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FORTBILDUNG
Neues zur Pneumonieprophylaxe im Alter
Zur Prävention von Pneumonien im Alter wird heute die bei Kleinkindern mit Erfolg eingesetzte konjugierte Pneumokokkenvakzine (PCV13) empfohlen. Eine grosse Studie bei Personen ab 65 Jahren lässt auf eine Wirkung auch in dieser Altersgruppe schliessen.
Erkrankungen weniger klar, was an einem fehlenden Effekt oder nicht ausreichender Studienpower liegen könnte, wie die Autoren feststellen. Ihre Metaanalyse erbrachte keine Evidenz, die den Routineeinsatz von polyvalenten Pneumokokkenpolysaccharidvakzinen zur allgemeinen Pneumonieprävention oder Mortalitätssenkung stützen würde.
HALID BAS
Durch Pneumokokken verursachte Lungenentzündungen führen im Erwachsenenalter zu einer beachtlichen Morbidität und Mortalität, die aber mangels geeigneter Labortests allgemein unterschätzt wird, wie eine Metaanalyse auf Basis einer systematischen Literaturübersicht fand (1). Anhand von 35 überwiegend aus entwickelten Ländern stammenden Studien konnte sie zeigen, dass der Anteil von Pneumokokkenpneumonien mit Bakteriämie nur 24,8 Prozent der Fälle ausmacht. Pneumokokken verursachten 27,3 Prozent der ambulant erworbenen Lungenentzündungen (95%-Konfidenzintervall 23,9%–31,1%). Die Autoren weisen darauf hin, dass die Häufigkeit von Pneumokokkenpneumonien massiv unterschätzt wird, wenn bloss die bakteriämischen Fälle erfasst werden. Auf je einen Fall mit Bakteriämie kommen mindestens drei weitere durch Pneumokokken verursachte Lungenentzündungen, so ihre Schätzung. Eine Cochrane-Review kam letztes Jahr zum Schluss, dass die verfügbare Evidenz die Empfehlung zur Prävention von invasiven Pneumokokkenerkrankungen bei Erwachsenen mittels polyvalenter Pneumokokkenpolysaccharidvakzine (PPV) stützt (2). Allerdings war die Evidenz aus randomisierten, kontrollierten Studien bei Erwachsenen mit chronischen
Merksätze
O Durch Pneumokokken verursachte Pneumonien sind im Alter häufig.
O Oft verlaufen sie nicht bakteriämisch und werden zu selten erkannt.
O Die neuesten Schweizer Impfempfehlungen befürworten eine Pneumokokkenprävention mit einer Einzeldosis des konjugierten Impfstoffs (PCV13) bei Personen mit erhöhtem Risiko im Erwachsenenalter.
Neue Empfehlungen im Schweizer Impfplan Die Eidgenössische Kommission für Impffragen (EKIF) hat zusammen mit dem BAG und Swissmedic mit dem Impfplan 2014 der Evidenzlage hinsichtlich Pneumokokkenerkrankungen und -vakzinen Rechnung getragen und ihre Empfehlungen geändert (3). Als ergänzende Impfung bleiben die Empfehlungen zur Vakzination mit der konjugierten 13-valenten Vakzine (PCV13, Prevenar®) für Kinder unter 5 Jahren unverändert. Bei Kleinkindern zeigt PCV13 eine hohe Wirksamkeit. Die Impfempfehlung für Personen ab 65 Jahren wurde hingegen geändert. Eine generelle Empfehlung zur Prävention von invasiven Pneumokokkeninfektionen in dieser Altersgruppe mit dem bisher eingesetzten 23-valenten Polysaccharidimpfstoff (PPV23, Pneumovax®) gibt die EKIF nicht mehr. Vielmehr sollen nur noch Erwachsene mit einem aufgrund von Grundkrankheiten erhöhten Risiko für invasive Pneumokokkenerkrankungen geimpft werden, und zwar mit einer Einzeldosis des konjugierten Impfstoffs PCV13 (Kasten). Zu den Risikogruppen gehören Patienten mit Beeinträchtigung des Immunsystems unterschiedlicher Ursache (angeboren sowie erworben). Ein erhöhtes Komplikationsrisiko haben auch Personen mit chronischen Erkrankungen der Atemwege, des Herzkreislaufsystems, der Nieren oder der Leber sowie mit hämatologischen Neoplasien. Bei Herzinsuffizienz oder chronischer obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) stellen erst die fortgeschritteneren Stadien 3 und 4 eine Impfindikation dar. Für die Empfehlung zu PCV13 und gegen PPV23 bei Personen mit Risikofaktoren sprechen verschiedene Gesichtspunkte: O unbestritten hohe Wirksamkeit bei Kleinkindern und spe-
zifischen Risikogruppen (HIV pos.) O ebenbürtige oder bessere Immunogenität O Induktion einer Immunantwort und eines immunologi-
schen Gedächtnisses für eine nachfolgende Exposition oder gegebenenfalls eine notwendige Boosterdosis, im Gegensatz zur Hyporesponsiveness durch PPV23 (besonders relevant fur Risikopersonen mit persistierenden oder progredienten Grundkrankheiten)
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ARS MEDICI 11 I 2014
FORTBILDUNG
Kasten:
Empfehlungen zur Prävention invasiver Pneumokokkenerkrankungen mit dem konjugierten 13-valenten Pneumokokkenimpfstoff bei Personen mit erhöhtem Risiko gemäss Schweizer Impfplan 2014
Chronische Krankheiten O Herzinsuffizienz O chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) O schweres Asthma O Bronchiektasen durch Antikörpermangel O Leberzirrhose O anatomische oder funktionelle Asplenie O Niereninsuffizienz O nephrotisches Syndrom O Sichelzellanämie O Diabetes O Lymphom, Leukämie, Myelom
Immunstörungen O Autoimmunkrankheit, welche eine Immunsuppression erfordert O HIV-Infektion mit CD4-Zellen < 15% O Immundefizit mit Mangel an mannosebindendem Lektin
Varia O Cochleaimplantat O Schädelbasisfraktur, -missbildung, Liquorfistel
ab NYHA-Stadium 3 oder 4 ab GOLD-Stadium 3 oder 4 oder bei Verschlechterung bei verlängerter oder häufiger Steroidbehandlung ab Diagnose ab Diagnose ab Diagnose bei Kreatinin-Clearance < 30 ml/min oder Verschlechterung ab Diagnose ab Diagnose bei Auswirkungen auf die Funktion von Herz, Lungen oder Nieren während Erhaltungstherapie
vor Beginn der immunsuppressiven Behandlung ab Diagnose sowie erneut nach Wiederherstellung der Immunität ab Diagnose
sobald als möglich nach Indikationsstellung sobald als möglich nach Diagnose
O Reduktion der Kolonisation der Nasopharynx mit Impfserotypen
O ebenbürtige oder geringere Häufigkeit unerwünschter Impferscheinungen von PCV13 im Vergleich zu PPV23.
Aufgrund der momentanen Serotypenverteilung bei invasiven Pneumokokkenerkrankungen in der Schweiz sind zurzeit keine Auffrischimpfungen oder Zusatzimpfungen mit PPV23 nötig. Diese werden daher nicht empfohlen. Zur Optimierung der Impfantwort auf PCV13 wird empfohlen, einen Minimalabstand von 12 Monaten zu einer früheren Impfung mit PPV23 und nach Möglichkeit einen Minimalabstand von 4 Wochen zur Grippeimpfung einzuhalten. Aufgrund noch ausstehender Daten wird vorläufig eine PCV13-Auffrischimpfung nicht empfohlen. Die neuen Empfehlungen zur Pneumokokkenimpfung im Erwachsenenalter hat zu einer eigenartigen Vergütungskonstellation geführt, denn die obligatorische Krankenversicherung übernimmt die Impfkosten nur für Vakzine, die in der entsprechenden Altersgruppe eine Zulassung durch Swissmedic haben. Für PCV13 gilt diese zurzeit jedoch nur für Kinder bis 5 Jahre. Bis zur Änderung der Zulassung für PCV13 übernimmt die obligatorische Krankenversicherung die Kosten der Impfung bei erwachsenen Personen aus Risikogruppen – obwohl offiziell empfohlen – somit nicht.
randomisiert. Insassen von Pflegeinstitutionen, zuvor schon einmal gegen Pneumokokken Geimpfte sowie Patienten mit bekannter Immunsuppression waren von der Rekrutierung ausgeschlossen. Primärer Endpunkt war die Vorbeugung einer ersten Episode einer durch Pneumokokkenvakzinetypen verursachten ambulant erworbenen Pneumonie. Die Diagnose einer solchen Pneumonie erfolgte mit einem vom Studiensponsor Pfizer entwickelten serotypenspezifischen Urinantigentest. PCV13 besass im Vergleich mit Plazebo eine Effektivität von 45,5 Prozent zur Verhütung einer ersten ambulant erworbenen Pneumonie durch Pneumokokkenvakzinetypen. Die Effektivität betrug bei nicht bakteriämischen, nicht invasiven Pneumonien ebenfalls 45 Prozent, bei invasiven Pneumokokkenerkrankungen sogar 75 Prozent. Sicherheitsprobleme gab es in der Studie mit dieser Vakzine nicht. Erwartungsgemäss wiesen PCV13-Geimpfte mehr Lokalreaktionen (Rötung, Schmerz, Schwellung) auf als die Teilnehmer der Plazebogruppe, schwere Lokalreaktionen waren aber selten und traten in beiden Gruppen gleich häufig auf. Insgesamt stützen die Ergebnisse der CAPITA-Studie auch die Schweizer Impfempfehlungen, die von einer generellen Impfung zur Pneumonieprävention im Alter mit PCV13 heute absehen. O
Halid Bas
PCV13 bietet auch Schutz vor Pneumonien im Alter Am 16. International Congress on Infectious Diseases wurden soeben die Ergebnisse der CAPITA-Studie (Community-Acquired Pneumonia Immunization Trial in Adults) vorgestellt (4). Es handelt sich dabei um eine der grössten prospektiven Untersuchungen zur Wirksamkeit eines Impfstoffs bei Erwachsenen. Insgesamt wurden 84 496 Personen ab Alter 65 entweder zur PCV13-Vakzine oder zu Plazebo
Quellen: 1. Said MA et al.: Estimating the burden of pneumococcal pneumonia among adults:
A systematic review and meta-analysis of diagnostic techniques. PLoS ONE 2013; 8(4): e60273. Doi:10.1371/journal.pone.0060273. 2. Moberley S, Holden J, Tatham DP, Andrews RM: Vaccines for preventing pneumococcal infection in adults. Cochrane Database of Systematic Reviews 2013, Issue 1. Art. No.: CD000422. Doi: 10.1002/14651858.CD000422.pub3. 3. www.bag.admin 4. www.medscape.com/viewarticle/823109, 4. April 2014.
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