Transkript
EDITORIAL
Es ist wieder einmal so weit: Der Fussball rollt und rollt und rollt, und das auch noch bis Mitte Juli.
Aber nicht für alle Höhepunkte der WM muss man bis zum Endspiel warten. Als ein Gewinner darf schon jetzt stellvertretend Juliano Pinto gelten, der am Eröffnungstag im Mittelpunkt eines der wichtigsten Momente der Medizingeschichte stand: Der erste Schuss des Turniers ging auf das Konto des 29-jährigen Sportlers, der seit seinem Autounfall vor acht Jahren querschnittgelähmt ist.
aus. Verantwortlich für das Gleichgewicht und die Kontrolle des Exoskeletts sei die Maschine, der Patient bestimme Anfang und Ende der Bewegungen sowie den Schuss, erklärt der Forscher und bezeichnet diesen Augenblick «als einen grossen Sprung für die Menschheit». Fast gleichzeitig mit der Bewegung erhält der Patient via Elektronik Rückmeldungen und kann so sogar fühlen, was er tut. Dank der Geschwindigkeit dieser Rückmeldungen kann das menschliche Gehirn die Roboterbeine mit entsprechender Übung als Erweiterung des Körpers begreifen und immer besser einsetzen. Bis zu einem Einsatz im Alltag bleibt noch einiges zu tun, dennoch kann dieser WM-Anstoss ein wichtiger Meilenstein sein.
Fussball-WM 2014: And the winner is ...
Nicht nur die Teams aus 32 verschiedenen Ländern haben sich seit Monaten auf die Weltmeisterschaft vorbereitet, um dort Höchstleistungen zu vollbringen. Für diese besondere Premiere absolvierten auch acht brasilianische, von der Hüfte abwärts gelähmte Frauen und Männer im Vorfeld der WM ein ganz spezielles Training. Im Rahmen des Projektes «Andar de Novo», an dem unter der Führung des brasilianischen Neurowissenschaftlers Miguel Nicolelis mehr als 150 Forscher, Ingenieure und Techniker aus aller Welt beteiligt sind, übten sie ein futuristisch anmutendes Exoskelett allein durch ihre Gehirnaktivitäten zu steuern. Dieser «Roboteranzug mit mechanischen Beinen» ist knapp 1,80 gross und wiegt an die 70 Kilogramm, aber das spüren die Patienten nicht. Nach entsprechendem Training kann der integrierte Computer an den jeweiligen Hirnströmen erkennen, ob der Patient gehen oder schiessen möchte, und führt die entsprechende Bewegung
Die FIFA erübrigte im Rahmen der Eröffnungsfeier gerade mal vier Sekunden für diesen besonderen Schuss, und Pinto konnte gar nicht alles zeigen, wofür die acht Männer und Frauen trainiert hatten. Trotzdem ist gut vorstellbar, dass selbst ein einzelner Schuss sich anfühlen kann wie die Verwandlung des alles entscheidenden Elfmeters im Finale zum Sieg nach Verlängerung.
Christine Mücke
PS: Leider bleibt für die meisten von uns alles beim Alten: Weder das ausgiebige Verfolgen der Lieblingsmannschaft im Fernsehsessel noch der Wille allein können das herkömmliche Training ersetzen ...
ARS MEDICI 12 I 2014
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