Transkript
Tiefere Margen bei Medikamenten?
Im Rahmen der diesjährigen APA-Generalversammlung diskutierten renommierte Gäste über ein äusserst brisantes Thema: die Medikamentenmargen.
Fabienne Bünzli
Die Medikamentenpreise sind ein viel diskutiertes und äusserst kontroverses Thema. Dementsprechend gehen die Forderungen weit auseinander. Um dieser Thematik auf den Grund zu gehen und die verschiedenen Positionen näher zu beleuchten, stand die Medikamentenpreisgestaltung im Fokus der anschliessenden Informationsveranstaltung. Dabei durfte die APA äusserst renommierte und bekannte Gäste als Referenten begrüssen. Neben Preisüberwacher Dr. iur. Stefan Meierhans legten auch Thomas B. Cueni, Geschäftsführer der Interpharma, und Verena
Neues APA-Vorstandsmitglied
Im Rahmen der APA-Generalversammlung wurde Dr. med. Christian Peter als neues Vorstandsmitglied gewählt. Sein Medizinstudium absolvierte er in Neuchâtel und Bern. Zudem erwarb er einen Master in Accounting und Finance an der Universität St. Gallen. Christian Peter ist als Leiter Medikamentenmanagement bei der Medsolution AG tätig und wird den APA-Vorstand als Vertreter der Netzwerke erweitern.
Nachruf Dr. med. Ernst Gähler †
Als Referent für die öffentliche Informationsveranstaltung wäre auch Dr. med. Ernst Gähler †, Vizepräsident der FMH, vorgesehen gewesen. Leider verstarb er überraschend wenige Tage vor dem Anlass. Um seiner zu gedenken, wurde ein Rückblick auf sein Leben und Schaffen gehalten.
Nold Rebetez, Direktorin der santésuisse, ihre Sichtweisen dar.
Untaugliche Studie
zur Selbstdispensation
In seinem Referat forderte Preisüberwacher Stefan Meierhans eine Preissenkung der Medikamente. Die Preise seien im Vergleich zu Europa exorbitant hoch, betonte er. Dabei postulierte er, dass die Selbstdispensation einen Teil der Kosten verursache. Hierfür verwies Meierhans auf eine Studie der Universität Bern, die Kritik an der ärztlichen Medikamentenabgabe übt, in Fachkreisen aber höchst umstritten ist. Dementsprechend fielen auch die Voten des Publikums in der anschliessenden Diskussion energisch aus. So wurde moniert, dass die erwähnte Studie erhebliche methodische sowie inhaltliche Mängel aufweise. Bei der Erhebung wurde beispielsweise die LoA (Leistungsorientierte Abgabe) als bedeutender Kostenfaktor im Apothekenkanal vollends ausgeklammert. Dies verzerre die Resultate und zeichne ein völlig falsches Bild der Kostenstrukturen, so die Anwesenden.
Radikaler Bruch
mit dem bewährten System
Des Weiteren präsentierte Meierhans einige Vorschläge für eine neue Preisgestaltung von Medikamenten. Unter anderem verlangte er ein Festbetragssystem für Generika und patentabgelaufene Medikamente, eine obere Vergütungslimite pro Wirkstoff und reduzierte Vertriebsmargen. Rund eine halbe Milliarde Franken möchte er über sämtliche Abgabekanäle hinweg einsparen. Seitens des Publikums wurde eingeworfen, dass die vorgeschlagenen Massnahmen einen radikalen Bruch mit dem bestehenden System verursachen und eine unnötige Bürokratie nach sich ziehen würden. Auch die Praxistauglichkeit von Meierhans’ Forderungen wurde stark angezweifelt. APA-Geschäftsführer und Moderator Sven Bradke fügte hinzu, dass vor allem bei den Taxpunktwerten für ärztliche Leistungen Handlungsbedarf bestünde. Diesbezüglich gibt es immer noch enorme Differenzen zwischen SD- und Rezeptur-Kantonen.
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ARS MEDICI 8 I 2015
Tiefere Margen bei Medikamenten?
Thomas B. Cueni, Geschäftsführer Interpharma
Preisüberwacher Stefan Meierhans und APA-Geschäftsführer Sven Bradke
Verena Nold Rebetez, Direktorin santésuisse Preisüberwacher lobt die ärztliche Medikamentenabgabe Insbesondere mit einem Statement sorgte der Preisüberwacher für eine grosse Überraschung. So hob Meierhans hervor, dass er die ärztliche Medikamentenabgabe befürworte. Die Anwesenden quittierten diese Aussage mit einem tosenden Applaus. Wurde dem Preisüberwacher bis anhin doch eine eher SD-kritische Einstellung attestiert.
Keine weiteren Einsparungen
Ähnlich wie der Preisüberwacher forderte auch Verena Nold Rebetez, Direktorin der santésuisse, eine Revision der heutigen Medikamentenmargen. Dabei sprach sie sich für kleinere Margen für SD-Ärzte aus. «Wenn sie die Taxpunktwerte des Kantons Juras hätten, würden sie diesem Vorschlag sofort zustimmen», so der O-Ton eines Anwesenden. Weiter wurde kritisiert, dass sich die Ärzteschaft in den vergangenen Jahren immer wieder kompromissbereit gezeigt und Einkommenseinbussen hingenommen habe. Eine weitere Sparrunde auf dem Buckel der Ärzte sei daher nicht fair.
Günstige Selbstdispensation
Des Weiteren verlangte Nold Rebetez kanalspezifische Margen. Die Medikamentenkosten in einer Apotheke seien höher als in einer Praxis, rechtfertigte sie ihre Position. «Wenn nicht mit tieferen Margen und billigeren Medikamenten: Wie sollen wir die Kosten für unser teures Gesundheitssystem dann senken?», fügte Nold Rebetez hinzu. APA-Geschäftsführer Sven Bradke warf ein, dass diese Aussage äusserst kritisch hinterfragt werden müsse. So konnte empirisch bisher nicht nachgewiesen werden, dass die Medikamentenkosten bei SD-Ärzten höher seien als diejenigen in Apotheken. Im Gegenteil: Aktuelle Befunde und Erhebungen weisen sogar in die entgegengesetzte Richtung. Belegen doch verschiedene Studien, dass die SD ein kostengünstiger, patientenfreundlicher und sicherer Abgabekanal ist. Trotz der erwähnten Differenzen bezüglich der Medikamentenpreisgestaltung konnte dennoch ein wichtiger Konsens zwischen den Positionen der santésuisse und der SD-Ärzte ausgemacht werden. So sprach sich die Direktorin der santésuisse ebenfalls dezidiert für die Selbstdispensation aus.
Kein Festbetragssystem
Thomas B. Cueni, Geschäftsführer der Interpharma, hob hervor, dass sich die Selbstdispensation bewährt habe. Er konstatierte, dass die heutigen Medika-
mentenpreise fair und vertretbar seien. So widerlegte er auch die Behauptung, wonach die Schweiz in Bezug auf die Medikamentenpreisgestaltung einer Hochpreisinsel gleiche. Zudem leitete Cueni her, dass die Schweizer Medikamentenpreise unter Berücksichtigung der Kaufkraft nicht höher als in anderen europäischen Ländern seien.
Nutzenbasierte Preise?
In seinem Referat ging der Geschäftsführer der Interpharma auch auf die Bedeutung der Pharmaindustrie ein. Die Branche bringe der Schweiz eine enorme Wertschöpfung und generiere etliche Arbeitsplätze, bemerkte er. Dennoch räumte er ein, dass das heutige System durchaus gewisse Defizite aufweist. Cueni schlug deshalb vor, nutzenbasierte Preise einzuführen. Das heisst, Medikamente mit dem gleichen Nutzen müssten im selben Preisbereich liegen. Somit würden Preisunterschiede kleiner. Damit liesse sich ein Anreiz schaffen, das beste Medikament und nicht das billigste zu verschreiben. Dieses System sei auch im Sinn der selbstdispensierenden Ärzte, erwähnte APA-Geschäftsführer Sven Bradke später. Ganz klar lehnte Cueni hingegen das Preisgestaltungssystem der Niederlande ab. Dort besteht die Pflicht, das billigste Medikament zu verschreiben. Diese reduktionistische Fokussierung auf den Preis würde eine Gefahr für das Patientenwohl darstellen und die Behandlungsmöglichkeiten enorm einschränken.
Weiterhin am Ball bleiben
Wie sich anlässlich der APA-Veranstaltung zeigte, werden die Medikamentenpreise auch weiterhin zu reden geben. So hat sich auch im Rahmen des öffentlichen Informationsanlasses kein eindeutiger Konsens herauskristallisiert. Selbstverständlich wird die APA daher die Entwicklungen rund um die Medikamentenmargen weiterhin aufmerksam beobachten und sich zugunsten der Selbstdispensation einsetzen. O
Fabienne Bünzli
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