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Update zur Aknetherapie bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen
FORTBILDUNG
Wer Akne bloss für eine simple und banale Erkrankung hält, muss umdenken. Die multifaktorielle Pathogenese erweist sich als immer komplizierter, und die Krankheitssymptome umfassen das ganze Spektrum von leicht bis schwer. Ohne strenge Beziehung zum Akneschweregrad sind die psychische Belastung und die Einschränkung der Lebensqualität oft gross. Auch eine relativ leichte Akne kann mit Depression und Suizidgedanken verbunden sein. Die Behandlung sollte so früh wie möglich einsetzen, sich an der Pathophysiologie orientieren und unter Berücksichtigung von Guidelines evidenzbasiert erfolgen.
Alfred Lienhard
Die Aknesymptome können sehr lange vorhanden sein, von 3 Monaten bis zu 40 Jahren (1). Die oft langwierige Behandlung stellt hohe Anforderungen an die Bereitschaft der Patienten, die Behandlung korrekt durchzuführen und adhärent zu bleiben. Individuelle subjektive Vorstellungen der Patienten zur Krankheit, zu den Therapieformen und zur erwarteten Abheilungsdauer sollten vom behandelnden Arzt berücksichtigt und mit den Patienten diskutiert werden.
Aknetherapie bei Jugendlichen und Erwachsenen Zur Erklärung der Aknepathogenese sind die traditionellen vier Komponenten (1. verstärkte Talgproduktion unter Androgeneinfluss; 2. Störung in den Haarfollikeln mit verstärkter
MERKSÄTZE
O Derzeit wird Akne als eine von Anfang an entzun̈ dliche Erkrankung aufgefasst, bei der erbliche Faktoren, proinflammatorische Lipide, bakterieller Biofilm, bakterielle Proteine und regulatorische Neuropeptide eine Rolle spielen.
O Komedonen gelten als essenziell fur̈ die Aknediagnose; wenn sie fehlen, sollten andere Hautkrankheiten in Betracht gezogen werden.
O Zur Behandlung der Komedonenakne werden topische Retinoide und alternativ Azelainsäure empfohlen.
Verhornung und abnormer Zelldesquamation; 3. Hyperkolonisierung der Haarfollikel mit Propionibacterium acnes; 4. Entzündungsreaktionen) heute nicht mehr ausreichend. Derzeit wird die Akne als eine von Anfang an entzündliche Erkrankung aufgefasst, bei der auch erbliche Faktoren, proinflammatorische Lipide, ein bakterieller Biofilm, bakterielle Proteine und regulatorische Neuropeptide eine Rolle spielen (2). Die klinisch noch nicht sichtbaren Initialveränderungen – die Mikrokomedonen – werden traditionell auf die Verstopfung durch das hyperproliferierende Follikelepithel zurückgeführt, sind aber auch mit Entzündungsprozessen verbunden. Komedonen (geschlossene, weisse und offene, schwarze Komedonen) gelten als essenziell für die Aknediagnose (1). Wenn Komedonen fehlen, sollten andere Hautkrankheiten in Betracht gezogen werden (z.B. Rosazea, periorale Dermatitis, Talgdrüsenhyperplasie). Zur Behandlung der Komedonenakne werden topische Retinoide und als Alternative Azelainsäure empfohlen (2). Topische Retinoide hemmen die Bildung von Mikrokomedonen, wirken durch Normalisierung der Zelldesquamation komedolytisch (Entleerung der Komedonen) und reduzieren die Entzündungsreaktion (1). Zu den topischen Retinoiden gehören Adapalen (z.B. Differin® Creme oder Gel), Tretinoin (z.B. Airol® Creme oder Lotion) und Isotretinoin (z.B. Roaccutan® Gel). Azelainsäure (z.B. Skinoren® Creme oder Gel) wirkt antikomedogen, komedolytisch, antimikrobiell und antiinflammatorisch (2). Die Leitlinie des European Dermatology Forum (3) gibt folgende Hauptempfehlungen zur Aknetherapie (high strength of recommendation): O bei leichter bis mittelschwerer papulopustulöser Akne:
Adapalen + Benzoylperoxid in Fix-kombination (z.B. Epiduo® Gel) oder Clindamycin + Benzoylperoxid in Fixkombination (z.B. Duac® Akne Gel); O bei schwerer papulopustulöser und bei nodulärer Akne sowie bei Acne conglobata: Isotretinoin oral (z.B. Curakne®, Isotretinoin-Mepha®, Roaccutan®, Tretinac®).
Die europäische Leitlinie enthält zudem weitere Therapieempfehlungen, die auf geringerer Evidenz beruhen (medium/ low strength of recommendation) und Empfehlungen zu Hormontherapien für Frauen (3).
Akne bei Kindern unter 12 Jahren
Da bisher Leitlinien zur Akne im Kindesalter fehlten, hat die American Acne and Rosacea Society pädiatrische Derma-
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FORTBILDUNG
(Fotos: Dr. Marguerite Krasovec Rahmann)
unterscheidet sich nicht wesentlich von der Therapie Jugendlicher (4). Bei Kindern im Alter zwischen 1 und 7 Jahren ist Akne dagegen sehr ungewöhnlich. In diesem Lebensabschnitt produzieren die Nebennieren und die Gonaden normalerweise kaum Androgene. Akne als Ausdruck eines Hyperandrogenismus macht Abklärungen bei einem pädiatrischen Endokrinologen nötig, um Störungen im Bereich der Nebennieren, Hoden oder Ovarien zu erkennen (z.B. Androgen-sezernierender Tumor). Therapeutisch sind in dieser Altersgruppe orale Tetrazykline kontraindiziert (Gefahr von Knochen- und Zahnschmelzschäden).
Abbildung 1: Acne comedonica Rahmann)
Abbildung 2: Acne papulopustulosa
tologen, Pädiater und Dermatologen beauftragt, in Zusammenarbeit mit der American Academy of Pediatrics erstmals detaillierte, evidenzbasierte klinische Guidelines zur Diagnose und Behandlung der pädiatrischen Akne zu erarbeiten (4). Akne beginnt nicht erst im Alter von 12 Jahren. Aber an den meisten klinischen Aknetherapiestudien konnten sich nur Jugendliche im Alter ab 12 Jahren sowie Erwachsene beteiligen. Entsprechend dünn ist die publizierte Evidenz zur Wirksamkeit und Sicherheit von Aknemedikamenten im Kindesalter. Akne kommt bei Mädchen bereits vor der Menarche vor als Ausdruck der Adrenarche mit verstärkter Bildung von Androgenen in der Nebenniere. Akne kann das erste Zeichen der Pubertätsentwicklung sein, die bei Mädchen im Durchschnitt mit 11 Jahren und bei Knaben mit 13 Jahren beginnt. Die Präadoleszentenakne (im Alter zwischen 7 und 12 Jahren oder bei Mädchen vor der Menarche) ist nichts Ungewöhnliches. Meist sind Komedonen an der Stirn und im Zentrum des Gesichts zu finden mit relativ wenigen entzündlichen Läsionen. Auch an den Ohren kommen früh Komedonen vor. Die Behandlung der unkomplizierten Präadoleszentenakne
Säuglings- und Neugeborenenakne
Die Säuglingsakne kommt im Alter zwischen 6 Wochen und
12 Monaten vor. Knaben sind von den Komedonen und ent-
zündlichen Läsionen (Papeln, Pusteln, gelegentlich noduläre
Läsionen) häufiger betroffen. Meist handelt es sich um eine
selbstlimitierende Erscheinung, die nicht mit endokrinen
Störungen einhergeht.
Bei bis zu 20 Prozent der Neugeborenen kann sich eine Neu-
geborenenakne zeigen. Nur selten handelt es sich um eine
durch Androgene hervorgerufene, echte Akne mit Komedo-
nen und entzündlichen Läsionen. Häufiger sind papulo-
pustulöse akneiforme Läsionen ohne Komedonen, zum Bei-
spiel die neonatale zephale Pustulose (NZP) oder die trans-
iente neonatale pustulöse Melanose. Die Pusteln bei NZP
sind in der Regel an Wangen, Kinn, Augenlidern und Stirn
zu finden. Pathogenetisch können die Kolonisation mit
Malassezia (normale Kommensalen der Säuglingshaut) oder
Entzündungsreaktionen bei Hefepilzwachstum nach der Ge-
burt eine Rolle spielen. Die NZP ist meistens eine leichte,
selbstlimitierende Säuglingsdermatose, bei der es in der Regel
ausreicht, die besorgten Eltern zu beruhigen. Wenn die Pus-
teln sehr zahlreich sind, kann die Pilzkolonisierung durch
Ketoconazolcreme 2% reduziert werden (4). Die transiente
neonatale pustulöse Melanose macht sich mit Pusteln am
Kinn, am Hals oder am Rumpf bemerkbar. Innerhalb von
24 Stunden rupturieren diese Pusteln und hinterlassen hyper-
pigmentierte Maculae.
O
Alfred Lienhard
Referenzen: 1. Lavers I: Therapeutic strategies for acne vulgaris. Nursing Times 2013; 109: 16–18. 2. Nast A et al.: S2k-Leitlinie zur Therapie der Akne. Gültig bis Ende 2014. www.akne-
leitlinie.de. 3. European Dermatology Forum: Guideline on the treatment of acne. Expiry date:
10/2014. www.euroderm.org (bei: EDF Guidelines, unter: Guidelines Acne). 4. Eichenfield LF et al.: Evidence-based recommendations for the diagnosis and treat-
ment of pediatric acne. Pediatrics 2013; 131 (Supplement 3): S163–S186.
Erstpublikation in «Schweizer Zeitschrift für Dermatologie und Ästhetische Medizin» 4/2014.
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