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FORTBILDUNG
Mückenschutz für Reisende
Welche Substanzen sind empfehlenswert?
In einigen Ländern ist ein vollständiger Schutz gegen Mückenstiche erforderlich, um eine Übertragung von Krankheiten wie Malaria oder Denguefieber zu verhindern. In Richtlinien werden derzeit vier gut untersuchte Repellents mit unterschiedlicher Wirksamkeit und Wirkdauer empfohlen. Reisende sollten sicherstellen, dass ihr Präparat gegen alle Vektoren am Zielort ausreichenden Schutz bietet.
British Medical Journal
Repellents gehören zu den wirksamsten Optionen zum Schutz vor Mückenstichen. Hierzulande beugen diese Substanzen kleineren Komplikationen wie Juckreiz, Entzündungen oder der Entwicklung von Allergien vor. In einigen Regionen der Erde ist ein wirksamer Mückenschutz jedoch von essenzieller Bedeutung, um eine Übertragung von Malaria, Denguefieber und anderen Krankheiten zu verhindern. Repellents weisen gegenüber Mücken keine Toxizität auf, sondern wirken durch ihren Geruch abstossend oder blockieren die Geruchsrezeptoren der Tiere. Nina Stanczyk von der London School of Hygiene and Tropical Medicine in London (Grossbritannien) und ihre Arbeitsgruppe haben einen Überblick zur Wirksamkeit und Sicherheit verschiedener Repellents erarbeitet und geben Tipps für die sachgemässe Anwendung. Als Schlüsselfaktoren bei der Auswahl eines geeigneten Präparats gelten die aktiven chemischen Substanzen und deren Konzentration. Diese Eigenschaften beeinflussen die Wirksamkeit und die Dauer des Mückenschutzes. In Richtlinien werden derzeit vier Substanzen empfohlen:
MERKSÄTZE
O Für einen vollständigen Schutz vor Mückenstichen empfehlen Experten Präparate mit DEET (20–50%), Icaridin (20–50%) oder PMD (30%).
O IR 3535 (20%) ist nur für malariafreie Regionen geeignet.
O Ätherische Öle, Metafluthrin, Knoblauch und Vitamin-B12Supplemente bieten in Regionen mit durch Mücken übertragenen Krankheiten keinen ausreichenden Schutz.
O DEET und IR 3535 sollten alle 6 bis 8 Stunden, PMD und Icaridin alle 4 bis 6 Stunden neu aufgetragen werden.
O Repellents sollten vor oder gleichzeitig mit dem Sonnenschutz appliziert werden.
O Bei Kombinationsprodukten ist auf eine ausreichende Konzentration des Repellents zu achten.
O DEET (N,N-Diethylmetatoluamid, z.B. Anti-Brumm® forte) steht bereits seit 1946 zur Verfügung und wird vom World Health Organization Pesticide Evaluation Scheme als Goldstandard empfohlen.
O PMD (P-Menthan-3,8-Diol, Citriodiol, z.B. Anti-Brumm® Naturel) wird aus dem ätherischen Öl von Eucalyptus citriodora (Zitroneneukalyptus) isoliert. Diese Substanz ist für Personen geeignet, die ein natürliches Repellent gegenüber einem synthetischen bevorzugen.
O Icaridin (Hydroxyethyl-Isobutyl-Piperidin, z.B. Anti-Brumm® Sensitive, Bayrepel®, Picaridin®, Saltidin®) wurde in den Achtzigerjahren entwickelt.
O Bei IR 3535 (Insektenrepellent 3535, Ethylbutylacetylaminopropionat; z.B. Anti Brumm® Universel; in der Schweiz nicht mehr erhältlich) handelt es sich um ein bis anhin weniger umfassend untersuchtes synthetisches Repellent.
Wie gut wirken Repellents?
Alle vier Substanzen sind gegen Mücken wirksam, schützen aber auch gegen andere Arthropodenvektoren wie Sandfliegen und Zecken. Manche Repellents weisen eine Schutzdauer von bis zu 12 Stunden auf, die durchschnittliche Wirkungsdauer liegt jedoch in Abhängigkeit von der Substanz, der Applikationsart und der lokalen Mückenspezies bei 4 bis 8 Stunden. In Ländern, in denen von Mücken übertragene Krankheiten endemisch auftreten, sollte ein Präparat mit einem DEETGehalt von 20 bis 50 Prozent verwendet werden. Gross angelegte Studien guter Qualität zeigen, dass mit diesen Konzentrationen ein 100-prozentiger Schutz vor Aedes, Culex und Anopheles über 6 bis 13 Stunden erreicht wird. Repellents mit 30 Prozent PMD gewährleisteten in randomisierten, kontrollierten Studien über 4 bis 6 Stunden einen vollständigen Schutz vor Aedes, Culex und Anopheles. Bis auf die kürzere Wirkungsdauer ist die Effektivität von PMD mit derjenigen von DEET vergleichbar. Mit Icaridin (20–50%) wurde in kontrollierten, randomisierten Studien bis zu 6 Stunden lang ein vollständiger Schutz gegen Aedes, Culex und Anopheles erzielt. IR 3535 (20%) bot in nicht randomisierten Feldstudien in Thailand über 7 bis 10 Stunden einen mit DEET vergleichbaren Schutz vor verschiedenen Mückengattungen inklusive Aedes und Culex. Gegenüber Anopheles beträgt die Wirkungsdauer jedoch nur 3 Stunden. IR 3535 ist daher nicht für eine Anwendung in malariaendemischen Gebieten geeignet.
Wie sicher sind Repellents?
In den Achtziger- und Neunzigerjahren wurde über Enzephalopathien bei Kindern im Anschluss an eine DEET-Exposition berichtet. In Risikoabschätzungen der US Environmental Protection Agenca (USEPA), in unabhängigen Publikationen und in einer klinischen Studie wurde jedoch kein Zusammenhang zwischen der DEET-Anwendung und der
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Entwicklung von Enzephalopathien festgestellt. In diesen Untersuchungen zeigte sich auch kein toxikologisches Risiko – ausser bei nicht sachgemässer Anwendung wie Verschlucken, direkter Inhalation oder Einbringen ins Auge. PMD, Icaridin und IR 3535 werden von der USEPA und der WHO ebenfalls als sichere Repellents eingestuft, sind jedoch bis anhin nicht umfassend bei Menschen untersucht.
Sicherheit in Schwangerschaft und Stillzeit
Die Sicherheit von PMD, Icaridin und IR 3535 in Schwangerschaft oder Stillzeit wurde noch nicht in Studien untersucht; daher können diese Repellents nicht empfohlen werden (1). DEET wurde 1987 in Thailand in einer gross angelegten, doppelblinden, randomisierten Studie guter Qualität bei schwangeren Frauen und bei Frauen in der Stillzeit untersucht. Die Wirkungen auf die Kinder wurden bis zu einem Jahr nach der Geburt evaluiert. In dieser Studie zeigten sich bei topischer Applikation keine unerwünschten Wirkungen. Allerdings waren alle Schwangeren bei Studienbeginn im zweiten oder dritten Trimester, sodass für eine frühere Exposition in der Schwangerschaft keine Sicherheitsdaten vorliegen (1). Das unabhängige Schweizer Informationssystem Pharmawiki rät von einer Anwendung in der Schwangerschaft ganz ab: «DEET soll nicht bei Säuglingen und Kleinkindern oder während der Schwangerschaft und Stillzeit angewendet werden. DEET ist vermutlich nicht teratogen, sollte aber vorsichtshalber nicht von Schwangeren verwendet werden», schreiben die Experten (2).
Sicherheit bei Kindern
Grundsätzlich können topische Repellents entsprechend den Altersangaben der Fachinformation des Herstellers angewendet werden. Nina Stanczyk und ihre Kollegen führen aus, dass DEET-haltige Produkte bei Kindern ab einem Alter von 2 Monaten als sicher gelten (1). Auch hier weichen die Empfehlungen von Pharmawiki von denjenigen der Autoren ab: «Es existieren keine einheitlichen Angaben, ab wann DEET bei Kindern eingesetzt werden soll. Aus unserer Sicht sollte es nicht bei Kindern unter 3 Jahren angewandt werden», raten die Wissenschaftler (2). PMD-haltige Produkte werden aufgrund fehlender Sicherheitsdaten nicht für Kinder unter 3 Jahren empfohlen (1). Das jeweilige Präparat sollte von einem Erwachsenen appliziert werden, der mit dem sachgemässen Gebrauch vertraut ist. Ein Drittel bis die Hälfte aller Eltern wendet Repellents bei ihren Kindern fehlerhaft an. Viele applizieren es auf die Kleidung oder entfernen es vor dem Zubettgehen nicht wieder von der Haut.
Repellents und Sonnenschutzmittel
Aus Laboruntersuchungen geht hervor, dass die Applikation eines Mückenschutzprodukts mit 33,5 Prozent DEET den Sonnenschutzfaktor einer zuvor aufgetragenen Sonnencreme beträchtlich reduziert. In randomisierten Studien mit Aedes und Anopheles wurde beobachtet, dass sich die Wirksamkeit des Repellents bei Auftragen vor dem Sonnenschutz oder bei gleichzeitiger Applikation nicht verringerte, dass aber erneutes Auftragen der Sonnencreme allein die Wirkungsdauer des Repellents um eine Stunde verkürzte. Reisenden wird daher empfohlen, das Repellent vor dem Sonnenschutzmittel zu
applizieren und beide Produkte nach angemessener Zeit erneut aufzutragen. Als weitere Option stehen kombinierte Produkte aus Repellent und Sonnenschutz zur Verfügung. Bei der Auswahl eines geeigneten Kombinationsprodukts sollte auf eine ausreichend hohe Konzentration des Repellents geachtet werden.
Wie werden Repellents angewendet?
Die Autoren empfehlen topische Repellents in Form von Sprays oder Lotionen, da diese Produkte am besten untersucht sind und die höchste Wirksamkeit aufweisen. Reisende sollten sich zudem vergewissern, dass das Repellent gegen alle Vektoren am Zielort wirksam ist. IR 3535 wird angesichts der kürzeren Wirkungsdauer gegen Anopheles nicht für malariaendemische Gebiete empfohlen. Das Repellent wird auf alle exponierten Hautareale mit Ausnahme des Gesichts aufgetragen. So wird verhindert, dass es versehentlich in die Augen gerät oder verschluckt wird. Besonders wichtig ist die Anwendung während der Risikozeiten in der Morgenund der Abenddämmerung. Vor allem in Südostasien, Südamerika und in Waldgebieten sollte aber auch tagsüber auf ausreichenden Schutz geachtet werden. Alle Produkte wirken unterschiedlich lange. Es gilt aber die Faustregel: DEET und IR 3535 sollten alle 6 bis 8 Stunden, PMD und Icaridin alle 4 bis 6 Stunden neu appliziert werden.
Repellents vs. Alternativprodukte
In einer randomisierten, kontrollierten Studie wurden gängige
Handelspräparate mit ätherischen Ölen, Vitamin B oder dem
Insektizid Metofluthrin in verschiedenen Freisetzungssys-
temen wie Armbändern, Stickern, Pflastern oder Elektro-
verdampfern verglichen. In dieser Untersuchung wurde fest-
gestellt, dass nur Elektroverdampfer mit Metafluthrin oder
einer Mischung aus ätherischen Ölen einen abwehrenden Ef-
fekt aufwiesen und 87 bis 95 Prozent der Stiche verhinderten.
Es liegt jedoch keine Evidenz dafür vor, dass eines dieser Sys-
teme in Regionen mit durch Mücken übertragenen Erkran-
kungen einen ausreichenden Schutz bietet.
Ätherische Öle aus Citronella, Neem, Thymian, Geraniol,
Pfefferminz, Patschuli und Gewürznelke weisen aufgrund
ihrer Flüchtigkeit eine variable Wirksamkeit auf. Sie können
über etwa 2 Stunden einen 20- bis 100-prozentigen Schutz
bieten. Es gibt aber keine Belege für einen ausreichenden
Schutz vor Krankheitsübertragung.
Einzelberichte weisen darauf hin, dass eine Veränderung der
Ernährung oder eine Vitaminsupplementierung Mücken-
stiche verhindern könnte. In randomisierten, kontrollierten
Studien wurde jedoch keine Schutzwirkung durch den Ver-
zehr von Knoblauch oder eine Supplementierung mit
Vitamin B12 beobachtet.
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Petra Stölting
Quellen: 1. Stanczyk NM et al.: Mosquito repellents for travellers. BMJ 2015; 50: h99, doi:
10.1136/bmj.h99. 2. www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=DEET
Interessenkonflikte: 3 der 5 Autoren sind beim Arthropod Control Product Test Centre angestellt, das unabhängige Wirksamkeitstests zu Repellents für kommerzielle Hersteller durchführt.
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