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ARGUS PHARMAKOTHERAPIE
Patienten mit allergischer Rhinitis leiden oft mehr, als ihre Ärzte glauben
Verschiedene Studien zeigen, dass die Symptome der allergischen Rhinitis die Lebensqualität deutlich beeinträchtigen und dass viele Betroffene mit den ihnen verschriebenen Medikamenten nicht wirklich zufrieden sind.
Eine Querschnittuntersuchung aus Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Grossbritannien hat die Intensität der gesundheitlichen Belastung durch die allergische Rhinitis prospektiv untersucht (1). Ein grosser Teil der Patienten hatte eine mässige bis schwere Erkrankung (67,2%; n = 996), einen chronischen allergischen Verlauf (42,5%; n = 630) sowie oft auch Begleiterkrankungen wie Asthma (31,5%; n = 467).
Im Vergleich zu den Ärzten stufen die Patienten ihr Leiden als schwerer ein Zum Untersuchungszeitpunkt gab ein Drittel der Befragten an, dass die derzeitigen nasalen und okulären Symptome mässig bis schwer seien. Bemerkenswert war, dass nur eine schlechte Korrelation zwischen der Einschätzung der Krankheitsintensität durch Ärzte und durch Patienten bestand. Patienten stuften ihr Leiden als schwerer ein als die von ihnen konsultierten Ärzte (p < 0,001). Insgesamt benutzten 43,3 Prozent zwei oder mehr Medikamente gegen ihre allergische Rhinitis. Die gesundheitsbezogene Lebensqualität korrelierte mit dem Schweregrad der Erkrankung und mit der Zahl der Tage ohne Symptome in den vorangegangenen vier Wochen. Die allergische Rhinitis hatte bei Patienten mit chronischer Erkrankung einen signifikant grösseren Einfluss auf die Lebensqualität als bei intermittierendem Verlauf (2,3 ± 1,3 vs. 1,9 ± 1,2 im Mini Rhinoconjunctivitis Quality of Life Questionnaire; p < 0,001). Dennoch gaben 81,8 Prozent der Patienten mit intermittierenden Symptomen an, durch die allergische Rhinitis eine gewisse Beeinträchtigung im Alltag zu erleiden.
Patienten sind oft mit den verschriebenen Medikamenten nicht zufrieden Die Zufriedenheit der Patienten mit den verschriebenen Medikamenten ist ein wichtiger Gesichtspunkt, der auch klinisch relevant wird, da er die Therapieadhärenz signifikant beeinflusst. Eine Beobachtungs-
studie an 21 Allergiezentren in Italien hat den Grad der Zufriedenheit hinsichtlich verschiedener pharmakologischer Therapien gegen allergische Rhinitis und Asthma unter Alltagsbedingungen untersucht (2). Insgesamt 301 konsekutive Patienten (46,8% Männer, 53,2% Frauen) mit allergischer Rhinitis und/oder Asthma wurden befragt; das mittlere Alter betrug 33,1 ± 13,8 Jahre. Als interessierende Parameter waren Diagnose, Klassifikation, Schwere der Symptome sowie der mittels eines Fragebogens erhobene Zufriedenheitsgrad definiert. Nur 33,5 Prozent der Rhinitispatienten waren mit den Medikamenten zufrieden. Bei den Patienten mit Asthma waren es auch nur 40,7 Prozent. Die für die Unzufriedenheit mit der Behandlung wichtigen Faktoren waren weibliches Geschlecht (Odds Ratio [OR]: 2,36; p < 0,01), Begleiterkrankungen (OR: 2,39; p < 0,05), Schwere der Rhinitis (OR: 1,39; p < 0,05), Schwere des Asthmas (OR: 2,04; p < 0,05) und Gebrauch von Antihistaminika (OR: 2,53). Der Gebrauch von Bronchodilatatoren hatte demgegenüber einen günstigen Einfluss (OR: 0,28; p < 0,05). Auch diese Befunde aus dem Alltag allergologischer Behandlungszentren stärken die Auffassung, dass die allergische Rhinitis besonders störend ist und dass die meisten Patienten, die gleichzeitig an Rhinitis und Asthma leiden, mit den ihnen verschriebenen Medikamenten nicht zufrieden sind.
Lebensqualität vor allem durch Augensymptome beeinträchtigt Zur Einordnung wird häufig die Klassifikation«Allergic Rhinitis and its Impact on Asthma» (ARIA) eingesetzt. Dabei werden die Auswirkungen auf die Lebensqualität durch die einzelnen Symptome nicht berücksichtigt. Eine in französischen Allgemeinpraxen erhobene prospektive Querschnittuntersuchung hat die Charakteristika von Patienten, die in der Grundversorgung wegen allergischer Rhinitis den Arzt aufsuchen, erfasst und den Einfluss der einzelnen
Symptome der allergischen Rhinitis sowie
der ARIA-Klassen auf die Lebensqualität
untersucht (3).
Insgesamt 990 Patienten wurden den vier
ARIA-Klassen zugeteilt. Erfasst wurden
visuelle Analogskala (VAS), ein spezifischer
Fragebogen (Rhinoconjunctivitis Quality of
Life Questionnaire [RQLQ]) und der totale
Symptom-Score (TSS) für nasale und nicht
nasale Symptome. Die VAS- and TSS-Mess-
werte wurden dann mit dem RQLQ vergli-
chen.
Eine leichte intermittierende Rhinitis wurde
bei 20 Prozent der Patienten, eine leichte
persistierende Rhinitis bei 17 Prozent, eine
mässige bis schwere intermittierende Rhini-
tis bei 15 Prozent sowie eine mässige bis
schwere persistierende Rhinitis bei 48 Pro-
zent diagnostiziert.
Das Vorliegen von Therapien hatte auf die
VAS-Werte keinen Einfluss. Sowohl Schwe-
regrad wie Dauer der Rhinitis korrelierten
jedoch mit den Messwerten für Lebensqua-
lität und VAS.
Augensymptome (OR: 2,78, 95%-Konfi-
denzintervall [KI]: 1,965–3,939) inklusive
Augenlidödem (OR: 2,07, 95%-KI: 1,274–
3,360) and Asthenie (OR: 2,73, 95%-KI:
1,922–3,877) hatten einen stärkeren Ein-
fluss auf den RQLQ als nasale Obstruktion
(OR: 1,61, 95%-KI: 1,078–2,405) und Juck-
reiz in der Nase (OR: 1,45, 95%-KI: 1,028–
2,042). Niesen und Rhinorrhö beeinfluss-
ten die Antworten im Fragebogen zur
Lebensqualität hingegen nicht.
Diese Studie bestätigt somit, dass Augen-
symptome und – in geringerem Ausmass –
eine verstopfte Nase und Juckreiz einen sig-
nifikanten Einfluss auf die Lebensqualität
von Patienten mit allergischer Rhinitis
haben.
O
Halid Bas
1. Canonica GW et al.: A survey of the burden of allergic rhinitis in Europe. Allergy 2007; 62 (Suppl. 85): 17–25.
2. Ciprandi G et al.: Patient-related factors in rhinitis and asthma: the satisfaction with allergy treatment survey. Current Medical Research & Opinion 2011; 27(5): 1005–1011.
3. Bousquet PJ et al.: Impact of allergic rhinitis symptoms on quality of life in primary care. Int Arch Allergy Immunol 213; 160: 393–400.
Interessenlage: Canonica et al. deklarieren keine relevanten Interessenkonflikte. Die Studie von Ciprandi et al. wurde teilweise finanziert von Stallergenes Italia, diejenige von Bousquet et al. durch Merck France.
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ARS MEDICI 3 I 2015