Transkript
FORTBILDUNG
Parkinson: Wenn noch Demenz dazukommt
Welchen Stellenwert haben Cholinesterasehemmer?
Ein erheblicher Prozentsatz der Parkinson-Patienten ent-
wickelt ausser motorischen Symptomen auch nichtmoto-
rische Störungen wie geistigen Abbau und Demenz. Eine
aktuelle Übersichtsarbeit und Metaanalyse nahm sich der
Frage an, was Cholinesterasehemmer in dieser Situation
leisten können.
Journal Of Neurology, Neurosurgery & Psychiatry
Die Parkinson-Krankheit ist eine progrediente, neurodegenerative Bewegungsstörung, die durch die motorischen Symptome Bradykinese (Akinese), Rigidität, Ruhetremor und posturale Instabilität gekennzeichnet ist. Viele ParkinsonPatienten leiden darüber hinaus an nicht motorischen Störungen, beispielsweise an kognitiven Beeinträchtigungen, die sich sehr negativ auf die Lebensqualität auswirken können. Rund 30 Prozent der Parkinson-Patienten entwickeln eine Demenz. Dopaminmangel ist die wichtigste neurochemische Veränderung bei Parkinson, doch wurden auch signifikante Defizite der cholinergen Transmission beschrieben und mit geistigem Abbau und Gangstörungen in Verbindung gebracht. Weisen Parkinson-Patienten gleichzeitig klassische Gangstörungen und eine Demenz auf, kann das Sturzrisiko ansteigen, was vermehrte Hospitalisationen und einen schlechteren Ausgang nach sich ziehen kann. Der Einsatz von Cholinesterasehemmern könnte bei Parkinson-Patienten die kognitiven Funktionen verbessern und das Sturzrisiko reduzieren, wobei sich allerdings die motorischen Parkinson-Symptome möglicherweise verschlechtern. Um die Wirksamkeit und Sicherheit von Cholinesteraseinhibitoren bei Parkinson-Patienten im Vergleich zu Plazebo zu untersuchen, führte ein italienisches Forscherteam eine systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse durch, bei der randomisierte, kontrollierte Studien berücksichtigt wurden.
MERKSÄTZE
O Etwa 30% der Parkinson-Patienten entwickeln eine Demenz.
O Cholinesterasehemmer sind wirksam in der Therapie kognitiver Störungen bei Parkinson-Patienten, doch kann es zu vermehrtem Tremor und zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen kommen.
Methoden und Ergebnisse
In die Analyse wurden vier Studien mit insgesamt 941 Parkinson-Patienten aufgenommen. In diesen Studien wurde entweder Rivastigmin oder Donepezil mit Plazebo verglichen. Die Untersucher konnten nachweisen, dass Cholinesteraseinhibitoren die Abnahme des Scores der MMSE (Mini-Mental State Examination) signifikant verlangsamen konnten, ohne das Sturzrisiko zu beeinflussen. Hinsichtlich der Tremorsymptomatik und auftretender unerwünschter Medikamentenwirkungen schnitt die Plazebogruppe besser ab. Bei den Patienten, die Cholinesteraseinhibitoren erhielten, wurden eine Verbesserung der kognitiven Subskala der ADAS (Alzheimer Disease Assessment Scale), der Gesamtbeurteilung und der Verhaltensstörungen beobachtet, ohne Effekt auf die Behinderung. In der UPDRS-III (Unified Parkinson Disease Rating Scale III) gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Die günstigen Wirkungen auf die kognitive Funktion waren sowohl unter Donepezil als auch unter Rivastigmin nachweisbar, was für einen Substanzklasseneffekt spricht. In der Verumgruppe war die Sterblichkeitsrate im Vergleich zur Plazebogruppe signifikant geringer.
Schlussfolgerung
Cholinesteraseinhibitoren stellen eine effektive Option zur
Behandlung kognitiver Störungen bei Parkinson-Patienten
dar, doch verringern sie das Sturzrisiko nicht, wie die Autoren
zusammenfassend berichten. Darüber hinaus hat diese Sub-
stanzklasse eine positive Wirkung auf die Gesamtbeurteilung
und auf Verhaltensstörungen, ohne die motorischen Funk-
tionen signifikant zu beeinflussen.
Der Effekt auf die Kognition scheint proportional zum
Schweregrad der Störungen vor Beginn der Behandlung zu
sein. Das Sicherheitsprofil von Cholinesteraseinhibitoren bei
Parkinson-Patienten entspricht etwa demjenigen bei Alzhei-
mer-Patienten. Bei der Therapieentscheidung müssen jedoch
der vermehrte Tremor und potenzielle unerwünschte Arznei-
mittelwirkungen bedacht werden. Es sind weitere Studien
erforderlich, um die Rolle von Cholinesteraseinhibitoren bei
Patienten mit hohem Sturzrisiko zu klären.
O
Andrea Wülker
Pagano G et al.: Cholinesterase inhibitors for Parkinson’s disease: a systematic review and meta-analysis. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2014; Published Online First on September 15, 2014; doi: 10.1136/jnnp-2014-308764.
Interessenkonflikte: Einer der Autoren gibt an, Referenten- und Beraterhonorare von verschiedenen Pharmaunternehmen erhalten zu haben, die jedoch mit der vorliegenden Publikation nicht in Zusammenhang stehen.
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ARS MEDICI 3 I 2015