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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
eHealth
«Big Data» – künftiges Eldorado für die Gesundheitsbranche?
Dem deutschen Branchenverband Bitkom zufolge gibt es inzwischen mehr als 70 000 Apps, die medizinische Daten verarbeiten – eine neue und ergiebige Quelle für Gesundheitsdaten aller Art. «Big Data» sei das Eldorado der Zukunft, vor allem auch für die Pharma- und Gesundheitsbranche, so sieht es zumindest Prof. Dr. Christof Meinel vom Hasso-Plattner-Institut, einem privat finanzierten IT-Institut an der Universität in Potsdam. Aus Sicht der Pharmaindustrie bieten Apps & Co. «die Möglichkeit, Informationen aus unterschiedlichen Quellen und Formaten verknüpfen und analysieren
zu können», so Gerd W. Stürz, von der Unternehmensberatung Ernst & Young. Das könne Unternehmen dabei helfen, Patienten auf dem Weg zu einer patientenfokussierten und ergebnisorientierten Gesundheitsversorgung zu begegnen, so Stürz. Oder anders ausgedrückt: Je mehr Daten verfügbar werden, umso besser ist das für die Marktforschung. Kein Wunder also, dass «Big Data meets Healthcare» eines der Schwerpunktthemen der internationalen Tagung «Rethinking Healthcare» ist, an der Pharmafirmen und Unternehmensberater gemeinsam darüber nachdenken, wo sich neue Geschäftsfelder auftun (1). Aus Sicht von Nutzern und Ärzten stellt sich die Frage, wie nützlich einzelne Apps für die Gesundheit tatsächlich sind und wie es um den Datenschutz bestellt ist. «Der Nutzen und die Vertrauenswürdigkeit dieser Softwarehäppchen variieren stark», sagt Dr. med. Urs-Vito Albrecht, Medizinische Hochschule Hannover (2). Ein Beispiel hierfür gibt die Studie von Dr. med. Saira-
Christine Renteria, CHUV Lausanne. Sie
zeigte am Beispiel von «Verhütungs-Apps»,
dass einige von ihnen sehr nützlich und
empfehlenswert sind, gleichzeitig jedoch
ein unerwartetes Comeback der unsicheren
Kalendermethoden als Apps zu verzeich-
nen ist (3).
Im Allgemeinen seien aus ärztlicher Sicht
beispielsweise Patiententagebuch-Apps sinn-
voll, die bei der Dokumentation einer Er-
krankung und des Therapieverlaufs helfen
oder an die Einnahme von Medikamenten
erinnern. Ähnlich seien Apps zu bewerten,
die zu einem bestimmten gesundheitsbe-
wussten Verhalten anregen oder Trainings-
pläne für körperliche Übungen, auch im
Rahmen einer Rehabilitation, anbieten, so
Albrecht.
RBOO
1. Pressemeldung EUROFORUM Deutschland SE, www.euroforum.de
2. www.br.de, Gesundheits-Apps: Was bringen die kleinen Programme? Sendung vom 24. März 2014.
3. Renteria SC: Apps und Verhütung, Fluch oder Segen? Pädiatrie 2013; 6: 7–9.
Medikamentensicherheit
Verdoppeln NSAID das Risiko für venöse Thrombembolien?
Einer aktuellen Metaanalyse zufolge können nichtsteroidale Entzündungshemmer (NSAID) das Risiko für venöse Thrombembolien (VTE) nahezu verdoppeln. Angesichts des in der Allgemeinbevölkerung weitverbereiteten Gebrauchs dieser Medikamente ist dieser Befund von immenser Tragweite für das Gesundheitswesen, wie die Autoren in der Fachzeitschrift «Rheumatology» schreiben. Da VTE als Nebenwirkung zu selten auftreten, als dass sie sich im Rahmen der meisten randomisierten klinischen Studien untersuchen liessen, hat die Arbeitsgruppe um Patompong Ungprasert vom Bassett Medical Center and Columbia University College of Physicians and Surgeons in New York Beobachtungsstudien für ihre Analyse herangezogen. Insgesamt flossen die Daten (Odds Ratios, relative Risiken, Hazard Ratios oder standardisierte Inzidenzverhältnisse) aus sechs solcher Stu-
dien mit insgesamt 21401 VTE-Ereignissen (1 Kohortenstudie [n = 19 293; 215 Ereignisse], 5 Fallkontrollstudien [21186 Fälle, 110 824 Kontrollen]), welche in den Jahren von 2007 bis 2013 in Grossbritannien, Frankreich, den Niederlanden, Dänemark und Schweden durchgeführt worden waren, in die Auswertung ein. Dabei errechnete sich ein gepooltes Risikoverhältnis für VTE bei NSAID-Gebrauch von 1,80 (95%-Konfidenzintervall [KI]: 1,28–2,52). Bei Personen, die selektive COX-2-Inhibitoren einnahmen, betrug das gepoolte Risikoverhältnis sogar 1,99 (95%-KI: 1,44– 2,75). Beide Ergebnisse erreichten statistische Signifikanz. Das erhöhte VTE-Risiko wird hauptsächlich den COX-2-Hemmern zugeschrieben, denn Acetylsalicylsäure als COX-1-Inhibitor hat sich als wirksam zur Prävention von VTE erwiesen. Noch sind die Mechanis-
men unklar, über die das beobachtete erhöhte VTE-Risiko zustande kommt. Bekannt ist, so die Autoren, dass die Inhibierung des COX-2-Enzyms die Synthese von Prostazyklinen hemmt, welche der Plättchenaktivierung entgegenwirken, und gleichzeitig die Ausschüttung von Thromboxan stimuliert, über das die Plättchenaggregation vermittelt wird. Beide Vorgänge zusammen wiederum induzieren vermutlich eine Koagulationskaskade und die Blutgerinnung. Ärzte sollten sich dieser Zusammenhänge bewusst werden und NSAID vor allem bei Patienten mit hohem Ausgangsrisiko für VTE mit Vorsicht einsetzen, raten die Wissenschaftler. RABEO
Ungprasert P et al.: Non-steroidal anti-inflammatory drugs and risk of venous thromboembolism: a systematic review and meta-analysis. Rheumatology; published online 2014, September 24.
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ARS MEDICI 19 I 2014
Arbeitsmedizin
Angst um Job kann Asthma auslösen
Die Angst um den Arbeitsplatz gilt gemäss Langzeitstudien als Risikofaktor für eine Reihe von gesundheitlichen Problemen, darunter etwa psychiatrische Störungen, koronare Herzkrankheit sowie eine in der Selbsteinschätzung als schlecht eingestufte Gesundheit. Als ursächlich für diesen Zusammenhang wird neben der Aktivierung physiologischer Reaktionen auf Stress die Tendenz Betroffener angesehen, sich vermehrt dem Einfluss negativer Lebensstilfaktoren auszusetzen. Rauchen oder Fettleibigkeit etwa gelten als etablierte Risikofaktoren für Asthma. Da auch psychische Belastungen inklusive Stress am Arbeitsplatz mit der Entstehung von Asthma in Verbindung gebracht wurden, liegt die Vermutung nahe, dass Sorgen um den Arbeitsplatz hier ebenfalls eine kausale Rolle spielen könnten. Um diese Hypothese zu prüfen, haben Wissenschaftler am Institut für Arbeits- und Sozialmedizin der Universität Düsseldorf entsprechende, während der europaweiten wirtschaftlichen Rezession in den Jahren ab 2008 im Rahmen der GSOEP-Studie (German Socio-Economic Panel) erhobene Daten ausgewertet. In die Untersuchung einbezogen wurden insgesamt 7031 seinerzeit in Deutschland erwerbstätige Personen, die in direkt geführten Interviews im Jahr 2009 danach gefragt worden waren, für wie wahrscheinlich sie die Möglichkeit hielten, in den nächsten zwei Jahren ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Die diesbezüglichen Aussagen wurden in Beziehung gesetzt zu den während der Nachbeobachtung im Jahr 2011 gesammelten Selbstauskünften hinsichtlich einer zwischenzeitlich neu aufgetretenen, ärztlich diagnostizierten Asthmaerkrankung.
Wie die Auswertung der Daten ergab, war
das Risiko, an Asthma zu erkranken, bei Per-
sonen, die ihren Arbeitsplatzes während der
nächsten beiden Jahre zu verlieren für wahr-
scheinlicher hielten als ihn zu behalten, um
etwa 60 Prozent erhöht. Die Autoren dieser
Studie, mit der erstmals ein Zusammenhang
zwischen der wahrgenommenen Jobunsi-
cherheit und dem Risiko für eine Asthma-
neuerkrankung belegt werden konnte, räu-
men allerdings ein, dass ihre Untersuchung
gewissen Limitationen unterliegt. So ist etwa
die Inzidenz von Asthma bei Erwachsenen re-
lativ niedrig, was die Durchführung stratifi-
zierter Analysen einschränkte. Zudem bilden
die Angaben zur empfundenen Wahrschein-
lichkeit des Jobverlusts möglicherweise nicht
unbedingt das tatsächliche Ausmass des
damit für die Person verbundenen Stresses
ab. Generell ist es fraglich, ob ein direkter
kausaler Zusammenhang zwischen der Sorge
um den Arbeitsplatz und der Entwicklung
von Asthma besteht. In dieser Untersuchung
waren diejenigen Personen, die sich von Ar-
beitsplatzverlust bedroht sahen, zum Beispiel
überproportional Raucher und/oder übten
Jobs aus, welche ihrerseits das Asthmarisiko
erhöhen. Nicht sämtliche solcher Störvaria-
blen liessen sich in der Analyse korrigieren.
Weitere prospektive Untersuchungen sollten
deshalb nach Ansicht der Autoren die be-
obachtete Korrelation überprüfen und idea-
lerweise zugrunde liegende Mechanismen
klären.
RABEO
Loerbroks A et al.: Job insecurity is associated with adult asthma in Germany during Europe's recent economic crisis: a prospective cohort study. J Epidemiol Community Health; published online 2014, Sep 22.
Diabetes
Süssstoffe können Diabetesrisiko erhöhen
Eine jüngst in der Zeitschrift «Nature» veröffentlichte Studie (1) ergab, dass es bei Mäusen, denen häufig genutzte Süssstoffe wie Saccharin, Aspartam oder Sucralose ins Trinkwasser gegeben wurde, nach kurzer Zeit im Glukosebelastungstest zu einem überhöhten Anstieg der Blutzuckerwerte kam, was als erhöhtes Diabetesrisiko gedeutet wird. Auch in einer noch laufenden klinischen Studie habe sich gezeigt, dass Teilnehmer, die Süssstoffe verzehrten, mehr wiegen, höhere
Werte im Nüchtern-Blutzucker und im Lang-
zeit-Blutzucker HbA1c sowie schlechte Ergeb-
nisse im Glukosebelastungstest aufwiesen,
heisst es in einer Pressemitteilung der DGE (2).
Süssstoffe begünstigen offenbar Darmbakte-
rien, die die Aufnahme von Zucker aus dem
Darm steigern.
DGE/RBOO
1. Suez J et al.: Artificial sweeteners induce glucose intolerance by altering the gut microbiota. Nature 2014, Sep 17. doi: 10.1038/nature13793; epub ahead of print.
2. Pressemitteilung der DGE vom 26. September 2014.
RÜCKSPIEGEL
Vor 10 Jahren
Ende für Rofecoxib
Ende September 2004, zwei Monate vor dem geplanten Ende der Studie APPROVe (Adenomatous Polyp Prevention on Vioxx®), wird diese aus Sicherheitsgründen abgebrochen. Man hatte festgestellt, dass ab dem 18. Einnahmemonat kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt und Schlaganfall unter Rofecoxib häufiger waren. Der Hersteller nahm das Medikament vom Markt.
Vor 50 Jahren
Vorläufer für Cochleaimplantat
Unter dem scheinbar unspektakulären Titel «Electrical stimulation of eight cranial nerve» publizieren die Neurochirurgen John B. Doyle und Frederick M. Turnbull mit dem Ohrenspezialisten James H. Doyle ihren ersten erfolgreichen Versuch, Taubstummen ein Gehör zu verschaffen. Ein Hörgerät wandelte hierbei – ähnlich wie ein Telefon – Schallwellen in Stromimpulse um. Diese Impulse wurden zu Elektroden weitergeleitet, die in der Nähe des Hörnervs implantiert worden waren: «Als die Patienten einen musikalischen Laut wahrnahmen, zeigten sie sich erfreut», zitiert das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» die kalifornischen Forscher.
Vor 100 Jahren
Heiratet Raucher!
Wie sich die Zeiten ändern, zeigt sich einmal mehr in einer Notiz, die 1914 inder «Dithmarscher Kanalzeitung» erschien: «Heiratet nur einen Mann, der raucht! Diese Mahnung richtet eine Dame anlässlich eines Vortrages im New Yorker Frauenclub an ihre Zuhörerinnen.» Der Grund: Raucher seien gemütlicher und zufriedener und somit für die Ehe besser geeignet als die Nichtraucher, welche nach Erfahrung der zitierten Dame allesamt humorlos, streitsüchtig und ungeduldig seien.
RBOO