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BERICHT
Rheumatoide Arthritis und Osteoporose: siamesische Zwillinge?
1. Symposium Osteoporose, Schmerz, Arthrose «Aktuelle Erkenntnisse – von der Diagnose zur Therapie», Pfäffikon (SZ), 20. März 2014
Für die Praxis sei es wichtig, über das erhöhte Osteoporoserisiko bei rheumatoider Arthritis Bescheid zu wissen, schon früh im Krankheitsverlauf nach dieser Konstellation zu suchen und dann eine Therapie einzuleiten, sagte Dr. med. Diana P. Frey, Leiterin OsteoporoseZentrum, Klinik für Rheumatologie, Universitätsspital Zürich.
HALID BAS
Bei Patientinnen und Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) liegen oft Faktoren vor, welche die Entwicklung einer Osteoporose begünstigen. Dazu gehören Kortikosteroide, gastrointestinale Beeinträchtigungen mit Malab-
Verschiedene Studien belegen, dass Osteoporose und Osteopenie bei Patientinnen mit RA häufiger sind als in der Normalbevölkerung. Auch Knochenfrakturen sind bei Individuen mit RA im Vergleich zu Individuen ohne RA häufiger (nach den Daten des FRAX-Tools 5,5 vs. 4,3% 10-JahresFrakturrisiko, nach denjenigen des TOP-Tools der Schweizerischen Gesellschaft für Rheumatologie sogar 7,2 vs. 3,6%). «Die Osteoporose und die Osteopenie werden wahrscheinlich unterschätzt und ganz sicher unterbehandelt», sagte Frey.
Inflammation schadet dem Knochen Bereits in frühen Stadien der RA lässt sich eine gelenksnahe Osteoporose nachweisen, bei etablierter RA zusätzlich auch Erosionen und eine generalisierte Osteoporose. Als eine wesentliche Ursache dafür ist das chronische Entzündungsgeschehen anzusehen. Eine Steroidtherapie hemmt zwar die Entzündung, begünstigt aber direkt eine Verminderung der Knochendichte und eine Verschlechterung der Knochenqualität mit Erhöhung des Frak-
«Die Osteoporose und die Osteopenie werden wahrscheinlich unterschätzt und sind ganz sicher unterbehandelt.»
sorption und Untergewicht oder auch Immobilität aufgrund der Gelenkerkrankung. Die verminderte Muskelkraft trägt zudem zu häufigeren Stürzen und Knochenfrakturen bei. Für Arzt und Patient stehen jedoch die Symptome der RA sowie allfällige durch die chronische Entzündung oder die Medikation hervorgerufene Komorbiditäten und Komplikationen im Vordergrund.
turrisikos. Günstige und ungünstige Steroidwirkungen am Knochen sind dosisabhängig. Für eine Behandlung mit einer niedrigen Steroiddosis (≤ 5 mg/Tag) konnten nämlich ein positiver Effekt auf die Knochendichte an Femur und Hand sowie weniger Wirbelfrakturen nachgewiesen werden. Bei höheren Dosen überwiegen aber die negativen Effekte, und dies schon in den ersten Monaten der Therapie.
Ein wichtiger Aspekt der Osteoporosetherapie bei RA ist somit die optimale Krankheitskontrolle mittels Basistherapeutika. Sind Steroide in höherer Dosierung (≥ 5 mg/Tag) notwendig, ist schon bei einer Osteopenie eine Osteoporoseprophylaxe indiziert.
Gezielt nach Osteoporose suchen Die Empfehlungen zur Osteoporosediagnostik fallen je nach Expertengremium unterschiedlich aus. Die Schweizerische Vereinigung gegen Osteoporose erklärt ein Osteoporosescreening bei RA obligatorisch bei Frauen ab 60 Jahren und bei Männern ab 70 Jahren und rät zur Einzelfallentscheidung bei jüngeren Patientinnen und Patienten. Der Entwurf der Leitlinie 2014 des Deutschen Dachverbands für Osteologie nennt ein Osteoporosescreening obligatorisch bei postmenopausalen Frauen und bei Männern ab 60 Jahren. Die Osteoporoseplattform TOP der Schweizerischen Gesellschaft für Rheumatologie (SGR) empfiehlt ein Osteoporosescreening bei allen Patientinnen und Patienten mit RA. Die Basisdiagnostik soll nach weiteren anamnestischen Risikofaktoren sowie nach Hinweisen auf bestehende Wirbelfrakturen oder für andere sekundäre Osteoporoseursachen suchen. Ergänzend haben eine DXA-Messung der Knochendichte sowie ein kleines Labor zum Ausschluss anderer eine Osteoporose verursachender Erkrankungen zu erfolgen. Ergibt sich aus der klinischen Untersuchung ein Hinweis auf eine Wirbelfraktur, sollte ausserdem eine konventionell radiologische Bildgebung von Brust- und Lendenwirbelsäule veranlasst werden.
Basistherapie ist Grundlage der Osteoporosebehandlung Die Behandlung der Osteoporose bei RA stützt sich zunächst auf eine gute
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Take Home Messages
O Die rheumatoide Arthritis ist per se ein Risikofaktor für Osteoporose und führt zu einem erhöhten Frakturrisiko.
O Die Osteoporose wird durch die Entzündungsaktivität und durch eine Steroidtherapie begünstigt.
O Bei rheumatoider Arthritis sollte schon früh ein Screening auf Osteoporose erfolgen und allenfalls eine Therapie eingeleitet werden.
O Die Behandlung besteht in der optimalen Kontrolle der Entzündungsaktivität, Minimierung der Steroiddosis, Therapie von Begleiterkrankungen, Optimierung der Begleitbedingungen sowie allenfalls in einer spezifischen Osteoporosetherapie.
Kontrolle der entzündlichen Komponente durch eine konsequente Basistherapie mit möglichst wenig Kortikosteroiden (Verzicht auf Steroide oder ≤ 5 mg/Tag) sowie auf die Therapie von Begleiterkankungen. Wie bei Patienten ohne RA sollen Lebensstil und Prophylaxe angesprochen werden. Dazu gehören Rauchverzicht, Vermeidung von übermässigem Alko-
holkonsum, das Anstreben eines normalen Körpergewichts und möglichst viel körperliche Aktivität. Ebenfalls wichtig sind eine ausreichende Kalzium-, Eiweiss- und Vitamin-D-Zufuhr.
Bisphosphonate wirken Eine spezifische Osteoporosebehandlung ist je nach bestehenden Medikationen, anderen Begleiterkrankungen und unter Berücksichtigung von Complinace und möglichen Nebenwirkungen einzuleiten. Bei der Indikationsstellung sind der T-Score und das individuelle Frakturrisiko anhand von FRAXoder TOP-Tool (Kasten Links) zu berechnen. «Bei Patientinnen und Patienten mit RA soll die spezifische Osteoporosetherapie früher einsetzen als bei der Normalbevölkerung», sagte Frey mahnend. Bisphosphonate wirken bei der mit der RA assoziierten Osteoporose. Allerdings sind bei den verschiedenen Wirkstoffen und Generikaformulierungen die Limitationen zu beachten. So können bei Männern zur Therapie und Prävention zwar Alendronat, Risedronat und Zoledronat eingesetzt werden, nicht aber Ibandronat und auch nicht Denosumab. Diese Wirkstoffe können aber bei Frauen verschrieben werden.
LINKS
Links zur Erfassung des Frakturrisikos bei Osteoporose
O FRAX: http://www.shef.ac.uk/FRAX/ O TOP-Tool der Schweizerischen Gesellschaft für Rheumatologie:
www.web.osteo-rheuma.ch/TOP
Bei Risedronat besitzt auch ein Generi-
kum die entsprechende Zulassung, bei
Alendronat und Zoledronat sind die
zugelassenen Indikationen (bei Män-
nern, bei postmenopausalen Frauen,
bei Steroidosteoporose) je nach Generi-
kum jedoch unterschiedlich, was bei
der Verschreibung berücksichtigt wer-
den muss. Teriparatid soll nur bei Un-
verträglichkeit oder bei fehlender Wir-
kung von Antiresorptiva verschrieben
werden, ist also bei Steroidosteoporose
nur Reservemedikament.
Bei RA-Patienten mit Steroidtherapie
soll nach den Guidelines der SGR eine
spezifische Osteoporosetherapie bei
einem T-Score -1,5 oder -1,0 (je nach
zusätzlichen Risikofaktoren) erfolgen.
Da der Knochenverlust in den ersten
Monaten nach Beginn der gegen die RA
gerichteten Therapie am grössten ist,
soll die knochenschützende Behand-
lung möglichst früh beginnen.
Von Denosumab ist gemäss theoreti-
schen Überlegungen eine antierosive
und antiinflammatorische Wirkung zu
erwarten. In Studien bei RA-Patienten
wurde eine Verbesserung der generali-
sierten Osteoporose und eine Vermin-
derung der Erosionen beobachtet, das
bei nur geringem Effekt auf die arthri-
tischen Symptome. Vorderhand hat
Denosumab aber keine Zulassung bei
Männern mit Osteoporose, bei der
Steroidosteoporose oder als Basisthera-
peutikum bei RA, und es bestehen auch
keine Erfahrungen bei RA-Patienten
unter Basistherapeutika.
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