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BERICHT
Parkinson: Wissen für Betroffene und Angehörige
Nicht nur die medizinischen Aspekte bedenken
Bereits zum dritten Mal fand in diesem Jahr nach 2009 und 2011 auf dem Säntis ein Gipfeltreffen der Parkinson-Selbsthilfegruppe JUPP Säntis statt, das in Zusammenarbeit mit der Rehaklinik Zihlschlacht organisiert wurde. Im Gespräch erläuterte Anita Sauter, eine der Gruppenleiterinnen, was ihr aus Patientenperspektive besonders wichtig ist.
Als die heute 54-jährige Anita Sauter vor 9 Jahren die Diagnose Parkinson erhielt, gab es nur wenige Informationsangebote für jüngere Betroffene oder deren Angehörige. So engagierte sie sich von Anfang an in der damals neu gegründeten Selbsthilfegruppe JUPP Säntis. Als eine von mittlerweile 9 Gruppen für junge Parkinsonpatienten (JUPP) ist diese eine Anlaufstelle für Patienten und Angehörige, die in der Ostschweiz zuhause sind. Die Gruppe hat heute 35 Mitglieder zwischen 32 und 70 Jahren. Das «jung» im Namen ist relativ: Auch Ältere, die noch aktiv
Parkinson Schweiz
Parkinson Schweiz engagiert sich für die Aufklärung sowohl der Betroffenen als auch der Bevölkerung und bietet neben Beratungen für Betroffene und Angehörige Informationsveranstaltungen sowie eine Vielzahl von Informationsmaterialien, unter anderem auch zu Fragen der Sozialversicherung. Mehr Informationen sowie die Adressen der schweizweit etwa 70 Selbsthilfegruppen auf der Homepage: www.parkinson.ch.
sind, fühlen sich bei den jungen Parkinsonpatienten, die noch im Arbeitsleben stehen und oft auch Familien mit kleinen Kindern haben, gut aufgehoben.
Woran sollten die behandelnden Ärzte vermehrt denken? Auch wenn man die Motorik medikamentös gut im Griff hat, können nichtmotorische Symptome oder die Begleiterscheinungen einer medikamentösen Therapie den Alltag beeinträchtigen, berichtete Sauter. So klagen etliche Patienten im Rahmen der Gruppentreffen beispielsweise über die Suchtprobleme, die als Nebenwirkung dopaminerger Therapien beschrieben sind. Diese können für die Betroffenen ein gravierendes Problem darstellen. Hier wünscht sie sich, dass Ärzte ihre Patienten gezielter darauf ansprechen, ob diesbezüglich etwas im Argen liegt – denn wer berichtet schon gern von sich aus über Kauf-, Sex-, PC- oder Spielsucht. «Man schämt sich doch als Patient, das Thema anzusprechen, dennoch wäre es wichtig, darüber zu sprechen, bevor vielleicht das ganze Geld verspielt ist», so Sauter.
Versicherungsaspekte früh bedenken Neben medizinischen Belangen waren auch Versicherungsaspekte Thema. Versicherungsfachmann Peter Hutter sprach in seinem Vortrag Tücken und Hindernisse im Zusammenhang mit einer IV-Rente an. Gerade die noch im Arbeitsleben stehenden Patienten sollten von Anfang an gut informiert sein, um nicht auf lange Sicht Einbussen bei der Pensionskasse oder bei der IVRente in Kauf nehmen zu müssen. Erkrankungsbedingte Einschränkungen machen es zunehmend schwieriger, im Arbeitsleben produktiv zu bleiben und die gestellten Anforderungen zu erfüllen. Und so geschehe es zum Beispiel
Anita Sauter
häufiger, dass Betroffene ihr Arbeitspensum aufgrund der Einschränkungen «freiwillig» reduzieren – zunächst ohne Arztzeugnis, um Arbeitgeber und Umfeld noch nicht informieren zu müssen. Das aber wirke sich in aller Regel ungünstig auf die spätere IV-Rente aus, die auf der Basis des Arbeitspensums zum Zeitpunkt der IV-Anmeldung ermittelt und bei einem Teilzeitpensum anders berechnet wird als bei einer 100-Prozent-Stelle.
Tücken der Arbeitsunfähigkeit Auch eine längere Arbeitsunfähigkeit zwischen 20 und 39 Prozent sei tückisch, erläuterte Hutter weiter, denn sie verlängere nicht den Anspruch auf Krankentagegeld. Dieses werde je nach Vertrag zwischen 360 und 720 Tagen ausbezahlt, unabhängig vom Grad der Arbeitsunfähigkeit (AU). Der Anspruch auf eine IV-Rente aber bestehe erst nach einem Jahr mit durchschnittlich mindestens 40-prozentiger AU. So könnte eine schwerwiegende finanzielle Lücke von einem Jahr entstehen, wenn nach einer längeren AU von beispielsweise 30 Prozent alle Taggelder bezogen sind und die Erkrankung dann gravierend fortschreitet. Diese Beispiele zeigen, dass Betroffenen unbedingt eine kompetente Beratung ans Herz gelegt werden sollte (z.B. bei Parkinson Schweiz, siehe Kasten).
Christine Mücke
Weitere Informationen zu JUPP Säntis online unter www.juppsaentis.ch. Anita Sauter ist für Fragen/Betroffene direkt zu erreichen unter juppsaentis@bluewin.ch.
Quelle: 3. Parkinson-Gipfel-Treffen auf dem Säntis, SHG JUPP Säntis, Mittwoch, 21. Mai 2014
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ARS MEDICI 20 I 2014