Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Das beliebteste Menü im Altersheim soll, so sagt es jemand, der es wissen muss, Toast Hawaii sein. Das war für die Bewohner, die heute um die 80 sind, in jüngeren Jahren offenbar ein unvergessliches exotisches Novum. Worauf werden WIR uns wohl dereinst im Altersheim am meisten freuen? Auf Pizza? Schnipo? Riz Casimir? Und die jetzt Vierzigjährigen? Auf Trutenschnitzel? Oder doch eher auf Vegi-Burger und Rucolasalat?
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Das unerschöpfliche Internet: Religion is like a penis. It’s okay to have one. It’s okay to be proud of it. However: Do not pull it out in public. Do not push it on children. Do not write laws with ist. Do not think with it!
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Aus eigener Erfahrung: Das Tolle an Energiesparlampen ist, dass es 30 Minuten dauert, bis du weisst, ob ein Einbrecher oder deine Kinder vor dir stehen.
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Zur Wahl als Unwort des Jahres steht der Begriff «Unwort des Jahres». Eine mutige Idee, die der Jury einiges an Selbstironie abverlangen würde. Ob der Unernst über die Ideologie siegt?
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Steuern sind unbeliebt. Es sei denn, sie treffen nur wenige, dann kann sich der Staat um den Protest foutieren. Noch besser: Die Steuern sind nominal klein, treffen aber viele Leute – dann macht’s die Masse. Am besten jedoch, es trifft Leute, die viel haben, sich aber nicht wehren (können). Noch besser, es lässt sich eine krude Begründung finden für die neue Steuer. Diese Ausführungen sind nötig, um zu verstehen, wie jemand auf die Idee kommen konnte, eine Rollator-Maut einzuführen (Maut = Benutzungsgebühr, bei uns z.B. die Autobahnvignette). Aber eigentlich logisch:
Alte haben Geld. Alte mit Rollator wehren sich nicht. Es gibt viele und immer mehr Alte mit Rollator. Und Alte mit Rollatoren nutzen die öffentlichen Wege. Eine ideale Kombination, die geradezu nach einer Besteuerung ruft. Wer nun meint, dann müsste es eigentlich auch eine Velo-Maut geben, liegt natürlich falsch. Sich mit Velofahrern anzulegen, ist für Politiker fast so rufschädigend wie sich für Hunde oder Tierschutz einzusetzen. Nein, es ist nur eine Frage der Zeit, bis in der Schweiz die «RollatorVignette» eingeführt wird. Aber vielleicht hat der, der die Idee geboren hat, ja auch nur an einen verfrühten Aprilscherz geglaubt.
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Facebook bleibt eine ebenso problematische wie spannende Sache. Problematisch, weil man immer mal wieder versucht ist, Dinge von sich preiszugeben, die man besser für sich behielte. Spannend, weil man so manches über andere erfährt: einiges, von dem «Freunde» wollen, dass man’s erfährt, einiges aber auch, von dem sie nicht einmal ahnen, dass andere es erfahren. Weil sie etwas gepostet haben. Oder auch, weil sie nichts gepostet haben. Es gibt die Tierfreunde, die Spieler, die Politaktivisten, die Musikfreaks, die Videoclip-Addicts, die «das gab’s heute im Restaurant XY» (oder «… bei uns zum Znacht»), die Sprücheklopfer, die Landschafts-, Sonnenuntergangs- und Gewitterstimmungsverliebten, die Witzeverbreiter, die professionellen User und viele mehr.
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Spannend sind «Entfreundungen» – weil man sie meist lange nicht bemerkt: «Freunde» also, die einen aus ihrer Freundesliste entfernt haben. Das kommt, so man ein durchschnittlich netter Mensch ist, selten vor, ist aber gelegentlich eine Offenbarung. Ebenso aufregend sind die «Freunde», die eigentlich gar keine Freunde sind, sondern eher Feinde, die man aber –
schlaue Taktik – als FB-«Freunde» besser unter Beobachtung halten kann. Bei jenen FB-Nutzern mit Tausenden von Freunden ist klar, dass von «Freundschaft» keine Rede sein kann; es sind meist die taktischen Freundschaften der Politiker oder von Geschäftsleuten. (Zum Glück hat FB eine Obergrenze von 5000 «Freunden» eingeführt: Eine weise Beschränkung zum Schutz vor krankhaftem Freundesammeln.)
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Zu den faszinierendsten und unterhaltsamsten «Freunden» gehören jene, die man gar nicht kennt. Die aus irgendeinem Grund im Freundesnetz hängen geblieben sind – als Spielpartner bei «Gardens of Time» zum Beispiel. Und die man nach all den Jahren nicht mehr missen möchte, weil sie einem irgendwie ans Herz gewachsen sind und einen in völlig fremde Welten hineingucken lassen. LaTrese aus Reno, Carlota aus Mexiko, Brenda aus Gloucester, Tina aus Washington, Sonja aus den Niederlanden, Cretia aus Kansas, Suzie aus Kalifornien, Jeanette aus Toulon und natürlich – Richard Altorfer aus Neuseeland, der einzig wegen seiner seltenen, aber auch nicht ganz fremden Namenskombination ein «Freund» wurde, inzwischen aber – obschon noch nie getroffen oder persönlich gesprochen und mit eher kauzigen Hobbys beschäftigt – aus dem (FB-)Leben nicht mehr wegzudenken ist.
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Man kann viel gegen Facebook einwenden, aber ohne FB gäbe es eine Welt weniger, in der man täglich Neues entdecken, sich in Unsinnigem verlieren oder einfach die Zeit totschlagen kann.
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Und das meint Walti: Eigentlich hatte ich heute viel vor. Jetzt habe ich morgen viel vor.
Richard Altorfer
ARS MEDICI 5 I 2015
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