Transkript
STUDIE REFERIERT
Vergleich der Wirksamkeit von Langzeitbehandlungsstrategien zur Prävention von Exazerbationen bei Asthma
Eine Netzwerk-Metaanalyse
ICS oder hoch dosierte ICS (ICS H) als Einzelsubstanzen oder in Kombination mit SABA, LABA oder LTRA untersucht (siehe Kasten und Abbildung). In manchen Studien wurde die jeweilige Indexintervention mit Plazebo, in anderen mit einer richtliniengemässen Behandlung, der «Best Practice», verglichen.
Kombinationen inhalativer Kortikosteroide und lang wirksamer Betaagonisten als Erhaltungs- und Bedarfsmedikation sowie Fixkombinationen dieser Substanzgruppen erwiesen sich in einer NetzwerkMetaanalyse als wirksamste Strategien zur Prävention von AsthmaExazerbationen im Vergleich zu allen Einzelsubstanzen und allen anderen Kombinationen.
BRITISH MEDICAL JOURNAL
In internationalen Richtlinien gehört die Prävention von Exazerbationen zu den Hauptzielen der Asthma-Langzeitbehandlung. Derzeit sind antientzündliche, inhalative Kortikosteroide (ICS) die Eckpfeiler der Exazerbationsprävention. Als weitere Optionen stehen Kombinationen aus ICS und lang
Merksätze
O Niedrig dosierte ICS sind zur Prävention von Asthma-Exazerbationen wirksamer als alle anderen Einzelsubstanzen.
O ICS/LABA zur Erhaltungs- und Bedarfstherapie sowie ICS/LABA-Fixkombinationen sind als einzige Strategien signifikant wirksamer zur Exazerbationsprävention als niedrig dosierte ICS.
O Bei unzureichender Wirksamkeit niedrig dosierter ICS sollte statt einer Dosiserhöhung auf ICS/LABA oder eine entsprechende Fixkombination gewechselt werden.
wirksamen Betaagonisten (LABA) oder andere Substanzen wie Leukotrienrezeptorantagonisten (LTRA) zur Verfügung. In älteren Studien wurde die Wirksamkeit von Asthmamedikamenten oder Kombinationen meist paarweise verglichen. Rik Loymans von der Universität Amsterdam und sein Team evaluierten nun die relative Wirksamkeit und Sicherheit aller derzeit verfügbaren Regime zur Reduzierung von AsthmaExazerbationen mithilfe einer Netzwerk-Metaanalyse und erstellten ein Ranking. Die niedrig dosierte ICSMonotherapie diente als Referenz.
Netzwerk-Metaanalyse In die Untersuchung wurden randomisierte kontrollierte Studien zur Behandlung von chronischem Asthma mit einer Dauer von mindestens 24 Wochen eingeschlossen. Als Datenquelle nutzten die Autoren systematische Cochrane-Reviews, die vor dem 1. August 2011 publiziert worden waren. Als primären Endpunkt definierten die Wissenschaftler die Anzahl schwerer Exazerbationen. Sekundärer Endpunkt war die kombinierte Rate moderater und schwerer Exazerbationen. Die Anzahl der Studienabbrüche aufgrund unerwünschter Wirkungen wurde als Sicherheitsendpunkt herangezogen. Im Rahmen ihrer Netzwerk-Metaanalyse werteten die Autoren 64 Studien mit 59 622 Patientenjahren aus. Die durchschnittliche Behandlungsdauer lag zwischen 6 Monaten und einem Jahr. Nur 2 Studien erstreckten sich über einen Untersuchungszeitraum von mehr als 2 Jahren. Insgesamt analysierten die Forscher 16 verschiedene Behandlungsstrategien. Dazu gehörten kurz wirksame Betaagonisten (SABA), LABA und LTRA. Des Weiteren wurden niedrig dosierte
Niedrig dosiertes ICS wirksamste Monotherapie Unter den Monotherapien erwies sich die Referenzbehandlung mit niedrig dosierten ICS zur Prävention schwerer Exazerbationen als überlegen im Vergleich zu allen anderen Einzelsubstanzen. Im Vergleich zu Plazebo kam es etwa 4-mal seltener zu schweren Exazerbationen. Die Rate Ratio (RR) für Plazebo betrug 4,19 im Vergleich zu niedrig dosierten ICS.
ICS/LABA wirksamste Kombination Eine Erhaltungs- und Bedarfstherapie mit ICS/LABA erwies sich als signifikant wirksamer im Vergleich zur Referenz. Die RR betrug 0,44 im Vergleich zur niedrig dosierten ICS-Monotherapie. Eine ähnliche relative Wirksamkeit wurde unter der Fixkombination ICS/LABA beobachtet. Hier lag die RR bei 0,51 im Vergleich zu niedrig dosierten ICS. Alle Kombinationsregime mit ICS und anderen Substanzen zeigten zwar ebenfalls eine Tendenz zur besseren Wirksamkeit im Vergleich zu niedrig dosierten ICS, die Unterschiede erreichten jedoch keine statistische Signifikanz. Im Hinblick auf den sekundären Endpunkt – der kombinierten Rate an mittelschweren und schweren Exazerbationen – gelangten die Forscher zu vergleichbaren Ergebnissen.
Best Practice und ICS/LABA am verträglichsten Unter der richtlinienbasierten konventionellen «Best Practice» wurden die wenigsten Studienabbrüche beobachtet. Die kombinierte Erhaltungs- und Bedarfstherapie mit ICS/LABA war ebenfalls mit signifikant weniger Studienabbrüchen verbunden als die niedrig dosierte ICS-Monotherapie. Unter allen anderen Regimen waren die Abbruchraten vergleichbar und erreichten keine statistisch signifikante Differenz zum Referenzregime.
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ARS MEDICI 14/15 I 2014
STUDIE REFERIERT
Kasten:
Strategien zur Erhaltungstherapie bei Asthma (nach Efdir)
SABA O Salbutamol (Ventolin® und Generika) O Terbutalin (Brikanyl®)
LABA* O Formoterol (Foradil®, Oxis®) O Salmeterol (Serevent®)
LTRA* O Montelukast (Lukair®, Singulair®)
ICS* O Beclometason (Qvar®, Beclo Orion®) O Budesonid (Rhinocort® und Generika) O Fluticason (Axotide® und Generika) O Ciclesonid (Alvesco®) O Mometason (Asmanex®)
ICS + SABA* Kombination mit separaten Inhalatoren ICS H + SABA* Kombination mit separaten Inhalatoren ICS + LABA* Kombination mit separaten Inhalatoren ICS H + LABA* Kombination mit separaten Inhalatoren ICS + LTRA* Kombination mit separaten Inhalatoren
COMBI FIX* O Beclometason/Formoterol (nicht im AK der
Schweiz) O Budesonid/Formoterol (Symbicort®, Vannair®) O Fluticason/Salmeterol (Seretide®) O Mometason/Formoterol (nicht im AK der
Schweiz)
COMBI AMD* wie COMBI-FIX, aber symptombezogene Dosisanpassung
COMBI MAR wie COMBI-FIX, aber Kombination auch als Bedarfs- oder Notfallmedikament
Best Practice richtliniengemässe Behandlung
Plazebo
* Bedarfs- oder Notfallmedikation mit SABA erlaubt Abkürzungen: SABA = Short Acting Beta Agonists, LABA = Long Acting Beta Agonists; LTRA = Leucotrien Receptor Antagonists; ICS = Inhalative Corticosteroids, H = hoch dosiertes ICS (> 500 µg Beclometasonäquivalent); COMBI = Combined ICS and LABA in a single inhaler; COMBI FIX = COMBI in fixed daily dose; COMBI AMD = COMBI in adjustable maintanance dose; COMBI MAR = COMBI as maintainace and reliever treatment
Diskussion Die Ergebnisse geben einen Überblick zur relativen Wirksamkeit aller verfügbaren Behandlungsoptionen im Hinblick auf die Prävention von AsthmaExazerbationen und können somit als Ausgangspunkt für die klinische Praxis dienen. Niedrig dosierte ICS sind hoch effektiv zur Vermeidung von Asthma-Exazer-
Abkürzungen: SABA = Short Acting Beta Agonists, LABA = Long Acting Beta Agonists; LTRA = Leucotrien Receptor Antagonists; ICS = Inhalative Corticosteroids, H = hoch dosiertes ICS (> 500 µg Beclometasonäquivalent); COMBI = Combined ICS and LABA in a single inhaler; COMBI FIX = COMBI in fixed daily dose; COMBI AMD = COMBI in adjustable maintanance dose; COMBI MAR = COMBI as maintainace and reliever treatment
Abbildung: Behandlungsregime in der Netzwerk-Metaanalyse (nach Efdir) Die Linien weisen auf einen Direktvergleich zwischen Regimen, die Ziffern auf die Anzahl der Studien hin. Die Kreisflächen sind proportional zur Patientenzahl.
bationen. Die Monotherapie mit allen anderen Substanzen ist dagegen weniger wirksam. Weitere Netzwerk-Metaanalysen könnten zeigen, ob dies auch auf andere Endpunkte wie die Symptomkontrolle oder die Lungenfunktion zutrifft. Als wirksamste Kombinationen zur Exazerbationsprävention erwiesen sich ICS/LABA als Erhaltungs- und Bedarfsmedikation oder entsprechende Fixkombinationen. Alle ICS-Kombinationen mit anderen Substanzen weisen dagegen nur eine geringfügig bessere Wirksamkeit im Vergleich zur niedrig dosierten ICS-Monotherapie auf. Die Auswahl eines ICS-haltigen Behandlungsregimes sollte sich daher nach Ansicht der Autoren auch an anderen Faktoren wie der Kontrolle der Asthmasymptome, der Präferenz der Patienten oder dem Nebenwirkungsprofil, orientieren.
Schliesslich weisen die Ergebnisse darauf hin, dass bei unzureichender Wirksamkeit niedrig dosierter ICS statt einer Dosiserhöhung eine ICS/LABA-Behandlung für die Erhaltungs- und Bedarfstherapie oder eine entsprechende Fixkombination zur Exazerbationsprävention bevorzugt werden sollte. O
Petra Stölting
Quelle: Loymans RJB et al.: Comparative effectiveness of long term drug treatment strategies to prevent asthma exacerbations: network meta-analysis. BMJ 2014; 348: g3009. Interessenkonflikte: Die Studie wurde von keiner Organisation finanziell unterstützt. Einer der acht Autoren hat Gelder von verschiedenen Pharmaunternehmen erhalten.
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