Transkript
Behinderte Nasenatmung
Welche Abklärungen sind sinnvoll?
FORTBILDUNG
Die behinderte Nasenatmung ist ein häufig beklagtes Symptom. Um der Ursache auf den Grund zu gehen, ist das Ausmass der Beschwerden zu berücksichtigen und zunächst eine strukturierte Anamnese zu erheben. Diese gibt erste Hinweise auf mögliche Auslöser und führt zu einer zielgerichteten Diagnostik. Als häufigste Einzelursache liegt der behinderten Nasenatmung eine Allergie zugrunde. Die Nasenendoskopie liefert in vielen Fällen zusätzliche Information. Befunde apparativer Untersuchungen decken sich in vielen Fällen nicht mit dem subjektiven Umfang der Einschränkung und sind daher fakultativer Bestandteil der Diagnostik.
Yue-Shih Chen, Sonja F. Arab und Jochen Windfuhr
Die behinderte Nasenatmung ist das häufig empfundene Gefühl eines unzureichenden Luftflusses durch die Nase. Die Behinderung kann temporär, permanent, ein- oder beidseitig empfunden werden. Die temporäre Nasenatmungsbehinderung wird in der Regel durch eine Entzündung der Schleimhaut (allergische, infektiöse oder toxische Genese) oder eine verstärkte Schleimhautsekretion verursacht. Demgegenüber steht die permanente Nasenatmungsbehinderung, deren Ursache in einer Verlegung der Nasenhaupthöhle durch Polypen, Fremdkörper, benigne oder maligne Tumoren oder in anatomischen Variationen der inneren und äusseren Nase zu suchen ist. Eine dringliche Abklärung ist erforderlich bei O plötzlich aufgetretener einseitiger Atembehinderung; O blutiger Rhinorrhö;
MERKSÄTZE
O Die häufigste Einzelursache für behinderte Nasenatmung ist eine Allergie.
O Befunde apparativer Untersuchungen decken sich in vielen Fällen nicht mit der subjektiv wahrgenommenen Einschränkung.
O Sehstörung; O Parästhesie/einseitigem Gesichtsschmerz.
Häufige Ursachen
Die allergische Disposition wird als häufigste Einzelursache für eine behinderte Nasenatmung angenommen. Die Prävalenz wird auf 10 bis 40 Prozent geschätzt (1). Von Allergikern wird die behinderte Nasenatmung als Hauptgrund für eine Arztkonsultation genannt. Das Symptom der Nasenatmungsbehinderung ist bei 59 Prozent der betroffenen Erwachsenen an eine verminderte berufliche Leistungsfähigkeit und bei 61 Prozent der betroffenen Kinder an beeinträchtigte schulische Leistungen gekoppelt. Annähernd die Hälfte (49%) der allergischen Patienten beklagen zudem Schlafstörungen als Folge der behinderten Nasenatmung (2). Der allergischen Rhinitis folgt die akute Rhinosinusitis als zweithäufigste Ursache der Nasenatmungsbehinderung. Lediglich bei rund 21 Prozent der Befragten mit behinderter Nasenatmung liegen weder ein akuter Infekt noch eine Inhalationsallergie als Ursache vor. Bei diesen Betroffenen wurde in 21 Prozent der Fälle eine permanente Nasenatmungsbehinderung, in 20 Prozent mehrfach in der Woche und in 25 Prozent mehrfach im Monat beklagt. Eine einseitig behinderte Nasenatmung wurde von 20 Prozent, eine beidseitige von 44 Prozent und eine wechselseitige von 36 Prozent der Betroffenen angegeben (3). Eine medikamentös induzierte Nasenatmungsbehinderung liegt bei 1 bis 9 Prozent der Betroffenen vor. Als Wirkstoffe kommen zentral wirksame Substanzen (Reserpin, Methyldopa), Antihypertensiva (Guanethidin, ACE-Hemmer) und Hormone infrage. Bei 2 bis 4 Prozent der Population findet sich eine Polyposis nasi (4).
Anamnese
Unter Berücksichtigung der epidemiologischen Aspekte umfasst die Diagnostik der Nasenatmungsbehinderung obligat eine symptomorientierte Anamnese. Erfasst werden sollten Dauer der Beschwerden, jahreszeitliche Abhängigkeit, Abhängigkeit von Expositionen, Tagesverlauf, Lokalisation der Atmungsbehinderung und die Abhängigkeit von körperlicher Belastung. Begleitende Symptome wie Epistaxis, Krustenbildung, Hypersekretion, rezidivierende Sinusitis, Riechstörung, nasales Atemgeräusch und eine Medikamentenanamnese sollten ebenfalls erfragt werden. Fakultativ ist eine Objektivierung der Symptome über standardisierte Fragebögen (5) und eine visuelle Analogskala
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von Implantaten und Narben erkennen. Das Anheben der Nasenspitze dient der Beurteilung der Nasenklappe und des Naseneingangs.
Abbildung 1: äussere Schiefnase
Abbildung 2: verengter Naseneingang durch verbreiterte Kolumellabasis
Endoskopie
Die Inspektion des Naseninneren erfolgt durch eine anteriore Rhinoskopie mit Beleuchtung und eine Nasen- und Nasenrachenendoskopie mittels Optiken. Die Endoskopie der Nasenhaupt- und -nebenhöhlen erlaubt einen tieferen Einblick in die inneren Strukturen der Nase und wird üblicherweise mit starren Endoskopen durchgeführt (Abbildung 3). Diese Untersuchungsmethode zeigt bei behinderter Nasenatmung in rund 39 Prozent der Fälle pathologische Befunde, die mit der anterioren Rhinoskopie nicht detektiert wurden (7). Die Nasenendoskopie erfasst morphologische Veränderungen, krankhafte Raumforderungen (Entzündung, Neoplasie oder Fremdkörper) und erlaubt eine Beurteilung der Schleimhautsekretion sowie von deren Ursprung. Es besteht jedoch eine Diskrepanz zwischen der Durchgängigkeit der Atemwege und der subjektiv wahrgenommenen Atembehinderung. In einer Stichprobe in Korea wurde bei 22 Prozent von 9284 Probanden eine Septumdeviation durch den HNO-Arzt festgestellt. Im Vergleich zum erhobenen Befund beklagten lediglich 2,8 Prozent dieser Untersuchten eine behinderte Nasenatmung (8). In weiteren Untersuchungen zeigte sich kein Zusammenhang zwischen dem Ausmass einer Polyposis nasi und der subjektiven Nasenatmungsbehinderung (9).
Abbildung 3: starre Endoskopie der inneren Nase; + Nasenseptum; # Polyp; * untere Nasenmuschel
möglich (6). Diese Verfahren werden vielfach in Studien eingesetzt und weisen eine hohe interindividuelle Variabilität aus. Sie sind jedoch geeignet, um den Effekt einer therapeutischen Intervention zu verfolgen.
Klinische Untersuchung Die Inspektion der äusseren Nase umfasst nachfolgende Komponenten: O systematische Befunderhebung von vorn, von der Seite,
von der Basis (Abbildung 1); O Proportion der Nase in Relation zu den übrigen Gesichts-
komponenten; spezifische Grössenverhältnisse einzelner Nasenkomponenten zueinander; O Beurteilung von Nasenwurzel, -rücken, -spitze, -steg und -basis; Winkelmasse zwischen Stirn-Nase-Oberlippe-Kinn (Abbildung 2); O Inspektion in Ruhe und bei forcierter Atmung zur Erkennung eines Naseneingangskollapses; O Veränderung des Nasen-Lippen-Komplexes bei mimischer Beanspruchung.
Erfasst werden angeborene und erworbene Veränderungen der Nasen- und Gesichtsform, die sowohl statisch als auch erst in dynamischer Beanspruchung manifest werden. Die nachfolgende Palpation von Nase und Gesicht lässt Veränderungen in Struktur und Qualität von Haut, Subkutangewebe, Knochen, Knorpel sowie gegebenenfalls den Nachweis
Rhinomanometrie Bei der Rhinomanometrie werden zur qualitativen Einschätzung einer nasalen Obstruktion sowohl der nasale Luftstrom als auch der transnasale Druckverlust während der gesamten Ein- und Ausatemphase gemessen (10). Die Untersuchung kann bei entsprechendem klinischem Verdacht durch Provokationsmassnahmen und/oder Applikation abschwellender Medikamente ergänzt werden. Der Vergleich der Messungen vor und nach Provokation erlaubt den Rückschluss auf eine krankhafte (z.B. allergische) Schleimhautreaktion.
Rhinoresistometrie Bei der Rhinoresistometrie erfolgt die Messung des Atemluftstroms und der transnasalen Druckdifferenz in gleicher Weise wie bei der Rhinomanometrie. Mithilfe einer speziellen Software werden auf der Basis strömungsphysikalischer Gesetze der Strömungswiderstand, das Turbulenzverhalten, der hydraulische Durchmesser und der Reibungskoeffizient für jede Nasenhaupthöhle berechnet (11).
Akustische Rhinometrie Die akustische Rhinometrie erfasst die Geometrie der inneren Nase. Über einen Nasenadapter werden durch ein langes Schallrohr kurze Klickgeräusche in die Nase eingebracht und dort reflektiert. Durch die dadurch stattfindende Frequenzund Amplitudenänderung der Schallwellen lässt sich die Querschnittfläche des Naseninnenraums (x-Achse) in Relation zur Entfernung zum Ostium nasi externum (y-Achse) ermitteln (10). Die Untersuchung erlaubt die Lokalisation und seitengetrennte Quantifizierung der anatomischen Engstellen im Naseninneren.
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FORTBILDUNG
Tabelle:
Übersicht der Untersuchungsmethoden und Eignung für Diagnostik und Objektivierung der Symptome
Methode visuelle Analogskala
Eignung für Ätiologie Objektivierung
des Symptoms
–+
Nasenendoskopie
++
Rhinomanometrie/Rhinoresistometrie
o
o
akustische Rhinometrie
–o
CT/MRT
o–
Olfaktometrie
–o
Allergietest
+o
Abstrich/Biopsie
+o
– : ungeeignet; o: gelegentlich sinnvoll; +: empfehlenswert
Bildgebende Verfahren
Die Aussagekraft des konventionellen Röntgens ist aufgrund der geringen Detailauflösung eingeschränkt. Detailliert lassen sich die knöchernen Strukturen der Nasenhaupt- und -nebenhöhlen mithilfe einer Computertomografie (CT) beurteilen. Der CT wiederum ist die Magnetresonanztomografie (MRT) in der Weichteil-/Schleimhautdarstellung überlegen. Eine routinemässige Bildgebung durch CT oder MRT ist beim Symptom der Nasenatmungsbehinderung jedoch nicht gerechtfertigt. Insbesondere in der MRT werden 32 bis 55 Prozent asymptomatische Patienten detektiert (8). Der Stellenwert der Schnittbildgebung liegt in der präoperativen Diagnostik zur Operationsplanung.
Fazit
Die behinderte Nasenatmung ist ein subjektives Empfinden.
Im Regelfall sind eine sorgfältige symptomorientierte Ana-
mnese und eine klinische, systematische Befunderhebung zur
Erkennung der Ursache ausreichend (Tabelle). Bei unplau-
siblen und mit den Befunden nicht korrelierenden Beschwer-
den kann im Einzelfall eine apparative Diagnostik hilfreich
sein.
O
Die Funktionsdiagnostik der Nasenatmung (Rhinomanometrie, Rhinoresistometrie, akustische Rhinometrie) als Momentaufnahme dient als Orientierungshilfe zur operativen Indikationsstellung. Gemessen wird hierbei die Durchgängigkeit beziehungsweise die Weite der inneren Nase. Die Ergebnisse der apparativen Untersuchungen korrelieren nur schwach mit den subjektiven Beschwerden und können lediglich die Indikation zur Behandlung unterstützen (12, 13).
Olfaktometrie Die Überprüfung der Riechfunktion erfolgt in der klinischen Routine durch eine Schwellenbestimmung mithilfe sogenannter «Sniffin Sticks». Eine behinderte Nasenatmung kann Ursache für eine Riechstörung sein. Umgekehrt spiegelt die Hyposmie nicht das Ausmass der nasalen Obstruktion wider, da diese durch zusätzliche, vorrangig entzündliche Faktoren beeinflusst werden kann (14).
Allergiediagnostik Die allergische Rhinitis als häufigste Einzelursache kann mittels Prick-Test und spezifischer durch eine Provokation der Nasenschleimhaut mit dem vermuteten Allergen geprüft werden. Beide standardisierten Verfahren erlauben den Rückschluss auf eine allergische Genese. Die nasale Provokation erlaubt zudem den Rückschluss auf das Ausmass der allergischen Schleimhautreaktion. Das Ergebnis des PrickTestes korreliert nicht mit der Intensität der allergischen Beschwerden (15).
Abstrichentnahme und Biopsie Die Abstrichentnahme dient dem Nachweis einer Keimbesiedlung im Nasensekret und ermöglicht eine zielgerichtete Behandlung der Entzündung. Zytologie, Histologie und die Bestimmung von Entzündungsmediatoren (Interleukine) geben Hinweise auf die Ätiologie der Entzündung, sind jedoch ungeeignet für die Beurteilung der nasalen Obstruktion (16).
Korrespondenzadresse:
Yue-Shih Chen
HNO-Praxisgemeinschaft Chen/Arab
D-53604 Bad Honnef
Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 15/2014. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor.
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