Transkript
FORTBILDUNG
Pulmonal-arterielle Hypertonie
Welche Medikamente stehen zur Verfügung, und wann sollte man sie kombinieren?
Während es noch vor rund zwei Jahrzehnten kaum thera-
peutische Optionen für Patienten mit arterieller pulmo-
naler Hypertonie (PAH) gab, stehen heute gleich mehrere
Medikamente zur Wahl, die an verschiedenen pathophysio-
logischen Mechanismen ansetzen. Damit stellt sich auch
die Frage, ob und wann man die verschiedenen Substanzen
kombinieren sollte.
European Respiratory Review
Die pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH) ist eine seltene Krankheit, deren Prävalenz auf 10 bis 52 Fälle unter 1 Million Personen geschätzt wird. Die Klassifikation der verschiedenen Formen der PAH orientiert sich an der Ursache der Erkrankung. Neben der idiopathischen PAH gibt es eine genetisch bedingte, ausserdem kann eine PAH durch Medikamente oder Toxine ausgelöst werden oder im Zusammenhang mit Kollagenosen auftreten; auch eine mit HIV assoziierte Form der PAH ist bekannt sowie PAH bei kongenitaler Herzerkrankung oder Schistosomiasis. Da sich sowohl die Prognose als auch das therapeutische Vorgehen je nach Ursache der PAH unterscheiden, ist diese Klassifizierung wichtig (1).
Pathophysiologie und Wirkmechanismen Die Entwicklung und das Voranschreiten einer PAH ist ein komplexer Vorgang, bei dem Vasokonstriktion und das Verdicken der Gefässinnenwände (Remodeling) eine entscheidende Rolle spielen. Drei wichtige pathophysiologische Mechanismen sind bekannt. Sie betreffen Endothelin, Stickstoffmonoxid (NO) und Prostaglandin I2 (PGI2). Der Begriff
Endothelin bezeichnet mehrere Varianten von Peptiden, die im Endothel der Blutgefässe synthesisiert werden und sowohl vaskuläres Remodeling als auch Vasokonstriktion bewirken. Bei PAH-Patienten ist der Endothelinspiegel erhöht, während die gefässrelaxierenden Substanzen NO und PGI2 vermindert sind. Neben dem Wechselspiel zwischen Endothelin, NO und PGI2 sind bei PAH wahrscheinlich auch andere Moleküle, wie Tyrosinkinasen und der Serotoninrezeptor, involviert (2). Im Gegensatz zu Endothelin, NO und PGI2 gibt es aber noch keine Medikamente, die auf diese Mechanismen der PAH-Pathophysiologie zielen.
Medikamente bei PAH
Für einen kleinen Teil der PAH-Patienten (unter 10%) kommen Kalziumkanalblocker als nicht PAH-spezifische Medikation infrage, sofern eine Vasoreaktivität festgestellt wurde und das therapeutische Resultat zufriedenstellend ist. Bei den meisten PAH-Patienten ist dies jedoch nicht der Fall. Die spezifisch für PAH zugelassenen Medikamente lassen sich den drei oben genannten pathophysiologischen Mechanismen zuordnen (2): O Auf die vasokonstriktive und Remodeling-Aktivität des
Endothelins zielen die Endothelinrezeptorantagonisten (ERA) Bosentan (Tracleer®), Ambrisentan (Volibris®) und Macitentan (Opsumit®). O Eine relaxierende Wirkung auf die Lungengefässe entfalten über den NO-Weg die PDE-5-Inhibitoren Sildenafil (Revatio®) und Tadalafil (Adcirca®) sowie das Riociguat (Adempas®), ein Aktivator der löslichen Guanylatzyklase. O Via Prostazyklinaktivität und PGI2 wirken die Prostanoide Epoprostenol (Flolan®, Veletri®), Iloprost (Ventavis®), Treprostinil (Remodulin®) und Beraprost (nicht im Handel); zur Zulassung in der EU und den USA eingereicht ist Selexipag (Uptravi®).
MERKSÄTZE
O In der Regel beginnt man mit einer Monotherapie mit einem PAH-spezifischen Medikament.
O Falls keine befriedigende Wirkung eintritt, wird die Kombination mit einem weiteren PAH-Medikament mit anderem Wirkmechanismus empfohlen.
O Ob eine initiale Kombinationstherapie sinnvoll wäre, ist eine noch offene Frage.
Aktuelle Empfehlungen
Gemäss dem derzeit gültigen Behandlungsalgorithmus (3) beginnt man mit einer Monotherapie mit einem der genannten PAH-spezifischen Medikamente. Die empfohlenen Optionen für eine PAH-Monotherapie richten sich nach dem NYHA-Stadium des Patienten. Es wird in den Empfehlungen keine Rangfolge der Substanzen definiert, sondern sie werden prinzipiell alphabetisch innerhalb der Evidenzklassen aufgelistet (s. Tabelle). Falls mit einer Monotherapie keine befriedigende Wirkung erzielt werden kann, wird die Kombination mit einem weiteren Medikament einer anderen der drei oben genannten Gruppen
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ARS MEDICI 11 I 2015
FORTBILDUNG
Tabelle:
Initiale Therapie mit den für PAH zugelassenen Substanzen (3)
Evidenzklasse und -niveau
I-A oder I-B
WHO-FC II
Ambrisentan Bosentan Macitentan Riociguat Sildenafil Tadalafil
IIa-C
IIb-B IIb-C
WHO-FC III
Ambrisentan Bosentan Epoprostenol i.v. Iloprost inhal. Macitentan Riociguat Sildenafil Tadalafil Treprostinil s.c./inhal. Iloprost i.v. Treprostinil i.v.
Beraprost initiale Kombinationstherapie
WHO-FC IV
Epoprostenol i.v.
Ambrisentan Bosentan Iloprost inhal./i.v. Macitentan Riociguat Sildenafil Tadalafil Treprostinil s.c./i.v./inhal.
initiale Kombinationstherapie
WHO-FC: WHO-Funktionsklasse (NYHA-Klasse). Evidenzklassen: Klasse I = hohe Evidenz, wird empfohlen bzw. ist indiziert; Klasse IIa = sollte bzw. könnte (IIb) erwogen werden. Evidenzniveau: A: mehrere randomisierte klinische Studien oder Metaanalysen; B: eine randomisierte klinische Studie oder grosse, nicht randomisierte Studien; C: Konsensus und/oder kleine Studien, retrospektive Studien und Register.
empfohlen. Auch hier gibt es keine Vorgaben, bestimmte Substanzen zu bevorzugen. Die Autoren Hossein-Ardeschir Ghofrani und Marc Humbert (2) weisen jedoch darauf hin, dass die verfügbare Evidenz aus randomisierten Studien für die verschiedenen denkbaren Kombinationen durchaus unterschiedlich sei, sodass bestimmte Medikamentenkombinationen bevorzugt werden könnten. Als Option für PAH-Patienten, bei denen eine Monotherapie nicht ausreicht, kann auch eine Lungentransplantation erwogen werden (3).
Studien zu Kombinationstherapien
Es gibt zahlreiche Studien zur sequenziellen Kombinationstherapie bei PAH, mit grossen Unterschieden bezüglich Dauer und Anzahl der Probanden. Die Resultate sind zwar nicht einheitlich, es zeigte sich jedoch ein Trend, wonach man sich von einer Kombinationstherapie zumindest eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit erwarten darf. So fanden sich statistisch signifikante Verbesserungen im 6-Minuten-Gehtest bei folgenden Kombinationen: Bosentan oder Sildenafil plus inhaliertes Treprostinil, Bosentan plus Tadalafil, Bosentan plus Sildenafil, Epoprostenol plus Sildenafil sowie Bosentan oder Prostanoide plus Riociguat. Kombinationsstudien mit dem Endpunkt «Morbidität/Mortalität» sind rar, bis anhin liegen nur drei vor: mit Macitentan (Basistherapie: 96% PDE-5-Hemmer, restliche Patienten keine Basistherapie oder Iloprost), mit Bosentan (Basistherapie: Sildenafil) und mit Selexipag (Basistherapie: keine, PDE5-Hemmer oder Endothelinrezeptorantagonisten). Es fand
sich eine Reduktion des relativen Risikos für Morbidität/ Mortalität um 38 Prozent unter Macitentan. In der Bosentan-Kombinationsstudie wurde kein vergleichbarer Effekt erzielt. Die Resultate der Selexipag-Studie sind noch nicht vollständig publiziert.
Kombination von Anfang an?
Zur initialen Kombinationstherapie gibt es nur wenige Daten,
und diese meist kleinen Studien wurden fast ausschliesslich
mit schwer erkrankten PAH-Patienten durchgeführt. Über-
dies handelt es sich häufig nicht um randomisierte, sondern
um Beobachtungs- und retrospektive Studien. Insofern lässt
sich die Frage, ob eine Kombinationstherapie mit zwei oder
gar drei PAH-Medikamenten mit unterschiedlichen Wirk-
mechanismen von Anfang an sinnvoll wäre, zurzeit nicht
beantworten.
O
Renate Bonifer
Quellen: 1. Hoeper MM, Gibbs JSR: The changing landscape of pulmonary arterial hypertension and
implications for patient care. Eur Respir Rev 2014; 23: 450–457. 2. Ghofrani HA, Humbert M: The role of combination therapy in managing pulmonary
arterial hypertension. Eur Respir Rev 2014; 23: 469–574. 3. Galiè N et al.: Updated treatment algorithm of pulmonary arterial hypertension.
J Am Coll Cardiol 2013; 62(Suppl 25): D60–D72.
Interessenlage: Die Publikation der Artikel (1) und (2) in der Zeitschrift «European Respiratory Review» wurde von Actelion Pharmaceuticals Ltd. unterstützt. Alle Autoren deklarieren Forschungsgelder und/oder Honorare von verschiedenen im Bereich pulmonale Hypertonie aktiven Firmen.
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