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STUDIE REFERIERT
Vitamin D und die Gefässe
Schützt es Typ-2-Diabetiker vor vaskulären Komplikationen?
In einer Querschnittsstudie zeigte sich bei Patienten mit Diabetes Typ 2 eine unabhängige inverse Verbindung zwischen den Vitamin-D-Serumspiegeln und der Prävalenz von Retinopathie oder Nephropathie. Allerdings ist derzeit nicht bekannt, ob ein niedriger Vitamin-D-Status als Ursache oder als biologischer Marker mikrovaskulärer Komplikationen zu betrachten ist. Der Nutzen einer Vitamin-D-Supplementierung wird derzeit kontrovers diskutiert.
BMJ Open Diabetes Research and Care
Bei Patienten mit Diabetes Typ 2 werden häufig niedrige Serumkonzentrationen an 25-Hydroxyvitamin D3 (25[OH]D, Vitamin D) diagnostiziert. In Studien waren niedrige Vitamin-D-Serumspiegel bei Diabetikern jedoch – ebenso wie mikrovaskuläre Komplikationen – mit einem erhöhten Risiko für die kardiovaskuläre Mortalität und die Gesamtsterblichkeit assoziiert. Neue epidemiologische Studien legen nun auch einen
MERKSÄTZE
O Bei Patienten mit Diabetes Typ 2 liegt häufig ein niedriger Vitamin-D-Spiegel vor.
O Niedrige Vitamin-D-Spiegel sind bei Diabetikern mit einer erhöhten Prävalenz mikrovaskulärer Komplikationen wie einer Retinopathie oder einer Nephropathie verbunden.
O Der Nutzen einer Vitamin-D-Supplementierung wird kontrovers diskutiert.
Zusammenhang zwischen niedrigen Vitamin-D-Spiegeln und einer erhöhten Prävalenz diabetischer Mikroangiopathien nahe. Giacomo Zoppini von der Universität Verona (Italien) und seine Arbeitsgruppe untersuchten in einer Querschnittsstudie bei Diabetes-Typ-2-Patienten einer grossen Kohorte, ob sich eine signifikante Verbindung zwischen den 25(OH)D-Serumspiegeln und der Prävalenz einer diabetischen Retinopathie und/oder Nephropathie nachweisen lässt. Ergänzend gingen die Forscher mit Hilfe multivariabler Regressionsmodelle der Frage nach, ob der Vitamin-D-Serumspiegel ein unabhängiger Prädiktor für das Vorhandensein dieser mikrovaskulären Komplikationen sein könnte.
Ergebnisse
Im Rahmen ihrer Untersuchung werteten die Wissenschaftler die Daten von 715 ambulanten Diabetespatienten ihres Hospitals aus. Der durchschnittliche Vitamin-D-Spiegel der Teilnehmer lag bei 19,6 ng/ml (IQR [Interquartile Range]: 12,0–29,6 ng/ml). Bei 75,4 Pro-
zent der Patienten ermittelten die Forscher zu niedrige Vitamin-D-Spiegel (< 30 ng/ml), und 36,6 Prozent der Kohorte litten unter Vitamin-D-Mangel (< 20 ng/ml). Patienten mit einer Hypovitaminose waren durchschnittlich jünger und wiesen im Vergleich zu Patienten mit ausreichenden Vitamin-D-Spiegeln einen höheren Body-Mass-Index (BMI), höhere Blutdruck- und Triglyzeridwerte, einen höheren Triglyzerid/HDL-Cholesterin-Quotienten und höhere Parathyroidhormon-(PTH-)Serumlevel auf. Zudem diagnostizierten die Wissenschaftler bei Patienten mit Hypovitaminose im Vergleich zu Patienten mit Vitamin-D-Spiegeln im Normbereich signifikant häufiger eine diabetische Retinopathie (34 vs. 24%), eine Nephropathie (64 vs. 53%) oder eine Albuminurie (27 vs. 15%). Im Hinblick auf das Geschlecht, die Diabetesdauer, die HbA1c-Werte und die geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eFGR) fanden die Forscher keinen signifikanten Unterschied zwischen beiden Gruppen. Des Weiteren beobachteten die Forscher nach rechnerischem Abgleich für das Alter einen signifikanten inversen Zusammenhang zwischen den Vitamin-D-Serumwerten und den klinischen Stadien der diabetischen Retinopathie. Ein ähnlicher inverser Zusammenhang wurde bei einer Gruppierung der Patienten entsprechend dem Nephropathiestatus beobachtet. Diabetiker mit einer Nephropathie (abnormale Albuminwerte und/oder eGFR < 60 ml/ min/1,73 m²) hatten signifikant niedrigere altersadjustierte Vitamin-D-Spiegel als Patienten ohne Nephropathie. 698 ARS MEDICI 13 I 2015 In einer multivariaten logistischen Regressionsanalyse waren niedrige Vitamin-D-Spiegel auch unabhängig mit dem kombinierten Endpunkt aller mikrovaskulären Komplikationen (inklusive Retinopathie und Nephropathie) assoziiert (Odds Ratio [OR]: 0,785; 95% Konfidenzintervall [KI]: 0,607– 0,947; p = 0,015). Als weitere unabhängige Prädiktoren für mikrovaskuläre Komplikationen ermittelten die Forscher männliches Geschlecht, höheres Lebensalter, höhere HbA1c-Werte, eine längere Diabetesdauer und einen höheren systolischen Blutdruck. In einer Sensitivitätsanalyse blieb der unabhängige inverse Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Spiegeln und mikrovaskulären Komplikationen auch nach Ausschluss von Patienten mit einer eGFR < 60 ml/min/1,73 m² bestehen (OR: 0,689; 95%-KI: 0,532–0,892; p = 0,005). Diskussion Die Ergebnisse zeigen, dass niedrige Vit- amin-D-Spiegel und mikrovaskuläre Komplikationen wie eine Retinopathie oder eine Nephropathie eng zusam- menhängen. Allerdings ist derzeit nicht bekannt, ob der niedrige Vitamin-D- Status als Ursache oder als Folge mi- krovaskulärer Komplikationen zu be- trachten ist. In Studien zum Nutzen einer Vitamin- D-Applikation wurden widersprüchli- che Ergebnisse beobachtet. Daher liegt nach Ansicht der Autoren derzeit keine ausreichende Evidenz vor, um für Dia- betespatienten eine Vitamin-D-Supple- mentation zur Prävention oder zur Ver- zögerung der Progression mikrovasku- lärer Komplikationen empfehlen zu können. O Petra Stölting Zoppini G et al.: Lower levels of 25-hydroxyvitamin D3 are associated with a higher prevalence of microvascular complications in patients with type 2 diabetes. BMJ Open Diabetes Research and Care 2015; 3: e000058. doi: 10.1136/bmjdrc-2014-000058. Interessenkonflikte: keine deklariert