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STUDIE REFERIERT
TNF-alpha-Hemmer und Rituximab reduzieren Mortalität bei RA
Die rheumatoide Arthritis ist mit erhöhter Mortalität verbunden. Mit einer effektiven Kontrolle der Krankheitsaktivität kann dieses Risiko gesenkt werden. In einer Beobachtungsstudie waren TNFalpha-Hemmer oder Rituximab im Vergleich zur konventionellen Methotrexattherapie mit einer signifikant geringeren Sterblichkeit verbunden.
ANNALS OF THE RHEUMATIC DISEASES
Bei der rheumatoiden Arthritis (RA) handelt es sich um eine chronischentzündliche Autoimmunerkrankung, die zu einer erhöhten Mortalität führt. Die frühzeitige Sterblichkeit wurde einer stark eingeschränkten Funktionskapazität und Komorbiditäten sowie der Schwere und der Aktivität der RA zugeschrieben. Einige Evidenz aus der kardiovaskulären Forschung weist nun darauf hin, dass die persistente
Merksätze
O Bei RA besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen hoher Krankheitsaktivität und erhöhter Mortalität.
O Mit einer wirksamen Kontrolle der Krankheitsaktivität kann das Mortalitätsrisiko gesenkt werden.
O TNF-alpha-Hemmer, Rituximab oder andere Biologika sind mit einem signifikant geringeren Mortalitätsrisiko verbunden als Methotrexat.
chronische Entzündung für die erhöhte Mortalität bei RA verantwortlich ist. Zudem wurde beobachtet, dass eine erfolgreiche Kontrolle der Krankheitsaktivität mit Methotrexat (Methotrexat Teva®, Methotrexat Pfizer) die Sterblichkeit senkt. Während der letzten Jahrzehnte hat sich die Behandlung der RA grundlegend verändert. Mittlerweile wird frühzeitig intensiv behandelt, um das Hauptziel einer Remission zu erreichen. Mit der Einführung von TumorNekrose-Faktor-alpha-(TNF-alpha-) Inhibitoren, Rituximab und anderen Biologika (Kasten) konnten diesbezüglich bahnbrechende Fortschritte erzielt werden. Die Wirksamkeit der neuen Substanzen wurde in zahlreichen Studien überzeugend nachgewiesen. Joachim Listing vom Deutschen Rheumaforschungszentrum Berlin und seine Arbeitsgruppe untersuchten jetzt in einer Beobachtungsstudie den Einfluss der Krankheitsaktivität, des Krankheitsverlaufs und der medikamentösen Behandlung (Glukokortikoide, Methotrexat, TNF-alpha-Inhibitoren, Rituximab, andere Biologika) über die Zeit sowie die Auswirkungen von Komorbiditäten und traditionellen Risikofaktoren auf die Sterblichkeit von RA-Patienten. Als Hauptziele ihrer Analyse definierten die Forscher: O die Abschätzung des Zusammen-
hangs zwischen einer dauerhaft hohen Krankheitsaktivität und der Mortalität O die Abschätzung des Mortalitätsrisikos von Patienten, die mit TNFalpha-Hemmern oder Rituximab behandelt werden im Vergleich zum Sterberisiko von Patienten, die Methotrexat als Einzelsubstanz oder in Verbindung mit anderen synthetischen DMARD (disease-modifying antirheumatic drugs) erhalten.
Methoden Im Rahmen ihrer Untersuchung werteten die Autoren Patientendaten des deutschen Biological-Registers RABBIT (Akronym für: RA observation of biological therapy) aus. Mithilfe von CoxRegressionen wurde der Einfluss zeitabhängiger Kovariaten wie der Krankheitsaktivität, der Funktionskapazität und der medikamentösen Behandlung auf die Mortalität nach einer Adjustierung für Alter, Geschlecht, Komorbiditäten und Raucherstatus ermittelt. Die Krankheitsaktivität wurde mit dem Disease-Activity-Score (DAS28) erfasst. Definitionsgemäss lag eine niedrige Krankheitsaktivität bei DAS28 < 3,2 und eine hohe Krankheitsaktivität bei DAS28 >5,1 vor.
Ergebnisse Im Zeitraum vom 1. Mai 2001 bis zum 30. Juni 2011 wurden 8908 Patienten mit einem durchschnittlichen Alter von 55,8 Jahren in die Studie eingeschlossen. Das durchschnittliche Follow-up betrug 3,5 Jahre. Längere Beobachtungszeiträume von 5, 7 oder 8 Jahren standen für 2992, 1228 und 629 Patienten zur Verfügung. Patienten, die TNF-alpha-Hemmer, Rituximab oder andere Biologika erhielten, wiesen eine signifikant aktivere Erkrankung auf und waren in ihren Alltagsaktivitäten stärker eingeschränkt als Patienten, die ausschliesslich mit konventionellen synthetischen DMARD behandelt wurden. Innerhalb eines Beobachtungszeitraums von 31 378 Patientenjahren starben 463 der 8908 Patienten. Bei den Rheumapatienten wurde eine signifikant erhöhte standardisierte Mortalitätsrate (SMR) von 1,49 (95%-Konfidenzintervall [KI]: 1,36–1,63) im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung beobachtet. Die Erhöhung der SMR war mit einer anhaltend hohen Krankheitsaktivität (DAS28 > 5,1) assoziiert. Bei Patienten mit dauerhaft geringer Krankheitsaktivität (DAS28 <3,2) wurde dagegen keine erhöhte Sterblichkeit im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung beobachtet. Die verbleibende Lebenserwartung betrug ab einem Alter von 20 Jahren bei Frauen aus RABBIT durchschnittlich noch 59,9 Jahre und bei Männern noch 55,3 Jahre. Diese Spanne ist etwa 2 Jahre kürzer als die bei gleichaltrigen Personen in der All-
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STUDIE REFERIERT
Kasten:
Biologika zur Behandlung der RA
TNF-alpha-Hemmer O Infliximab (Remicade®) O Etanercept (Enbrel®) O Adalimumab (Humira®) O Certolizumab (Cimzia®) O Golimumab (Simponi®)
Weitere Biologika • Abatacept (Orencia®) • Rituximab (MabThera®) • Tocilizumab (Actemra®)
gemeinbevölkerung. Bei hoher Krankheitsaktivität (DAS28 > 5,1) verloren Frauen durchschnittlich 10,3 Lebensjahre und Männer 10,7 Lebensjahre im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung. Die Ergebnisse des Vergleichs mit der Allgemeinbevölkerung wurden durch multivariate Cox-Regressionsanalysen bestätigt. Patienten mit einer dauerhaft hohen Krankheitsaktivität (DAS28 > 5,1) hatten im Vergleich zu Patienten mit anhaltend geringer Krankheitsaktivität (DAS < 3,2) ein mehr als doppelt so hohes Mortalitätsrisiko (Hazard Ratio [HR]: 2,43; 95%-KI: 1,64–3,61). Eine stark eingeschränkte Funktionskapazität und hohe Glukokortikoiddosierungen (> 5 mg/Tag) waren – unabhängig von der Krankheitsaktivität – ebenfalls mit einer signifikant erhöhten Mortalität verbunden. Im Vergleich zu Patienten, die Methotrexat erhalten hatten, wurde bei Patienten, die TNF-alpha-Hemmer (HR:
0,64), Rituximab (HR: 0,57) oder andere Biologika (HR: 0,64) erhielten, eine signifikant geringere Mortalität beobachtet.
Diskussion In dieser Beobachtungsstudie zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen einer hoch aktiven RA und der Mortalität. Bei geringer Funktionskapazität, bei Komorbiditäten wie Diabetes, Lungen-, Nieren- und Herzerkrankungen oder bei hohen Glukokortikoiddosierungen war das Sterberisiko zusätzlich erhöht. Im Zusammenhang mit mehr als 5 mg Glukokortikoid täglich wurde ein dosisabhängiges Mortalitätsrisiko beobachtet. Als Stärke ihrer Studie werten die Autoren die neuartige Vorgehensweise, Veränderungen der Patientencharakteristika wie die Krankheitsaktivität oder die Funktionskapazität und Details der Behandlung wie variierende Glukokortikoiddosierungen zu allen Zeitpunkten des Follow-ups zu berücksichtigen. Das ermöglichte eine valide Abschätzung des Mortalitätsrisikos unter Biologika im Vergleich zu konventionellen DMARD und lieferte robustere Ergebnisse als eine Adjustierung entsprechend den Baseline-Charakteristika, die in älteren Untersuchungen zur Beurteilung des Mortalitätsrisikos verwendet wurde. Zudem ist die Studie nach Kenntnis der Wissenschaftler die erste, in der die Einflüsse des Entzündungsgeschehens und der Glukokortikoidbehandlung auf die Gesamtmortalität differenziert betrachtet wurden. Die Mortalitätsraten und die Anzahl verlorener Lebensjahre unterscheiden sich deutlich bei Patienten mit hoher
und niedriger Krankheitsaktivität. Die-
ses Ergebnis stimmt mit anderen Unter-
suchungen überein, in denen die Aus-
wirkungen von Entzündungsprozessen
auf eine vorzeitige Sterblichkeit im
Zusammenhang mit kardiovaskulären
Erkrankungen, chronischen Lungener-
krankungen und Lymphomen unter-
sucht wurden.
Als Limitation ihrer Studie betrachten
die Autoren, dass es nicht möglich war,
signifikante Einzeleffekte für Inflixi-
mab, Etanercept, Certolizumab, Goli-
mumab, Abatacept, Tocilizumab oder
Anakinra getrennt aufzuzeigen. Auf-
grund der Datengrundlage konnten
lediglich die Effekte für TNF-alpha-
Hemmer als Gruppe und für Rituxi-
mab abgeschätzt werden.
Zudem halten die Wissenschaftler die
Verallgemeinerung der Ergebnisse auf
die deutsche Bevölkerung für begrenzt,
da in das Register RABBIT nur Patien-
ten mit relativ schwerer RA einge-
schlossen wurden. RA-Patienten, deren
Krankheitsaktivität mit einer Metho-
trexatmonotherapie gut kontrolliert
werden kann, wurden daher nicht in
die Kontrollgruppe aufgenommen.
Somit könnte der Nutzen von Metho-
trexat in dieser Beobachtungsstudie
unterschätzt worden sein.
O
Petra Stölting
Listing J et al.: Mortality in rheumatoid arthritis: the impact of disease activity, treatment with glucocorticoids, TNF-α inhibitors and rituximab. Ann Rheum Dis 2013; doi: 10.1136/annrheumdis-2013-204021.
Interessenkonflikte: Die Studie wurde ohne Vorgaben von verschiedenen Pharmaunternehmen gemeinsam finanziert. 5 der 7 Autoren haben Honorare von diesen Pharmaunternehmen erhalten.
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