Transkript
EDITORIAL
Die «Generationen» lösen sich in immer rascherem Tempo ab. Auf die Weltkriegs- folgten die Nachkriegs-
und die 58er-Generation, darauf die 68er und (in den USA fast gleichzeitig, in Europa etwas zeitverschoben) die Baby-Boomer. In den USA dann die Generation Jones (die sog. lost generation), später die Generation X, in Deutschland auch die Generation Golf, in den 80er-Jahren die MTV-Generation, und heute ist die Generation Y im Anmarsch oder bereits in Pflicht und Arbeit. Daneben schlagen wir uns mit eher exotischen oder sehr spezifischen Gruppen herum wie der Generation Iron, der Generation Doof, der Generation iPod, der Generation YouTube oder der Generation Z. Und es zirkulieren
allerdings auch einen Gegenpol: die Generation Chips. Ihr Kennzeichen: hoher Medienkonsum und einseitige Ernährung. Ein Problem gibt es: Die medizinisch Tätigen der Generation Y werden unsere Hausärzte sein, wenn die «guten alten Hausärzte» in zehn, zwanzig Jahren definitiv ausgestorben sind. Sind das erfreuliche Aussichten? Sympathische Kollegen, vor allem aber Kolleginnen, deren Lebenssinn nicht mehr im Arbeiten an sich besteht, sondern im … ja, in was eigentlich? Liegt ihnen daran, gute Arbeit zu machen bei optimaler Work-LifeBalance? Werden sie ihre vielen anderen Interessen pflegen, sich den unternehmerischen PermanentÄrger mit Versicherern und Behörden sparen und darauf verzichten, ihr Einkommen zu optimieren, und stattdessen die Sicherheit hinter einem für all das Unangenehme des Lebens zuständigen Betriebswirtschafter suchen? «Why» not? Warum selbst sich um
X,Y…?
Begriffe wie Generation Prekär und Generation Maybe, die alle nicht so genau definiert sind. In der Medizin beginnt heute die Generation Y zu dominieren. Die Soziologen zählen zu ihr Menschen, die um das Jahr 2000 herum noch zu den Teenagern zählten. Sie werden auch als Millennials (Jahrtausender) oder Digital Natives bezeichnet. Warum sie Generation Y heissen, wissen sie meist selbst nicht. Der Buchstabe Y ist das Kürzel für Why? (Warum?), und Why ist für die Generation Y eben die alles entscheidende Frage. Althergebrachtes wird, auch in der Arbeitswelt, infrage gestellt. Angehörige der Generation Y sind vergleichsweise gut ausgebildet und technologieaffin; sie sind die erste Generation, die mit Internet und mobiler Kommunikation aufgewachsen ist. Ihr Umfeld ist bevorzugt hierarchisch flach, am liebsten virtuell, und anstelle von Prestige stehen für sie die Freude an der Arbeit und die Sinnsuche im Zentrum. Die Welt, in der sie leben, ist multioptional und fast grenzenlos. Sie haben – nicht unsympathisch – wenig Vertrauen in Regierungen; einige von ihnen sind deshalb in der Bewegung Occupy Wallstreet gelandet. Die Generation Y hat
alles kümmern? Warum mehr arbeiten als nötig? Warum nicht besser Sinn finden und Fun, allein oder in der Familie? Wichtigste Frage: Wie viel liegt ihnen, den Kolleg(inn)en der Generation Y, am Ende am Wohl der Patienten, die demnächst WIR sein werden? So viel wie nötig? Ist ihr Beruf nur ein Job, vielleicht sogar nur ein Lebensabschnittsjob, und keine Berufung mehr (was er, zugegeben, auch nicht bei all ihren Vorgängern war, aber doch für ziemlich viele im Laufe der Zeit irgendwie wurde)? Und was bedeutet das für die Qualität ihrer Arbeit? Bessere Laune, weniger Burn-outs und dafür mehr Empathie? Oder mehr Gleichgültigkeit, erst recht ausserhalb von «9 to 5»? Wir werden sehen. Will heissen: WIR werden es erleben. Und halten uns derweil an zwei gute alte Redenswarten: 1. Es wird nicht so heiss gegessen, wie es gekocht wird. 2. Aber manchmal kommt’s auch schlimmer, als man denkt.
Richard Altorfer
ARS MEDICI 21 I 2014 1041