflimmern zu (Dabigatran vs. Warfarin, HR: 0,79; 95%-KI: 0,61–1,25; Rivaroxaban vs. Warfarin, HR: 0,93; 95%-KI: 0,69–1,25). Es zeigte sich, dass Patienten, welche jünger als 65 Jahre waren, unter der Behandlung mit NOAK im Vergleich zu Warfarin ein geringeres gastrointestinales Blutungsrisiko hatten. Die Häufigkeit gastrointestinaler Blutungen erhöhte sich jedoch bei Einnahme neuer Antikoagulanzien ab einem Alter von 65 Jahren. Ab einem Alter von 76 Jahren war das Risiko gastrointestinaler Blutungen bei Einnahme neuer Antikoagulanzien höher als das Risiko bei Einnahme von Warfarin.
Fazit
Das Risiko gastrointestinaler Blutungen in
Zusammenhang mit der Einnahme von
NOAK ist mit demjenigen von Warfarin
vergleichbar. Vorsicht ist geboten, wenn
NOAK bei älteren Patienten verschrieben
werden, insbesondere ab einem Alter von
76 Jahren.
O
Claudia Borchard-Tuch
Interessenkonflikte: keine
Abraham NS et al.: Comparative risk of gastrointestinal bleeding with dabigatran, rivaroxaban, and warfarin: population based cohort study. BMJ 2015; 350: h1857.
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ARS MEDICI 14/15 I 2015