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FORTBILDUNG
Akute Herzinsuffizienz: Behandlungsziele und neue Medikamente
Die Herzinsuffizienz mit ihrem Leitsymptom Dyspnoe ist mit einer Prävalenz von 1 bis 2 Prozent eine der häufigsten Erkrankungen in der erwachsenen Bevölkerung in Europa. In den letzten Jahrzehnten konnte durch evidenzbasierte medikamentöse und Device-basierte Therapie die Prognose der chronischen Herzinsuffizienz, nicht aber jene der akuten Herzinsuffizienz, deutlich verbessert werden. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über neue Entwicklungen in der medikamentösen Therapie der akuten Herzinsuffizienz.
Klaus Empen und Astrid Hummel
Das Leitsymptom der Dyspnoe liegt bei etwa 90 Prozent der Patienten mit akuter Herzinsuffizienz vor. Die häufigsten klinischen Befunde bestehen in peripheren Ödemen und pulmonalen Rasselgeräuschen, die jeweils in etwa zwei Dritteln der Fälle auftreten (1). Patienten mit akuter Herzinsuffizienz können im Wesentlichen zwei Gruppen zugeordnet werden: diejenigen, die erstmalig akut symptomatisch werden, und jene mit einer akuten Dekompensation einer bekannten chronischen Herzinsuffizienz. Akute Dekompensationen von Patienten mit vorbekannter chronischer Herzinsuffizienz stellen nach europäischen (2) und amerikanischen (3) Daten bei Weitem die Mehrheit dar. Auslösende Ursachen können sein:
MERKSÄTZE
O Patienten mit akuter Herzinsuffizienz haben eine unverändert hohe Mortalität.
O Es existieren kaum evidenzbasierte Daten zur Prognosebesserung durch eine medikamentöse Therapie.
O Das Hauptsymptom Dyspnoe rückt daher als Endpunkt in den Fokus moderner klinischer Studien.
O Mit dem natriuretischen Peptid Urodilatin und mit Serelaxin befinden sich derzeit vielversprechende Substanzen in grossen klinischen Studien.
O Herzrhythmusstörungen O Klappenvitien O akutes Koronarsyndrom O reduzierte linksventrikuläre systolische Funktion O diastolische Dysfunktion bei erhaltener systolischer Funk-
tion (4).
Welche Ziele verfolgt die Therapie
der akuten Herzinsuffizienz?
Trotz der morphologischen und funktionellen Unterschiede bei systolischer und diastolischer Dysfunktion ist der Mechanismus der Dekompensation bei der akuten Herzinsuffizienz beider Formen durch einen pathologischen Anstieg der kardialen Füllungsdrücke gekennzeichnet (5). Bei der Therapie geht es darum, die Symptome rasch zu bessern, wobei die oft quälende Luftnot und die Stabilisierung der hämodynamischen Situation im Vordergrund stehen. Mittelfristig geht es um die Prävention von Rezidiven und Rehospitalisierungen, und langfristig soll die Sterblichkeit gesenkt werden.
Leitliniengerechte Therapie
Eine akute Herzinsuffizienz kann in unterschiedlichen Präsentationsformen (6) (vgl. Abbildung 2) auftreten. Hinsichtlich der differenzialtherapeutischen Konsequenzen ist eine Einteilung in eine normotensive, eine hypertensive und eine hypotensive akute Herzinsuffizienz empfehlenswert. Da ein akutes Koronarsyndrom für 11 Prozent der Erstmanifestationen einer akuten Herzinsuffizienz und für ein Drittel der Dekompensationen einer chronischen Herzinsuffizienz verantwortlich ist, sollte zügig die Indikation zur invasiven Koronardiagnostik und zur raschen myokardialen Revaskularisation gestellt werden (7). Liegt eine Hypoxämie oder Hypotension mit Multiorganversagen vor, besteht eine unmittelbar lebensbedrohliche Situation, die intensivtherapeutisch behandelt werden muss. Die aktuellen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (8) empfehlen in Abhängigkeit von oben genannten Präsentationsformen die intravenöse Gabe von Schleifendiuretika bei Kongestion, die Sauerstoffgabe bei Vorliegen einer Hypoxämie mit einer Sauerstoffsättigung unter 90 Prozent und gegebenenfalls die nicht invasive Beatmung sowie die Sedierung bei Agitiertheit, vorzugsweise mit Opiaten. Abhängig vom systemischen Blutdruck sind Inotropika (Dobutamin) und Vasopressoren (Noradrenalin) im Schock sowie Vasodilatanzien, zum Beispiel Glyceroltrinitrat, bei hypertensiven Blutdruckwerten Mittel der Wahl (Abbildung 1).
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ARS MEDICI 13 I 2015
FORTBILDUNG
Systol. RR < 85 mmHG oder Schock Inotropika Akutes Lungenödem/ Überwässerung Hypoxämie nein Angst/Agitiertheit nein Blutdruck ja ja Systol. RR 85–110 mmHG Verlauf kontrollieren Behandlung erfolgreich Reevaluierung des klinischen Status ja Schleifendiuretikum als i.v.-Bolus Sauerstoff i.v.-Opiate Systol. RR < 110 mmHG Vasodilatanzien Behandlung fortsetzen Systol. RR < 85 mmHG oder Schock ja O Vasodilatatoren beenden O bei Schock Betablocker beenden O Inotropika und/oder Vasopressoren O mechanische Kreislaufunterstützung nein SpO2 < 90% O Sauerstoff O nicht invasive Beatmung O invasive Beatmung nein RR: Blutdruck nach Riva-Rocci, SpO2: Sauerstoffpartialdruck Abbildung 1: Therapiealgorithmus der akuten Herzinsuffizienz (nach ESC, 2012) Urinausscheidung < 20 ml/h ja O Blasenkatheter O Diuretikadosis steigern O ggf. Perfusor O Rechtsherzkatheter O Ultrafiltration Bisherige Evidenz der medikamentösen Therapie Aufgrund ihrer jahrzehntelangen Verfügbarkeit und der empirischen Wirksamkeit haben sich die Schleifendiuretika in der Therapie der akuten Herzinsuffizienz fest etabliert, obwohl sehr wenige verblindete, randomisierte und kontrollierte klinische Studien zu ihrer Wirksamkeit vorliegen. Eine Ausnahme stellt die DOSE-Studie (9) dar. Hier wurden die Wirksamkeit von Furosemid entweder in niedriger Dosis (äquivalent zur vorherig verordneten oralen Diuretikadosis) oder in erhöhter Dosis (2,5-Faches der oralen Diuretikado- 3,9% 3,2% 11,4% 16,2% 65,4% ■ Akute Dekompensation einer chronischen Herzinsuffizienz ■ Lungenödem ■ Hypersensitiv getriggerte akute Herzinsuffizenz ■ Kardiogener Schock ■ Rechtsherzinsuffizienz Abbildung 2: Häufigkeit der klinischen Manifestationsformen einer akuten Herzinsuffizienz (nach Euro Heart Survey) sis) sowie eine zweimal tägliche Bolusgabe mit einer kontinuierlichen intravenösen Infusion in einem 2×2-Design verglichen. Wichtigster Wirksamkeitsendpunkt war die Verbesserung der Dyspnoe, wichtigster Sicherheitsendpunkt der Kreatininanstieg. In dieser Studie konnte weder für eine der beiden Dosierungen noch für die unterschiedlichen Applikationsformen (Bolus vs. kontinuierlich) ein statistisch signifikanter und klinisch relevanter Unterschied gefunden werden. In der Hochdosisgruppe konnte häufiger innerhalb von 48 Stunden auf eine orale Erhaltungstherapie umgestellt werden, und es waren weniger häufig Dosissteigerungen des i.v.-Medikaments nötig. Auch bei Vasodilatanzien ist die Datenlage spärlich. Bei 110 Patienten mit schwerem hypertensivem Lungenödem konnte die erhöhte Wirksamkeit einer hoch dosierten Nitratgabe in Kombination mit einer niedrig dosierten Diuretikagabe im Vergleich zu einer hoch dosierten Diuretikagabe mit niedrig dosierter Nitratgabe in einer randomisierten Studie gezeigt werden (10). Levosimendan steigert als Kalziumsensitizer die myokardiale Kontraktilität und wirkt gleichzeitig vasodilatierend. Eine Reduktion der Letalität bei kardialen Patienten findet sich bis heute allerdings nur in Metaanalysen (11). In den vergangenen Jahren sind basierend auf biochemischen Erkenntnissen und pathophysiologischen Überlegungen ARS MEDICI 13 I 2015 687 FORTBILDUNG zahlreiche pharmakologische Substanzen aus verschiedenen Wirkstoffgruppen getestet worden, wie zum Beispiel Phosphodiesterase-3-Inhibitoren wie das Milrinon, Endothelinantagonisten wie das Tezosentan, der Vasopressinantagonist Tolvaptan, der selektive A1-Adenosin-Rezeptor-Antagonist Rolofyllin sowie Nesiritide (rekombinantes natriuretisches Peptid, BNP). Die Aktivatoren der löslichen Guanylatzyklase, insbesondere das Cinaciguat, galten als vielversprechende Substanzen, die in der Lage sind, die erhöhten intrakardialen Druckwerte bei pulmonaler Stauung effektiv zu reduzieren. Allerdings führte die Applikation von Cinaciguat nicht nur zur genannten hämodynamischen Verbesserung bei Patienten mit reduzierter systolischer linksventrikulärer Funktion, einhergehend mit einer Erhöhung des Herzzeitvolumens, sondern auch zu nicht tolerablen systemischen Blutdruckabfällen (12). Bisher nur auf einem Kongress (ESC 2013) präsentierte Ergebnisse einer Phase-II-Studie mit dem Myosinaktivator Omecamtiv mecarbil zeigten nur in der höchsten Dosis eine Tendenz, den primären Endpunkt Luftnot zu verbessern. Zusammenfassend ist die Mehrzahl der neueren Studien hinsichtlich des Erreichens des zuvor definierten primären Endpunkts negativ ausgefallen, oder aber unerwünschte Arzneimittelwirkungen (meist Hypotensionen) führten zu einem ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnis, teilweise sogar zu Studienabbrüchen. Weichere Endpunkte klinischer Studien Angesichts dieser eher enttäuschenden Studienergebnisse zeigt sich eine Tendenz, die Definition klinischer Studienendpunkte zu ändern, eher weg von den als sehr hart, sehr robust erachteten Endpunkten wie Gesamtsterblichkeit und kardiovaskuläre Sterblichkeit, hin zu eher weicheren, aber klinisch bedeutsamen Endpunkten wie symptomatische Besserung der Luftnot und Vermeidung von Rehospitalisierungen (13). Die Vermeidung erneuter Dekompensationen und/oder Rehospitalisationen führt wahrscheinlich zu einer besseren Lebensqualität und mittel- und langfristig wahrscheinlich zu einer besseren Prognose, da nach einer Hospitalisation in der Erholungsphase maximal das zuvor bestehende Ausgangsniveau erreicht wird (14). Aktuelle klinische Studien mit Urodilatin und Serelaxin Weitere Substanzgruppen werden in Studien derzeit getestet. Das Urodilatin ist ein natriuretisches Peptid, das seine günstige Wirkung vor allen Dingen über eine Vasodilatation und vermehrte Natriurese und damit verbundene Diurese bei Patienten mit akuter Herzinsuffizienz entfaltet. Bereits 2006 wurden gute hämodynamische Effekte bei einer Dosisfindungsstudie am Patienten nachgewiesen. Auch die symptomatische Besserung 24 Stunden nach Beginn der Behandlung war verglichen mit Plazebo klinisch relevant und statistisch hochsignifikant (15). Basierend auf dieser Pilotstudie läuft zurzeit eine Phase-III-Studie an über 2000 Patienten, deren wesentlicher Endpunkt die Verbesserung der Dyspnoe innerhalb der ersten 48 Stunden nach Beginn der Medikation darstellt. Die Rekrutierung wird voraussichtlich 2015 abgeschlossen sein. Das rekombinante Pendant des Schwangerschaftshormons Relaxin, das Serelaxin, wird derzeit in einer grossen Letali- tätsstudie untersucht. In der Relax-AHF-Studie wurde die klinische Wirksamkeit an 1161 Patienten mit akuter Herzinsuffizienz hinsichtlich der Verbesserung der Dyspnoe nachgewiesen (16). Viele Surrogatparameter wie Kreatinin, Transaminasen, Troponin normalisierten sich in der Serelaxingruppe rascher als in der Plazebogruppe (17). Als einer der zahlreichen Endpunkte wurde auch die Sterblichkeit 180 Tage nach Studienbeginn untersucht. Hier zeigten sich – für viele überraschend – signifikant weniger Todesfälle in der Serelaxingruppe (42 vs. 65 bei Plazebo, p = 0,03) (16). In präklinischen und klinischen Pilotstudien werden weitere pharmakologische Ansätze untersucht, wie zum Beispiel die Verbesserung der Myozytenfunktion, die Antiapoptose, die Angiogenese und die Verhinderung von Fibrose (18). O Korrespondenzadresse: PD Dr. med. Klaus Empen Medizinische Klinik B Universitätsmedizin Greifswald, D-17475 Greifswald Interessenkonflikte: keine deklariert Literatur: 1. 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