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BERICHT
Update Schilddrüse
Abklärung von Schilddrüsenknoten und Therapie bei Hyper- oder Hypothyreose
Etwa jeder fünfte Erwachsene hat eine klinisch bedeutsame Schilddrüsenerkrankung. Unbehandelt kann sie weitere, oftmals schwere Gesundheitsschäden nach sich ziehen. Wie auf einem Symposium im Rahmen der MEDICA Education Conference deutlich wurde, kommt der Früherkennung eine besondere Bedeutung zu.
Claudia Borchard-Tuch
Schilddrüsenhormone sind von herausragender Bedeutung für die intakte Funktion des Intermediärstoffwechsels mit zahlreichen Effekten auf den Fett-,
MERKSÄTZE
O Bei Schilddrüsenknoten sind autonome Störungen, Malignität und mechanische Beeinträchtigungen abzuklären.
O Die medikamentöse Therapie bei Hyperthyreose richtet sich nach Ursachen und Nebenwirkungen.
O Bei funktionellen Autonomien oder Morbus Basedow werden bevorzugt Thyreostatika vom Mercaptoimidazoltyp eingesetzt. Bei Unverträglichkeit kann auf Propylthiouracil umgestellt werden. Bei einer Freisetzungshyperthyreose kommen Kortikosteroide und Betablocker zum Einsatz.
O Bei Morbus Basedow und hohen TSHRezeptor-Antikörpern (> 10 IU/l) sechs Monate nach der Erstdiagnose sollte ebenfalls die Möglichkeit einer ablativen Therapie (Operation vs. Radioiodtherapie) erwogen werden.
O Bei manifester Hypothyreose muss eine lebenslange Therapie mit Levothyroxin erfolgen. Bei subklinischer Hypothyreose ist die Indikation zur Substitution nicht automatisch gegeben, sondern individuell zu stellen.
Kohlenhydrat- oder Proteinstoffwechsel. Letztendlich wirken sie auf jede Zelle des Körpers (1).
Gutartiger Schilddrüsenknoten
oder Schilddrüsenmalignom?
«Schilddrüsenknoten zählen zu den häufigsten endokrinologischen Erkrankungen», erklärte Prof. Dr. Dr. Dagmar Führer-Sakel, Essen. Zahlreiche innere (weibliches Geschlecht, familiäre Disposition) und äussere Faktoren (Nikotinabusus, Strahlung) sind mit einem erhöhten Risiko für einen Schilddrüsenknoten verbunden. Mit Ausnahme der Schilddrüsenautonomie (s. unten) ist die molekulare Pathogenese benigner Schilddrüsentumoren noch ungeklärt. Dies gilt im Besonderen für sogenannte kalte Knoten (keine Radionuklidaufnahme bei Szintigrafie), die weiterer Abklärung bedürfen, weil kalte Knoten maligne sein können. Bei der Diagnostik gilt es, im Wesentlichen drei Fragen zu beantworten (2): O Liegt eine Schilddrüsenautonomie
vor? O Handelt es sich um einen benignen
Schilddrüsenknoten oder ein Schilddrüsenmalignom? O Liegt eine mechanische Beeinträchtigung (Tracheal- und/oder Ösophaguskompression) vor?
Bei der Schilddrüsenautonomie handelt sich um ein lokalisiertes, tumorartiges
Wachstum von Teilen des Schilddrüsengewebes, die nicht mehr der hypothalamisch-hypophysären Regelung unterliegen. Meist kann eine Mutation des TSH-Rezeptor-Gens oder des GsAlpha-Protein-Gens nachgewiesen werden. Häufig sind ältere Patienten betroffen; die Hyperthyreose entwickelt sich langsam. Ein erniedrigter TSHSpiegel bei über 60-Jährigen steht in Zusammenhang mit einer erhöhten Sterblichkeit insbesondere bei kardiovaskulären Erkrankungen (3). Bei Nachweis einer Autonomie ist keine weitere Abklärung des Schilddrüsenknotens hinsichtlich der Dignität (heisser Knoten = benigner Schilddrüsenknoten) erforderlich. Bei euthyreoter Stoffwechsellage und szintigrafischem Nachweis einer fokal gesteigerten Radionuklidaufnahme (sog. «warmer» Knoten) ist zur weiteren Differenzierung eine Suppressionsszintigrafie zu veranlassen, bei welcher sich eine Schilddrüsenautonomie eindeutig demaskiert. Fast alle malignen Tumoren der Schilddrüse sind Karzinome. Bei Nachweis klinischer Malignitätskriterien (Tabelle) liegt bereits eine fortgeschrittene Erkrankung vor.
Diagnostische Verfahren
Die Bestimmung des TSH ist obligat. Befinden sich die ermittelten TSHWerte ausserhalb des Referenzbereichs, wird eine Wiederholung der TSHBestimmung mit zusätzlicher Bestimmung der freien Schilddrüsenhormone fT4 (Thyroxin) und fT3 (Triiodthyronin) empfohlen (2). Die Schilddrüsenszintigrafie ermöglicht die Lokalisation des autonomen Gewebes. Als Tracer werden dabei 99mTc-Pertechnetat oder 131Iod verwendet, welche sich unter TSH-Suppression nur in autonomen Bereichen anreichern
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Tabelle:
Klinische Risikofaktoren für das Vorliegen eines Schilddrüsenmalignoms
Anamnestische Risikofaktoren
Alter < 20 oder > 60 Jahre Zustand nach Radiatio (Kopf-Hals-Region) männliches Geschlecht Familienanamnese (z.B. multiple endokrine Neoplasie Typ 2, Cowden-Syndrom) Fernmetastasen
nach (2)
Klinische Zeichen und Symptome
rasches Wachstum fixierter Knoten Lymphknotenschwellung Heiserkeit
(Darstellung als «heisser Knoten» mit hoher Radionukleotidaufnahme). Neben der TSH-Messung stellt die Szintigrafie das entscheidende diagnostische Verfahren zur Beurteilung der Knotenfunktion dar. Schilddrüsenkarzinome reichern in der Regel kein oder wenig Iod an (kalte Knoten). Die Bedeutung der Sonografie liegt in der Selektion verdächtiger Knoten zur weiteren Abklärung. Der Nachweis mehrerer verdächtiger Befunde (Echoarmut, Mikrokalzifikationen, intranoduläres Vaskularisationsmuster) in einem Schilddrüsenknoten hat einen hohen positiv prädiktiven Wert zur Detektion eines Schilddrüsenmalignoms. Kalzitonin ist der wichtigste Laborparameter zum Nachweis des medullären Schilddrüsenkarzinoms (MTC). Bei erhöhtem basalem Kalzitoninspiegel ist zur weiteren Abklärung ein Stimulationstest erforderlich. Goldstandard ist hierbei der Pentagastrintest. Bei einem stimulierten Kalzitonin von ≥100 pg/ml besteht der dringende Verdacht auf das Vorliegen eines MTC und damit die Indikation zur genetischen Diagnostik (RET-Protoonkogen Keimbahnmutation bei MEN-2) und zur Thyreoidektomie mit Lymphknotendissektion. Die Feinnadelbiopsie ist gegenwärtig das sensitivste und spezifischste Verfahren zur Dignitätsbeurteilung von Schilddrüsenknoten. Sie ist eine kosteneffiziente Methode für die Selektion von Knoten zur operativen Abklärung (2).
Hypothyreose
«In den allermeisten Fällen findet man eine primäre Hypothyreose», so Hintze. Während die primäre Hypothyreose
auf einer Störung in der Schilddrüse selbst beruht, basiert die sekundäre auf einer hypophysären oder hypothalamischen Störung. Bei der Hashimoto-Thyreoiditis handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, die zu einer sukzessiven Zerstörung der Schilddrüsenfollikelzellen führt, sodass schliesslich eine Hypothyreose entsteht. Die Autoimmunogenese wird durch Messung der TPO-Antikörper und der Tg-Antikörper belegt. Eine Hypothyreose kann auch iatrogen bedingt sein (nach einer Schilddrüsenresktion, nach Radioiodtherapie oder Thyreostatikatherapie). Zugrunde liegen können zudem eine externe Bestrahlung (z.B. bei Lymphomen) oder Medikamente (z.B. Amiodaron, Lithium, Interferon alpha, Sunitinib oder Sorafenib). Ziel der Therapie ist die Normalisierung des TSH-Wertes. «Bei manifester Hypothyreose muss eine lebenslange Therapie mit Levothyroxin durchgeführt werden», erklärte Hintze. Levothyroxin (Eltroxin®-LF, Euthyrox®, Tirosint®) ist Mittel der Wahl, welches peripher zu Triiodthyronin (T3) deiodiert wird. Um ähnlich ausgeglichene Hormonspiegel wie nach einer T4-Behandlung zu erhalten, wären von T3 aufgrund der kürzeren Halbwertszeit fünf bis sechs Dosen pro Tag erforderlich. Eine Kombinationstherapie mit T3 und T4 ist in der Regel nicht erforderlich. Bei subklinischer Hypothyreose ist die Indikation zur Substitution eine individuelle. Wie mehrere prospektive Kohortenstudien ergaben, ist bei einem TSH-Spiegel ≥ 10 mU/l das Risiko für eine Herzinsuffizienz erhöht. Auch ist
bei einer Therapie mit Levothyroxin die Häufigkeit einer ischämischen Herzerkrankung signifikant niedriger. In vier randomisiert-kontrollierten Studien mit insgesamt 463 Teilnehmern untersuchte man die Wirksamkeit einer Selen-Supplementierung bei HashimotoThyreoiditis. Eine Studie ergab eine signifikante Steigerung des subjektiven Wohlbefindens bei Einnahme von 100 µg Selen und einer titrierten T4-Dosis im Vergleich zu Plazebo in Kombination mit T4. In drei Studien führte die Gabe von 200 µg Selen zu einem Rückgang der Schilddrüsenhormonantikörper (TPO-AK). Weitere Studien seien erforderlich, um diese Ergebnisse zu bestätigen, so Hintze.
Hyperthyreose
Bei einer Hyperthyreose sind die Konzentrationen freier Schilddrüsenhormone im Serum (fT3 und fT4) erhöht, die des hypophysären TSH erniedrigt. In vielen Fällen ist die alleinige Bestimmung des basalen TSH-Werts zur Einschätzung der Schilddrüsenfunktion ausreichend (4). Die Mortalität bei Hyperthyreose ist in den letzten Jahren deutlich gesunken (5). Die häufigsten Ursachen einer Hyperthyreose sind autonome Adenome und Morbus Basedow, deutlich seltener liegt eine Hashimoto-Thyreoiditis zugrunde. Charakteristische Symptome einer Hyperthyreose sind Tachykardie, Gewichtsverlust, Reizbarkeit, motorische Unruhe und Schlafstörungen (4). «Im Alter sind Hyperthyreosesymptome jedoch oftmals untypisch», erklärt Prof. Dr. Joachim Feldkamp, Bielefeld. Häufig finden sich Appetitlosigkeit, Müdigkeit, Schwäche und depressive Verstimmungen. Thyreostatisch wirksame Medikamente wie die Thioamide hemmen die thyreoidale Peroxidase. Dadurch wird die Umwandlung von Iodid in Iod und damit der Einbau von Iod in die Vorstufen der Schilddrüsenhormone verhindert. Zu den Thioamiden gehören das Propylthiouracil (Propycil® 50) und Mercaptoimidazolderivate wie das Prodrug Carbimazol (Néo-Mercazole®), das zu Thiamazol (auch Methimazol genannt) verstoffwechselt wird. Bei funktionellen Autonomien oder Morbus Basedow werden bevorzugt Thyreostatika vom Mercaptoimidazoltyp eingesetzt. Bei Unverträglichkeit
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kann auf Propylthiouracil umgestellt werden. Dosisabhängige Nebenwirkungen von Carbimazol können Übelkeit oder Geruchsstörungen sein. Neben diesen relativ harmlosen Nebenwirkungen kann es zu gefährlichen Knochenmarkschäden kommen mit Neutropenie (Neutrophile < 1000/ l) bis hin zur Agranulozytose (Neutrophile < 500/ l). Kommt es bei der Therapie zu schwerwiegenden Nebenwirkungen, kann die thyreostatische Therapie auf Propylthiouracil umgestellt werden. Wie die amerikanische Food and Drug Administration im April 2009 bekannt gab, kann es unter der Behandlung mit Propylthiouracil zu einem Leberversagen kommen. Die Kontrolle der Transaminasen und cholestaseanzeigenden Enzyme gehört zum Monitoring. Bei Kindern sollte Propylthiouracil keine Anwendung finden. Es wird empfohlen, bis zur 12. bis 16. Schwangerschaftswoche Propylthiouracil zu geben, da es nicht im Verdacht steht, Fehlbildungen zu verursachen, und anschliessend auf Carbimazol umzustellen. Freisetzungshyperthyreose Eine Freisetzungshyperthyreose kann im Anfangsstadium einer HashimotoThyreoiditis auftreten. Dabei wird präformiertes und in den Follikeln gespeichertes Schilddrüsenhormon in die Blutbahn ausgeschüttet. Deshalb können die Patienten Symptome einer Überfunktion der Schilddrüse entwickeln. Meist sind diese allerdings mild, da freie T4-Spiegel häufig deutlich höher liegen gegenüber den nur mässig erhöhten freien T3-Spiegeln. Bei stark erhöhten fT3-Spiegeln und/oder entsprechender klinischer Symptomatik sollten Kortikosteroide verabreicht werden, zum Beispiel Prednisolon 10 bis 40 mg pro Tag. Dies führt zur Konversionshemmung von T4 zu T3. Ausserdem sind auch Betablocker einzusetzen, vorzugsweise Propranolol. In Abhängigkeit der klinischen Beschwerden sind zwischen 30 und 120 mg täglich zu verordnen. Thyreostatika sind bei einer klassischen Freisetzungshyperthyreose nicht indiziert (6). O Claudia Borchard-Tuch Quelle: Symposium im Rahmen der MEDICA Education Conference: «Update Schilddrüse», Düsseldorf, 12. November 2014. Referenzen: 1. Lehnert M: Schilddrüsenerkrankungen. Internist 2010; 51: 557–558. 2. Führer D et al.: Benigner Schilddrüsenknoten oder Schilddrüsenmalignom? Internist 2010; 51: 611–619. 3. Parle JV et al.: Prediction of all-cause and cardiovas- cular mortality in elderly people from one low serum thyrotropin result: a 10-year cohort study. Lancet 2001; 358: 861-865. 4. Schott M: Hyperthyreose. Internist 2013; 54: 315–327. 5. Goldacre MJ et al.: Death rates for acquired hypothyroidism and thyrotoxicosis in English populations (1979–2010): comparison of underlying cause and all certified causes. QJM 2013; 106(3): 229–235. 6. Schott M: Therapie der Hyperthyreose und der thyreotoxischen Krise. Endokrinologie Informationen 2011; Sonderheft: 4–7. 204 ARS MEDICI 4 I 2015