Transkript
BERICHT
Gefahr für Herz und Hirn
Klassische Risikofaktoren bei rheumatoider Arthritis im Auge behalten
Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis (RA) haben aufgrund der systemischen Entzündungsreaktion ein erhöhtes Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko, daran erinnerte Prof. Dr. Ulf Müller-Ladner, Bad Nauheim. Das kardiovaskuläre Risiko bei RA entspricht bereits in der Frühphase der Erkrankung dem bei Diabetes. Obschon sich das kardiovaskuläre Risiko bei Patienten mit etablierter RA durch eine aggressive Therapie mit TNF-Hemmern senken lässt, ist dies für Patienten mit RA im Frühstadium nicht erwiesen (1). Umso wichtiger sei es, die klassischen Risikofaktoren konsequent anzugehen, so der Experte.
Take Home Messages
O Das kardiovaskuläre Risiko bei RA entspricht bereits in der Frühphase der Erkrankung dem bei Diabetes (Faktor 3). Der Risiko-Score sollte zusätzlich mit dem Faktor 1,5 multipliziert werden, wenn mindestens 2 dieser Kriterien vorliegen: – Krankheitsdauer >10 Jahre – Rheumafaktor oder ACPA+ – extraartikuläre Manifestationen
O Die konsequente Kontrolle der Krankheitsaktivität führt zur deutlichen Reduzierung des kardiovaskulären Risikos.
O Die konsequente Bekämpfung traditioneller Risikofaktoren ist vorrangig. Ein jährliches Assessment wird empfohlen (Lipide, Nikotinstopp, Blutdruckkontrolle). Statine, ACE-Hemmer und AT-II-Blocker sollten wegen antientzündlicher Effekte vorzugsweise verordnet werden.
O Glukokortikoide so niedrig wie möglich dosieren.
O Vorsicht mit NSAR, vor allem bei Risikopatienten.
O Nikotinstopp reduziert die Krankheitsaktivität bei RA.
ANKA STEGMEIER-PETROIANU
In den letzten Jahren hat die rheumatoide Arthritis den Rang eines eigenständigen kardiovaskulären Risikofaktors erklommen. Selbst Männer, die einen positiven Rheumafaktor aufweisen, ohne an einer RA erkrankt zu sein, sind einem höheren kardiovaskulären Risiko ausgesetzt. Rheumatiker haben im Falle eines Myokardinfarkts dasselbe Risiko, daran zu sterben, wie Diabetiker. Hinzu kommt, dass die Behandlung mit Kortikosteroiden dieses Risiko weiter erhöht. Die RA ist eine systemische Erkrankung, denn die Entzündungsmediatoren sind nicht auf das Synovium beschränkt, sondern schwappen in die Zirkulation über und treiben ihr Unwesen auch im Gefässsystem. Interleukin-1 etwa trägt zur Atherosklerose bei, indem es die Schaumzellbildung in Makrophagen aktiviert. Dies lässt sich an der Plaquebildung in der
Arteria carotis beobachten. Die Krankheitsaktivität bei RA scheint mit der Intima-media-Dicke der A. carotis zu korrelieren. Eine Abschätzung des kardiovaskulären Risikos mittels Ultraschalluntersuchung der Karotiden bietet sich an (2). Eine Studie aus Grossbritannien zeigte weiter, dass Patienten mit RA ein vergleichbares Schlaganfallrisiko haben wie Hypertoniker. Die Studie untersuchte die Hirnschlagrate bei über 33 000 Patienten mit RA und verglich sie mit der von fast 100 000 Kontrollpatienten. Unter den Rheumatikern kam es in einem Zeitraum von 15 Jahren zu 883 Schlaganfällen, in der dreimal so grossen Kontrollgruppe wurden 2146 ischämische oder hämorrhagische Insulte registriert. Die RA erhöhte das Schlaganfallrisiko um 65 Prozent.
Jährliches Assessment der Risikofaktoren und Anpassen der Therapie Nur ein kleiner Teil der RA-Patienten erhält trotz hohen kardiovaskulären
Risikos eine Statintherapie, so das Ergebnis einer britischen Studie. Wie gefährlich es ist, eine bestehende Statintherapie zu unterbrechen, zeigte eine Studie aus Kanada (3). Mit dem Absetzen des Statins stieg das Risiko für Herztod monatlich um signifikante 0,4 Prozent. Andere Komorbiditäten gehen ebenfalls mit RA einher. Eine Hypothyreose findet sich bei fast 10 Prozent der RA-Patienten, was einer dreifach erhöhten Prävalenz gegenüber der Normalbevölkerung entspricht. Eine koronare Herzerkrankung besteht bei jedem dritten Patienten mit manifester Hypothyreose. «Bei einer Autoimmunerkrankung stets nach einer weiteren suchen, etwa nach einer HashimotoThyreoiditis!», empfahl Prof. MüllerLadner. Last, but not least müsse man die Patienten unbedingt zum Nikotinverzicht bringen. Das Zigarettenkondensat stimuliert die Zytokinproduktion in synovialen Fibroblasten, die CCP-Synthese wird angekurbelt. Rauchen ist nicht
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BERICHT
nur ein weiterer kardiovaskulärer Risikofaktor, sondern führt auch zu einem schlechteren Ansprechen auf RA-Therapien. Umgekehrt konnte gezeigt werden, dass Nikotinstopp zu einem Rückgang der Krankheitsaktivität führt.
Behandlungsziel Remission Die beste Reduktion des kardiovaskulären Risikos erzielt man bei einer geringstmöglichen Krankheitsaktivität oder gar Remission. Dieses Behandlungsziel, entsprechend einem Disease Activity Score (DAS) < 2,6, soll nach EULAR-Leitlinien innerhalb von 3 Monaten nach Diagnosestellung und spätestens nach 6 Monaten erreicht werden. Die Initialtherapie sollte mit Glukokortikoiden und dem DMARD
(disease-modifying antirheumatic drug) Methotrexat (MTX) begonnen werden. Neben der DMARD-Monotherapie mit MTX kann laut neusten Empfehlungen jetzt auch sofort mit einer DMARDKombination, die MTX einschliesst, begonnen werden. Sofern das Behandlungsziel mit der Initialtherapie trotz Dosisanpassungen nicht erreicht wird, sehen die Empfehlungen entweder eine weitere Kombination von DMARD oder eine Kombination von MTX mit einem Biologikum vor. Bei hoher Krankheitsaktivität und bei Vorliegen ungünstiger Prognosefaktoren sollte eine Therapie mit Biologika bevorzugt werden. Auf eine schlechte Prognose deuten etwa eine positive Rheumaserologie, eine hohe Entzündungsaktivität
und frühe Erosionen hin. Als First-LineBiologika kommen neben TNF-(Tumornekrosefaktor-)alpha-Hemmern auch Tocilizumab oder Abatacept infrage. O
Anka Stegmeier-Petroianu
1. Ljung L et al.: Treatment with tumor necrosis factor inhibitors and the risk of acute coronary syndromes in early rheumatoid arthritis. Arthritis Rheum 2012; 64(1): 42–52.
2. Gonzalez-Gay MA et al.: Carotid ultrasound is useful for the cardiovascular risk stratification of patients with rheumatoid arthritis: results of a populationbased study. Ann Rheum Dis 2013, Mar 16.
3. De Vera MA et al.: Impact of statin discontinuation on mortality in patients with rheumatoid arthritis: a population-based study. Arthritis Care Res 2012; 64(6): 809–816.
41. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), Mannheim, 18. bis 21. September 2013
BEKANNTMACHUNG
HSG-Unternehmerseminar für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte
Das Institut für Klein- und Mittelunternehmen der Universität St. Gallen (KMU-HSG) und Fluentis GmbH bieten ab November 2014 ein massgeschneidertes Unternehmerseminar speziell für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz an. Im Rahmen von fünf Tagesmodulen werden die wesentlichen Ansatzpunkte für die integrierte Führung einer Einzel- oder Gruppenpraxis aufgezeigt. Die Umsetzung in der Praxis steht dabei im Vordergrund. Dazu gehören praxiserprobte Referenten, Fachreferate von Experten, Instrumente für den Einsatz im Alltag sowie der Erfahrungsaustausch mit anderen Ärztinnen und Ärzten. Im Rahmen des Seminars werden ausschliesslich die Bedürfnisse der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte berücksichtigt. Die Themen der Module im Überblick: O Praxisführung: Die Arztpraxis als Unternehmen führen O Mitarbeiterführung: Das Praxispersonal führen,
fördern und fordern O Prozessorientierte Organisation:
Die Arztpraxis optimal organisieren O Finanzielle Praxisführung:
Umsätze optimieren und Kosten minimieren O Aussenwirkung der Praxis:
Patienten- und Zuweiserorientierung
Das Seminar findet in Zürich statt. SIWF/FMH hat das Seminar als offizielle Fortbildungsveranstaltung anerkannt. Die Veranstaltung ist mit 25 Credits anrechenbar.
Weitere Informationen zu den Seminarinhalten und Daten sowie die Seminarbroschüre und das Online-Anmeldeformular unter: www.kmu.unisg.ch/aerzte
Kontakt: Herr Tobias Wolf Tel. 071 224 71 00 E-Mail: tobias.wolf@unisg.ch
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