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FORTBILDUNG
Erythropoietische Protoporphyrie
Unsichtbarer Sonnenbrand macht schon Kinder zu «Schattenspringern»
Porphyrien beruhen auf acht verschiedenen und zum Teil sehr unterschiedlichen genetischen Defekten der HämSynthese. Alle führen in der akuten Phase zu massivsten Schmerzen, die allerdings mit wenigen Ausnahmen keine sichtbaren Veränderungen an den entsprechenden Organen verursachen. Porphyrien können jedoch lebensgefährlich werden. Die Patienten sind daher vollkommen darauf angewiesen, dass ihren Schilderungen Glauben geschenkt und die Porphyrie erkannt wird – trotz unsichtbarer Symptome, die keine physische Ursache zu haben scheinen.
Von Jasmin Barman-Aksözen, Xiaoye SchneiderYin, Elisabeth I. Minder
Synthese der Leber gestört ist (hepatische Porphyrien). Die meisten dieser hepatischen Porphyrien gehen mit einer lebensbedrohlichen Unverträglichkeit gegenüber bestimmten Medikamenten einher, die akute Abdominalkoliken verursachen, weshalb diese Formen «akute Porphyrien» genannt werden. Einige verursachen nach Sonnenexposition zusätzlich Blasen auf der Haut (s. Abbildung 1). Das Vorliegen einer Porphyrie lässt sich anhand von zwei Labortests einfach und eindeutig belegen, sofern die Proben während einer symptomatischen Phase abgenommen werden: Bei Bauchschmerzen sollte Spontanurin auf den HämVorläuferstoff Porphobilinogen hin untersucht werden. Wenn Hautsymptome vorliegen, sollte ein Plasma-Fluoreszenz-Scan durchgeführt werden. Auch in der asymptomatischen Phase ist es mit 95-prozentiger Sicherheit möglich, beim Indexpatienten eine Porphyrie nachzuweisen, siehe dazu den «Diagnostik-Pfad Porphyrie» (1).
In diesem Artikel werden diejenigen Porphyrien vorgestellt, die sich auf die Bildung des roten Blutfarbstoffs auswirken (erythropoietische Porphyrien). Behandelt wird beispielhaft die häufigste Form, die erythropoietische Protoporphyrie (EPP), die in der Kindheit beginnt und durch massive Lichtempfindlichkeit der Haut charakterisiert ist. In einem Folgeartikel im Herbst dieses Jahres wird es um die zweite Gruppe der Porphyrien gehen, bei denen die Häm-
MERKSÄTZE
O Lichtunverträglichkeit, wie sie bei den erythropoietischen Porphyrien auftritt, ist sehr schmerzhaft, verursacht aber meist keine sichtbaren Symptome an der Haut.
O Die Symptome beginnen in der frühen Kindheit und haben massive Auswirkungen auf die psychosoziale Entwicklung.
O Oftmals mit einer Sonnenallergie verwechselt, wird die korrekte Diagnose meist erst im Erwachsenenalter gestellt.
O Eine symptomatische Therapie steht in Kürze für erwachsene Patienten mit EPP in Europa zur Verfügung, Studien mit Kindern sind der nächste wichtige Schritt.
O Bei einer Operation muss auf ausreichenden Lichtschutz geachtet werden, Verbrennungen der inneren Organe sind möglich.
Minuten im Licht führen zu Jucken, Brennen und
unerträglichen Schmerzen
Der seltene Gendefekt erythropoietische Protoporphyrie (EPP) führt schon nach Minuten am Sonnenlicht an allen nicht bedeckten Hautstellen zu Schmerzen, die sich zu Verbrennungen zweiten Grades steigern können. Die Betroffenen rennen deshalb von Schatten zu Schatten, weshalb sie sich selbst «Schattenspringer» nennen. Da man in der akuten Phase trotz massivster Verbrennungsschmerzen keine äusseren Veränderungen an der Haut sieht, werden sie jedoch häufig als Simulanten abgetan. Selten kann schon in jungen Jahren ein durch die Erkrankung bedingter transplantationspflichtiger Leberschaden entstehen. Zurzeit befindet sich ein neues Medikament (Wirkstoff: Afamelanotid, Scenesse®) in der Zulassung, das die Verbrennungen reduziert und es den Patienten ermöglicht, ein fast normales Leben zu führen. EPP ist charakterisiert durch massivste Verbrennungsschmerzen der Haut, die dem Licht ausgesetzt war. Betroffene vergleichen die Empfindungen mit «in offenes Feuer zu langen» oder «mit kochendem Wasser übergossen zu werden». Nicht nur direkte Sonnenstrahlung, sondern auch die Reflektion von Wasser, Nebel, Schnee und hellen Oberflächen, auch an kühlen und bewölkten Tagen, löst die Symptome aus. Künstliche Lichtquellen wie starke LED sind gefährlich, bei längeren Operationen können OP-Lampen innere Verbrennungen zweiten Grades verursachen. Den schweren Symptomen gehen typische Vorzeichen (Prodromi) voraus: Schon wenige Minuten am Licht führen zu einem Jucken und unangenehmen Kribbeln der belichteten
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schäden heilen innerhalb von zwei bis drei Wochen ohne Narben ab, die Patienten reagieren in dieser Zeit jedoch empfindlicher auf Licht und andere physikalische Reize (sogenannter «priming effect»). An den lichtexponierten Stellen ist die Alterung der Haut leicht erhöht, bei einigen Personen bilden sich Furchen und hyaline Einlagerungen auf dem Nasenrücken und im Mundbereich.
Abbildung 1: Porphyrien beruhen auf acht verschiedenen und zum Teil sehr unterschiedlichen Defekten der Häm-Synthese. Erythropoietische Porphyrien betreffen die Synthese des Hämoglobins und gehen mit einer schmerzhaften Lichtempfindlichkeit einher, bei der Verbrennungen ähnlich einem Sonnenbrand entstehen. Sichtbare Zeichen einer Verbrennung entwickeln sich jedoch erst mit einer Verzögerung von Stunden. Hepatische Porphyrien haben ihren Ursprung in der Leber. Die meisten hepatischen Porphyrien führen zu einer lebensgefährlichen Unverträglichkeit gegenüber Medikamenten, die schwere akute Bauchschmerzen verursachen, weshalb diese Formen «akute Porphyrien» genannt werden. Einige hepatische Porphyrien verursachen zudem Blasen auf der Haut, wenn sich die Betroffenen Sonnenlicht aussetzen. Sie können diese Abbildung als A4-Merkblatt auf unserer Homepage herunterladen (www.arsmedici.ch). © Jasmin Barman-Aksözen
Leberbeteiligung, Gallensteine und Anämie
Bei 2 bis 5 Prozent der Betroffenen entwickelt sich eine Schädigung der Leber, die eine Transplantation notwendig macht. Dies kann in jedem Lebensalter auftreten, auch schon bei jungen Kindern. Bei den meisten Patienten finden sich durchgehend mehr oder weniger erhöhte Laborwerte für Transaminasen, die eine leichte chronische Leberschädigung anzeigen; eine plötzliche massive Erhöhung der Transaminasen und eine Zunahme der Lichtempfindlichkeit sind Warnzeichen für eine akute und behandlungsbedürftige Leberschädigung. Verbrennungen an der Haut erhöhen dabei das Risiko für einen Leberschaden nicht, dieser entwickelt sich unabhängig davon, ob sich ein Patient dem Licht aussetzt oder nicht. Zusätzlich besteht bei EPP selbst bei jungen Patienten ein höheres Risiko für Gallensteine. Typisch für EPP sind zudem Auffälligkeiten im Blutbild: Tiefe Hämoglobinwerte werden begleitet von tiefen Werten für Speichereisen (Ferritin) und tiefer Transferrinsättigung. Das entstehende mikrozytäre und hypochrome Blutbild spricht für einen Eisenmangel – bei Behandlung mit Eisensubstituten in Form von Tabletten oder Infusionen klagen die meisten Patienten jedoch über eine zum Teil massive Verschlechterung der Lichtempfindlichkeit (2).
Abbildung 2A und 2B: Schwellungen und Verbrennungen bei EPP (erythropoietischer Protoporphyrie), entstanden einen Tag nach einer Sonnenexposition; keine sichtbaren Veränderungen während der Exposition.
2A: © Arun Barman, mit freundlicher Genehmigung; 2B © Selbsthilfe EPP e.V., mit freundlicher Genehmigung.
Hautstellen, die Patienten reagieren mit Schmerzen auf Wind und Kälte. Wird die Lichtexposition nicht abgebrochen, gehen diese Frühsymptome in sich stetig steigernde brennende Schmerzen über. Diese können so massiv werden, dass die Patienten eine permanente Unruhe zeigen und nächtelang nicht schlafen können, da die eigene Körperwärme als unerträglich schmerzhafte Hitze empfunden wird. Bei Kleinkindern äussert sich diese Phase durch nächtelanges Schreien. Trotz schlimmster Schmerzen entstehen während der konkreten Lichtexposition keine sichtbaren Zeichen einer Schädigung. Selten entwickeln sich mit Verspätung von Stunden Schwellungen und Einblutungen (Petechien) der Haut bis hin zu Verbrennungen zweiten Grades (Abbildung 2). Die Haut-
Leben mit EPP: psychosoziale Aspekte
Die lebenslangen Einschränkungen durch EPP führen zu typischen Verhaltensweisen und Auswirkungen auf das gesamte soziale Umfeld der Betroffenen (3). Da die Verbrennungen nicht sofort und häufig überhaupt nicht sichtbar sind, wird den Betroffenen oftmals vorgeworfen, Simulanten zu sein und im Mittelpunkt stehen zu wollen, besonders wenn sie durch Schutzmassnahmen wie lange Kleidung, Hüte und Schirme auch optisch auffallen. Da ihnen permanent nicht geglaubt wird, welcher Belastung sie ausgesetzt sind, beginnen die Betroffenen, an sich selbst zu zweifeln. Typischerweise spielen sie auch Ärzten und Familienmitgliedern gegenüber den Schweregrad ihrer Einschränkungen herunter, ein Verhalten, das als Dissimulation beschrieben wird. Sie versuchen sich anzupassen und an Aktivitäten im Freien teilzunehmen, im vollen Bewusstsein, dass sie tagelange unerträgliche Schmerzen riskieren. Viele Betroffene entwickeln darüber hinaus ihrer Umgebung gegenüber Schuldgefühle, da sie sich als Belastung und Hindernis für andere empfinden. Fehldiagnosen wie zum Beispiel der häufig bei EPP herbeigezogene, aber nicht klar definierte Begriff «Sonnenallergie», alternativmedizinische oder psychologische Heilversuche verstärken die Belastungen der Betroffenen zusätzlich, da mit jeder Therapie eine Erwartungshaltung bei den Patienten und ihrem Umfeld geweckt wird. Depressionen und sozialer Rückzug können die Folge sein. Die meisten Patienten empfinden rückblickend ihre Kindheit als eine vom Druck, sich zu rechtfertigen und anzupassen,
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Steckbrief EPP
Name: Erythropoietische Protoporphyrie Synonyme: Schattenspringerkrankheit (umgangssprachlich); engl.: erythropoietic protoporphyria; Abkürzung: EPP
Ursache: Genmutation, betrifft Herstellung des roten Blutfarbstoffs Häm
Prävalenz: in Europa: 1:100 000 Erstmanifestation im frühen Kindesalter, beide Geschlechter sind gleich häufig betroffen.
Leitsymptome: Nach wenigen Minuten im Sonnenlicht entwickeln die Patienten massive, brennende Schmerzen, jedoch ohne sichtbare Veränderungen an der Haut. Nur lichtexponierte Hautbereiche, vor allem Handrücken und Gesicht, sind betroffen. Sehr selten und häufig erst nach erzwungener, lang anhaltender Lichtexposition von mehreren Stunden können Schwellungen, Rötungen und Blasen entstehen. Die Verbrennungen heilen meist narbenlos ab. Typisch ist, dass den Patienten und ihren Familien das Leiden nicht geglaubt wird, da keine sichtbaren Veränderungen an der Haut zu sehen sind, was die Patienten dazu treibt, zu dissimulieren und die Schmerzen herunterzuspielen. Die starke Adaptation im Alltag (Berufswahl, Hobbys) macht die massiven Einschränkungen erst auf den zweiten Blick sichtbar.
Diagnose: Plasma-Fluoreszenz-Scan (66 Franken), wenn positiv zur Differenzierung freies Protoporphyrin in den Erythrozyten (215 Franken). 1 Röhrchen Lithium-Heparin Vollblut, ohne Gel, nicht zentrifugiert, mit Alufolie vor Licht schützen und bei RT mit A-Post ins Speziallabor senden.
Therapie: Erwachsene Patienten mit EPP: Hautbräunung induzierendes Hormonimplantat mit dem Wirkstoff Afamelanotid (Scenesse®, Clinuvel Pharmaceuticals), Zulassung für die EU im Dezember 2014, Antrag in der Schweiz in Bearbeitung. Physikalische Massnahmen wie Sonnenschirme und Textilien. Sonnencreme und andere Massnahmen zum UV-Schutz sind nicht ausreichend!
Prognose: Keine Verminderung der Lebensdauer, ausser bei transplantationspflichtiger Schädigung der Leber (2–5% der Patienten, in jedem Lebensalter möglich).
geprägte Phase, in der wenig Möglichkeit bestand, den Alltag entsprechend ihren speziellen Bedürfnisse zu gestalten. Der Militärdienst, Tätigkeiten wie die Kinder zur Schule zu bringen und der Trend zu lichtdurchfluteten Bürogebäuden und greller LED-Beleuchtung sind aber auch für erwachsene Patienten zum Teil unüberwindliche Probleme, mit denen sie ihr Leben lang immer wieder konfrontiert werden. Selbst mit korrekter Diagnose haben es die Patienten oftmals schwer, ihrer Umgebung die Tragweite ihrer Erkrankung zu vermitteln, und stossen auf Unverständnis oder gar Ignoranz.
Ursache und Pathophysiologie Ursache der EPP ist ein Gendefekt, der die Herstellung des Häm-Anteils im roten Blutfarbstoff Hämoglobin vermindert. Das von dem Gen kodierte Enzym Ferrochelatase katalysiert den letzten Schritt bei der Synthese des Häms, den Einbau
von Eisen in die namensgebende Häm-Vorstufe Protoporphyrin. Bei ihrer Reifung im Knochenmark akkumulieren die Erythrozyten grosse Mengen an Protoporphyrin und verlieren es später in der Zirkulation wieder, wo es sich an die Membranen der Zellen heftet, die die Blutkapillaren auskleiden. Protoporphyrin nimmt die Energie aus verschiedenen Wellenlängen des sichtbaren, bunten Lichtspektrums auf. Diese Energie wird an das umliegende Gewebe übertragen und löst Verbrennungen in den Kapillarwänden aus, die absterben und undicht werden. Somit entwickelt sich die Verbrennung von innen kommend hin zu den äusseren Schichten der Haut, was die fehlende oder verzögerte Sichtbarkeit der Symptome erklärt. Als sehr schlecht wasserlösliche Substanz wird Protoporphyrin über Leber und Galle ausgeschieden. Es ist allerdings toxisch für Leberzellen und kann als Gallensteine ausfallen.
Therapie
Zum Schutz der Leber sollten die Patienten versuchen, das Organ nicht zusätzlich zu belasten: Impfungen gegen Hepatitis A und B sowie ein höchstens mässiger Alkoholkonsum sind ratsam. Die durch das Licht ausgelösten Schmerzen lassen sich nur mit stärksten, auf Opiaten basierten Schmerzmitteln eindämmen. Diese können wegen der Nebeneffekte nicht als Dauertherapie angewandt werden, erst recht nicht bei Kindern. Im Vordergrund steht daher der Schutz vor Licht. Da bei EPP das sichtbare, bunte Licht Auslöser der Symptome ist, helfen Massnahmen zum Schutz vor UV-Strahlung nicht, das heisst, Sonnencreme oder Textilien mit Lichtschutzfaktor sind nutzlos. Dicht gewebte, lange Kleidung und Hüte oder Schirme bieten die beste Prävention, wobei das Gesicht und die Hände ungeschützt bleiben. Versuche, die Lichtempfindlichkeit mit hohen Dosen BetaCaroten oder anderen Antioxidanzien zu vermindern, waren nicht erfolgreich (4). Neu eingesetzt wird der Wirkstoff Afamelanotid (Scenesse®, Clinuvel Pharmaceuticals), ein Analogon des körpereigenen Hormons Alpha-MSH, das die hauteigene Pigmentproduktion anregt. Das zusätzlich gebildete Melanin filtert sichtbares Licht, bevor es die tiefer liegenden Hautschichten erreicht, und reduziert die Verbrennungen. Unter Behandlung können sich viele der Patienten für zum Teil mehrere Stunden beschwerdefrei im Tageslicht bewegen (5). In der EU bereits zugelassen, wird die Bewilligung durch Swissmedic für dieses Jahr beantragt.
Vererbung und Häufigkeit der EPP
In Europa ist zirka 1 Person von 100 000 von EPP betroffen, was bedeutet, dass in jeder grösseren Stadt einige Patienten leben müssten. Da die Erkrankung aber meist erst nach Jahrzehnten richtig diagnostiziert wird (6) leben in der Schweiz zirka 20 Betroffene – unter ihnen schätzungsweise 5 Kinder –, die nicht wissen, woran sie leiden. Erschwert wird die Diagnose durch einen komplizierten Erbgang, bei dem eine eingeschränkt aktive Variante des betroffenen Gens in Kombination mit einem mutierten Gen des anderen Elternteils auftreten muss, um EPP hervorzurufen. Konsequenz ist, dass häufig mehrere Generationen übersprungen werden, bevor EPP in einer Familie wieder auftritt.
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Abbildung 3: Roter Urin bei Neugeborenen ist ein Warnzeichen für das Vorliegen einer kongenitalen erythropoietischen Porphyrie (CEP), die schwerste und entstellende Verbrennungen durch sichtbares Licht verursacht. © Jasmin Barman-Aksözen
Abbildung 4: Schwere Verbrennungen eines Neugeborenen mit CEP nach Blaulichttherapie zur Behandlung einer Neugeborenengelbsucht.
© Elisabeth Minder, mit freundlicher Genehmigung
Andere erythropoietische Porphyrien Neben der EPP existieren zwei weitere erythropoietische Porphyrien (7). Die X-linked dominant protoporphyria (XLDPP) wird durch das ALAS2-Gen auf dem X-Chromosom verursacht und dominant vererbt. XLDPP ist klinisch nicht von einer EPP zu unterscheiden. Sie wurde erst 2008 als eigenständige Erkrankung beschrieben und betrifft nur wenige Familien weltweit. XLDPP scheint mit einem höheren Risiko für Leberbeteiligung einherzugehen. Neben Protoporphyrin ist zusätzlich Zink-Protoporphyrin in den Erythrozyten erhöht. Die schwerste Form von Porphyrie ist die kongenitale erythropoietische Porphyrie (CEP), die Verbrennungen und entstellende Gewebeschäden mit Verlust von Extremitäten verursacht. Ein Warnzeichen ist roter Urin bei Neugeborenen (Abbildung 3): Bei ihnen kann eine Blaulichtbehandlung gegen Neugeborerengelbsucht schwerste Verbrennungen auslösen (Abbildung 4). Mit 1 betroffenen Person in 1 Million ist diese Form extrem selten, als rezessive Erbkrankheit kann sie jedoch ohne positive Familiengeschichte auftreten.
Diagnostik Der erste Schritt zum Nachweis oder Ausschluss der erythropoietischen Porphyrien ist sehr einfach: Beim Hausarzt kann ein Röhrchen Vollblut (Li-Heparin, ohne Gel und nicht zentrifugiert) abgenommen und in Aluminiumfolie verpackt (Lichtschutz!) bei Raumtemperatur für einen Plasma-Fluoreszenz-Scan ins Speziallabor eingesendet werden. Die weiteren Abklärungen und Differenzierung der Porphyrien sind im «Diagnostik-Pfad Porphyrie» dargestellt (1).
Kontaktadressen Schweiz
Stadtspital Triemli Zürich, Institut für Labormedizin Birmensdorferstrasse 497, 8063 Zürich Tel. 044-466 38 40/23 22, Internet: www.triemli.ch Dr. des. Jasmin Barman-Aksözen E-Mail: jasmin.barman@triemli.zuerich.ch Patientenorganisation: Schweizerische Gesellschaft für Porphyrie (SGP) Internet: www.porphyria.ch Dr. Rocco Falchetto, E-Mail: praesident@porphyria.ch
Fazit für die Praxis
Patienten jeden Alters, die über massive Schmerzen klagen,
nachdem sie Sonnenlicht ausgesetzt gewesen sind, sollte man
auf das Vorliegen einer erythropoietischen Porphyrie abklä-
ren, wenn folgende Punkte gegeben sind:
O Sonne tut weh: Unbedeckte Hautstellen schmerzen nach
dem Aufenthalt im Freien.
O «Unsichtbarer» Sonnenbrand: Äusserlich sind keine An-
zeichen einer Verbrennung zu sehen.
O Sonnencreme ist nutzlos: Die Symptome kommen trotzdem.
O Unklare Anämie und/oder Erhöhung der Leberwerte: An
eine Porphyrie als Ursache denken.
O Roter Urin bei Neugeborenen: Kongenitale erythropoieti-
sche Porphyrie (CEP)! Keine Blaulichtbehandlung gegen
Neugeborenengelbsucht!
O
Korrespondenzadresse: Dr. des. Jasmin Barman-Aksözen Stadtspital Triemli Zürich Institut für Labormedizin Birmensdorferstrasse 497 8063 Zürich E-Mail: jasmin.barman@triemli.zuerich.ch
Interessenlage: Die Autoren deklarieren, dass keine Interessenkonflikte bestehen.
Wir danken Frau Dr. Saskia Karg, wissenschaftliche Koordination radiz, UniversitätsKinderspital Zürich, für ihre Unterstützung. «radiz» steht für «Rare Disease Initiative Zürich», klinischer Forschungsschwerpunkt für seltene Krankheiten Universität Zürich.
Literatur 1. Freidank H et al.: Diagnostik-Pfad «Porphyrie». Forum Med Suisse 2012; 12(41):
797–799. http://www.medicalforum.ch/docs/smf/2012/41/fr/fms-01245.pdf 2. Barman-Aksözen J et al.: In ferrochelatase-deficient protoporphyria patients, ALAS2
expression is enhanced and erythrocytic protoporphyrin concentration correlates with iron availability. Blood Cells, Molecules, and Diseases 2015; 54(1): 71–77. 3. Barman-Aksözen J, Minder EI: Max der Schattenspringer. 4bis8 Fachzeitschrift für Kindergarten und Unterstufe. Juli, Nr. 5/2014. 4. Minder EI et al.: A systematic review of treatment options for dermal photosensitivity in erythropoietic protoporphyria. Cellular and molecular biology (Noisy-le-Grand, France) 2008; 55(1): 84–97. 5. Harms J et al.: An α-melanocyte–stimulating hormone analogue in erythropoietic protoporphyria. N Engl J Med 2009; 360(3): 306–307. 6. Schneider-Yin X, Harms J, Minder EI: Porphyria in Switzerland, 15 years experience. Swiss medical weekly 2009; 139(13): 198. 7. Minder EI: Porphyrien im Kindesalter. Paediatrica 2010; 21(5): 60–62.
Seltene Krankheit? – Häufiges Problem!
Sind weniger als 1 von 2000 Personen betroffen, spricht man von einer seltenen Krankheit. Zirka 5 bis 6 Prozent der Bevölkerung sind von einer der rund 7000 bekannten seltenen Krankheiten betroffen – was den Begriff «selten» relativiert und uns veranlasst hat, auch über seltene Krankheiten in ARS MEDICI zu berichten. Bisher erschienen:
O Frühdiagnose der Sklerodermie, ARS MEDICI 16/2014, S. 814–818
O Morbus Gaucher, ARS MEDICI 4/2014, S. 206–208 O Lokalisierte Sklerodermie – selten, aber therapie-
bedürftig, ARS MEDICI 2/2014, S. 97–101 O Primäre Ziliendyskinesie,
ARS MEDICI 11/2013, S. 586–589.
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