Transkript
STUDIE REFERIERT
Rheumatoide Arthritis: Unterschiede bei der Wahl der Therapie und beim Erfolg in unterschiedlichen Zentren
Welches Behandlungsschema erzielt die beste Krankheitskontrolle?
Um die Folgen der rheumatoiden Arthritis (RA) zu minimieren, wird in der Fachliteratur eine frühe und energische Behandlung mit DMARD gefordert. Allerdings besteht kein allgemeiner Konsens hinsichtlich der am besten geeigneten Substanz/ DMARD-Kombination, der Dosierung oder des optimalen Applikationsweges. Eine aktuelle Studie untersucht, wie die frühe RA in verschiedenen kanadischen Zentren behandelt wird und welche Therapieerfolge jeweils erzielt werden.
THE JOURNAL OF RHEUMATOLOGY
Die rheumatoide Arthritis ist eine chronisch entzündliche Autoimmunerkrankung, die durch Gelenkschwellung, Schmerzen, Synovialitis und progrediente Gelenkdestruktion gekennzeichnet ist. Als Folge davon kommt es zu funktioneller Einschränkung und Behinderung, Verschlechterung der Lebensqualität und einer im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung reduzierten Lebenserwartung.
Merksätze
O Verschiedene kanadische Zentren erzielten unterschiedliche Behandlungsergebnisse bei Patienten mit rheumatoider Arthritis im Frühstadium.
O Die Initialtherapie mit einer frühen Kombinationstherapie und/oder mit subkutan appliziertem Methotrexat führt nach bis zu 12 Monaten zu besseren Ergebnissen.
In der Literatur wird vielfach der Einsatz einer frühen, aggressiven, engmaschig kontrollierten und zielorientierten Behandlung mit krankheitsmodifizierenden Antirheumatika (disease-modifying antirheumatic drugs, DMARD) empfohlen, um die Krankheitsprogression zu hemmen und optimale Therapieergebnisse zu fördern. Damit wird die Remission zu einem realistischen Behandlungsziel, insbesondere für Patienten mit früher RA. Trotz dieses allgemeinen Konsensus gibt es derzeit keine Einigkeit hinsichtlich des besten DMARD oder der besten DMARD-Kombination, hinsichtlich der Dosis, des Applikationsweges oder des besten Zeitpunkts für eine Dosisanpassung. Initial bekommen die meisten Patienten ein konventionelles, nicht biologisches DMARD verschrieben wie beispielsweise Methotrexat, später kommen dann oft ein Kombinations-DMARD oder Biologicals hinzu, wie etwa Tumornekrosefaktor-Antagonisten. Die Medikamente werden unterschiedlich verabreicht. Beispielsweise kann Methotrexat oral oder parenteral (subkutan oder intramuskulär) appliziert werden. Darüber hinaus gibt es viele DMARD-Kombinationen sowie verschiedene Therapiestrategien, beispielsweise die initiale DMARDKombinationstherapie, ein «Bridging» mit Steroiden oder die sequenzielle Monotherapie sowie Step-up- und Step-down-Schemata. Es werden unterschiedliche Behandlungsziele definiert, oft zielt die Therapie jedoch auf eine Remission ab. Insbesondere in den Frühstadien wird die Remission unterschiedlich definiert. Die RA-Therapie kann durch Begleiterkrankungen beeinflusst werden, durch patientenassoziierte Faktoren wie etwa eine zögerliche Bereitschaft für einen Therapiewechsel und durch
den jeweiligen Zugriff auf RA-Medikamente. Deswegen wird die spezifische Therapie der Entscheidung jedes einzelnen Rheumatologen überlassen, was dazu führt, dass Patienten in verschiedenen Zentren potenziell unterschiedlich behandelt werden. Die Canadian Early Arthritis Cohort (CATCH) ist eine prospektive Kohorte, die im Januar 2007 initiiert wurde. Ziel ist es, Langzeitdaten zu gewinnen und die Effektivität der Behandlung bei Patienten zu demonstrieren, die zur Teilnahme an einem «Early Inflammatory Arthritis Program» an eines von 17 kanadischen Zentren überwiesen wurden. Anhand der Daten aus CATCH untersuchte eine Arbeitsgruppe aus London/ Ontario die Grösse und die Behandlungsunterschiede verschiedener RAZentren sowie den Einfluss dieser Parameter auf die Behandlungsergebnisse bei RA im Frühstadium. Den Therapieerfolg bewerteten die Autoren anhand des DAS28 (Disease Activity Score, ein Score, der die Krankheitsaktivität in 28 Gelenken beurteilt) sowie mithilfe des Prozentsatzes der RA-Patienten, die nach 12 Monaten in Remission waren. Die Autoren rechneten damit, dass Zentren mit ausgeprägteren Verbesserungen und höheren Remissionsraten andere Behandlungsstrategien anwenden würden. Die effektivsten Strategien könnten dann allen Zentren kommuniziert werden, um sie zur Einführung der besten Behandlungsansätze zu motivieren und letztlich die Therapieergebnisse bei früher RA zu verbessern.
Methoden Es wurden Zentren aus der CATCHDatenbank untersucht, an denen mindestens 40 RA-Patienten betreut wurden. Dies traf für 8 der insgesamt 17 CATCH-Zentren zu. Diese 8 Zentren erhielten nach Zufallsprinzip einen Buchstaben (von A bis H) zugeordnet, und die Untersucher wurden gegenüber den Zentren verblindet; lediglich ein Administrator kannte die Identität der Zentren.
Folgende Parameter wurden in den verschiedenen Zentren erhoben und miteinander verglichen: O Veränderungen des DAS28-Scores O Anteil der Patienten, die eine
DAS28-Remission aufwiesen O Behandlungsstrategien.
650
ARS MEDICI 12 I 2014
STUDIE REFERIERT
Die Studie umfasste 1138 Ausgangspatienten, die zu Beginn der Studie durchschnittlich 52 Jahre alt waren. 72,3 Prozent der Patienten waren weiblich. Insgesamt hatten 23 Prozent der Patienten Erosionen. Die durchschnittliche Erkrankungsdauer betrug 187 Tage. 50,7 Prozent der Teilnehmer waren rheumafaktorpositiv, 37,5 Prozent wiesen Antikörper gegen zitrullinierte Proteine (APCA) auf. Die Krankheitsaktivität wurde mithilfe des DAS28 bestimmt. Für jeden Teilnehmer wurde der DAS28 zu Beginn der Studie sowie nach 6 und 12 Monaten ermittelt. Die Veränderungen des DAS28 von Beginn der Studie bis zum Ende des 6. Monats beziehungsweise bis zum Ende des 12. Monats wurden als kontinuierliche Ergebnisvariablen verwendet. Darüber hinaus wurde bei Studienteilnehmern, die zu Beginn der Studie nicht in Remission waren, der Anteil, der die Remissionskriterien (DAS28 < 2,6) nach 6 und 12 Monaten sowie beim letzten dokumentierten Arztbesuch erfüllte, als binäre (ja/nein) Ergebnisvariable verwendet. Bezüglich der Pharmakotherapie der Patienten wurden folgende Behandlungsparameter ausgewählt: O Monotherapie mit einem DMARD O Applikationsweg von Methotrexat O verschiedene Kombinationsthera- pien (von denen die meisten Methotrexat enthielten) O Biologicals O Prednison. Zudem wurden Veränderungen und Intensivierungen der Therapie erfasst. Ergebnisse Nach 6 und 12 Monaten wiesen die beiden grössten Zentren, B und H, die deutlichsten Veränderungen des DAS28 auf (-1,82 bzw. -2,09 nach 6 Monaten; und jeweils -2,27 nach 12 Monaten; p < 0,001). Zentrum H hatte nach 6 Monaten die meisten Patienten mit einer DAS28-Remission (64,5%, während dieser Prozentsatz in den anderen Zentren zwischen 34,1 und 51,7% lag [p <0,001]). Beim letzten Nachuntersuchungstermin wiesen die Zentren B und H die meisten Patienten in Remission auf. Subkutanes Methotrexat wurde insgesamt häufiger und früher in den Zentren B und H verwendet. Diese beiden Zentren setzten seltener eine Steroid- therapie ein. In Zentrum B wurde der zweithöchste Einsatz einer DMARDTripeltherapie bei jedem Kontrolltermin verzeichnet. Die Medikation wurde in 2 der 3 kleinsten Zentren häufiger intensiviert. Biologicals wurden nach 9 Monaten am häufigsten in den kleinsten Zentren (50,0%) und dann in den grössten Zentren (19,6%) verwendet. Diskussion Da es innerhalb von CATCH kein standardisiertes Therapieprotokoll gibt, verwundert es nicht, dass die Untersucher in den verschiedenen Zentren Behandlungsunterschiede feststellten. Unerwartet war jedoch, dass die Therapieergebnisse – Veränderungen des DAS28-Scores beziehungsweise Remissionen – in den verschiedenen Zentren sehr unterschiedlich ausfielen. Es scheint, dass der häufigere Einsatz einer initialen DMARD-Tripeltherapie oder von subkutan appliziertem Methotrexat die Wahrscheinlichkeit einer Remission erhöht; diese beiden Strategien wurden allein oder kombiniert in den Zentren mit den besten Ergebnissen angewandt. Der Anteil der Patienten, die ein Biological erhielten, variierte von Zentrum zu Zentrum stark. Die Canadian Rheumatology Association empfiehlt die Gabe eines Biologicals, wenn ein Patient auf zwei DMARD in Mono- oder Kombinationstherapie nach 3 Monaten nicht zufriedenstellend anspricht. In Ausnahmefällen kann eine Biologicaltherapie begonnen werden, wenn Kontraindikationen gegen DMARD oder eine hohe Krankheitsaktivität und schlechte Prognosefaktoren (insbesondere bei früher RA) vorliegen, nachdem eine DMARD-Monotherapie versagt hat oder auch bei nicht mit DMARD vorbehandelten Patienten. Der Zugriff auf Biologicals ist in den kanadischen Provinzen unterschiedlich, weshalb die Leitlinien nicht überall leicht umzusetzen sind. Trotz dieser Unterschiede waren die Ergebnisse hinsichtlich der Effektivität der Biologicals in der vorliegenden Studie gemischt. Dies könnte zumindest teilweise daran liegen, dass Biologicals meist dann verordnet werden, wenn traditionelle DMARD versagt haben und der Patient in einem schlechteren Zustand ist. Ebenso wird die Therapie häufiger umgestellt, wenn bei Patienten eine aktive Krankheitsphase vorliegt. Die durchschnittliche Anzahl der DMARD und der Einsatz einer frühen DMARD-Kombinationstherapie war ein stärkerer Prädiktor für Remissionen an Zentrum B im Vergleich zu anderen Zentren. Randomisierte kontrollierte Studien zur frühen RA haben gezeigt, dass eine Methotrexatmonotherapie bei 70 Prozent der Patienten keine Remission herbeiführen kann, unter einer frühen Kombinationstherapie liegt dieser Anteil dagegen bei 30 Prozent. Doch ist es wichtig, auch den Einfluss anderer Behandlungsparameter auf das Outcome der Patienten zu bedenken, beispielsweise Medikamentennebenwirkungen, Begleiterkrankungen sowie Compliance. In der kanadischen Studie wurde ein Zusammenhang zwischen der Grösse des Zentrums und den Therapieerfolgen beobachtet: Die beiden grössten Zentren – B und H – erzielten bessere Ergebnisse. Dies mag einerseits mit der umfangreicheren Erfahrung der dort tätigen Rheumatologen zusammenhängen, andererseits können weitere Faktoren für die unterschiedlichen Ergebnisse von Bedeutung sein wie etwa ethnische Unterschiede, Stadt- versus Landbevölkerung, Teilnahme an formalen RA-Edukationsprogrammen und so weiter. Schlussfolgerung Die Effekte der Therapie auf das Out- come bei früher RA nach 6 und 12 Mo- naten variierten von Zentrum zu Zen- trum, wobei grössere Zentren bessere Ergebnisse aufwiesen. Die stärksten Prädiktoren für ein gutes Behandlungsergebnis waren früher Einsatz von subkutanem Methotrexat, DMARD-Tripeltherapie, zurückhal- tender Einsatz von Steroiden sowie we- niger Intensivierungen der Medikation nach dem initialen Arzttermin. O Andrea Wülker Harris JA et al.: Determining best practices in early rheumatoid arthritis by comparing differences in treatment at sites in the Canadian Early Arthritis Cohort. J Rheumatol 2013; doi:10.3899/jrheum.121316. Interessenlage: Der Erstautor erhielt Stipendien u.a. von den Canadian Institutes of Health Research und The Arthritis Society. Die Studie CATCH (Canadian Early Arthritis Cohort) wurde von verschiedenen Pharmaunternehmen unterstützt. ARS MEDICI 12 I 2014 651