Transkript
Neues zur Sekundärprävention nach Schlaganfall
FORTBILDUNG
Patienten, die bereits eine transiente ischämische Attacke (TIA) oder einen ischämischen Schlaganfall gehabt haben, weisen ein hohes Rezidivrisiko auf. Dieses Risiko kann durch medikamentöse und nicht medikamentöse Massnahmen im Rahmen der Sekundärprävention reduziert werden. In dieser Übersichtsarbeit werden aktuelle Aspekte der Sekundärprävention des ischämischen Schlaganfalls dargestellt: Neben den Themen duale Thrombozytenfunktionshemmung (TFH) und neue orale Antikoagulanzien (NOAK) werden die Behandlung des persistierenden Foramen ovale (PFO) sowie die aktuellen Empfehlungen zur Karotisstenose und zur Therapie intrakranieller Stenosen zusammengefasst. Abschliessend wird der Stellenwert von Depression und psychosozialem Stress, Ernährung sowie körperlicher Aktivität dargestellt.
Kerstin Sander
Duale Thrombozytenfunktionshemmung (TFH) Die Monotherapie mit Acetylsalicylsäure (ASS) oder alternativ eine Kombination von ASS und Dipyridamol oder Clopidogrel wird in der Sekundärprävention des ischämischen Schlaganfalls empfohlen. Die Kombination von ASS und Clopidogrel soll bei Patienten mit ischämischem Schlaganfall
MERKSÄTZE
O Eine langfristige duale TFH mit ASS und Clopidogrel kann bei Patienten mit ischämischem Schlaganfall nicht empfohlen werden.
O NOAK stellen eine Alternative zu VKA dar und weisen ein besseres Nutzen-Risiko-Profil auf.
O Psychosoziale Belastung und Depression stellen unabhängige Risikofaktoren für einen Schlaganfall dar.
O Eine gesunde, ausgewogene Ernährung zählt zu den wichtigsten nicht medikamentösen Behandlungsfaktoren in der Prävention von Schlaganfällen.
aufgrund eines erhöhten Blutungsrisikos nicht als langfristige Therapie eingesetzt werden. In verschiedenen Studien konnte keine Überlegenheit einer dualen TFH gegenüber einer Monotherapie nachgewiesen werden (1, 2). Letztlich müssen aber die Ergebnisse der laufenden POINT-Studie abgewartet werden, um den Stellenwert einer kurzzeitigen, frühen dualen TFH abschätzen zu können (3). Fazit: Eine langfristige duale TFH mit ASS und Clopidogrel kann bei Patienten mit ischämischem Schlaganfall nicht empfohlen werden. Eine kurzfristige, frühzeitige duale TFH scheint bei leichten Schlaganfällen und nach TIA einen klinischen Nutzen zu bringen.
Orale Antikoagulation
bei kardioembolischem Schlaganfall
Patienten mit Vorhofflimmern (VHF) haben ein 5-mal höheres Schlaganfallrisiko als Patienten mit Sinusrhythmus (4). Es wird geschätzt, dass mindestens 15 Prozent aller Schlaganfälle durch VHF verursacht werden. Das Schlaganfallrisiko kann durch eine optimale Antikoagulation mit Vitamin-KAntagonisten (VKA) und einem INR-(International Normalized Ratio-)Wert von 2 bis 3 um 60 bis 70 Prozent reduziert werden. Allerdings werden derzeit nur rund 50 Prozent aller Patienten mit VHF antikoaguliert. Erwähnenswert ist weiterhin, dass sich die meisten Schlaganfälle bei diesen Patienten unter einer suboptimalen Antikoagulation ereignen (5). Kürzlich wurde von Apostokalis und Kollegen (6) ein Score vorgestellt, der das Risiko einer suboptimalen Einstellung unter VKA abschätzen kann. Insgesamt wurden 9 unabhängige Risikofaktoren identifiziert, welche in dem sogenannten SAMe-TT2-R2-Score zusammengefasst wurden (vgl. Tabelle). Eine suboptimale Einstellung ist bei ≥ 2 Punkten wahrscheinlich. Die neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK) haben gegenüber VKA den Vorteil, dass sie in einer fixen Dosis gegeben werden können und keine Überwachung der Gerinnung notwendig ist. Sie weisen auch keine Interaktion mit Nahrungsmitteln und nur wenig Interaktionen mit anderen Medikamenten auf. Die bisher vier neuen NOAK (Apixaban, Dabigatran, Edoxaban und Rivaroxaban) wurden in grossen Studien jeweils mit Warfarin verglichen (RE-LY, ROCKETAF, ARISTOTLE und ENGAGE AF-TIMI 48) (7–10). In einer kürzlich publizierten Metaanalyse dieser vier Studien mit 71 683 Teilnehmern reduzierten die NOAK das Risiko eines Schlaganfalls oder einer systemischen Embolie um 19 Prozent (11). Hierbei waren das Risiko für hämorrhagische Schlaganfälle (51%) und die Gesamtsterblichkeit mit
ARS MEDICI 5 I 2015
263
FORTBILDUNG
Tabelle:
SAMe-TT2-R2-Score (6) zur Bestimmung des Risikos einer insuffizienten Antikoagulation. Diese gilt bei 2 und mehr Punkten als wahrscheinlich.
Score
Definition
S A M* e T**
T R Maximal
Geschlecht (weiblich) Alter (< 60 Jahre) Medizinische Vorgeschichte
Treatment (Rhythmuskontrolle mit Substanzen mit Interaktionen) Tobacco use (letzte 2 Jahre) Rasse (nicht weiss)
Punkte 1 1 1
1
2 2 8
* mindestens 2 der folgenden: Hypertonus, Diabetes, KHK/Myokardinfarkt, pAVK, Herzinsuffizienz, vorausgehender Schlaganfall, Lungenerkrankung, Leber- oder Nierenerkrankung
** Amiodaron zur Rhythmuskontrolle
10 Prozent statistisch signifikant verringert. Die Rate gastrointestinaler Blutungen war bei NOAK im Vergleich zu Warfarin erhöht. Für die Endpunkte ischämischer Schlaganfall und Myokardinfarkt ergab sich gegenüber Warfarin keine signifikante Reduktion der Ereignisse. Interessant ist weiterhin, dass in dieser Metaanalyse keine Untergruppen identifiziert werden konnten, welche besonders von den NOAK profitierten. Fazit: NOAK stellen eine Alternative zu VKA dar und weisen ein besseres Nutzen-Risiko-Profil auf. Wesentlich in der Sekundärprävention des Schlaganfalls ist die signifikante Reduktion intrakranieller Blutungen.
Thrombolyse unter Behandlung mit NOAK
Zurzeit steht für die NOAK kein Schnelltest zur exakten Spiegelbestimmung zur Verfügung, mit dem die antikoagulatorische Wirkung sicher beurteilt werden kann. Bei unbekanntem Einnahmezeitpunkt und Menge empfiehlt sich folgendes Prozedere (12): Für Dabigatran belegen Normalwerte von «Ecarin-clotting»-Zeit (ECT), Thrombin-Zeit (TT) oder Hemoclot-Test mit hoher Wahrscheinlichkeit das Fehlen von gerinnungsaktiven Dabigatran-Plasmaspiegeln. Die aktivierte partielle Thromboplastin-Zeit (aPTT) erlaubt keine sichere Einschätzung. Rivaroxaban und Apixaban beeinflussen die Anti-Faktor-Xa-Aktivitäts-Bestimmung. Normalwerte von PTT und Prothrombin-Zeit (PTZ) jenseits der vierten Stunde nach Einnahme von NOAK schliessen therapeutische Spiegel, die zu einer klinisch relevanten Erhöhung des Blutungsrisikos führen, weitestgehend aus. Normalwerte dieser beiden Tests allein reichen aber nicht aus, um die Indikation zur Thrombolyse beim akuten Schlaganfall zu stellen. Die Entscheidung für (oder gegen) die systemische Thrombolyse muss individuell getroffen werden. Auf jeden Fall muss über ein erhöhtes Blutungsrisiko unter Thrombolyse aufgeklärt werden, wenn ein Patient innerhalb der letzten
48 Stunden ein NOAK eingenommen hat oder wenn eine relevante Nierenfunktionseinschränkung (Kreatininclearance < 30 ml/min) vorliegt (12). Fazit: Die Indikation zur systemischen Thrombolyse nach vorangegangener Einnahme von NOAK stellt immer eine Einzelfallentscheidung dar und ist eine «Off label»-Therapie. Es muss über ein erhöhtes Blutungsrisiko aufgeklärt werden.
Persistierendes Foramen ovale
Zirka 25 Prozent der Bevölkerung weisen ein persistierendes Foramen ovale (PFO) auf. Insbesondere bei jüngeren Patienten mit kryptogenem ischämischem Schlaganfall wird nach einem PFO gesucht, da dies ursächlich für einen Schlaganfall im Rahmen einer paradoxen Embolie sein kann. Tatsächlich findet sich in diesem Kollektiv bei etwa der Hälfte der Betroffenen ein PFO. Als Standardtherapie wird eine medikamentöse Behandlung mit einem TFH empfohlen. Ob der perkutane Verschluss des PFO der medikamentösen Behandlung überlegen ist, war bis vor Kurzem nicht ausreichend untersucht. Unterdessen liegt eine aktuelle Metaanalyse vor (13), in die 14 Studien mit 4335 Patienten einflossen. Das relative Risiko für einen erneuten Schlaganfall unter PFO-Verschluss betrug bei den randomisierten Studien 0,66 (95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,37–1,19) und war damit nicht signifikant. Bei den nicht randomisierten Studien ergab sich eine signifikante Risikoreduktion zugunsten des Verschlusses. Bei Kombination aller Studien zeigte sich eine grenzwertige Signifikanz zugunsten der Intervention. Bei Analyse der Studien mit multivariater Adjustierung fand sich ein Trend zugunsten des PFO-Verschlusses, der aber nicht signifikant war. Fazit: Der interventionelle Verschluss eines PFO nach kryptogenem Schlaganfall ist nach der aktuellen Datenlage der medikamentösen Behandlung nicht überlegen und sollte nur bei sorgfältig ausgewählten Patienten durchgeführt werden.
Karotisstenose
Es wird geschätzt, dass Karotisstenosen für etwa 10 bis 15 Prozent aller ischämischen Schlaganfälle verantwortlich sind. Die Prävalenz steigt bei Menschen ab dem 65. Lebensjahr auf > 5 Prozent an. Die aktualisierten Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der symptomatischen Karotisstenose wurden kürzlich in einer S3-Leitlinie zusammengefasst (14) und sind über die AWMF-Homepage abrufbar (http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/004-028.html). Die Thrombendarteriektomie (TEA) einer symptomatischen 50- bis 99-prozentigen Karotisstenose (nach NASCET-Kriterien) kann das 5-Jahres-Schlaganfallrisiko um 5 bis 16 Prozent im Vergleich zur konservativen Therapie senken. Metaanalysen zum Vergleich von Karotisstenting (CAS) und TEA belegen, dass die CAS mit einer um 2 bis 2,5 Prozent höheren periprozeduralen Schlaganfall- und Todesfallrate und einer um 0,5 bis 1 Prozent niedrigeren periprozeduralen Rate an Myokardinfarkten assoziiert ist. Die TEA stellt daher zurzeit bei nicht erhöhtem Operationsrisiko das Standardverfahren dar. Eine CAS kann als Alternative zur TEA erwogen werden, wenn eine prozedurale Schlaganfallrate/ Letalität von < 6 Prozent eingehalten wird (14). Bisher wurde davon ausgegangen, dass eine TEA nach einer TIA oder einem leichten Schlaganfall möglichst unverzüglich erfolgen sollte. Eine prospektive schwedische Registeranalyse (15) mit
264
ARS MEDICI 5 I 2015
FORTBILDUNG
15 Minor stroke Mortalität Schwerer Schlaganfall Mortalität und jeglicher Schlaganfall
12
Ereignisse (%)
9
6
3
0 0–2 Tage
3–7 Tage
8–14Tage
Tage nach Ereignis
15 –180 Tage
Abbildung: Zusammenhang zwischen Ereignisrate und Zeitpunkt der Karotis-Thrombendarteriektomie nach hochgradiger symptomatischer Karotisstenose (nach [15])
2596 Patienten, bei denen eine TEA wegen einer hochgradigen symptomatischen Karotisstenose erfolgte, ergab das geringste Risiko für ein periprozedurales Ereignis bei einer Operation innerhalb von 3 bis 7 Tagen nach dem Ereignis. Sowohl frühere als auch spätere Operationen waren mit einem höheren Risiko assoziiert (Abbildung). Fazit: Eine TEA bei hochgradiger symptomatischer Karotisstenose (TIA, «minor stroke») sollte optimalerweise zwischen 3 und 7 Tagen nach dem Ereignis durchgeführt werden.
Intrakranielle Stenose
Die optimale Therapie symptomatischer intrakranieller Stenosen war bisher nicht eindeutig geklärt. Neben einer aggressiven konservativen Therapie wurden in letzter Zeit zunehmend interventionelle Verfahren mit Angioplastie und Stenting (PTAS) eingesetzt. In der randomisierten SAMPRISStudie wurde die Effektivität der PTAS mittels WingspanSystem zusätzlich zu einer optimierten medikamentösen Therapie (duale TFH für 90 Tage, Risikofaktorenkontrolle) im Vergleich zur alleinigen optimierten medikamentösen Therapie bei Patienten mit hochgradiger symptomatischer intrakranieller Stenose (70–99%) untersucht. Die Studie wurde vorzeitig nach 451 Patienten abgebrochen, da in der PTASGruppe in den ersten 30 Tagen signifikant mehr Endpunkte (Schlaganfall und Tod) auftraten (14,7 vs. 5,8%; p = 0,002) (16). Auch Patienten, bei denen der Schlaganfall bereits unter TFH aufgetreten war, profitierten nicht von der zusätzlichen PTAS. Aus der Studie lässt sich ableiten, dass eine duale TFH mit Clopidogrel und ASS für 90 Tage kombiniert mit einer Optimierung anderer Risikofaktoren eine sehr wirksame Behandlung der symptomatischen intrakraniellen Stenose darstellt. Fazit: Die alleinige optimierte konservative Therapie der symptomatischen intrakraniellen Stenose ist der zusätzlichen PTAS überlegen und mit nur wenigen neuen Ereignissen im weiteren Verlauf assoziiert.
Depression und psychosozialer Stress
Die Bedeutung von psychosozialem Stress und dessen Auswirkungen auf zerebrovaskuläre Erkrankungen wie etwa
Schlaganfall wurden in den letzten Jahren intensiver untersucht. Zwei kürzlich publizierte Metaanalysen ergaben eine signifikante Erhöhung des Schlaganfallrisikos bei depressiven Symptomen (17, 18). Depressive Personen zeigten ein um 45 Prozent erhöhtes Schlaganfallrisiko. Unterdessen legen aktuelle Studien nahe, dass nicht nur die Depression selbst als Risikofaktor gilt, sondern vielmehr bereits eine erhöhte psychische Belastung. Die Ergebnisse der INTERSTROKEStudie (19) belegen, dass psychische Belastung und Depression unabhängige Risikofaktoren für den ischämischen Schlaganfall darstellen. In einer kürzlich publizierten Studie konnte gezeigt werden, dass psychosoziale Belastung auch bei älteren Patienten (> 65 Jahre) ein unabhängiger Risikofaktor für einen ischämischen Schlaganfall ist. Es zeigte sich eine klare Dosis-Wirkungs-Beziehung, das heisst je höher der Stress, desto höher das Schlaganfallrisiko. Für Studienteilnehmer mit der stärksten psychosozialen Belastung war das Risiko, an einem Schlaganfall zu sterben, dreimal so hoch wie für jene, die weniger emotionalen Stress empfanden (20). Fazit: Psychosoziale Belastung und Depression stellen unabhängige Risikofaktoren für einen Schlaganfall dar.
Ernährung
Eine gesunde, ausgewogene Ernährung zählt mit zu den wichtigsten nicht medikamentösen Behandlungsfaktoren in der Prävention von Schlaganfällen.
Elektrolyte Im Rahmen der Prävention kardiovaskulärer Ereignisse wird seit vielen Jahren eine salzarme Kost empfohlen. Die Einnahme von 5 g Kochsalz am Tag erhöht das Schlaganfallrisiko um 23 Prozent (21). Eine Reduktion um 2 g/Tag reduziert die Häufigkeit kardiovaskulärer Ereignisse um 20 Prozent. Die American Heart Association empfiehlt sogar eine Reduktion des täglichen Salzkonsums auf weniger als 1,5 g. In der Northern Manhattan Study zeigte sich ein 17-prozentiger Anstieg des Schlaganfallrisikos pro 500 mg Anstieg des Salzkonsums (22). Im Gegensatz zu Natrium erniedrigt Kalium das Schlaganfallrisiko. Der Zusatz von 1 g Kalium am Tag führt zu einer Reduktion des Schlaganfallrisikos um 11 Prozent (21). Für Kalzium finden sich keine positiven Effekte, allerdings kann ein erhöhtes Kalzium das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen erhöhen (23).
Obst, Gemüse und Ballaststoffe Eine ballaststoffreiche Ernährung hat nachgewiesenermassen einen positiven Einfluss auf zahlreiche vaskuläre Risikofaktoren wie Hypertonus, Fettstoffwechselstörungen und Diabetes mellitus. Larsson et al. (24) konnten eine relative Risikoreduktion für den Schlaganfall von 13 Prozent nachweisen. Auch in diesem Kollektiv bestätigte sich der Vorteil von weissem Obst und grünem Gemüse. Personen mit hoher Ballaststoffaufnahme hatten ein signifikant geringeres Schlaganfallrisiko. Die Dosis-Wirkungs-Beziehung war linear.
Vitamine Zahlreiche Studien zeigten einen inversen Zusammenhang zwischen den Vitamin-A- und -E-Spiegeln und kardiovaskulären Ereignissen. Im Gegensatz dazu konnten Interventionsstudien diese Ergebnisse nicht bestätigen (21). In einer
266
ARS MEDICI 5 I 2015
FORTBILDUNG
Metaanalyse zeigte sich durch die Gabe von Vitamin E keine Reduktion von Schlaganfällen, allerdings erhöhte sich in diesem Kollektiv das Risiko für zerebrale Blutungen. Auch Vitamin A verfehlte den Nachweis einer Reduktion des Schlaganfallrisikos, bei einem gleichzeitigen Anstieg der Gesamtmortalität. Die Gabe von Vitamin C reduziert weder das Risiko für Schlaganfälle noch das kardiovaskuläre Risiko. Die Gabe von B-Vitaminen (B6, Folsäure und B12) senkt das Homocystein, das als kardiovaskulärer Risikofaktor diskutiert wird. In den letzten Jahren wurden drei grosse Studien zur Sekundärprävention vaskulärer Ereignisse zu diesem Thema publiziert (25–27), in denen sich kein signifikanter Unterschied im Vergleich zu Plazebo zeigte. Eine Metaanalyse von acht randomisierten Studien über Folsäure, die auch Schlaganfall als Endpunkt enthielten, ergab eine Risikoreduktion von 18 Prozent durch die Gabe von Folsäure. Wichtig für diesen Effekt, der nur in der Primärprävention nachweisbar war, schienen die Gabe über mindestens drei Jahre und eine Reduktion des Homocysteins von mehr als 20 Prozent zu sein (28). Fazit: Eine Reduktion des täglichen Salzkonsums schützt vor einem ischämischen Schlaganfall, hingegen wirkt Kaliumzufuhr protektiv. Ein erhöhter Kalziumwert kann das Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen erhöhen. Hoher Konsum von Obst, Gemüse und Ballaststoffen schützt effektiv vor Schlaganfällen. Die Vitamine A, E und C senken das Schlaganfallrisiko nicht, sondern erhöhen unter Umständen sogar das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse.
Körperliche Aktivität
Dass körperliche Aktivität effektiv vor einem Schlaganfall
schützen kann, ist durch viele Studien belegt und findet sich
in allen Empfehlungen zur Primär- und Sekundärprävention
vaskulärer Ereignisse und des Schlaganfalls. Durch regelmäs-
sige körperliche Aktivität reduziert sich das Schlaganfallri-
siko um 25 bis 30 Prozent (29). In den Leitlinien wird eine
moderate körperliche Aktivität von 150 Minuten pro Woche
oder eine intensive Aktivität von 75 Minuten pro Woche
empfohlen. Eine weitere Steigerung der Aktivität führt zu
einer Zunahme der Risikoreduktion (30).
O
PD Dr. Kerstin Sander Psychosomatische Klinik Schön-Klinik Berchtesgadener Land D-83471 Schönau am Königssee
Interessenkonflikte: keine
Literatur: 1. Diener HC et al.: Aspirin and clopidogrel compared with clopidogrel alone after recent
ischaemic stroke or transient ischaemic attack in high-risk patients (MATCH): randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet 2004; 364(9431): 331–337. 2. Bhatt DL et al.: Clopidogrel and aspirin versus aspirin alone for the prevention of atherothrombotic events. N Engl J Med 2006; 354(16): 1706–1717. 3. Johnston SC et al.: Platelet-Oriented Inhibition in New TIA and Minor Ischemic Stroke (POINT) Trial: rationale and design. Int J Stroke 2013; 8(6): 479–483. 4. Wolf PA et al.: Atrial fibrillation as an independent risk factor for stroke: the Framingham Study. Stroke 1991; 22(8): 983–988. 5. Gladstone DJ et al.: Potentially preventable strokes in high-risk patients with atrial fibrillation who are not adequately anticoagulated. Stroke 2009; 40(1): 235–240. 6. Apostolakis S et al.: Factors affecting quality of anticoagulation control among patients with atrial fibrillation on warfarin: the SAMe-TT2R2 ccore. Chest 2013; 144(5): 1555–1563. 7. Connolly SJ et al.: Dabigatran versus warfarin in patients with atrial fibrillation. N Engl J Med 2009; 361(12): 1139–1151. 8. Patel MR et al.: Rivaroxaban versus warfarin in nonvalvular atrial fibrillation. N Engl J Med 2011; 365(10): 883–891. 9. Easton JD et al.: Apixaban compared with warfarin in patients with atrial fibrillation and previous stroke or transient ischaemic attack: a subgroup analysis of the ARISTOTLE trial. Lancet Neurol 2012; 11(6): 503–511. 10. Giugliano RP et al.: Edoxaban versus warfarin in patients with atrial fibrillation. N Engl J Med 2013; 369(22): 2093–2104. 11. Ruff CT et al.: Comparison of the efficacy and safety of new oral anticoagulants with warfarin in patients with atrial fibrillation: a meta-analysis of randomised trials. Lancet 2014; 383(9921): 955–962. 12. Steiner T et al.: Handlungsempfehlungen zum Notfallmanagement bei Therapie mit den direkten oralen Antikoagulantien Apixaban, Dabigatran und Rivaroxaban. Deutsches Ärzteblatt 2012; 109(39): A-1928/B-1570/C-1542, Zusatzinfo online: http://www.aerzteblatt.de/down.asp?id=9766 13. Wolfrum M et al.: Stroke prevention by percutaneous closure of patent foramen ovale: a systematic review and meta-analysis. Heart 2014; 100(5): 389–395. 14. Eckstein HH et al.: Diagnostik, Therapie und Nachsorge der extrakraniellen Carotisstenose. Deutsch Ärztebl 2013; 110(27–28): 468–476. 15. Strömberg SS et al.: Very urgent carotid endarterectomy confers increased procedural risk. Stroke 2012; 43(5): 1331–1335. 16. Chimowitz MI et al.: Stenting versus aggressive medical therapy for intracranial arterial stenosis. N Engl J Med 2011; 365(11): 993–1003. 17. Dong JY et al.: Depression and risk of stroke: a meta-analysis of prospective studies. Stroke 2012; 43(1): 32–37. 18. Pan A et al.: Depression and risk of stroke morbidity and mortality: a meta-analysis and systematic review. JAMA 2011; 306(11): 1241–1249. 19. O‘Donnell MJ et al.: Risk factors for ischaemic and intracerebral haemorrhagic stroke in 22 countries (the INTERSTROKE study): a case-control study. Lancet 2010; 376(9735): 112–123. 20. Henderson KM et al.: Psychosocial distress and stroke risk in older adults. Stroke 2013; 44(2): 367–372. 21. Hankey GJ: Nutrition and the risk of stroke. Lancet Neurol 2012; 11(1): 66–81. 22. Gardener H et al.: Dietary sodium and risk of stroke in the Northern Manhattan study. Stroke 2012; 43(5): 1200–1205. 23. Larsson SC: Are calcium supplements harmful to cardiovascular disease? JAMA Intern Med 2013; 173(8): 647–648. 24. Larsson SC et al.: Total and specific fruit and vegetable consumption and risk of stroke: a prospective study. Atherosclerosis 2013; 227(1): 147–152. 25. VITATOPS Trial Study Group: B vitamins in patients with recent transient ischaemic attack or stroke in the VITAmins TO Prevent Stroke (VITATOPS) trial: a randomised, double-blind, parallel, placebo-controlled trial. Lancet Neurol 2010; 9(9): 855–865. 26. Galan P et al.: Effects of B vitamins and omega 3 fatty acids on cardiovascular diseases: a randomised placebo controlled trial. BMJ 2010; 341: c6273. 27. Study of the Effectiveness of Additional Reductions in Cholesterol and Homocysteine (SEARCH) Collaborative Group, Armitage JM et al.: Effects of homocysteine-lowering with folic acid plus vitamin B12 vs placebo on mortality and major morbidity in myocardial infarction survivors: a randomized trial. JAMA 2010; 303(24): 2486–2494. 28. Wang X et al.: Efficacy of folic acid supplementation in stroke prevention: a meta-analysis. Lancet 2007; 369(9576): 1876–1882. 29. Goldstein LB et al.: Guidelines for the primary prevention of stroke: a guideline for healthcare professionals from the American Heart Association/American Stroke Association. Stroke 2011; 42(2):517–584. 30. McDonnell MN et al.: Physical activity frequency and risk of incident stroke in a national US study of blacks and whites. Stroke 2013; 44(9): 2519–2524.
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 20/2014. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autorin.
268
ARS MEDICI 5 I 2015