Transkript
FORTBILDUNG
Management und Prävention von Exazerbationen bei COPD
Bronchodilatatoren, Antibiotika, Kortikosteroide und weitere Optionen
Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) neigen zu akuten respiratorischen Exazerbationen, die den Gesundheitszustand des Patienten erheblich beeinträchtigen und eine potenzielle Lebensgefahr darstellen. Eine Übersichtsarbeit fasst die Optionen zusammen, die derzeit für das Management und die Prävention von COPD-Exazerbationen zur Verfügung stehen.
British Medical Journal
Akute COPD-Exazerbationen sind klinisch gekennzeichnet durch eine Zunahme von Atemnot, Husten, Sputummenge und Atemwegsobstruktion, die über die normalen Tagesschwankungen hinausgeht. Diese Exazerbationen sind mit kurz- und langfristiger Beeinträchtigung von Lebensqualität und Lungenfunktion sowie mit erhöhter Mortalität assoziiert. Prävention und Behandlung von Exazerbationen zählen heute zu den wichtigsten Therapiezielen bei COPD. Ein «State of the art»-Review im «British Medical Journal» diskutiert den aktuellen Kenntnisstand zu medikamentösen und nicht medikamentösen Massnahmen in der Prävention und der Therapie von COPD-Exazerbationen.
Atemwegen erhöhen. Studien weisen darauf hin, dass Neutrophile in den Atemwegen sowie systemische und lokale Entzündungsmediatoren (z.B. Interleukin [IL-]8 und TumorNekrose-Faktor [TNF-]␣) während einer COPD-Exazerbation im Vergleich zum stabilen Zustand zunehmen. Migration und Aktivierung von Neutrophilen in den Atemwegen führen zur Freisetzung von Proteasen und reaktiven Sauerstoffspezies. Das schädigt das Atemwegsepithel zusätzlich und führt zu einer Verschlechterung von Atemwegsinflammation und -limitation. Ein kleinerer Teil der Exazerbationen ist mit einer Eosinophilie in den Atemwegen und im Sputum assoziiert. Im Allgemeinen sind virale und bakterielle Infektionen die wichtigsten Trigger für Exazerbationen. Studien weisen darauf hin, dass bei Exazerbationen häufig neue Stämme von Atemwegsbakterien von Bedeutung sind, auf die der Wirt mit Entzündungsvorgängen reagiert. Oft findet man eine Kombination von Atemwegsviren und -bakterien, die gemeinsam zu einer stärkeren Entzündungsreaktion führen. Bei etwa 25 Prozent der Exazerbationen kann eine Koinfektion mit Viren und Bakterien nachgewiesen werden, und das ist mit gravierenderen funktionellen Einschränkungen und längeren Klinikaufenthalten assoziiert. Bei einem Drittel der schweren Exazerbationen können jedoch weder spezifische infektiöse noch umweltbedingte Ursachen identifiziert werden.
Ursachen für Exazerbationen COPD-Exazerbationen werden durch komplexe Interaktionen zwischen Wirt, respiratorischen Viren und Atemwegsbakterien ausgelöst, welche die inflammatorische Last in den
MERKSÄTZE
O Trotz intensiver Forschungsarbeiten hat sich das Management von COPD-Exazerbationen in den letzten 25 Jahren nicht wesentlich verändert.
O 24 bis 27 Prozent der Patienten mit COPD-Exazerbation sprechen auf die Initialtherapie nicht adäquat an.
O Im Fokus der aktuellen Forschung steht die Prävention von COPDExazerbationen.
O Eine Dauertherapie mit LABA, LAMA und ICS-LABA-Kombinationen kann Exazerbationen verhindern und Exazerbationsraten senken.
O Eine Tripeltherapie, bestehend aus einer Kombination dieser drei Substanzklassen, bietet möglicherweise einen zusätzlichen Nutzen.
Konsequenzen für Patienten und Gesundheitssystem
Exazerbationen wirken sich negativ auf den Gesundheitszustand der betroffenen Patienten aus, und sie belasten das Gesundheitssystem. Mit zunehmendem Schweregrad der COPD treten Exazerbationen häufiger auf. Im Jahr 2010 wurden in den USA 606 000 stationäre Einweisungen wegen COPD registriert, 126 000 Patienten (21%) mussten innerhalb von 30 Tagen erneut stationär aufgenommen werden. Klinische Studien zeigen, dass etwa 27 Prozent der Patienten, die ambulant mit Antibiotika und Kortikosteroiden behandelt werden, innerhalb von 30 Tagen ein Rezidiv erleiden. Ein Therapieversagen bei stationären Patienten tritt nach 30 Tagen in durchschnittlich 24 Prozent der Fälle auf, nach 90 Tagen liegt dieser Anteil bei 36 bis 37 Prozent. Eine prospektive Kohortenstudie über 5 Jahre mit 304 männlichen COPD-Patienten kam zum Schluss, dass die Exazerbationsfrequenz unabhängig mit der Mortalität assoziiert ist. Patienten mit 3 oder mehr Exazerbationen wiesen nach 5 Jahren eine Überlebensrate von 30 Prozent auf, diejenigen ohne Exazerbation hatten eine Überlebensrate von 80 Prozent. 10 Prozent der Patienten, die wegen einer Exazerbation stationär aufgenommen werden müssen, versterben während
ARS MEDICI 1 I 2015
45
FORTBILDUNG
des Spitalaufenthalts. Patienten mit Exazerbation und hyperkapnischer respiratorischer Insuffizienz weisen eine 2-JahresMortalität von etwa 50 Prozent auf.
Behandlung akuter Exazerbationen
Zu den Standardtherapien bei akuten COPD-Exazerbationen zählen Bronchodilatatoren, Antibiotika und Kortikosteroide. Klinische Studien belegen, dass die orale oder intravenöse Gabe von Kortikosteroiden zusätzlich zu Antibiotika bei stationären Patienten mit COPD-Exazerbationen die Rate an Therapieversagen signifikant senkt und bei ambulanten Patienten mit Exazerbationen Rezidive verhindert. Eine kürzlich publizierte randomisierte, kontrollierte Studie (RCT) ergab, dass bei Patienten, die aufgrund einer akuten Exazerbation in die Notaufnahme kamen (und von denen die meisten stationär aufgenommen werden mussten), eine Behandlung mit 40 mg Prednison über 5 Tage einer 14-tägigen Behandlung nicht unterlegen war. Patienten, die 5 Tage lang behandelt worden waren, wiesen während der 6-monatigen Nachbeobachtungszeit ähnlich viele Reexazerbationen auf. Eine weitere aktuelle RCT untersuchte, ob bei Patienten mit COPD-Exazerbation die Eosinophilenzahl im Blut als Prädiktor für das Ansprechen auf oral verabreichte Kortikosteroide dienen könnte. Es gab in dieser Studie Hinweise, dass Patienten mit einem Eosinophilenanteil von weniger als 2 Prozent möglicherweise nicht auf systemische Steroide ansprechen. Doch sind grössere klinische Studien erforderlich, um das Ergebnis dieser relativ kleinen Studie zu bestätigen.
Antibiotika
Die GOLD-Guideline und die Leitlinie der European Respiratory Society (ERS) empfehlen Antibiotika für Patienten mit akuten COPD-Exazerbationen sowie Zunahme von Dyspnoe, Sputumvolumen und -purulenz. Diese Empfehlung gilt auch, wenn 2 dieser 3 Symptome – insbesondere die vermehrte Sputumpurulenz – sich verschlechtern. Grundlage für diese Empfehlungen sind ältere Studien, die bei ambulanten Patienten mit COPDExazerbationen bessere Ergebnisse nachweisen konnten, wenn sie mit Breitspektrumantibiotika wie Trimethoprim-Sulfamethoxazol, Doxycyclin oder Amoxicillin behandelt wurden. Zwei kürzlich veröffentlichte RCT untersuchten den Nutzen von Antibiotika bei COPD-Exazerbationen. In eine Studie wurden 223 stationäre Patienten mit COPD-Exazerbationen aufgenommen, die zusätzlich zu systemischen Kortikosteroiden entweder Doxycyclin oder Plazebo über 7 Tage erhielten. In dieser Studie konnte kein signifikanter Unterschied der klinischen Erfolgsrate (61% vs. 53%), der klinischen Heilung oder der Lungenfunktion am Tag 30 gezeigt werden. Im Gegensatz dazu untersuchte die andere RCT 310 ambulante Patienten mit milden bis moderaten Exazerbationen, von denen die meisten keine oralen Steroide erhielten. Die Gabe von Amoxicillin-Clavulansäure erhöhte im Vergleich zu Plazebo die klinische Heilungsrate am Ende der Behandlung (Tag 9 bis 11) signifikant (74% vs. 60%). Die Behandlung mit Amoxicillin-Clavulansäure war ausserdem gegenüber Plazebo mit einer Verlängerung der exazerbationsfreien Zeit assoziiert.
Nicht invasive Beatmung Die GOLD-Leitlinie empfiehlt, bei Patienten mit schwerer Dyspnoe, vermehrter Atemarbeit und respiratorischer Azidose
(pH ≤ 7,35 oder arterieller Kohlendioxiddruck ≥ 45 mmHg oder beides) eine nicht invasive Beatmung in Betracht zu ziehen. Diese Behandlung senkt Atemfrequenz und Atemarbeit, bessert die respiratorische Azidose und reduziert bei Patienten mit COPD-Exazerbation und respiratorischer Insuffizienz die Intubationsfrequenz.
Neue potenzielle Therapien bei COPD-Exazerbationen In verschiedenen Studien wurden potenzielle neue Behandlungsansätze gegen COPD-Exazerbationen untersucht. Doch brachten bisher weder neue antiinflammatorische Medikamente (Etanercept, Zileuton) noch eine intensive physiotherapeutische thorakale Behandlung noch eine frühe stationäre respiratorische Rehabilitationsbehandlung überzeugende Erfolge.
Prävention von COPD-Exazerbationen
Die Vermeidung von Exazerbationen ist das wichtigste Ziel der COPD-Erhaltungstherapie. In klinischen Studien wurde untersucht, ob verschiedene medikamentöse und nicht medikamentöse Interventionen Frequenz und Schweregrad von Exazerbationen senken können.
Impfungen Der Influenzaimpfstoff senkt Rate und Ausprägung von Influenzasymptomen, einschliesslich der respiratorischen Symptome. Eine Metaanalyse von 11 Studien (darunter 6 Studien ausschliesslich mit COPD-Patienten) kam zum Schluss, dass die Influenzavakzine die Zahl der Exazerbationen pro Patient im Vergleich zu Plazebo signifikant senkt. Eine Metaanalyse von 7 Studien, welche die Wirkungen eines 23-valenten Pneumokokkenimpfstoffs bei COPD-Patienten untersuchten, konnte keinen signifikanten Effekt auf die Morbidität oder die Mortalität feststellen.
Lang wirksame Bronchodilatatoren Zwei Klassen von Bronchodilatatoren werden bei COPD häufig eingesetzt: lang wirksame Anticholinergika (long acting antimuscarinic agents, LAMA) und lang wirksame Betaagonisten (long acting beta agonists, LABA). Bronchodilatatoren spielen eindeutig eine Rolle in der Prävention von COPD-Exazerbationen. LAMA: Der Tiotropium-Trockenpulverinhalator ist der am besten untersuchte LAMA. Die aktuellste Übersichtsarbeit über die Tiotropiumdauertherapie bei COPD weist darauf hin, dass Tiotropium gegenüber Plazebo COPD-Exazerbationen um 22 Prozent senkt. Zu den neueren LAMA zählen Glycopyrroniumbromid und Aclidiniumbromid. In einer RCT erhielten 1066 COPDPatienten randomisiert entweder Glycopyrroniumbromid 50 µg täglich oder Plazebo oder (open-label) Tiotropium. Verglichen mit Plazebo senkte Glycopyrronium das Risiko mässiger bis schwerer Exazerbationen um 34 Prozent. Diese Reduktion an Exazerbationen war ähnlich wie diejenige, die in dieser Studie unter Tiotropium beobachtet wurde. Eine zweite RCT mit Glycopyrronium versus Plazebo kam zu ähnlichen Resultaten. Ob Aclidiniumbromid im Vergleich zu Plazebo oder aktiven Vergleichssubstanzen Exazerbationen reduziert, wurde bisher in Studien nicht untersucht. LABA: Klinische Studien weisen darauf hin, dass LABA ebenfalls Exazerbationen verhindern können, wobei die Effekt-
46 ARS MEDICI 1 I 2015
FORTBILDUNG
Akutbehandlung mässiger bis schwerer COPD-Exazerbationen
O Sauerstoffgabe (die Sauerstoffsättigung sollte bei 90–94% liegen)
O Bronchodilatatoren (kurz wirksamer Betaagonist und ein Anticholinergikum)
O 40 mg Prednison oral über 5 Tage
O Antibiotikagabe (Amoxicillin-Clavulansäure, ein respiratorisches Fluorchinolon oder ein Makrolid), wenn der Patient ≥ 2 der folgenden Symptome aufweist: zunehmende Dyspnoe, vermehrtes Sputumvolumen, vermehrte Sputumpurulenz
O bei Patienten mit erhöhter Atemarbeit und respiratorischer Azidose (pH < 7,35) nicht invasive Beatmung erwägen
grösse etwas geringer ist als unter LAMA. Die TORCH-Studie ergab, dass die Salmeterolmonotherapie gegenüber Plazebo zu einer Reduktion der Exazerbationsfrequenz führt (0,97 vs. 1,13 pro Jahr; relatives Risiko [RR]: 0,85; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,78–0,93; p = 0,001). Eine Metaanalyse kam zum Schluss, dass LABA (hauptsächlich Salmeterol oder Formoterol) mässig schwere COPD-Exazerbationen, die eine Behandlung mit Antibiotika oder oralen Steroiden oder eine Hospitalisation erforderten, signifikant reduzierten. Eine später durchgeführte RCT mit 3444 Patienten mit schwerer COPD und Exazerbationen in der Vorgeschichte verglich Indacaterol, einen neuen, einmal täglich zu applizierenden LABA, mit Tiotropium. Im Verlauf eines Jahres konnte Tiotropium gegenüber Indacaterol signifikant effektiver Exazerbationen verhindern. LABA/LAMA: Verschiedene Kombinationsinhalatoren befinden sich in weit fortgeschrittenen Entwicklungsstadien. Im September 2013 wurden in der EU zwei Kombinationsinhaler mit Indacaterol plus Glycopyrronium zugelassen (Ultibro® Breezhaler®, Xoterna® Breezhaler® [Letzterer nicht in der Schweiz]). In einer RCT zeigte sich, dass der Kombinationsinhaler (Glycopyrronium + Indacaterol) im Vergleich zu einer Glycopyrroniummonotherapie die Rate an moderaten bis schweren Exazerbationen signifikant um 12 Prozent senkt. Allerdings konnte die Exazerbationsrate mit der Kombination im Vergleich zu Open-label-Tiotropium nicht signifikant reduziert werden. In der kürzlich am ERS-Kongress präsentierten LANTERNStudie wurde der Glycopyrronium/Indacaterol-Kombinationsinhaler mit einer Kombination aus einem LABA und einem inhalativen Steroid (Salmeterol/Fluticason, 2-mal täglich) verglichen. Dabei erwies sich Indacaterol/Glycopyrronium mit einer Verbesserung der Einsekundenkapazität (FEV1) um 75 ml sowie mit einer Reduktion des Exazerbationsrisikos um 31 Prozent gegenüber der Vergleichsgruppe als signifikant überlegen. Ebenfalls am ERS 2014 präsentiert wurden Studiendaten zu Umeclidinium/Vilanterol (UMEC/VI, Anoro® Ellipta®), einer weiteren neuen LABA/LAMA-Fixkombination: In einer Parallelgruppenuntersuchung über 12 Wochen (Endpunkte: mittlere Veränderung der gewichteten FEV1 über 24 h nach Inhalation am Tag 84 sowie weitere Lungenfunktionsparameter) hatte sich in der UMEC/VI-Gruppe gegen-
über Salmeterol/Fluticason eine signifikante Verbesserung aller untersuchten Parameter bei guter Verträglichkeit ergeben. Auch die gepoolte Analyse der Daten zweier Phase-IIIStudien zum Vergleich von UMEC/VI mit der Monotherapie mit jeweils einem lang wirksamen Bronchodilatator (UMEC, VI, Tiotropium) im Hinblick auf Dyspnoe zeigte bei den meisten Kontrollen in allen Gruppen klinisch bedeutsame Verbesserungen unter der Fixkombination. ICS-LABA-Kombinationen: Die bisher grösste klinische Studie zu einer Kombination aus einem inhalativen Kortikosteroid (ICS) und einem LABA war die TORCH-Studie, in der 6112 Patienten randomisiert entweder eine FluticasonSalmeterol-Kombination, eine Fluticasonmonotherapie, eine Salmeterolmonotherapie oder Plazebo erhielten. Patienten, die mit der Fluticason-Salmeterol-Kombination behandelt wurden, hatten eine jährliche Rate von 0,85 Exazerbationen pro Person im Vergleich zu 1,13 in der Plazebogruppe und 0,97 in der Salmeterolgruppe. Eine Metaanalyse bestätigte, dass ICS-LABA-Kombinationsinhalatoren im Vergleich zu Plazebo COPD-Exazerbationen signifikant reduzieren (RR: 0,73; 95%-KI: 0,69–0,78). Eine weitere Metaanalyse bestätigte, dass diese Kombinationsinhalatoren auch im Vergleich zu LABA zu einer Reduktion von Exazerbationen führen. Tripeltherapie (ICS/LABA/LAMA): In einer RCT erhielten 449 Patienten ein Jahr lang randomisiert Tiotropium plus Plazebo, Tiotropium plus Salmeterol oder Tiotropium plus Fluticason-Salmeterol. Primärer Endpunkt war der Anteil der Patienten, die innerhalb eines Jahres eine mässige oder schwere Exazerbation erlitten. Obwohl Tiotropium plus Fluticason-Salmeterol im Vergleich zu Tiotropium plus Plazebo nicht zu einer signifikanten Reduktion an Exazerbationen führte, senkte die Dreifachkombination die Anzahl schwerer hospitalisationspflichtiger Exazerbationen um 47 Prozent. Eine ähnliche RCT, welche die Therapie mit Tiotropium plus Plazebo oder Tiotropium plus Budesonid-Formoterol untersuchte, fand eine Reduktion der Exazerbationen um 62 Prozent und eine Reduktion der Hospitalisationen/Vorstellungen in der Notaufnahme um 65 Prozent. Doch besitzt die Studie wegen der kurzen Studiendauer von 3 Monaten nur eine eingeschränkte Aussagekraft. Die relativ hohe Rate an Exazerbationen in der Gruppe, die Tiotropium plus Plazebo erhielt, reflektiert möglicherweise den Effekt eines ICS-Entzugs.
Potenziell erhöhtes Pneumonierisiko unter ICS ICS sind bei COPD zwar nicht als Monotherapie indiziert, doch werden Therapieschemata mit einer ICS-Komponente (ICS-LABA und Tripeltherapiekombinationen) sehr häufig zur Behandlung einer chronischen COPD und zur Prävention von Exazerbationen eingesetzt. Aktuelle klinische Untersuchungen (inkl. TORCH) haben gezeigt, dass Pneumonien vermehrt bei Patienten auftraten, die Fluticason oder Fluticason-Salmeterol-Kombinationen verwendeten. Doch erfolgte in diesen Studien meist keine radiologische Bestätigung der Pneumonie, und es ist unklar, wie häufig Lungenentzündungen mit COPD-Exazerbationen verwechselt wurden. Das vermehrte Auftreten von Pneumonien war in diesen Untersuchungen nicht mit einer erhöhten Mortalität der Patienten assoziiert, die in diesen klinischen Studien mit ICS behandelt wurden.
48 ARS MEDICI 1 I 2015
FORTBILDUNG
Aktuelle Datenanalysen zu Fluticasonfuroat-Vilanterol weisen darauf hin, dass diese neue ICS-LABA-Kombination im Vergleich zur Vilanterolmonotherapie das relative Risiko für eine Pneumonie mehr als verdoppelt. Risikofaktoren für eine Pneumonie bei COPD-Patienten, die Fluticasonfuorat-Vilanterol erhielten, waren Rauchen, Pneumonie in der Anamnese, ein BMI (Body-Mass-Index) unter 25 und eine FEV1 unter 50 Prozent des Sollwerts. Daher sollte man bei Patienten mit Risikofaktoren für eine Pneumonie eher eine budesonidhaltige ICS-LABA-Kombination in Erwägung ziehen. Zudem ist es empfehlenswert, bei COPD-Patienten die ICS-Dosis so niedrig wie möglich zu halten und sorgfältig auf mögliche Pneumoniehinweise zu achten, da sich bei diesen Patienten Pneumoniesymptome häufig mit Symptomen einer akuten Exazerbation überlappen.
Phosphodiesterase-(PDE-)4-Inhibitoren Studien haben gezeigt, dass der selektive PDE-4-Inhibitor Roflumilast COPD- Exazerbationen bei einer Subgruppe von Patienten mit Symptomen einer chronischen Bronchitis (chronischer Husten und Sputumproduktion) reduziert, die im vergangenen Jahr mindestens eine Exazerbation gehabt hatten. In dieser Subgruppe zeigten zwei klinische Studien mit mehr als 3000 Patienten, dass Roflumilast im Vergleich zu Plazebo Exazerbationen um 17 Prozent reduziert. Doch kann Roflumilast zu gastrointestinalen Nebenwirkungen führen, was seinen Einsatz bei manchen Patienten möglicherweise limitiert.
Antibiotika Moxifloxacin ist ein respiratorisches Fluorchinolon, das gegen Bakterien wirkt, die mit COPD-Exazerbationen assoziiert sind. In einer RCT erhielten über 1100 Patienten mit stabiler COPD randomisiert Moxifloxacin 400 mg oder Plazebo einmal täglich über 5 Tage. Diese Behandlung wurde alle 8 Wochen wiederholt, insgesamt fanden 6 Therapiezyklen statt. Nach 48 Wochen war die Odds-Ratio für das Auftreten einer Exazerbation in der Intent-to-treat-Analyse in der Moxifloxacingruppe nicht signifikant niedriger, in der Per-protocol-Analyse dagegen schon. Leitlinien empfehlen derzeit keine antibiotische Pulstherapie zur Prävention von Exazerbationen. Makrolidantibiotika weisen zusätzlich zu ihren antibiotischen Effekten pleiotrope immunmodulatorische und antiinflammatorische Eigenschaften auf. In einer einjährigen RCT erhielten 1142 Patienten zusätzlich zu ihren üblichen COPD-Medikamenten randomisiert entweder 250 mg Azithromycin einmal täglich oder Plazebo. Nach einem Jahr betrug die Exazerbationsrate in der Azithromycingruppe 1,48 und in der Plazebogruppe 1,83 pro Patientenjahr. Das weist auf eine Reduktion der Exazerbationen um 17 Prozent unter täglicher Azithromycingabe hin. Eine aktuelle Metaanalyse von 6 Studien kam zum Schluss, dass das relative Risiko für COPD-Exazerbationen bei Patienten, die Makrolide einnehmen, um 37 Prozent geringer ist als unter Plazebo. Gegen Azithromycin gibt es gewisse Vorbehalte, da es ein potenter Induktor antimikrobieller Resistenzen ist und gelegentlich mit kardiotoxischen Effekten (Verlängerung des QT-Intervalls, ventrikuläre Rhythmusstörungen) in Zusammenhang gebracht wurde. Die GOLD-Leitlinie von 2013 enthält keine Empfehlung für eine tägliche Azithromycingabe zur
Prävention von COPD-Exazerbationen. Die meisten Mediziner reservieren Azithromycin für Patienten mit relativ schwerer COPD und häufigen Exazerbationen in der Anamnese. Mukolytika Die Daten zum Einsatz von Mukolytika wie beispielsweise N-Acetylcystein zur Prävention von COPD-Exazerbationen sind widersprüchlich. Eine europäische Studie rekrutierte 523 COPD-Patienten und führte sie randomisiert einer Behandlung mit 600 mg N-Acetylcystein täglich oder Plazebo zu. Die Nachbeobachtungszeit erstreckte sich über 3 Jahre. Die Anzahl der Exazerbationen pro Jahr zeigte in den beiden Gruppen keinen Unterschied. Eine kleinere Studie aus Hongkong kam dagegen zum Schluss, dass N-Acetylcystein die Exazerbationsrate bei COPD-Patienten im Vergleich zu Plazebo senkt. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam eine chinesische Studie. Jedoch erhielten nur 10 Prozent der Patienten in diesen beiden Studien LAMA, dagegen nahmen 27 Prozent Theophyllin oral ein. Deshalb sind die Ergebnisse dieser Studien wahrscheinlich nicht direkt auf nordamerikanische und europäische Patienten übertragbar, die selten mit Theophyllin, aber häufig mit LAMA behandelt werden.
Neue Medikamente in der Entwicklung
Derzeit sind verschiedene Substanzen in Entwicklung, bei-
spielsweise BCT197, ein neuer p38-mitogenaktivierter Pro-
teinkinase-(MAPK-)Inhibitor zur oralen Therapie akuter
Exazerbationen. Bedoradrin ist eine hoch selektive betaadre-
nerge Substanz für die Therapie von Exazerbationen. Beide
Substanzen wurden bereits in Phase-II-Studien untersucht.
Zur Prävention von Exazerbationen werden ebenfalls neue
Optionen untersucht, beispielsweise verschiedene Tripel-
kombinationen (ICS/LAMA/LABA). Die Kombination aus
Roflumilast und ICS-LABA wird derzeit in einer doppelblin-
den Phase-III/IV-Studie getestet.
Von kombinierten PDE-3- und -4-Inhibitoren wie RPL554
erhofft man sich eine Relaxation der glatten Muskulatur in
den Atemwegen sowie eine Unterdrückung inflammatori-
scher Vorgänge. Derzeit wird untersucht, welche Effekte
diese Medikamente auf COPD-Symptome ausüben und ob
sie Exazerbationen verhindern können.
Monoklonale Antikörper, die gegen den IL-1-Rezeptor
gerichtet sind, befinden sich derzeit noch in einem frühen
Entwicklungsstadium. MAPK-Inhibitoren sind potenziell
attraktive Substanzen, die entzündliche Reaktionen auf
Zigarettenrauch und respiratorische Viren hemmen können.
In Studien wird untersucht, wie sich inhalative MAPK-
Inhibitoren kurzfristig auf Atemflusslimitationen und
COPD-Symptome und langfristig auf die Inzidenz von
COPD-Exazerbationen auswirken.
O
Andrea Wülker
Quelle: Aaron SD: Management and prevention of exacerbations of COPD. BMJ 2014; 349: g5237.
Interessenlage: Der Autor der BMJ-Publikation war in Advisory Boards verschiedener Pharmaunternehmen tätig und hat dafür Beraterhonorare erhalten.
Einige Ergänzungen bezüglich erst kürzlich am ERS-Kongress 2014 vorgestellter Studien erfolgten durch die Redaktion ARS MEDICI.
50 ARS MEDICI 1 I 2015