Transkript
FORTBILDUNG
Depression und Suizidalität als unerwünschte Arzneimittelwirkung
Ganz unterschiedliche Arzneimittel können als unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) depressive Störungen sowie Suizidideen und suizidale Handlungen auslösen, wobei depressive Störungen häufiger sind als Suizidideen und diese wiederum häufiger als suizidale Handlungen. Bei manchen Arzneimitteln ist dies eine zwar schwere, aber sehr seltene UAW, bei anderen kommt sie, wie zum Beispiel bei Interferonen, relativ häufig vor. Der genaue Wirkmechanismus ist meist nicht bekannt, weil die Pathogenese von Depression und Suizidalität auf der biologischen Ebene nicht geklärt ist. Kenntnisse zu diesen speziellen UAW sind wichtig, um entsprechende Symptome und Verhaltensweisen rechtzeitig zu erkennen, einzuordnen und zu handeln, aber auch, um Patienten und Angehörige bei Beginn der Therapie angemessen aufzuklären.
ARZNEIMITTELBRIEF
Psychische Nebenwirkungen von Arzneimitteln, wie zum Beispiel Müdigkeit unter Antihistaminika oder Unruhe bei der Dosisfindung von L-Thyroxin, sind seit Langem und all-
Merksätze
O Mehr als 10 Prozent aller UAW-Meldungen sind Berichte über psychische Reaktionen, darunter auch Depressionen mit und ohne Suizidalität.
O Die Liste der Wirkstoffe, die im Verdacht stehen, psychische UAW (speziell Depressionen) auslösen zu können, ist sehr lang.
O Interferon alfa-2b ist wohl der Wirkstoff, bei dem das Risiko für depressive und auch suizidale Verhaltensweisen statistisch eindeutig ist.
O Patienten und Angehörige müssen über die Möglichkeit solcher UAW adäquat und situationsgerecht vorab informiert werden, um Alarmsymptome rechtzeitig erkennen zu können.
gemein bekannt. In den Fachinformationen und Packungsbeilagen bezieht sich der Hinweis zur Teilnahme am Strassenverkehr häufig auf dieses spezielle Risiko (1, 2). Nicht so bekannt ist – auch in Fachkreisen – dass mehr als 10 Prozent aller UAW-Meldungen Berichte über psychische Reaktionen sind. Dazu gehören auch Depressionen mit und ohne Suizidalität. Für viele Ärzte und Laien ist die Vorstellung schwer akzeptabel, dass eine depressive Verstimmung oder das Vollbild einer depressiven Störung häufig nicht auf biografische Situationen wie unter anderen Arbeitslosigkeit, finanzielle Notlage, psychische Überlastung, Verlust eines geliebten Partners, Einsamkeit oder infauste Krankheit zurückzuführen ist, sondern eine Ursache hat in meist noch immer unbekannten zerebralen Veränderungen. Noch mehr gilt dies für den Wunsch der Selbsttötung oder des versuchten beziehungsweise vollendeten Suizids. Die meisten Suizide kommen im Kontext psychiatrischer Erkrankungen wie Depression, Schizophrenie oder Substanzabhängigkeit vor (3). Es ist schwierig, eine Depression mit Suizidgefährdung frühzeitig individuell einzuschätzen. Hierzu gibt es verschiedene Scores mit unterschiedlicher Aussagekraft (4). Nach wie vor sterben über 10 000 Menschen jährlich in Deutschland durch eigene Hand, also deutlich mehr als durch Verkehrsunfälle. Die Zahl der Suizidversuche liegt etwa zehnfach höher. Besonders bei Angehörigen oder Freunden bleiben immer die bedrängenden Fragen: Hätte das Ereignis verhindert werden können, hätte man Anzeichen der Suizidalität besser erkennen und zum Beispiel rechtzeitig einen Arzt hinzuziehen müssen oder wäre ein Verweis auf die Telefonseelsorge oder Internetangebote hilfreich gewesen? (Vgl. 5, 6.) Suizide und Suizidversuche können aber auch, vermutlich zu einem relativ kleinen Anteil, durch Arzneimittel ausgelöst werden. Deshalb ist es wichtig, die Arzneimittel mit dieser potenziellen UAW zu kennen und bei entsprechenden Symptomen an einen solchen Zusammenhang zu denken. Patienten und Angehörige müssen über diese Möglichkeit adäquat und situationsgerecht vorab informiert werden, damit auch sie Alarmsymptome rechtzeitig erkennen und dann das Richtige tun (7, 8). Die Liste der Wirkstoffe, die im Verdacht stehen, psychische UAW (speziell Depressionen) auslösen zu können, ist sehr lang (vgl. 9, 10). Im Folgenden sollen nur die wichtigsten Wirkstoffe besprochen werden, zu deren typischen oder auch seltenen UAW Depression beziehungsweise Suizidalität gehören (11–14). Weil sie selten sind, tauchen sie in üblichen
1012
ARS MEDICI 20 I 2014
FORTBILDUNG
Tabelle:
Wirkstoffe mit (unterschiedlich hoher) Evidenz, dass sie Depressionen/Suizidalität auslösen können
Wirkstoffgruppe Rimonabant Interferon alfa Mefloquin Gyrasehemmer (Chinolone) Isotretinoin SSRI-Antidepressiva Topiramat, Vigabatrin Efavirenz Vareniclin, Bupropion Finasterid
Anwendungsgebiet Adipositas Hepatitis B und C Malaria-Prophylaxe Bakterielle Infektionen Schwere Akne Depression, Angststörungen u.a. Zerebrale Anfallsleiden HIV-Infektion Raucherentwöhnung Benigne Prostatahyperplasie, androgenetische Alopezie
Belege, Bemerkungen Kontrollierte Studien, 2008 vom Markt genommen Kontrollierte Studien, Metaanalyse Kontrollierte Studien Fallberichte, Übersichten Fallberichte, kontrollierte Studien, Übersichten Fallberichte, kontrollierte Studien, Übersichten Prospektive und retrospektive Studien Prospektive Studien, Übersichten Fallberichte, Kohortenstudien Fallsammlung, prospektive Studie
Wirkstoffe, bei deren Anwendung Vorsichtsmassnahmen beziehungsweise besondere Warnhinweise zu beachten sind
Methylphenidat Roflumilast Montelukast
Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung Schwere COPD Asthma bronchiale
Vergleiche Fachinformationen Neuere Pharmakovigilanzdaten (27) Neuere Pharmakovigilanzdaten (28)
klinischen Studien zur Wirksamkeit eines Arzneimittels mit hochselektierten Patienten – selbst bei intensivem Monitoring – meist nicht auf, vor allem wenn nicht gezielt nach ihnen gefahndet wird. Zudem wird mit der Kodierung von Nebenwirkungen die reale klinische Situation nicht immer präzise erfasst, beispielsweise Suizidalität (15). Es ist zu hoffen, dass mit dem öffentlichen Zugang zu den «clinical study reports» (CSR) der pharmazeutischen Unternehmer ein zusätzliches Instrument geschaffen wird, spezielle Nebenwirkungen besser und früher zu erkennen (16). Bisher sind wir überwiegend auf Spontanmeldungen im Rahmen der in vielen Ländern vorhandenen Meldesysteme sowie auf Metaanalysen angewiesen. Die Dunkelziffer ist hoch: Man schätzt, dass generell nur etwa 5 bis 10 Prozent der tatsächlich sich ereignenden UAW im Rahmen eines Spontanmeldesystems gemeldet werden. Besonders bei suizidalen Ereignissen kommt hinzu, dass ein möglicher kausaler Zusammenhang zwischen dem Ereignis und einem bestimmten Arzneimittel vom Arzt oder von den Angehörigen häufig gar nicht erkannt wird. Deshalb kann im Allgemeinen bloss ein mehr oder minder starker Verdacht geäussert werden, dass ein Arzneimittel die Ursache ist. Die tatsächliche Häufigkeit lässt sich aber so nicht ermitteln, weil auch der zugehörige Nenner nicht zuverlässig bekannt ist, das heisst die Zahl der über einen definierten Zeitraum mit dem betreffenden Arzneimittel behandelten Personen. Anders verhält es sich, wenn prospektiv und nach bestimmten Regeln gezielt nach schweren UAW gesucht wird, wie zum Beispiel in dem ursprünglich deutschen, jetzt europäischen psychiatrischen Erfassungssystem für Nebenwirkungen AMSP (Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie; 17).
An ihm nehmen viele psychiatrische Kliniken teil, und zu bestimmten Stichtagen wird jeweils die komplette Medikation aller Stationen erfasst.
Wirkstoffe mit unterschiedlich hoher Evidenz, dass sie Depression und Suizidalität auslösen können (s. Tabelle) Rimonabant: Der Antagonist des Endocannabinoidrezeptors mit der Indikation Gewichtsreduktion wurde 2008 vom Markt genommen wegen neuropsychiatrischer Nebenwirkungen, darunter auch vermehrt Depressionen und Suizide (18, 19). Interferon alfa-2b und beta-1b: Interferone als therapeutisch besonders wichtige Vertreter der Zytokine stellen Verbindungen her zwischen dem Immunsystem und dem ZNS. Sie werden deshalb auch als Immunotransmitter angesehen (20). Da sie nicht nur in die Immunantwort eingreifen, sondern auch direkt im ZNS wirken, ist es verständlich, dass sie auch neurotoxische Wirkungen auslösen können. Interferon alfa2b, das in Kombination mit Ribavarin zur Behandlung der Hepatitis C erfolgreich eingesetzt wird, ist wohl der Wirkstoff, bei dem das Risiko für depressive und auch suizidale Verhaltensweisen statistisch eindeutig ist. Diese gefürchtete UAW tritt nach manchen Übersichten häufig auf und ist auch ein wichtiger Grund für einen frühen Behandlungsabbruch (21). Eine Metaanalyse kam zu dem Schluss, dass 7 Prozent der behandelten Patienten innerhalb von sechs Monaten eine Depression entwickeln. Sie spricht auf Antidepressiva vom Typ der selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) gut an. Die UAW hat möglicherweise mit dem Einfluss der Interferone auf Vorstufen des Serotoninstoffwechsels zu
ARS MEDICI 20 I 2014 1013
FORTBILDUNG
tun. Patienten mit akuter Suizidalität sollten nicht mit Interferonen behandelt werden. Depression in der Vorgeschichte ist zwar prinzipiell kein Grund, nicht damit zu behandeln (22), jedoch ist eine psychiatrische Einschätzung vor Behandlung beziehungsweise eine Mitbetreuung ratsam. Interferon alfa-2b wird durch die Einführung neuerer Wirkstoffe wahrscheinlich an therapeutischer Bedeutung bei Hepatitis C verlieren (vgl. 23). Mefloquin: Unter den zur Malariaprophylaxe verwendeten Substanzen ist vor allem Mefloquin dafür bekannt, neben verschiedenen neuropsychiatrischen Symptomen auch depressive Zustände mit und ohne Suizidalität auslösen zu können, besonders bei Frauen. Es handelt sich um eine typische UAW, die zwar selten auftritt (24–26), aber gravierend und in bestimmten Situationen – auch für andere – lebensgefährlich sein kann. Jahrelang wurde sie nicht ernst genug genommen (Kritik bei 27). In einem Rote-Hand-Brief wurden jetzt neue Kontraindikationen aufgeführt, Warnhinweise gegeben und die Ausstellung eines Patientenpasses empfohlen (28). Mefloquin zur Malariaprophylaxe wurde bei der Bundeswehr auf ein Mittel der letzten Wahl zurückgestuft. Neuropsychiatrische Störungen sind auch bei Malariaprophylaxe mit anderen Mitteln beobachtet worden, zum Beispiel bei der Kombination von Atovaquon und Proguanil. Da die klassischen Antimalariamittel eine lange Halbwertszeit haben, kann es Wochen und Monate dauern, bis die psychischen Symptome abgeklungen sind. Isotretinoin: Während einer Behandlung der schweren Akne mit Isotretinoin wurde bei vielen Patienten die Entwicklung depressiver Störungen beschrieben. Eine grosse Fall-Kontroll-Studie fand ein 2,7-fach erhöhtes Risiko im Vergleich zu Patienten ohne Isotretinoinbehandlung (29). Der Zusammenhang konnte allerdings in kontrollierten prospektiven Studien nicht immer bestätigt werden. Dies ist ein Beispiel dafür, wie schwierig der Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs sein kann, denn bei Patienten mit schwerer Akne sind Depressionen – auch ohne diese Therapie – häufiger als in der «Normalbevölkerung» (30). Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI): Bei Behandlung mit den Antidepressiva vom Typ der SSRI (Sertralin, Paroxetin, Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin) ist es besonders schwierig, einen ursächlichen Zusammenhang mit Depression, suizidalen Ideen und Handlungen zu belegen. Das zeigt sich immer wieder auch in Stellungnahmen von Gutachtern bei Prozessen infolge von Schadensersatzklagen. Mit SSRI werden ja Patienten behandelt, die – weil sie depressiv sind – bereits ein erhöhtes Suizidrisiko haben. Suizidale Ideen und Handlungen als UAW sind vor allem bei gut dokumentierten einzelnen Patienten nachgewiesen (31) und weniger in grossen kontrollierten Studien. In solchen Studien wurden aus Haftungsgründen von Vornherein alle Patienten ausgeschlossen, die eine Neigung zu suizidalem Verhalten erkennen liessen. Dennoch gab es Signale für diese seltene, aber schwere UAW schon in den ersten klinischen Studien (31, 32). Sie wurden aber von den pharmazeutischen Unternehmern systematisch verschwiegen und fanden auch bei vielen Psychiatern keinen Glauben. Einige Autoren sowie auch die nordamerikanische Zulassungsbehörde Food and Drug Administration (FDA) kamen zum Schluss, dass diese UAW nur bei Kindern und Jugendlichen
beziehungsweise bei Erwachsenen bis zum 24. Lebensjahr auftritt (33) – eine Meinung, die von anderen nicht geteilt wird (vgl. 34). Wie kann ein Mittel gegen Depressionen selbst Suizidideen und suizidale Handlungen, ja auch fremdaggressive Handlungen (35) bis zum Mord auslösen? Das hat vermutlich unter anderem mit der speziellen erregenden Wirkung der SSRI-Antidepressiva zu tun, die bei den sog. trizyklischen Antidepressiva (NSRI) nicht typisch ist. Es ist eine alte psychiatrische Erkenntnis, dass jede Art von Exzitation, wie Angst, Agitation, Schlaflosigkeit oder motorische Unruhe, bei Patienten mit bereits vorhandenen Suizidgedanken das Risiko erhöht, sie zu realisieren. Hinzu kommt, dass bei Menschen, die nie zuvor suizidale Ideen hatten, solche Impulse unter Einnahme von SSRI völlig neu entstehen können (31). Den Patienten erscheinen sie selbst oft völlig persönlichkeitsfremd. Fatal kann es sein, wenn auftretende Unruhe und Angstzustände nicht als mögliche Alarmsymptome für eine drohende suizidale Handlung gedeutet werden und wenn unter der falschen Annahme, die Behandlung sei nicht ausreichend, die Dosis noch erhöht wird. Vareniclin und Bupropion: Über Depressionen und suizidale Gedanken während der Behandlung mit Vareniclin und Bupropion zur Tabakentwöhnung ist berichtet und gewarnt worden (36–38). Auch hier besteht das Problem, den ursächlichen Zusammenhang zu belegen, denn die Entwöhnung vom Tabak selbst kann zumindest depressive Zustände auslösen. Finasterid: Der 5-alpha-Reduktase-Hemmer Finasterid wird bei benigner Prostatahyperplasie und in niedriger Dosis auch gegen den androgenetischen Haarverlust verordnet (vgl. 39). In mehreren Studien fanden sich als UAW vermehrt sexuelle Störungen, aber auch Symptome von Depression. Meist bildeten sie sich innerhalb von drei Wochen nach dem Absetzen zurück, waren aber teilweise noch nach drei Monaten vorhanden. In einer Studie wurden 61 primär gesunde Männer untersucht, die wegen Haarausfall Finasterid eingenommen und die als UAW sexuelle Störungen auch noch drei Monate nach dem Absetzen hatten. Bei 64 Prozent dieser Männer bestanden mittelstarke oder schwere depressive Symptome und bei 44 Prozent Suizidideen, während depressive Symptome bei keinem der 29 Männer aus einer vergleichbaren Kontrollgruppe nachzuweisen waren. Finasterid durchdringt die Blut-Hirn-Schranke und reduziert die Bildung verschiedener neuroaktiver Steroide. Es wird spekuliert, dass Allopregnanolon, ein Progesteronmetabolit, möglicherweise durch seine Bindung an einen GABA-Rezeptor an den neuropsychiatrischen Störungen beteiligt sein könnte (40, 41). Gyrasehemmer/Chinolone: Es besteht kein Zweifel daran, dass Gyrasehemmer neben sehr verschiedenen psychiatrischen Auffälligkeiten auch Depression und Suizidalität auslösen können. Auch dies hat möglicherweise mit der Wirkung auf das GABAerge System zu tun. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft hat wiederholt auf das Risiko aufmerksam gemacht (42, 43). Dennoch zeigt sich, dass auf diese potenzielle UAW oft nicht geachtet wird. Eine detaillierte Aufarbeitung von 54 Meldungen von Depression/Suizidalität mit vier Suiziden wurde bereits 1998 vorgelegt (44). Bemerkenswert war, dass die Depression bei 35 dieser Patienten erstmals in ihrem Leben aufgetreten war und Suizidalität bei 17. Die UAW trat häufig schon am ersten
1014
ARS MEDICI 20 I 2014
FORTBILDUNG
oder zweiten Behandlungstag auf, im Mittel knapp drei Tage
nach Beginn der Medikation.
Efavirenz: Unter den antiretroviralen Wirkstoffen steht vor
allem Efavirenz im Verdacht, dosisabhängig neuropsychiatri-
sche UAW auslösen zu können (45).
Methylphenidat, Atomoxetin: In den Fachinformationen
dieser Wirkstoffe zur Behandlung der Aufmerksamkeits-
defizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) finden sich unter
«Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen für die
Anwendung» auch Suizidalität beziehungsweise suizidale
Verhaltensweisen als UAW. Bei Atomoxetin werden sie in der
Häufigkeit unter «gelegentlich» eingeordnet (≥ 1/1000 bis
< 1/100). Roflumilast: Zu diesem spezifischen Phosphodiesterasehem- mer zur Kombinationsbehandlung bei schwerer chronisch- obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) gibt es neuere Pharmakovigilanzdaten, aus denen hervorgeht, dass auf neu- ropsychiatrische UAW, auch auf suizidale Verhaltensweisen, zu achten ist (46). Montelukast: Diesen Leukotrienantagonisten, der als Zu- satzbehandlung bei leichtem bis mittelgradigem Asthma bronchiale zugelassen ist, haben wir als wirkungsarm einge- schätzt (47). Neuere Registerdaten zu UAW belegen Depres- sion, suizidale Gedanken und vollendete Suizide als wichtige UAW (48), die in den klinischen Studien zuvor nicht aufge- fallen waren. Antiepileptika: Wirkstoffe aus der Gruppe der Antiepileptika stehen seit einer Veröffentlichung der FDA aus dem Jahr 2008 im Verdacht, dass sie Suizidalität auslösen können. Ein aktueller systematischer Review einer internationalen Auto- rengruppe fand jedoch keine klare Evidenz für diese UAW, unter anderem weil die Studien klinisch und methodisch sehr heterogen waren (49). Eine endgültige Beurteilung ist nach Meinung dieser Autoren derzeit nicht möglich. Betarezeptorenblocker: Avorn et al. (50) errechneten vor Jah- ren eine signifikante positive Beziehung zwischen der Ver- schreibung von Betarezeptorenblockern und Antidepressiva. In dieser und nachfolgenden Studien fehlte es aber meist an zusätzlichen Informationen, um eine solche statistische Beziehung interpretieren zu können. Eine spätere grössere Metaanalyse (51) und ein aktueller Review (52) konnten keinen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Beta- rezeptorenblockern und Depression beziehungsweise Suizid- ideen sichern. Ein ursächlicher Zusammenhang ist also gene- rell nicht klar. O Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Arzneimittelbrief» Nr. 7, Juli 2014. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Herausgeber Dietrich von Herrath und Wolf-Dieter Ludwig. Literatur: 1. AMB 2009; 43: 89. 2. Ochsenfahrt H: Arzneimittel und Strassenverkehr. In: Dölle W et al. (Hrsg): Grund- lagen der Arzneimitteltherapie. 1986: Wissenschaftsverlag, Mannheim, S. 469. 3. Olfson M et al., JAMA 2014; 311: 1107; Devylder JE et al., Psychiatry Res 2014; 215: 323. 4. Vgl. AMB 2010; 44: 33. 5. Wolfersdorf M, Suizidprophylaxe 2006; 33: 25. 6. Gute Pillen – Schlechte Pillen 2013; Heft 3: 10. Gute Pillen – Schlechte Pillen 2013; Heft 5: 4. 7. Bronisch T: Der Suizid. Ursachen, Warnsignale, Prävention. 5. überarbeitete Aufl. 2007: C.H. Beck Wissen, München. 8. Wolfersdorf M, Müller-Oerlinghausen B, MMW 1998; 140: 113. 9. Aronson JK: Meyler’s Side Effects of Drugs. 15. Aufl. 2006, Elsevier Science. 10. Casagrande Tango R, Dialogues Clin Neurosci 2003; 5: 155. 11. Celano CM et al., Dialogues Clin Neurosci 2011; 13: 109. 12. Holvey C et al., Br J Hosp Med (Lond) 2010; 71: 432. 13. Müller-Oerlinghausen B, AVP 2005; 32: 26. 14. Gute Pillen – Schlechte Pillen 2013; Heft 3: 10. Gute Pillen – Schlechte Pillen 2013; Heft 5: 4. 15. Maund E et al., BMJ 2014; 348: g3555. 16. Maund E et al., BMJ 2014; 348: g3510. 17. Grohmann R et al., Pharmacopsychiatry 2004; 37(Suppl 1): 27. 18. Topol EJ et al., Lancet 2010; 376: 517. Vgl. AMB 2007; 41: 65. AMB 2008; 42: 92b. AMB 2010; 44: 78b. 19. Rev Prescrire 2008; 28: 909. 20. Dunn AJ, Wang J, Neuroimmunomodulation 1995; 2: 319. 21. Kraus MR et al., J Clin Psychiatry 2003; 64: 708. 22. Holvey C et al., Br J Hosp Med (Lond) 2010; 71: 432. 23. AMB 2014; 48: 25. 24. Oueriagli Nabih F et al., Encephale 2011; 37: 393. 25. van Riemsdijk MM et al., Clin Pharmacol Ther 2002; 72: 294. 26. Schlangenhauf P et al., BMJ 2003; 327: 1078. 27. Owen J, vgl. Gute Pillen – Schlechte Pillen 2013; Heft 6: S. 8. 28. www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/ RHB/Archiv/2013/20130910.pdf 29. Azoulay L et al., J Clin Psychiatry 2008; 69: 526. 30. Yazici K et al., J Eur Acad Dermatol Venereol 2004; 18: 435. 31. Stübner S et al., J Clin Psychiatry 2010; 71: 1293. 32. Healy D et al., J Psychopharmacol 1999; 13: 94. 33. Reeves RR, Ladner ME, South Med J 2009; 102: 713. 34. AMB 2004; 38: 39. 35. Healy D et al., PLoS Med 2006; 3: e372. 36. Dtsch Arztebl 2004; 101: A 2139. 37. www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/DSM/Archiv/2008-026.html. 38. www.fda.gov/... 39. AMB 2013; 47:84. AMB 2012; 46: 37b. AMB 1998; 32: 23a. 40. Irwig MS, J Clin Psychiatry 2012; 73: 1220. 41. Melcangi RC et al., J Sex Med 2013; 10: 2598. 42. www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/ Bekanntgaben/Archiv/2004/20040528.html. 43. www.aerzteblatt.de/archiv/... 44. Wolfersdorf M, Müller-Oerlinghausen B: MMW 1998; 140: 113. 45. Muñoz-Moreno JA et al., AIDS Rev 2009; 11: 103. 46. Drug Safety Update 2013; 6: S2. 47. AMB 2001; 35: 61b. 48. Marchand MS et al., Arch Pediatr 2013; 20: 269. 49. Ferrer P et al., Neuroepidemiology 2014; 42: 107. 50. Avorn J et al., JAMA 1986; 255: 357. 51. Ko DT et al., JAMA 2002; 288: 351. 52. Verbeek DE et al., Heart Fail Clin 2011; 7: 89. 1016 ARS MEDICI 20 I 2014