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Direkte orale Antikoagulanzien bei Thromboembolien
Wo stehen wir heute?
FORTBILDUNG
Neben einer kurzen Zusammenfassung der Ergebnisse der bisherigen randomisierten Phase-III-Studien mit direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) zur Prävention und Behandlung venöser Thromboembolien (VTE) liefert dieser Beitrag einen Überblick über die aktuellen Erfahrungen aus Phase-IV-Studien und die Herausforderungen im Umgang mit DOAK im klinischen Alltag.
ERIK W. HOLY1, JÜRG H. BEER2
Das Auftreten tiefer Venenthrombosen (TVT) und Lungenembolien, welche als venöse Thromboembolien (VTE) zusammengefasst werden können, stellt aufgrund der damit assoziierten Morbidität und Mortalität im klinischen Alltag eine grosse Herausforderung dar (1, 2). Die Behandlung mit niedermolekularem beziehungsweise unfraktioniertem Heparin (LMWH, UFH), Fondaparinux und Vitamin-K-Ant-
Merksätze
O Direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) sind in Bezug auf die Prävention und Behandlung venöser Thromboembolien (VTE) dem bisherigen Behandlungsstandard in puncto Sicherheit und Wirksamkeit im Wesentlichen nicht unterlegen, zum Teil auch überlegen.
O Es ist zu erwarten, dass die DOAK bei vielen Patienten die bisherige Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA) zur Prophylaxe venöser Thromboembolien (VTE) nach orthopädischen Operationen sowie zur Behandlung akuter VTE ablösen werden.
O Aufgrund mangelnder Daten ist allerdings bei bestimmten Patientengruppen (z.B. chronische Niereninsuffizienz) Vorsicht beim Einsatz von DOAK geboten.
O Bei internistischen Akutpatienten mit hohem VTE-Risiko scheint die Prophylaxe mit DOAK mit einem unverhältnismässig hohen Blutungsrisiko verbunden zu sein, was deren Einsatz in dieser Situation aufgrund der aktuellen Datenlage nicht rechtfertigt.
O Eine Antikoagulation bei mechanischen Herzklappen wird weiterhin ausschliesslich mit VKA und Heparinen empfohlen.
Abbildung: Wirkungsansätze der oralen Antikoagulanzien
agonisten (VKA) bildete jahrzehntelang den erfolgreichen Grundpfeiler der akuten Therapie und Prävention von VTE. Aufgrund verschiedener Einschränkungen, wie zum Beispiel die alleinige parenterale Applikation von LMWH/UFH oder das enge therapeutische Fenster der VKA, wurden in den letzten Jahren alternative orale Antikoagulanzien entwickelt. Bei der neuen Generation oraler direkter Antikoagulanzien (DOAK) handelt es sich um eine Gruppe von Substanzen, die im Gegensatz zur bisherigen oralen Antikoagulation mit VKA zu einer spezifischen Hemmung des aktivierten Faktors X oder des Thrombins in der Gerinnungskaskade führt (Abbildung). Die vielversprechenden experimentellen und Phase-IIStudien wurden in den letzten 8 Jahren für 4 Vertreter dieser neuen Generation (Dabigatran, Rivaroxaban, Apixaban, Edoxaban) durch die Ergebnisse grosser randomisierter, multizentrischer Studien gestützt. Hierbei zeigte sich, dass die neue Generation DOAK bei der Prävention und Behandlung von VTE in Bezug auf die Endpunkte Wirksamkeit und Sicherheit dem bisherigen Behandlungsstandard im Wesentlichen nicht unterlegen und zum Teil sogar überlegen ist. Aufgrund der überzeugenden Datenlage erhielten die ersten DOAK ab 2008 für bestimmte Indikationen die entsprechenden Zulassungen durch die zuständigen Gesundheitsbehörden. Trotz der bisher publizierten Phase-III-Studien werden mit Spannung die Langzeitergebnisse der ersten Phase-IVStudien zur weiteren Nutzen-Risiko-Abschätzung der DOAK erwartet.
1Klinik für Kardiologie, Universitäres Herzzentrum Zürich, Universitätsspital Zürich. 2Departement Medizin, Kantonsspital Baden.
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VTE-Prävention mit DOAK nach orthopädischen Eingriffen Orthopädische Eingriffe, insbesondere prothetischer Knieund Hüftgelenkersatz, und die daraus folgende Immobilisation stellen einen wichtigen Risikofaktor für die Entstehung von VTE dar. Ohne entsprechende antithrombotische Prophylaxe kommt es bei bis zu 5 Prozent der Patienten zur klinisch manifesten VTE (3). Die bisher durchgeführten PhaseIII-Studien mit den derzeit zur Verfügung stehenden 4 Substanzen bestätigten weitgehend deren gleichwertiges oder zum Teil besseres Nutzen-Risiko-Profil im direkten Vergleich mit der aktuellen Standardtherapie. Allerdings muss auf wichtige Unterschiede zwischen den Studiendesigns hingewiesen werden, die einen Vergleich der DOAK untereinander im Bereich der VTE-Prophylaxe nach orthopädischen Ein-
griffen deutlich erschwert. Ein wesentlicher Unterschied in den vorgestellten Studien besteht hinsichtlich der zum Vergleich herangezogenen Standardtherapie. In den randomisierten Phase-III-Studien war Rivaroxaban (10 mg p.o. 1-mal täglich) sowohl dem nordamerikanischen Regime (Enoxaparin 30 mg b.i.d; RECORD 4) als auch der europäischen Standardbehandlung (Enoxaparin 40 mg b.i.d.; RECORD 1–3) bezüglich der Wirksamkeit überlegen (primärer Wirksamkeitsendpunkt: Auftreten einer tiefen Beinvenenthrombose oder nicht letalen Lungenembolie und Gesamtmortalität) (4–8). Während Dabigatran (RE-MODEL, RE-NOVATE I–II) und Apixaban (ADVANCE 2–3) bezüglich Wirksamkeit im europäischen Regime dem Enoxaparin zumindest ebenbürtig
Tabelle 1: Phase-III-Studien mit DOAK zur akuten Behandlung und Langzeitherapie von VTE
Studie RE-COVER
Studiendesign Patienten
randomisiert,
2539
doppelblind,
Nicht-Unterlegenheit
Dosis Enoxaparin/Dabigatran
150 mg b.i.d. vs. Enoxaparin/Warfarin
Dauer 6 Monate
RE-COVER II randomisiert, doppelblind,
Nicht-Unterlegenheit
2589
Enoxaparin/Dabigatran 150 mg b.i.d. vs.
Enoxaparin/Warfarin
6 Monate
RE-MEDY
randomisiert, doppelblind, aktive Kontrolle, Nicht-Unterlegenheit
RE-SONATE
randomisiert, doppelblind, Plazebokontrolle, Nicht-Unterlegenheit
EINSTEINDVT
randomisiert, offen,
Nicht-Unterlegenheit
2615 2055 3449
EINSTEINPE
randomisiert, offen,
Nicht-Unterlegenheit
4832
EINSTEINEXT
randomisiert, doppelblind, Nicht-Unterlegenheit
1196
AMPLIFY
AMPLIFYEXT
randomisiert, doppelblind, double-dummy, Nicht-Unterlegenheit
randomisiert, doppelblind, double-dummy, Nicht-Unterlegenheit
1196 2486
Dabigatran 150 mg b.i.d. 3–36 Monate
vs. Warfarin
nach initial
3 Monaten
Behandlung
Dabigatran 150 mg b.i.d. 3–36 Monate
vs. Warfarin
nach initial
3 Monaten
Behandlung
Rivaroxaban 15 mg b.i.d. für 3 Wochen,
danach 20 mg/tgl. vs. Enoxaparin/Warfarin
3, 6 oder 12 Monate
Rivaroxaban 15 mg b.i.d. über 3 Wochen,
danach 20 mg/tgl. vs. Enoxaparin/Warfarin
3, 6 oder 12 Monate
Rivaroxaban 20 mg/tgl. 6–12 Monate
vs. Plazebo
nach initial
6–12 Monaten
Behandlung
Apixaban 10 mg b.i.d. für 7 Tage,
danach 5 mg b.i.d. vs. Enoxaparin/Warfarin
6 Monate
Apixaban 2,5 mg b.i.d. oder 5 mg b.i.d. vs. Plazebo
12 Monate nach initial 6–12 Monaten Behandlung
HOKUSAIVTE
randomisiert, doppelblind, Nicht-Unterlegenheit
8240
Edoxaban 60 mg oder 3–12 Monate 30 mg vs. Warfarin nach
5 Tagen Heparingabe
Wirksamkeit 2,4% Dabigatran, 2,1% Warfarin (HR: 1,10; 95%-KI: 0,65–1,84)
2,4% Dabigatran, 2,2% Warfarin (HR: 1,08; 95%-KI: 0,64–1,80)
1,8% Dabigatran, 1,3% Warfarin (HR: 1,44; 95%-KI: 0,78–2,64)
0,4% Dabigatran, 5,6% Warfarin (HR: 0,08; 95%-KI: 0,02–0,25)
2,1% Rivaroxaban, 3,0% Enoxaparin/Warfarin (HR: 0,68; 95%-KI: 0,44–1,04)
2,1% Rivaroxaban, 1,8% Enoxaparin/Warfarin (HR: 1,12; 95%-KI: 0,75–1,68)
1,3% Rivaroxaban, 7,1% Plazebo (HR: 0,18; 95%-KI: 0,09–0,39)
2,3% Apixaban, 2,7% Enoxaparin/Warfarin (HR: 0,84; 95%-KI: 0,60–1,18)
3,8% Apixaban 2,5 mg, 4,2% Apixaban 5 mg,
11,6% Plazebo (HR: 0,33; 95%-KI: 0,22–0,48 und
HR: 0,36; 95%-KI: 0,25–0,53)
3,2% Edoxaban, 3,5% Warfarin (HR: 0,89; 95%-KI: 0,70–1,13)
Sicherheit Schwere Blutungen:
1,6% Dabigatran, 1,9% Warfarin
(HR: 0,82; 95%-KI: 0,45–1,48)
Schwere Blutungen: 1,2% Dabigatran, 1,7% Warfarin
(HR: 0,69; 95%-KI: 0,36–1,32)
Schwere Blutungen: 0,9% Dabigatran, 1,8% Warfarin
(HR: 0,54; 95%-KI: 0,41–0,71)
Schwere Blutungen: 0,3% Dabigatran, 1,8% Warfarin
(HR: 0,54; 95%-KI: 0,41–0,71)
Blutungen insgesamt: 8,1% Rivaroxaban,
8,1% Enoxaparin/Warfarin (HR: 0,97; 95%-KI: 0,76–1,22)
Blutungen insgesamt: 10,3% Rivaroxaban,
11,4% Enoxaparin/Warfarin (HR: 0,90; 95%-KI: 0,76–1,07)
Blutungen insgesamt: 6% Rivaroxaban, 1,2% Plazebo
(HR: 5,19; 95%-KI: 2,3–11,7)
Schwere Blutungen: 0,6% Apixaban,
1,8% Enoxaparin/Warfarin (HR: 0,31; 95%-KI: 0,17–0,55)
Schwere Blutungen: 0,2% Apixaban 2,5 mg, 0,1% Apixaban 5 mg,
0,5% Plazebo (HR: 0,49; 95%-KI: 0,09–2,64; HR: 0,25; 95%-KI: 0,03–2,24)
Blutungen insgesamt: 8,5% Edoxaban, 10,3% Warfarin
(HR: 0,81; 95%-KI: 0,71–0,94)
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waren, zeigte sich für beide Substanzen (RE-MOBILIZE; ADVANCE 1) gegenüber der Therapie mit Enoxaparin 30 mg b.i.d eine statistische Unterlegenheit (9–15). In den randomisierten Studien STARS E-3 und J-5 wurde die Wirksamkeit von Edoxaban in Japan und Taiwan gegenüber einem Regime mit Enoxaparin 20 mg b.i.d. verglichen (16, 17). In beiden Studien zeigte sich Edoxaban in der Prävention des primären Wirksamkeitsendpunkts statistisch überlegen. Da eine solche Dosierung von Enoxaparin ausserhalb Japans jedoch nicht gebräuchlich ist, werden weitere randomisierte Vergleichsstudien mit den in Europa und Nordamerika üblichen Standarddosierungen nötig. Auch die Definition der Sicherheitsendpunkte, insbesondere der schweren Blutungskomplikationen, wurde in den Studien unterschiedlich gehandhabt. Während in den Apixabanstudien (ADVANCE 1–3) schwere Blutungen gemäss den Kriterien der International Society on Thrombosis and Haemostasis (ISTH) definiert wurden, wurden in den Dabigatranstudien (RE-MODEL, RE-MOBILIZE und RE-NOVATE I/II) die Definitionen der europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) herangezogen. In den ISTH-Kriterien wurden im Gegensatz zur EMA-Definition Blutungen, die zu einem Unterbruch der Behandlung führen, prinzipiell nicht als schwer eingestuft. Beide Definitionen berücksichtigen allerdings das Auftreten postoperativer Blutungskomplikationen im Operationsfeld als «major bleeding». Sowohl postoperative Blutungskomplikationen, abgesehen von fatalen postoperativen Blutungen oder solchen, die zu einer erneuten Operation führten, als auch Blutungen, die zu einem Unterbruch der Therapie mit dem Antikoagulans führten, wurden in den Rivaroxabanstudien (RECORD 1–4) nicht als «major» qualifiziert. Daraus wird ersichtlich, dass die Beurteilung des Sicherheitsprofils der DOAK untereinander nur sehr bedingt möglich ist. In Post-hoc-Analysen zeigte sich jedoch, dass auch bei Einschluss der ISTH- und EMA-Kriterien Blutungskomplikationen unter Rivaroxaban oder der Standardtherapie mit LMWH gleichermassen auftreten (8).
Registerdaten und Phase-IV-Studien zur VTE-Prophylaxe nach orthopädischen Eingriffen Die Wirksamkeit und Sicherheit von Dabigatran (220 mg, 1-mal täglich) in der VTE-Prophylaxe nach orthopädischen Eingriffen wird derzeit in einer prospektiven internationalen Beobachtungsstudie evaluiert (18). Erste vorgestellte Ergebnisse bestätigen im Wesentlichen die Sicherheit und die Wirksamkeit von Dabigatran der randomisierten Phase-IIIStudien. Insbesondere konnten die Ergebnisse auch in komplexen Subpopulationen, wie Patienten mit Adipositas (BMI > 35 kg/m2) oder eingeschränkter Nierenfunktion (Kreatininclearance 30–49 ml/min) bestätigt werden. XAMOS ist die bis anhin grösste Phase-IV-open-label-Studie zur Anwendung von Rivaroxaban in der VTE-Prophylaxe nach orthopädischen Eingriffen. Sie umfasst über 17 000 Patienten aus 37 Ländern (19). Rivaroxaban wurde mit dem üblichen lokalen Behandlungsstandard (standard of care) verglichen. Auch in XAMOS traten unter Rivaroxaban signifikant weniger VTE auf (0,9% vs. 1,4%; relatives Risiko: -36%) bei gleicher Häufigkeit schwerer Blutungen. Erwähnenswert ist, dass allerdings leichte Blutungen und Blutungen
insgesamt (major plus minor) häufiger unter Rivaroxaban auftraten.
VTE-Prävention bei internistischen Akutpatienten Hospitalisierte Akutpatienten sind einem erhöhten Risiko für VTE ausgesetzt, und die derzeitige Datenlage weist darauf hin, dass eine prophylaktische Antikoagulation bei diesen Patienten trotz deren überzeugender Wirksamkeit nur unzureichend erfolgt (20–22). In den Studien MAGELLAN und ADOPT wurden die Wirksamkeit und Sicherheit von Rivaroxaban und Apixaban im Vergleich zur Standardtherapie mit Enoxaparin evaluiert (23, 24). In beiden Studien war die Behandlung mit den DOAK hinsichtlich der Wirksamkeitsendpunkte der Standardtherapie zwar nicht unterlegen, allerdings traten unter den DOAK häufiger schwere Blutungen auf als in der Kontrollgruppe. Die Prophylaxe mit DOAK scheint somit bei dieser Patientengruppe mit einem unverhältnissmässig hohen Blutungsrisiko verbunden zu sein, was deren Einsatz in dieser Situation aufgrund der Datenlage derzeit nicht rechtfertigt.
Studienübersicht: Behandlung bei VTE mit DOAK Dabigatran Die Wirksamkeit und Sicherheit von Dabigatran in der Behandlung bei VTE wurde in den randomisierten Phase-IIIStudien RE-COVER und RE-COVER II untersucht (25, 26). In beiden Studien wurden Patienten nach einer initialen Therapie mit Heparin entweder mit Dabigatran (150 mg b.i.d.) oder VKA (INR-Zielwert 2–3) für 6 Monate behandelt. In RE-COVER II wurden im Vergleich zur ersten Studie die Patientenzahl erhöht und Patienten eingeschlossen, die ein erhöhtes Risikoprofil für VTE aufwiesen. Primärer Wirksamkeitsendpunkt war die Nicht-Unterlegenheit von Dabigatran gegenüber VKA hinsichtlich des Auftretens erneuter VTE oder Mortalität im Zusammenhang mit VTE nach 6 Monaten. In beiden Studien erreichte Dabigatran den primären Wirksamkeitsendpunkt. Obwohl in beiden Gruppen kein Unterschied hinsichtlich schwerer Blutungen verzeichnet werden konnte, traten insgesamt unter Dabigatran weniger Blutungskomplikationen auf als in der mit VKA behandelten Gruppe. In RE-MEDY wurde der Langzeitnutzen einer Antikoagulation nach VTE mit Dabigatran und VKA verglichen (27). 3000 Patienten mit unprovozierter VTE wurden nach einer 3-monatigen Antikoagulation für zusätzliche 6 bis 36 Monate mit Dabigatran oder VKA behandelt. Auch hier erreichte Dabigatran die Nicht-Unterlegenheit gegenüber VKA in der Prävention erneuter VTE oder VTE-bezogener Mortalität. Zudem traten in der mit Dabigatran behandelten Gruppe signifikant weniger Blutungen auf. Zusätzlich sollte erwähnt werden, dass unter Dabigatran ein signifikanter Anstieg akuter Koronarsyndrome verzeichnet wurde (Dabigatran 0,9%, VKA 0,2%; p = 0,02). Eine ähnliche Beobachtung wurde ebenfalls im Rahmen der ersten Analyse der RE-LY-Studie gemacht, in welcher die Wirkung von Dabigatran in der Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern untersucht wurde. Im Verlauf zeigte sich allerdings, dass einige akute Koronarereignisse initial nicht als solche erkannt wurden. Darum wurde in der zweiten Analyse diese statistische Signifikanz zwischen den Gruppen wieder aufgehoben. Die Kontroverse um einen möglichen Zusam-
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menhang zwischen der Einnahme von Dabigatran, insbesondere der Dosis 150 mg b.i.d., und einem erhöhten Risiko für akute Koronarereignisse wird allerdings weiterhin durch eine kürzlich publizierte Metaanalyse angeheizt (28). Die Erfahrungen aus den aktuellen Phase-IV-Studien werden diesbezüglich somit mit Spannung erwartet. In RE-SONATE, die parallel zu RE-MEDY lief, wurde die Langzeitantikoagulation unter Dabigatran diesmal mit Plazebo verglichen (27). Wie erwartet war Dabigatran in puncto Wirksamkeit dem Plazebo deutlich überlegen. Allerdings wird im Gegenzug eine signifikant höhere Anzahl von schweren und klinisch relevanten Blutungskomplikationen in Kauf genommen. Ein Unterschied zwischen beiden Gruppen hinsichtlich der Häufigkeit akuter Koronarsyndrome konnte in dieser Studie nicht nachgewiesen werden.
Rivaroxaban In der Studie EINSTEIN-DVT wurde bei Patienten mit tiefen Beinvenenthrombosen die Wirkung von Rivaroxaban im Vergleich zu VKA in der Behandlung und Sekundärprävention von VTE über 3, 6 und 12 Monate untersucht (29). Rezidivierende venöse Thrombosen traten unter Rivaroxaban seltener auf, und Rivaroxaban erreichte somit die für die Wirksamkeit vordefinierte Nicht-Unterlegenheit gegenüber VKA. Bezüglich Sicherheit fanden sich weder gesamthaft noch bei schweren Blutungen statistische Unterschiede. Bezüglich Gesamtmortalität verfehlte Rivaroxaban nur knapp die statistische Überlegenheit gegenüber VKA. EINSTEIN-PE war die erste randomisierte Phase-III-Studie, welche die Wirkung einer Antikoagulation ausschliesslich bei Patienten mit akuten Lungenembolien mit oder ohne TVT (30) untersuchte. Auch hier war die Behandlung mit Rivaroxaban hinsichtlich Vermeidung rekurrenter VTE der Therapie mit VKA nicht unterlegen. Im Unterschied zu EINSTEIN-DVT kam es allerdings in dieser Studie unter Rivaroxaban zu signifikant weniger schweren Blutungen als unter Behandlung mit VKA. In EINSTEIN-EXT wurde die Wirkung und Sicherheit der Fortsetzung der Behandlung mit Rivaroxaban (20 mg täglich) für weitere 6 bis 12 Monate gegenüber Plazebo untersucht (29). Unter Rivaroxaban traten neuerliche VTE signifikant seltener auf als in der Plazebogruppe (1,3% vs. 7,1%). Obwohl es unter Rivaroxaban insgesamt zu mehr Blutungen kam (6,0% vs. 1,2%), zeigten sich keine Unterschiede hinsichtlich des Auftretens schwerer Blutungen (0,7% vs. 0%). Zusammenfassend zeigt sich somit, dass sich unter Langzeitbehandlung mit Rivaroxaban eine Reduktion des Risikos rezidivierender VTE um 83 Prozent bei gleichzeitig akzeptablem Blutungsrisiko (0,7% schwere Blutungen) erzielen lässt.
Apixaban In der randomisierten, doppelblind durchgeführten Phase-IIIStudie AMPLIFY wurde die Nicht-Unterlegenheit von Apixaban gegenüber VKA bei Patienten mit akuter proximaler tiefer Beinvenenthrombose oder Lungenembolie untersucht (31). Eine Behandlung mit initial Apixaban 10 mg 2-mal täglich für 7 Tage und anschliessend 5 mg 1-mal täglich für 6 Monate war einer Standardtherapie mit Enoxaparin und in weiterer Folge VKA für den gleichen Zeitraum hinsichtlich Wirksamkeit nicht unterlegen (HR: 0,84; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,60–1,18; p = 0,01). Gleichzeitig war Apixa-
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ban bezüglich des Auftretens schwerer Blutungen (0,6% vs. 1,8%) und Blutungen insgesamt (4,3% vs 9,7%) den VKA deutlich überlegen, sodass das Apixaban ein günstiges Nutzen-Risiko-Profil bei der Behandlung von VTE im Vergleich zur aktuellen Standardtherapie aufweist. In AMPLIFY-EXT wurden sowohl die 5-mg- als auch die 2,5-mg-Dosierung Apixaban in der Sekundärprophylaxe von VTE gegenüber Plazebo über 12 Monate verglichen (32). Unter beiden Dosierungen trat der Wirksamkeitsendpunkt (VTE, Gesamtmortalität) signifikant seltener ein. Obwohl sich die Häufigkeit schwerer Blutungen in allen 3 Gruppen nicht unterschied, kam es unter der 5-mg-Dosis zu den häufigsten klinisch relevanten Blutungskomplikationen, sodass bei einer indizierten Langzeitbehandlung mit Apixaban vermutlich der 2,5-mg-Dosis der Vorzug gegeben werden sollte.
Edoxaban In HOKUSAI-VTE wurden insgesamt 8294 Patienten mit akuter VTE nach einer mindestens 5-tägigen Behandlung mit Heparinen zu Edoxaban (60 mg oder 20 mg täglich) oder VKA (INR-Zielwert 2–3) randomisiert (33). Die Studiendauer betrug 3 bis 12 Monate. Eine Dosisanpassung auf Edoxaban 30 mg erfolgte für Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion (Kreatininclearance 30–50 ml/min) oder mit einem Körpergewicht unter 60 kg. Das Ergebnis der Studie zeigt, dass beide Edoxabandosierungen hinsichtlich des Auftretens erneuter VTE gleich wirksam wie die Kontrolltherapie mit VKA sind (3,2% vs. 3,5%; HR: 0,89; 95%-KI: 0,70–1,13; p < 0,001 für Nicht-Unterlegenheit). In einer Subgruppenanalyse bei Patienten mit akuten Lungenembolien mit rechtsventrikulärer Dysfunktion traten unter Edoxabantherapie sogar signifikant weniger rezidivierende VTE auf. Die Häufigkeit des primären Sicherheitsendpunkts (schwere und klinisch relevante nicht schwere Blutungen) konnte ausserdem unter Edoxaban im Vergleich zu VKA deutlich gesenkt werden (8,5% vs. 10,3%; HR: 0,81; 95%-KI: 0,71–0,94; p = 0,004 für Überlegenheit).
Registerdaten und Phase-IV-Studien mit DOAK bei VTE oder Vorhofflimmern Im derzeit laufenden prospektiven DRESDEN-NOAC-Registry werden 2500 Patienten erfasst, bei denen entweder wegen Vorhofflimmern oder einer VTE eine orale Antikoagulation mit Rivaroxaban, Apixaban oder Dabigatran indiziert ist (34). Eine erste Analyse bei Patienten mit VTE bestätigte bisher die Wirksamkeit und Sicherheit von Rivaroxaban in der Behandlung und Sekundärprophylaxe von VTE. Insgesamt traten unter den DOAK bei 825 von 2249 Patienten Blutungskomplikationen auf; es wurden knapp 1200 Blutungen registriert, wovon 6,9 Prozent als schwere Blutungskomplikationen gemäss ISTH-Definition klassifiziert wurden. Den grössten Anteil schwerer Blutungen machten hierbei gastrointestinale Blutungen aus (2,8%). Im Wesentlichen konnten somit die bisherigen Daten zur Sicherheit der DOAK auch in einem prospektiven Register reproduziert werden. Weitere Phase-IV-Studien, die das Nutzen-Risiko-Profil der neuen Antikoagulanzien bei der Behandlung von VTE dokumentieren sollen, sind bereits im Gange, und deren Daten werden in den nächsten Monaten und Jahren sicherlich mit Spannung erwartet.
Hinweise zur Anwendung der DOAK im klinischen Alltag Zusammenfassend stellt die neue Generation von DOAK für die Behandlung und Primärprophylaxe von VTE aufgrund des günstigen Wirkungs- und Sicherheitsprofils eine zuverlässige Alternative zur bisherigen Standardtherapie mit VKA dar. Die vorliegende Datenlage beruht auf den Ergebnissen grosser randomisierter Phase-III-Studien und ersten überzeugenden Erkenntnissen aus prospektiven Registern.
Zugelassene Indikationen In der Schweiz sind zurzeit (Stand Juli 2014) aus der Gruppe der DOAK nur Apixaban und Rivaroxaban zur VTE-Prophylaxe nach orthopädischen Eingriffen zugelassen. Zusätzlich wurde Rivaroxaban in der Schweiz bisher als einziges DOAK ebenfalls zur Behandlung akuter Venenthrombosen und Lungenembolien zugelassen. Es ist allerdings davon auszugehen, dass weitere DOAK aufgrund der überzeugenden Studienergebnisse die Hürden der Zulassungsverfahren in naher Zukunft überwinden werden.
Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz Trotz der bis jetzt überzeugenden Daten ist hervorzuheben, dass die Gleichwertigkeit und Sicherheit der DOAK bei der Prävention und Behandlung von VTE in vielen Subgruppen nur retrospektiv post hoc untersucht wurde. In allen Studien wurden Patienten mit schwer eingeschränkter Nierenfunktion (Kreatininclearance < 25 ml/min beziehungsweise < 30 ml/min) ausgeschlossen. Die Etablierung einer Antikoagulation bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz stellt insgesamt eine grosse Herausforderung dar, da diese Patienten sowohl ein erhöhtes Risiko für venöse Thromboembolien als auch eine hohe Blutungstendenz aufweisen (35). In Subgruppenanalysen bei Patienten mit einer Kreatininclearance zwischen 30 und 50 ml/min konnten zwar die Sicherheits- und Wirksamkeitsendpunkte der einzelnen Hauptstudien weitgehend reproduziert werden. Dennoch ist aufgrund der eingeschränkten Datenlage, die ausschliesslich auf Posthoc-Analysen beruht, besondere Vorsicht beim Einsatz von DOAK in dieser Population notwendig.
Patienten mit Malignomen Bei Patienten mit Malignomen sind die Erfahrungen mit dem Einsatz von DOAK zur Prävention thromboembolischer Ereignisse ebenfalls sehr spärlich. In den EINSTEIN-DVTund EINSTEIN-PE-Studien litten jeweils 207 (6%) und 223 (4,6%) Patienten an Malignomen. In EINSTEIN-DVT trat der primäre Wirksamkeitsendpunkt in dieser Subgruppe bei 4 Patienten (3,4%) unter Rivaroxaban und bei 5 Patienten (5,6%) in der Kontrollgruppe auf. Blutungen traten in beiden Gruppen gleich häufig auf. In EINSTEIN-PE traten rekurrente VTE bei 2 Patienten (1,8%) unter Rivaroxaban auf gegenüber 3 Patienten (2,8%) unter der zum Vergleich herangezogenen Standardtherapie. Eine gepoolte Analyse der EINSTEIN-DVT- und EINSTEIN-PE-Studie zeigte, dass es in dieser Population unter Rivaroxaban bei 2,6 Prozent und unter VKA bei 4 Prozent der Patienten zu rezidivierenden VTE kam (HR: 0,62; 95%-KI: 0,22–1,8). Unter Rivaroxaban traten ausserdem weniger schwere Blutungen auf (HR: 0,61; 95%-KI: 0,21–1,77). Auch in einer Subgruppenanalyse der RE-COVER-Studie erreichte Dabigatran die gleiche
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Wirksamkeit gegenüber VKA. In HOKUSAI-VTE traten gemäss Post-hoc-Analyse bei Patienten mit Malignomen unter Edoxaban signifikant weniger erneute VTE und insgesamt weniger Blutungskomplikationen als unter VKA auf. Für Apixaban liegen bis dato keine entsprechenden Daten vor. Die Zahl der Malignompatienten lag in den Studien zwischen 2,5 und 6 Prozent.
Patienten mit künstlichen Herzklappen In der bisher einzigen Studie zur Wirkung der DOAK bei Patienten mit mechanischen Klappen wurde die Sicherheit und Wirksamkeit von Dabigatran gegenüber VKA untersucht. Die Phase-II-Studie (RE-ALIGN), bei der insgesamt 3 Dabigatrandosierungen (150 mg, 220 mg, 300 mg jeweils b.i.d) mit VKA verglichen wurden, musste allerdings frühzeitig aufgrund vermehrter unerwünschter Zwischenfälle (VTE, Hämorrhagien) in der Dabigatrangruppe abgebrochen werden (36). Eine Antikoagulation bei mechanischen Herzklappen wird somit weiterhin ausschliesslich mit VKA und Heparinen empfohlen.
Antidote Zu diesem Zeitpunkt stehen für die neuen Substanzen keine spezifischen Antidote zur Verfügung, sodass im Falle einer Blutung das Absetzen des Präparats, die lokale Blutstillung und gegebenenfalls die Substitution von Gerinnungsfaktoren die einzigen Behandlungsoptionen darstellen. Ein Vorteil der DOAK in dieser Situation liegt in der relativ kurzen Halbwertszeit der neuen Substanzen im Vergleich zu VKA, welche somit eine rasche Elimination zur Folge hat und ähnlich schnell wirken dürfte wie die Gabe von Vitamin K als Antagonist bei Coumarinüberdosierung.
Zusammenfassung Zahlreiche neue orale Antikoagulanzien sind in grossen randomisierten Studien erfolgreich bezüglich Prävention und Behandlung von VTE untersucht worden. In Anlehnung an diese Ergebnisse wurden bereits die ersten Vertreter dieser neuen Substanzklassen für bestimmte Indikationen zugelassen. Es ist zu erwarten, dass die neuen Antikoagulanzien die bisherige Therapie mit VKA bei einer Vielzahl von Patienten ablösen werden. Aufgrund der ausserhalb der Studien begrenzten Erfahrungen, insbesondere in spezifischen Subpopulationen, stellt der Umgang mit den DOAK in der Praxis eine neue Herausforderung für Arzt und Patienten dar. O
Korrespondenzadresse: Dr. med. univ. Dr. sc. nat. Erik W. Holy Universitäres Herzzentrum Zürich UniversitätsSpital Zürich Rämistrasse 100, 8091 Zürich E-Mail: erik.w.holy@gmail.com
Interessenkonflikte: JHB war als Vortragender und Berater von Bayer, Boehringer, BMS, Pfizer und Daiichi Sankyo tätig.
Teile dieses Artikels sind in englischer Sprache erschienen in Holy EW, Beer JH: Direct oral anticoagulants in the management of venous thromboembolism-evidence from major clinical trials. Seminars in Hematology 2014; 51:131–138.
Referenzen: 1. Goldhaber SZ, Bounameaux H: Pulmonary embolism and deep vein thrombosis. Lancet 2012; 379:
1835–1846. 2. van Korlaar IM et al.: The impact of venous thrombosis on quality of life. Thromb Res 2004; 114:
11–18. 3. Anderson FA Jr, Spencer FA: Risk factors for venous thromboembolism. Circulation 2003; 107:
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ARS MEDICI 17 I 2014
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