Metainformationen


Titel
Politforum
Untertitel
-
Lead
-
Datum
Autoren
-
Rubrik
BERUF - PRAXIS - POLITIK - GESELLSCHAFT — POLITFORUM: XUNDHEIT IN BÄRN
Schlagworte
-
Artikel-ID
6047
Kurzlink
https://www.rosenfluh.ch/6047
Download

Transkript


POLITFORUM

Die Schweiz muss mehr Ärztinnen und Ärzte ausbilden. Aktueller Stand und Ausblick

INTERPELLATION vom 21.3.2014
Bea Heim Nationalrätin SP Kanton Solothurn
Die Situation im Schweizer Gesundheitswesen war schon vor dem 9. Februar 2014 kritisch: Mehr als ein Viertel aller Ärztinnen und Ärzte der Schweiz verfügt über ein ausländisches Diplom. In den Spitälern liegt der Anteil ausländischer Ärztinnen und Ärzte noch höher (über 35%, in einzelnen Spitälern über 50%). Assistenz- und Oberarztstellen in Spitälern können oft nicht oder nur mit Verzögerung besetzt werden. Unser Gesundheitswesen ist auf ausländisches Fachpersonal angewiesen. Wenn es heute – trotz Personenfreizügigkeit

– vielerorts an Ärztinnen und Ärzten fehlt, stellen sich nach dem Abstimmungsergebnis vom 9. Februar 2014 folgende Fragen: 1. Wie beurteilt der Bundesrat die Auswirkun-
gen der Annahme der Einwanderungsinitiative auf die ärztliche Versorgung der Bevölkerung durch Wegfall der Einwanderung ausländischer Ärztinnen und Ärzte, in den Spitälern und im ambulanten Bereich? Welcher Art könnten sie sein, und in welchem Zeitraum könnten sie eintreffen? 2. Könnte es wegen ärztlichen Fachkräftemangels zur Schliessung kleiner und peripherer Spitäler kommen? 3. Teilt er die Meinung, dass sich mit Blick auf den 9. Februar 2014 die Frage nach der Erweiterung der Kapazität der ärztlichen Ausund Weiterbildung mit noch höherer Dringlichkeit stellt als heute? 4. 2008 stellte der Bund fest, dass die Zahl der in der Schweiz ausgebildeten Ärztinnen und Ärzte rund 1200–1300 Abschlüsse pro Jahr

erreichen müsste, damit das Arbeitsvolumen bewältigt werden kann. Was ist nun 6 Jahre später geplant, respektive wann wird dieses Ziel erreicht? Erhöht sich die Zahl der an sich notwendigen Abschlüsse als Folge des Abstimmungsergebnisses vom 9. Februar 2014? 5. Wann wird die Steigerung der Studienplätze in der Medizin zu einem höheren Angebot der entsprechenden Fachgruppen auf dem Arbeitsmarkt führen? 6. Zur Sicherstellung der medizinischen Ausbildung und Gesundheitsversorgung soll im Rahmen der Plattformen «Zukunft ärztliche Bildung» und «Finanzierung der ärztlichen Weiterbildung» die Kompetenzordnung zwischen Bund und Kantonen überprüft werden. Welches sind nun die Vorschläge? Erhält der Bund mehr Führungskompetenz? Mit welchen finanziellen Konsequenzen? 7. Wie gedenkt er, die Bedürfnisse der Gesundheitsbranche in der Umsetzung der Einwanderungsinitiative zu berücksichtigen?

Antwort des Bundesrates vom 21.5.2014 (leicht gekürzt)

Der Bundesrat hat 2013 die gesundheitspolitische Agenda «Gesundheit 2020» verabschiedet. Ein Ziel der Agenda besteht darin, mehr und gut qualifiziertes Gesundheitspersonal auszubilden. 1. und 3. Im Jahr 2013 wurden in der Schweiz im
Fachbereich Humanmedizin insgesamt 836 eidgenössische Diplome erteilt und 2846 ausländische Diplome anerkannt. Der Anteil berufstätiger ÄrztInnen in der Schweiz mit ausländischem Diplom beträgt gemäss FMH rund 29 Prozent. Dies zeigt, dass das Gesundheitssystem auf die Zuwanderung von Ärzt/innen aus dem umliegenden Europa angewiesen ist. Dies wird sich trotz der Bemühungen, die Abschlusskapazitäten in Humanmedizin in der Schweiz zu erhöhen, kurzfristig nicht ändern. Welche Auswirkungen die Annahme der Einwanderungsinitiative auf die ärztliche Versorgung haben wird, hängt davon ab, welche Lösungen bei der Umsetzung der Initiative gefunden werden können. 2. Schon heute zeigen sich in kleineren, peripheren Spitälern Schwierigkeiten, das nötige Personal zu finden. Der Druck auf Versorgungseinrichtungen könnte noch weiter zunehmen. 4. Der Bundesrat hat am 16. September 2011 einen Bericht verabschiedet, der zahlreiche Empfehlungen zur Lösung der bestehenden Probleme in

der Aus- und Weiterbildung der GrundversorgerInnen enthält, und empfiehlt, die Zahl der Studienabschlüsse in Humanmedizin auf 1200 bis 1300 Abschlüsse pro Jahr zu erhöhen. Die Kantone bemühen sich um eine stetige Erhöhung der Anzahl Abschlüsse: Zwischen 2008 und 2013 hat die Anzahl der Arztdiplome um 34 Prozent zugenommen. Die medizinischen Fakultäten Lausanne und Zürich haben 2013 ihre Kapazitäten um je 60 Studienplätze und Basel und Bern 2014 um je 40 Studienplätze erhöht. Insgesamt wurden also 200 neue Studienplätze geschaffen. Genf hat sich für einen anderen Weg, nämlich für eine Stärkung der Hausarztmedizin, entschieden. Zu diesem Zweck wurde innerhalb der medizinischen Fakultät ein Bereich Hausarztmedizin (Unité de médecine de premier recours) geschaffen. Im Tessin diskutieren die kantonalen politischen Behörden derzeit über die Bildung einer biomedizinischen Fakultät, die einen Master in Humanmedizin anbieten soll. Die Fakultät könnte in Zusammenarbeit mit anderen Universitäten in Zukunft zusätzliche 60 bis 70 ÄrztInnen ausbilden. 5. Wird die Anzahl Studienplätze in Humanmedizin erhöht, so ist rund sechs Jahre später mit zusätzlichen Abschlüssen zu rechnen. Die Weiter-

bildung zum Facharzt/zur Fachärztin nimmt nochmals ungefähr sechs Jahre in Anspruch. 6. Eine Änderung der Kompetenzordnung zwischen Bund und Kantonen bezüglich der Ausbildung von ÄrztInnen hat das Parlament abgelehnt. Auch die Universitäten streben keine Erhöhung der Führungskompetenz des Bundes in dieser Sache an. 7. Der Bundesrat hat die Arbeiten zur Umsetzung des Volksentscheides zur Masseneinwanderungsinitiative umgehend an die Hand genommen. Die neuen Verfassungsbestimmungen machen keinerlei Vorgaben, wie hoch die Kontingente sein dürfen und wer darüber entscheiden soll. Die jährlichen Höchstzahlen und Kontingente für erwerbstätige AusländerInnen sind auf die gesamtwirtschaftlichen Interessen der Schweiz unter Berücksichtigung eines Vorrangs für SchweizerInnen auszurichten. Die konkreten Auswirkungen der Masseneinwanderungsinitiative im Gesundheitsbereich können derzeit noch nicht abgeschätzt werden.
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt.

XUNDHEIT IN BÄRN

836

ARS MEDICI 17 I 2014

POLITFORUM

XUNDHEIT IN BÄRN

Asymmetriekorrektur nach Brustamputation soll Pflichtleistung nach KVG werden

MOTION vom 8.5.2014
Margret Kiener Nellen Nationalrätin SP Kanton Bern
Der Bundesrat wird beauftragt, die Rechtsgrundlagen umgehend so anzupassen, dass eine Asymmetriekorrektur an der gesunden Brust nach Amputation oder Reduktionsplastik einer an Brustkrebs erkrankten Brust ebenfalls eine Pflichtleistung (Grundversicherung) gemäss KVG wird.
Begründung Jedes Jahr erkranken in der Schweiz rund 5500 Frauen an Brustkrebs. Etwa 1500 Frauen müssen in der Folge eine oder sogar beide Brüste amputieren. Wie hart das für diese Frauen ist,

ist nicht vorstellbar. Aber noch immer weigern sich die meisten Krankenkassen, die zwingend nötige Reduktion der zweiten Brust bei Frauen zu übernehmen, weil dies anders als ein Brustaufbau auf der amputierten Seite keine Pflichtleistung gemäss KVG ist. Jährlich benötigen rund 1000 Brustkrebsbetroffene eine solche Korrektur der gesunden Brust. Eine Korrektur der Asymmetrie ist zur Vorbeugung von Haltungsschäden und mit Blick auf die Wiederherstellung der körperlichen Integrität für viele Frauen zwingend. Oft verweigern Krankenkassen die Übernahme dieser Kosten mit dem demütigenden Argument, es handle sich bloss um eine Schönheitsoperation! Eine solche Haltung ist zynisch, verletzt die Würde dieser von Krebs betroffenen Frauen und beeinträchtigt ihre Gesundheit unnötigerweise. 2011 hat das Zürcher Sozialversicherungsgericht entschieden, dass die Krankenkasse Atupri die Kosten für einen solchen Eingriff übernehmen muss. Leider wirkt sich dieser

Entscheid bis heute nicht auf die Praxis vieler anderer Kassen aus. So sind zahlreiche Frauen in ihrem Leid auch noch gezwungen, mit zwei sichtbar ungleich grossen Brüsten zu leben oder den Rechtsweg zu beschreiten und die Kostenübernahme für die Korrektur vor den Gerichten zu erstreiten. Viele betroffene Frauen resignieren. Es besteht tatsächliche Ungleichheit in der Praxis der Kostenübernahme und damit gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Eine weitere Ungleichbehandlung besteht darin, dass die Kassen Hodenprothesen bei Männern nach einer Tumorerkrankung seit einem Gerichtsentscheid von 1995 über die Grundversicherung bezahlen. Da zwei ungleiche Brüste eine Entstellung von erheblichem Ausmass sind, ist diese Asymmetriekorrektur ebenfalls in die Grundversicherung aufzunehmen.
Der Bundesrat beantragt die Annahme der Motion.
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt.

Über den Hag gefressen
Aufhebung des Strassenüberquerungsverbots neben Fussgängerstreifen ohne Lichtsignalanlage

MOTION vom 19.6.2014
Jürg Grossen Nationalrat GLP Kanton Bern
Der Bundesrat wird beauftragt, den zweiten Satz von Artikel 47 Absatz 1 der Verkehrsregelnverordnung (VRV) wie folgt abzuändern: «Sie müssen Über- oder Unterführungen sowie lichtsignalgeregelte Fussgängerstreifen benützen, wenn diese weniger als 50 m entfernt sind.»
Begründung In Artikel 47, Absatz 1 Verkehrsregelnverordnung (VRV) heisst es: «Die Fussgänger müssen, beson-

ders vor und hinter haltenden Wagen, behutsam auf die Fahrbahn treten; sie haben die Strasse ungesäumt zu überschreiten. Sie müssen Fussgängerstreifen, Über- oder Unterführungen benützen, wenn diese weniger als 50 m entfernt sind.» Während das Überquerungsverbot ± 50 m vor lichtsignalgesteuerten Fussgängerstreifen durchaus sinnvoll erscheint, da es sich dabei im Normalfall um stark befahrene oder unübersichtliche Strassen handelt, stellt es bei nicht lichtsignalgesteuerten Fussgängerstreifen eine unnötige Erschwernis für FussgängerInnen dar. Es ist nicht nachvollziehbar, dass sich Fussgänger strafbar machen, wenn sie, auch ohne dass andere Verkehrsteilnehmer in der Nähe sind, die Fahrbahn zum Beispiel 25 m neben einem Fussgängerstreifen überqueren. Mit der Anpassung würde die Eigenverantwortung gestärkt, denn es würde klar und unmissverständlich gelten: Auf allen Fussgängerstreifen ohne Lichtsignalsteuerung hat der Fussgänger Vortritt, und ausserhalb von Fussgängerstreifen hat das Fahrzeug Vortritt.

Der Bundesrates sieht das anders (Antwort vom 13.8.2014): Das Bundesamt für Strassen (Astra) lancierte 2010 eine Forschungsstudie mit dem Auftrag, die Auswirkungen einer allfälligen Aufhebung oder Einschränkung der «50-Meter-Regel» zu prüfen. Die Studie vom Mai 2013 kam zum Schluss, dass eine Aufhebung oder Einschränkung der «50Meter-Regel» nicht angemessen sei. Die Studie stellte fest, dass auf einer Entfernung von 25 bis 50 Metern von (nicht lichtsignalgesteuerten) Fussgängerstreifen ein erhöhtes Unfallrisiko besteht. Im Übrigen steht die Verkehrsregel im Einklang mit dem internationalen Recht, welches eine Benutzungspflicht für Fussgängerstreifen explizit vorsieht. Aus diesen Gründen ist an der bisherigen Regelung festzuhalten.
Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.

ARS MEDICI 17 I 2014

837