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STUDIE REFERIERT
Fixe Kombinationen von Kardiologika verbessern Adhärenz und Risikofaktorenkontrolle
Randomisierte, kontrollierte Studie in neuseeländischen Allgemeinpraxen
Werden Patienten mit hohem kardiovaskulären Risiko nach heutigen Guidelineempfehlungen behandelt, kommt es schnell zu einer längeren Medikamentenliste. Helfen Fixkombinationen bei der Therapietreue?
BRITISH MEDICAL JOURNAL
Von Fixkombinationen bestehend aus Aspirin®, Statin und Antihypertensiva darf über einen kurzen Zeitraum gesehen eine weitgehend ähnliche Reduktion der kardialen Risikofaktoren erwartet werden wie von der getrennten Verabreichung ihrer Komponenten. Dies haben einige Kurzzeitstudien gezeigt. Die wenigsten Daten stammen jedoch aus der Grundversorgung. Die
Merksätze
O In einer offenen randomisierten, kontrollierten Studie über zwölf Monate verbesserte die Therapie mit Fixkombinationen bei Patienten mit hohem kardiovaskulären Risiko die Adhärenz zu allen empfohlenen Wirkstoffen, aber die Verbesserungen bei den klinischen Risikofaktoren blieben klein und ohne statistische Signifikanz.
O In dieser Studie hielt die Kontrollgruppe mit üblicher Betreuung die Therapie mit Plättchenhemmer, Statin und Antihypertensiva schon in je über 80 Prozent ein, sodass wohl wenig Raum für Verbesserungen blieb.
O Sowohl bei den Patienten wie bei ihren Allgemeinpraktikern war die Akzeptanz der Fixkombinationen hoch, trotzdem kam es auch mit der Fixkombination relativ oft zu Therapieabbrüchen.
vorliegende IMPACT-Studie (IMProving Adherence using Combination Therapy) wollte die Hypothese prüfen, dass in der Allgemeinpraxis verschriebene Fixkombinationen bei Patienten mit hohem Herzkreislaufrisiko Therapietreue und klinische Risikofaktoren günstig beeinflussen.
Methodik Die offene randomisierte, kontrollierte Studie rekrutierte 513 Erwachsene (inklusive 257 einheimische Maori) in 54 Allgemeinpraxen in Neuseeland. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten entweder eine etablierte Herzkreislauferkrankung oder ein kardiovaskuläres Fünfjahresrisiko über fünf Prozent, weshalb bei ihnen ein Plättchenhemmer, ein Statin und zwei oder mehr Antihypertensiva indiziert waren. Die Teilnehmer wurden randomisiert entweder zur üblichen Therapie oder zur Behandlung mit zwei Versionen einer Fixkombination (75 mg Aspirin®, 40 mg Simvastatin und 10 mg Lisinopril mit entweder 50 mg Atenolol oder 12,5 mg Hydrochlorothiazid). In beiden Gruppen wurden die Medikamente vom gewohnten Allgemeinpraktiker verschrieben und in lokalen Apotheken abgegeben. Primäre Endpunkte waren die selbst rapportierte Adhärenz zu den empfohlenen Medikamenten sowie die mittleren Veränderungen beim Blutdruck und beim LDL-Cholesterin nach zwölf Monaten.
Resultate Die Adhärenz zu allen vier empfohlenen Wirkstoffen war nach zwölf Monaten in der Fixkombinationengruppe höher als bei den Patienten unter üblicher Behandlung (81 vs. 46%, relatives Risiko [RR] 1,75, 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,52–2,03, p < 0,001).
Die entspricht einer Number needed to Treat (NNT) von 2,9 (95%-KI 2,3– 3,7). Die Adhärenz zu jedem Wirkstoff war nach zwölf Monaten in beiden Gruppen hoch, besonders aber in der Gruppe, die eine Fixkombination einnahm. Für Aspirin® betrug sie 93 Prozent mit Fixkombination und 83 Prozent mit der üblichen Einzelmedikation (p < 0,001). Beim Statin waren es 94 gegenüber 89 Prozent (p = 0,06), für die kombinierten Antihypertensiva 89 gegenüber 59 Prozent (p < 0,001) und für jegliche blutdrucksenkende Therapie 96 gegenüber 91 Prozent (p = 0,02). Die von den Patienten selbst berichtete Adhärenz deckte sich sehr gut mit den Verschreibungsdaten (für alle 4 Medikamente 79% unter Fixkombination vs. 47% unter Einzelmedikation). Bei der Risikofaktorenkontrolle ergaben sich keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Die Differenz beim systolischen Blutdruck betrug -2 mmHg zugunsten der Fixkombination (-4,5– 2,3 mmHg, 95%-KI -5,6–1,2, p = 0,21), beim diastolischen Blutdruck -1,2mmHg (-2,1 vs. -0,9 mmHg, 95%-KI -3,2–0,8, p = 0,22). Die Differenz von -0,05 mmol/l beim LDL-Cholesterin war ebenfalls nicht signifikant (-0,20–-0,15, 95%-KI -0,17–0,08, p = 0,46). Die Anzahl der Patienten mit kardiovaskulären Ereignissen oder schweren Nebenwirkungen war über die zwölf Monate gesehen in beiden Gruppen ähnlich (16 unter Fixkombination, 18 unter den Kontrollen, p = 0,73). Die Fixkombination wurde von 94 Teilnehmern abgesetzt (37%). Hauptgrund war eine Nebenwirkung (54/75, 72%). 89 Prozent der Allgemeinpraktiker beantworteten am Studienende einen Fragebogen. Als zufriedenstellend oder sehr zufriedenstellend empfanden die Fixkombinationsstrategie zur Therapieeinleitung 91 Prozent der Antwortenden, zur Blutdruckkontrolle 82 Prozent, zur Cholesterinkontrolle 78 Prozent. Die Verträglichkeit beurteilten 81 Prozent als positiv und die Einhaltung einer guidelinekonformen Therapie 84 Prozent. Nach zwölf Monaten fanden die Patienten die Einnahme der Fixkombination in 91 Prozent und im Rahmen der üblichen Therapie 86 Prozent als einfach oder sehr einfach (p = 0,09).
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ARS MEDICI 14/15 I 2014
Nach zwölf Monaten ergaben sich bei den Veränderungen der anderen Lipidfraktionen ebenso wenig wie bei der Einschätzung der Lebensqualität (Euro Qol-5d) signifikante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen.
Diskussion Diese Studie aus der allgemeinmedizinischen Versorgung ergab, dass die Verfügbarkeit einer fixen Kombinationsmedikation mit Aspirin®, Statin und zwei Antihypertensiva zu einer verbesserten Therapieadhärenz führte und sich bei Patienten und behandelnden Ärzten grosser Beliebtheit erfreute. Gleichzeitig war aber bei der Kontrolle der kardiovaskulären Risikofaktoren (BD, LDL-Cholesterin) kein statistisch signifikanter Unterschied erkennbar. Diese Diskrepanz führen die Autoren darauf zurück, dass die Behandlungsraten schon unter der üblichen Betreuung mit Einzelmedikation von verschiedenen Wirkstoffen sehr hoch waren, womit wenig Platz für Verbesserungen blieb. Die Absetzrate für die Fixkombination erreichte durchschnittlich 20 Prozent pro Jahr, ähnlich wie in zwei anderen Langzeit-
studien. Möglicher Faktor, der zur doch recht hohen Absetzrate der Fixkombination beitrug, war das Fehlen einer Vielfalt von Komponenten und von Dosierungen, etwa dass bei Auftreten von Husten unter dem ACE-Hemmer kein Angiotensinrezeptorblocker in Kombination zur Verfügung stand. Ebenfalls zu Therapieabbrüchen könnte beigetragen haben, dass Ärzte ausserhalb des Studiensettings (z.B. im Spital oder Ambulatorium) mit der Fixkombination nicht vertraut waren und sie absetzten. Obwohl Allgemeinpraktiker angaben, dass ihnen bei der Fixkombination die fehlende Möglichkeit der Individualisierung der Therapie Bedenken ausmachte, zeigte diese Studie, dass es unter Fixkombination im Vergleich zu einer üblichen Betreuung mit hohem Standard nicht zu einer Verschlechterung bei den Risikofaktoren kam. Ein begleitender Kommentar findet in den Ergebnissen der IMPACT-Studie wenig Überraschendes (2). Er hebt aber hervor, dass in dieser Studie die Patienten in beiden Behandlungsarmen eine Kostenbeteiligung bei den Medikamenten zu leisten hatten, was einen entsprechenden Bias eliminierte.
Ausserdem wurden die Angaben zur
Therapieadhärenz aus der Selbstdeklara-
tion der Studienteilnehmer durch die Ver-
schreibungsdaten in eindrücklicher Weise
validiert. Schliesslich umfasste die Studie
zur Hälfte auch Teilnehmer aus der
autochthonen Maori-Bevölkerung, was die
externe Validität erhöht. Angesichts der
hohen Abbruchrate von einem Drittel wird
die Fixkombination kaum zur Panazee
werden. Die Fixkombination scheint denn
auch eher der Aufnahme einer Therapie mit
mehreren Medikamenten förderlich, als der
Fortführung.
O
Halid Bas
Quelle: 1. Selak V et al.: Effect of fixed dose combination treatment on
adherence and risk factor control among patients at high risk of cardiovascular disease: randomised controlled trial in primary care. BMJ 2014; 348: g3318. 2. Huffman MD: Fixed dose combinations of cardiovascular drugs. One of the most feasible ways to improve adherence. BMJ 2014;348:g3480.
Interessenkonflikte: keine