Transkript
Asthmatherapie: ein Update
BERICHT
Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (SGAI)
Vortrag «Update Asthma Therapy», 21. März 2014, Davos
Der Pneumologe Prof. Dr. med. Michael Tamm, Universitätsspital Basel, präsentierte in Davos einen aktuellen Überblick über die Therapie des Asthmas. Dabei wies er auch auf die Bedeutung der anatomischen Veränderungen der Luftwege hin, die bei Patienten mit Asthma beobachtet werden können.
THERESE SCHWENDER
Tamm rief zu Beginn seines Vortrags zum Thema Asthma die für diese Erkrankung typischen Veränderungen der Luftwege in Erinnerung. «Wir sehen bei Asthma eine Ansammlung von Mukus, eine Verdickung der Basalmembran und eine ausgeprägte Zunahme der Masse der glatten Muskulatur des Bronchialbaums», erklärte er. «Die Verdickung der Bronchialwände führt insgesamt dazu, dass das Lumen bei einer Konstriktion im Vergleich zu gesunden Luftwegen überproportional abnimmt.» In-vitro-Untersuchungen weisen darauf hin, dass mechanische Kompressionskräfte, die während einer Bronchokonstriktion entstehen, ein von einer Entzündung unabhängiges Remodeling der Luftwege induzieren können. In einer Studie, die Tamm im Anschluss vorstellte, wurde der Einfluss einer wiederholten experimentell induzierten Bronchokonstriktion auf die strukturellen Veränderungen der Luftwege bei Asthmapatienten untersucht (1). Die Studienteilnehmenden wurden in vier Gruppen eingeteilt und im Abstand von 48 Stunden mit je einem Inhalationsantigen beziehungsweise einer Kontrollsubstanz provoziert (Milben, Metacholin, Kochsalzlösung, Albuterol und dannach von Metacholin). Milbe-
nallergen und Metacholin induzierten eine Bronchokonstriktion. In der Histologie zeigte sich, dass nach 4 Tagen nur bei den mit Milbenallergen provozierten Patienten eine eosinophile Entzündung vorlag, ein Remodeling der Luftwege aber bei beiden Gruppen festgestellt werden konnte. «Das Interessante hier ist also, dass ein repetitiver bronchokonstriktorischer Reiz nicht nur zu einer wiederholten Verengung der Luftwege führt, sondern gar zu einer Veränderung des Gewebes, und dies unabhängig von einer Entzündung», kommentierte Tamm.
Überwachung des Therapieerfolgs Im nächsten Teil seines Referates ging Tamm auf die Grundsätze der Therapie des Asthmas und die Möglichkeiten ein, den Erfolg einer Behandlung zu kontrollieren. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die GINA-Guidelines (2). «Früher sahen die Guidelines lediglich ein ‹Step-up-Vorgehen› vor, das heisst, wir begannen mit einer tief dosierten Therapie und steigerten diese, falls notwendig. Heute gilt auch das Gegenteil, ein Step-down, als akzeptiertes Vorgehen», so der Redner. Das entscheidende Kriterium für eine Anpassung der Therapie sei dabei, ob das Asthma kontrolliert ist oder nicht. Dies kann anhand verschiedener Punkte beurteilt werden (Tabelle) (2). «Sehr wichtig ist hier zum Beispiel das Auftreten nächtlicher Symptome», betonte Tamm. Zunehmend werden auch Entzündungsmarker wie Eosinophile im Sputum oder FeNO zur Beurteilung der Kontrolle eines Asthmas durch die Therapie eingesetzt. In einer Metaanalyse wurde untersucht, welchen Einfluss eine auf diesen beiden Parametern beziehungsweise den klinischen Symptomen (mit oder ohne Spirometrie/ Peak-Flow) basierende Therapieanpassung auf den Krankheitsverlauf hat (3). Erwachsene, deren Steroiddosis entsprechend den eosinophilen Leukozyten im Sputum angepasst wurde, wiesen im Vergleich zur Kontrollgruppe eine signifikant tiefere Anzahl
an Exazerbationen auf (52 vs. 77 Patienten mit ≥1 Exazerbation in der Studienperiode, p = 0,0006). Zudem war der Verbrauch an Steroiden geringer. Der FeNO-Spiegel dagegen eignete sich nicht zur Überwachung der Therapie. Die Studienautoren wiesen allerdings auch darauf hin, dass der regelmässige Einsatz einer Sputumanalyse im klinischen Alltag noch nicht gerechtfertigt sei.
Therapie basiert auf inhalativen Steroiden Wie Tamm weiter erläuterte, basiert die Asthmatherapie in der Schweiz hauptsächlich auf dem Einsatz tief dosierter inhalativer Steroide (ICS) beziehungsweise auf der Kombination eines Steroids mit einem lang wirksamen Betaagonisten (ICS/LABA) (Abbildung). «In den USA werden häufig auch Leukotrienantagonisten eingesetzt. Bei uns stellen diese keine Erstlinientherapie dar», erläuterte er. Falls sich mit einem tief dosierten ICS beziehungsweise einer ICS/LABA-Kombination keine genügende Kontrolle erreichen lasse, werde derzeit die Dosis erhöht und eventuell ein Leukotrienantagonist dazugegeben. Studien haben jedoch gezeigt, dass mit einer Erhöhung der ICSDosis eigentlich keine relevante Verbesserung erzielt werden kann (4). «Das gilt auch für den Vergleich von Kombinationstherapien mit niedriger beziehungsweise höherer ICS-Dosis», so Tamm. Jedoch ist schon seit langer Zeit bekannt, dass die Kombinationstherapie im Vergleich zur alleinigen Steroidgabe die Lungenfunktion stärker verbessert (5). «Das bedeutet, dass wir früh mit einer Kombinationstherapie beginnen und die Steroiddosis tief halten sollten, mit Ausnahme der Phase, in welcher der Asthmapatient nicht stabil ist.» Der Experte wies hier noch darauf hin, dass derzeit verschiedene, neue Kombinationen verfügbar sind. Dazu zählen Fluticasonpropionat plus Formoterol sowie auch Fluticasonfuroat plus Vilanterol. In der EU ist zudem die Kombination Beclomethason plus Formoterol erhältlich.
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BERICHT
Tabelle:
Kriterien zur Beurteilung der Asthmakontrolle unter Therapie
Kontrolliert
Symptome tagsüber Einschränkung der Aktivität Nächtliche Symptome Einsatz von kurz wirksamen Betaagonisten (SABA) Spirometrie Exazerbationen
< 2 x/Woche nein nein < 2 x/Woche normal nein Teilweise kontrolliert > 2 x/Woche ja ja > 2 x/Woche
Unkontrolliert
> 3 positive Zeichen
< 80% vorhergesagt > 1 pro Jahr
Reduktion Stufe 1
Asthma-Stufentherapie
Stufe 2
Stufe 3
Stufe 4
Steigerung Stufe 5
Patientenschulung, Kontrolle der Umweltfaktoren
SABA bei Bedarf
tief dosierte ICS
oder
Leukotrienantagonisten
tief dosierte hoch dosierte Stufe 4 + ICS + LABA ICS + LABA orale Steroide
oder
evtl. +
evtl. +
hoch dosierte LeukotrienICS antagonisten
Anti-IgE
Langzeitdosierung für Omalizumab nicht und wissen nicht, ob wir vielleicht in Intervallen therapieren sollen. So konnte in einigen Studien auch noch 2 Jahre nach einem Therapiestopp ein Benefit gezeigt werden, allerdings waren diese Studien nicht plazebokontrolliert.» Ein weiterer monoklonaler Antikörper, der aber zurzeit noch nicht zugelassen ist, ist Mepolizumab. Im Rahmen einer multizentrischen, randomisierten, plazebokontrollierten Studie erhielten über 600 Patienten mit schwerem eosinophilem Asthma 13 Infusionen des AntiInterleukin-5-Antikörpers, jeweils im Abstand von 4 Wochen (7). Es wurden drei verschiedene Dosierungen (75 mg, 250 mg, 750 mg) getestet. Die Therapie führte zu einer signifikanten Reduktion der Exazerbationsrate (zwischen 39% und 52%, je nach Dosierung), die Lungenfunktion verbesserte sich jedoch nicht. «Mepolizumab zeigt demnach keinen grossen Effekt auf die glatte Muskulatur der Luftwege, jedoch auf die entzündlichen Stimuli. Damit stellt der Antikörper eine Therapieoption für die selektionierte Gruppe der Patienten mit bewiesenem eosinophilem Asthma dar», fasste Tamm zusammen. Abschliessend rief er in Erinnerung, dass bei Patienten mit nicht kontrollierbarem Asthma immer auch an eine andere Ätiologie der Beschwerden gedacht und entsprechende Abklärungen in die Wege geleitet werden sollten. O
oder
Therese Schwender
tief dosierte ICS + Leukotrien-
antagonisten
Abbildung: Schematische Darstellung zur Asthma-Stufentherapie (2)
Antikörper erweitern die therapeutischen Optionen Zu den weiteren therapeutischen Möglichkeiten bei Asthma gehört auch Omalizumab, ein rekombinanter humanisierter monoklonaler Antikörper, der selektiv an IgE bindet. Bei 943 Patienten mit unkontrolliertem, persistierendem Asthma und unter Praxisbedingungen (2-jähriges, offenes internationales Register) gewonnenen Daten zeigten, dass nach 16 (± 1) Wochen 69,9 Prozent der Patienten auf die The-
rapie ansprachen (6). Der Anteil an Patienten ohne klinisch signifikante Exazerbationen nahm von 6,8 Prozent in den 12 Monaten vor Therapiebeginn auf 54,1 Prozent nach 1 Behandlungsjahr und 67,3 Prozent nach 2 Jahren zu. Die Symptome und der Einsatz an Rescuemedikation hatten sich nach 2 Jahren gegenüber dem Ausgangswert um 50 Prozent reduziert. Ausserdem wurden weniger orale Steroide benötigt. Tamm fügte an: «Noch kennen wir die
Referenzen: 1. Grainge CL et al.: Effect of bronchoconstriction on
airway remodeling in asthma. N Engl J Med 2011; 364: 2006–2015. 2. Global Initiative for Asthma (GINA): Global Strategy for Asthma Management and Prevention, 2012. www.ginasthma.org. 3. Petsky HL et al.: A systematic review and meta-analysis: tailoring asthma treatment on eosinophilic markers (exhaled nitric oxide or sputum eosinophils). Thorax 2012; 67: 199–208. 4. Pearlman DS et al.: Once-daily ciclesonide improves lung function and is well tolerated by patients with mild-to-moderate persistent asthma. J Allergy Clin Immunol 2005; 116: 1206–1212. 5. Pauwels RA et al.: Effect of inhaled formoterol and budesonide on exacerbations of asthma. Formoterol and Corticosteroids Establishing Therapy (FACET) International Study Group. N Engl J Med 1997; 337: 1405–1411. 6. Braunstahl GJ et al.: The eXpeRience registry: the «real-world» effectiveness of omalizumab in allergic asthma. Respir Med 2013; 107 (8): 1141–1151. 7. Pavord ID et al.: Mepolizumab for severe eosinophilic asthma (DREAM): a multicentre, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet 2012; 380: 651–659.
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