Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Wer immer nur Kaviar isst, ist ein Rogenabhängiger.
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Manchen Kantonen und vielen Gemeinden fehlen Geld und – nicht nur Hausärzte, sondern auch – Polizisten. Eine deutsche Stadt hat aus der Not eine Tugend gemacht und am Strassenrand Papp-Polizisten – Attrappen also – aufgestellt, die auf Autofahrer so echt wie möglich wirken (sollen). Man erhofft sich einen Tritt aufs Bremspedal und eine Reduktion der Geschwindigkeit. Eigentlich eine gute Idee. Papp-Schugger kosten nichts, sind nie beleidigt, zeigen niemanden an und offenbar doch Wirkung, solange man sie nicht immer am gleichen Ort aufstellt. Ob das auch eine gute Idee ist für andere Berufsgruppen mit Rekrutierungsschwierigkeiten, bleibt offen. Hausarzt-Attrappen etwa dürften die gewünschte Wirkung kaum erreichen. Papp-Doktoren sind zwar 24 Stunden in Bereitschaft, machen keine Kunstfehler, verursachen keine Gesundheitskosten, klagen nicht über miserable Taxpunkte, verkaufen keine Medis, aber sie verlieren, so ist zu befürchten, zumindest bei den mündigen Patienten, nach kurzer Zeit ihre Glaubwürdigkeit.
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Dachdecker Thomas Neger aus Mainz hat ein Problem: Sein Vater hat den Familiennamen vor 50 Jahren bildlich umsetzen lasen – das Logo der Firma besteht seitdem aus einem schwarzen Dachdecker mit dicken Lippen und Ohrringen. Politisch Korrekte halten das Logo für schwer rassistisch. Pikant: Thomas Neger und sein Vater Ernst sind/waren auch älteren Fernsehzuschauern bekannte Fastnachtssänger («Mainz wie es singt und lacht»). Vater Negers «Heile, heile Gänsje» gehört
zum rheinischen Karnevalskulturgut. Ganz korrekte Zeitgenossen hielt das aber nicht davon ab, einen LogoChange zu verlangen. Inzwischen hat Thomas Neger eingewilligt, das NegerLogo von einer «Schwarzen Designerin» entschärfen zu lassen. Wir sind gespannt. Und beruhigt, dass es noch kein Rassismusgesetz gibt, das politisch unkorrekte Namen verbietet. Sonst würde der Dachdecker jetzt wohl «Thomas Schwarzer» heissen. (Vielleicht hiess Alice Schwarzer ja früher auch Alice Neger.)
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Ähnlich wie dem Dachdecker namens Neger aus Mainz ging es dem Tischler Luder in Berlin. Ihn nahmen nicht verbiesterte Rassenrechtler aufs Korn, sondern eine durchgedrehte Feministin. Wer mit der Bezeichnung «Luder» auf dem Lieferwagen Werbung für seine Tischlerei mache, so die empörte Frau C., sei auch zu Slogans wie – und hier zeigte die rabiate Genderaktivistin durchaus Anflüge von zotiger Kreativität – «Tischlein, leck mich!» oder «Wir möbeln Sie durch» fähig. Ein Firmenwagen mit der Aufschrift «Luder» fördere Verachtung, Ausbeutung und Vergewaltigung des weiblichen Geschlechts. Was der Moralrandaliererin entgangen war: Der Name Luder des in Berlin tätigen, aber aus der Schweiz stammenden Tischlers ist auf www.search.ch aktuell 556-mal zu finden, mithin ziemlich «normal». Ganz im Gegensatz, so scheint es, zur Psyche von Frau C.
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Wieder einmal ein Sigmund-FreudZitat: «Der Satz: Alle Menschen müssen sterben, paradiert zwar in den Lehrbüchern der Logik als Vorbild der allgemeinen Behauptung, aber keinem Menschen leuchtet er ein.»
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Un- und Kriminalfälle mit Schusswaffen sind zwar nicht sehr häufig, aber es stimmt schon: jeder Fall ist einer zu viel. Was tun? Zwei Millionen Schusswaffen liegen oder stehen unregistriert in Schweizer Schubladen, Wandschränken oder Estrichen. Schrecklich, finden die einen und fordern die Registrierung jeder einzelnen Knarre. Über eine Million Schweizer müssten also ihre Pistole im Nachttischli anmelden: Marke, Typ, Nummer, Kaliber, Erwerbsjahr, Munitionstyp und so weiter. Als ob das jemand noch wüsste. Ein riesiger bürokratischer Aufwand. Man könnte es auch so sehen: Zwei Millionen heimlich gehortete Schiesseisen – und fast nichts passiert.
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Was, wenn alle Waffen per Gesetz registriert werden müssten? Ganz einfach: In der Monster-Waffenliste wären die Karabiner und Revolver aller anständigen Schweizer fichiert, nur leider ganz gewiss nicht die Berettas, Glocks, SIG Sauers, Walthers und Colts der bösen Buben mit den bösen Absichten. Auch nicht jene von irren oder wirren Tätern. Riesiger Aufwand, minimaler Nutzen. Wie so oft, wenn Regulierungsapodikten sich durchsetzen.
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Und das meint Walti: Gestern war ich noch unschlüssig, heute bin ich mir nicht mehr so sicher ...
Richard Altorfer
ARS MEDICI 12 I 2015
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