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BERICHT
Behandlung bei rheumatoider Arthritis
Neue Guidelines der EULAR lösen die drei Jahre alten Richtlinien ab
Jahreskongress der European League Against Rheumatism (EULAR) 11. bis 14. Juni 2014, Paris
Bei der Behandlung von Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) ist vieles im Fluss. Dies zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass bereits nach drei Jahren aktualisierte EULAR-Richtlinien fällig sind. Sie wurden am EULAR-Kongress in Paris vorgestellt.
KLAUS DUFFNER
Die Aktualisierung stützt sich vor allem auf neue systematische Literaturreviews. Wie schon bei den vorangegangenen werden auch den aktualisierten Empfehlungen drei übergreifende Prinzipien vorangestellt, wobei jetzt die Bedeutung einer gemeinschaftlichen Entscheidung von Arzt und Patient stärker hervorgehoben wird. Nicht alle Empfehlungen wurden geändert, die meisten sind mehr oder weniger gleich geblieben:
Neue Terminologie
Um den Erweiterungen der «disease-modifying antirheumatic drugs» (DMARD) gerecht zu werden, wurden terminologische Ergänzungen eingeführt: O DMARD: disease-modifying antirheumatic
drug O sDMARD: synthetisches DMARD O csDMARD: konventionelles synthetisches
DMARD O bDMARD: Biologikum O boDMARD: Originator (Urheber-)Biologikum O bsDMARD: Biosimilar O tsDMARD: targeted sDMARD (designt als
sehr zielgerichtetes sDMARD)
O Die Behandlung mit DMARD sollte begonnen werden, wenn die Diagnose RA gestellt wird.
O Die Therapie sollte das Erreichen von Remission oder niedriger Krankheitsaktivität zum Ziel haben.
O Bei aktiver RA ist ein engmaschiges, das heisst ein ein- bis dreimonatliches Monitoring, erforderlich. Ist drei Monate nach Therapiebeginn keine Verbesserung in Sicht oder wurde das Therapieziel nach sechs Monaten nicht erreicht, sollte die Therapie angepasst werden.
O Methotrexat (MTX) ist bei Patienten mit aktiver RA als Bestandteil der ersten Therapiestrategie einzusetzen.
O In Fällen einer MTX-Kontraindikation (oder bei früher Unverträglichkeit) sind Sulfasalazin oder Leflunomid als Bestandteil der (ersten) Therapiestrategie zu betrachten.
O Niedrig dosierte Glukokortikoide sollten als Bestandteil der initialen Therapiestrategie (in Kombination mit einem oder mehreren DMARD) für bis zu sechs Monate in Betracht gezogen, aber so rasch wie möglich wieder ausgeschlichen werden.
O Befindet sich ein Patient nach dem Ausschleichen von Glukokortikoiden in einer fortgesetzten Remission, kann auch ein Ausschleichen des Biologikums erwogen werden, vor allem wenn das Biologikum mit einem DMARD kombiniert wurde.
O Ist eine Therapieanpassung erforderlich, sollten jenseits der Krankheitsaktivität auch Faktoren wie die Progression struktureller Schäden, Komorbiditäten und Sicherheitsaspekte berücksichtigt werden.
DMARD-Kombinationstherapie empfohlen Neu ist, dass bei DMARD-naiven Patienten – unabhängig von der additiven Gabe von Glukokortikoiden – eine DMARD-Monotherapie oder eine DMARD-Kombinationstherapie ein-
gesetzt werden sollte. Während in der Version von 2010 der DMARD-Monotherapie eine eindeutige Präferenz gegenüber einer Kombinationstherapie mit DMARD gegeben wurde, ist das in der aktuellen Empfehlung nicht mehr so. Mehrere Studien haben gezeigt, dass eine DMARD-Kombinationstherapie einer MTX-Monotherapie in der Wirksamkeit überlegen oder zumindest ebenbürtig sein kann. Im Allgemeinen sollte eine DMARD-Kombinationstherapie MTX einschliessen, weil andere Kombinationen noch nicht ausreichend untersucht worden sind. Allerdings wurde gezeigt, dass eine sequenzielle Monotherapie hinsichtlich klinischer, funktioneller und struktureller Outcomes ebenso effektiv wie eine Kombinationstherapie ist. Daher seien sowohl eine csDMARD-Monotherapie als auch eine kombinierte Therapie aus unterschiedlichen csDMARD effektiv, so das Komitee. Bei der Diskussion um mögliche Therapieoptionen sollten, zusammen mit den Patienten, sowohl die Präferenzen als auch die zu erwartenden Nebenwirkungen berücksichtigt werden.
Eher nicht gleich Biologika Wird das Therapieziel mit der ersten csDMARD-Strategie nicht erreicht, sollte – wenn keine ungünstigen prognostischen Faktoren vorliegen – der Wechsel zu einer anderen csDMARDStrategie in Betracht gezogen werden. Sind prognostisch ungünstige Faktoren vorhanden, kann die Zugabe eines Biologikums (biologische DMARD, bDMARD) erwogen werden. Gestrichen wurde mit grosser Mehrheit die frühere Empfehlung, nach der auch bei csDMARD-naiven Patienten mit prognostisch ungünstigen Faktoren eine initiale Kombinationstherapie aus MTX und Biologikum erwogen werden kann. Wenn das therapeutische Ziel nicht erreicht wird, hält die «Treat to target»-Strategie jedoch die Option
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FAZIT
Prof. Dr. Josef Smolen Wien
«Um den Outcome unserer Patienten zu verbessern, benötigt man regelmässig gewisse strukturelle Annäherungen. Die neuen EULAR-Empfehlungen schützen den Gebrauch von Methotrexat als Teil der ersten Behandlungsstrategie bei Patienten mit aktiver RA. Es ist hocheffektiv, speziell in Kombination mit Glukokortikoiden, und ein ‹Ankermedikament› für additive Therapien, einschliesslich Biologika. Für uns Rheumatologen sollte immer das Erreichen einer Remission oder zumindest einer niedrigen Krankheitsaktivität das Behandlungsziel sein. Patienten, die früh mit MTX behandelt werden und eine geringe Krankheitsaktivität zeigen, haben ein sehr gutes Outcome, wenn sie ihre MTX-Behandlung fortsetzen. Die vorliegenden Daten unterstützen sehr die Verwendung aller Biologika (bDMARD) in Kombination mit MTX. Wenn das Behandlungsziel erreicht ist, können bei den Biologika Dosisreduktionen beziehungsweise Intervallverlängerungen in Betracht gezogen werden. Allerdings hat ein kompletter Medikamentenrückzug in den meisten Fällen ein erneutes Wiederaufflackern der Krankheit zur Folge. Gerade hinsichtlich eines möglichen Stopps der Biologikatherapie benötigen wir noch deutlich mehr Erfahrung.»
FAZIT
Prof. Dr. Ulf Müller-Ladner Bad Nauheim
«Im neuen EULAR-Update zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis bleibt die Mehrheit der Empfehlungen effektiv unverändert. Die übergeordneten Prinzipien sind unverändert, wobei ein noch grösserer Fokus auf eine gemeinschaftliche Entscheidung von Arzt und Patient gelegt wird. Die Guidelines bestätigen, dass die therapeutischen Ziele im Erreichen einer möglichst geringen Krankheitsaktivität oder in der Remission als Optimum liegen. Trotzdem gibt es einige bemerkenswerte Änderungen, wie zum Beispiel, dass nun Anti-TNF-Medikamente nicht mehr die einzigen First-Line-Biologika darstellen.»
Fotos: Klaus Duffner
offen, eine Behandlung mit einem Biologikum innerhalb von sechs Monaten hinzuzufügen. Allerdings könnte es «aussergewöhnliche Patienten» geben, bei denen eine Kombination aus MTX und Biologikum auch als Erstlinientherapie angemessen sei, so die Autoren.
Welche Biologika für wen? Bei Patienten mit unzureichendem Ansprechen auf MTX und/oder andere csDMARD-Strategien mit/ohne Glukokortikoide sollten Biologika (Adalimumab, Certolizumab pegol, Etanercept, Golimumab, Infliximab, Biosimilars, Abatacept oder Tocilizumab, sowie – unter bestimmten Umständen – Rituximab) verwendet und zusammen mit MTX eingesetzt werden. Wie schon in der Vergangenheit wird erneut darauf hingewiesen, dass Biologika vor allem bei Patienten zum Einsatz kommen sollten, die mit konventionellen DMARD nach sechs Monaten das Therapieziel nicht erreichen oder nach drei Monaten keine Verbesserung zeigen. Es wird dabei – und das ist neu – keine Präferenz zugunsten von TNF␣-Inhibitoren gegenüber anderen, «biologischen DMARD» (bDMARD) ausgesprochen. Aufgrund der gewachsenen Evidenzen und der über mehrere Jahre reichenden Erfahrung werden Abatacept und Tocili-
zumab damit auf eine Stufe mit den TNF-␣-Inhibitoren (Adalimumab, Certolizumab, Etanercept, Golimumab und Infliximab) zur Ersttherapie mit Biologika gestellt. In bestimmten Situationen, zum Beispiel bei Kontraindikationen gegenüber anderen Biologika (nach einem rezenten Lymphom, bei latenter Tuberkulose mit Kontraindikationen gegen eine Chemoprophylaxe, bei Erkrankungen wie z.B. Multiple Sklerose), darf auch Rituximab als Biologikum in der Ersttherapie eingesetzt werden. Unter der Voraussetzung, dass Biosimilars (bsDMARD) in den USA und/oder Europa zugelassen werden, sind gemäss der EULAR-Task Force auch diese Medikamente einsetzbar. «Alles zusammengenommen», so die Autoren der neuen Empfehlungen, «weisen die Daten stark darauf hin, dass alle Biologika präferenziell in Kombination mit MTX eingesetzt werden sollten.»
Biologika-Switch bei Therapieversagen Ist die Behandlung mit einem ersten Biologikum gescheitert, sollten die Patienten mit einem anderen Biologikum behandelt werden. Hat ein erster TNF-␣Inhibitor versagt, kann ein anderer TNF-␣-Blocker oder ein Biologikum mit anderem Wirkmechanismus eingesetzt werden.
Damit wird weder für die biologische First-Line- noch für die Second-LineBehandlung mit Biologika eine Präferenz für bestimmte Substanzen ausgesprochen. In Zukunft, so die Autoren, können zudem neue Biologika (beispielsweise mit IL-6 oder vielen anderen Targets) verfügbar werden. Daher, so die Autoren, könnten geprüfte neue Substanzen inklusive Biosimilars ebenfalls unter diese Empfehlungen fallen. Die alte Empfehlung, auch csDMARD wie Azathiopin, Cyclosporin A (oder ausnahmsweise Cyclophosphamid) bei schwerer RA in Erwägung zu ziehen, wurde einstimmig herausgenommen, da heute viele andere effektive und besser verträgliche csDMARD und bDMARD zur Verfügung stehen. Die aufgeführten konventionellen DMARD sollten daher nur in aussergewöhnlichen Situationen und in sehr begrenztem Umfang eingesetzt werden.
Wann kommt der JAK-Inhibitor infrage? Ist eine Therapie nach Biologikumbehandlung gescheitert, kann der JAKInhibitor Tofacitinib in Betracht gezogen werden. Gemäss der EULAR-Task-Force ist Tofacitinib ausreichend effektiv, um als DMARD angesehen zu werden. Der JAK-Inhibitor ist noch nicht in der EU,
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wohl aber in den USA, Japan, Russland und der Schweiz zugelassen. Obwohl es in diesen Ländern bereits nach Versagen der MTX-Therapie eingesetzt werden darf, hat die EULAR-TaskForce aus Gründen der bisher fehlenden Langzeiterfahrung beschlossen, den JAK-Inhibitor erst nach einer gescheiterten Behandlung mit einem oder vorzugsweise zwei Biologika (mit möglichst unterschiedlichen Wirkmechanismen) zu empfehlen.
Dosisreduktion bei Langzeitremission? In Fällen anhaltender Langzeitremission kann eine vorsichtige Reduktion der Dosis des konventionellen DMARD
in Betracht gezogen werden. Das sollte aber eine gemeinsame Entscheidung von Patient und Arzt sein. Diese Empfehlung gilt nur für Patienten, bei denen Glukokortikoide bereits abgesetzt wurden und/oder die unter dem DMARD das Therapieziel Remission anhaltend erreicht haben oder bei denen ein Biologikum erfolgreich abgesetzt wurde. Aber Vorsicht: Ein völliger Stopp der csDMARD bei RA-Patienten in Remission zieht bei 70 Prozent einen Rückfall nach sich. Daher wird der Fokus eher auf eine csDMARD-Reduktion als auf ein Absetzen gelegt. O
Klaus Duffner
Quellen: 1. Smolen JS et al.: EULAR recommendations for the
management of rheumatoid arthritis with synthetic and biological disease-modifying antirheumatic drugs: 2013 update. Ann Rheum Dis 2014; 73: 492–509. 2. «Methotrexate and bDMARDS in RA: From clinical trials to clinical practice». Satellitensymposium AbbVie im Rahmen des EULAR-Kongresses, 11.6.2014 in Paris, Vortrag Prof. Dr. Josef Smolen. 3. «UpDated EULAR RA Recommendations: Evolution or Revolution?» Satellitensymposium UCB im Rahmen des EULAR-Kongresses, 12.6.2014 in Paris, Vortrag Prof. Dr. Ulf Müller-Ladner.
Online finden Sie die EULAR-Empfehlungen entweder unter folgendem Link: www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/ PMC3933074/ oder hier direkt via QR-Code:
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