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BERICHT
Hepatitis-C-Behandlung: Viel versprechende neue Optionen verheissen den Beginn einer neuen Ära
International Liver Congress (ILC) der European Association for the Study of the Liver (EASL)
London, 10. bis 13. April 2014
Neue Therapieoptionen haben und werden die Behandlung der Hepatitis C massgeblich verändern. Damit wird Hepatits C die erste virale Erkrankung sein, die heilbar ist, hiess es am International Liver Congress (ILC) der European Association for the Study of the Liver (EASL), zu dem sich mehr als 10 000 Teilnehmer in London trafen. Im Folgenden eine kleine Auswahl präsentierter Studien.
CHRISTINE MÜCKE
Die Behandlungsoptionen der Hepatitis C (HCV) waren lange Zeit unbefriedigend, Regimes und Erfolge unterschieden sich je nach Genotyp deutlich und gingen mit zum Teil erheblichen Nebenwirkungen einher. Besonders schwierig war es für Patienten, die auf Therapien nicht oder nur partiell ansprachen, für die eine Behandlung mit Interferon nicht infrage kam oder solche mit fortgeschrittener Erkrankung. Meilensteine waren die Einführung des pegylierten Interferons sowie der Proteasehemmer. Diese haben als Bestandteil einer Tripeltherapie die Chancen zwar verbessert, aber im Vergleich zur dualen Therapie auch weitere Nebenwirkungen mit sich gebracht. Die Zulassung von Sofosbuvir, einem nukleosidischen NS5B-Polymerase-Inhibitor, erweiterte die Behandlungsoptionen der chronischen Hepatitis-C-Infektion noch einmal. Aber die Ansprechraten
scheinen sich insbesondere für die schwierig zu behandelnden Patientengruppen noch weiter steigern zu lassen, wie aktuell präsentierte Resultate zeigen – gleich mehrere Studien wurden auch im «New England Journal of Medicine» publiziert.
Hohe Ansprechraten ... Im Fokus der Aufmerksamkeit stehen dabei die neuen Direct-acting Antiviral Agents (DAA), insbesondere die rein oralen Kombinationen, die ohne Interferon auskommen und je nach zu behandelnder Patientengruppe Ansprechraten von bis zu 100 Prozent mit sich bringen. Geringe Abbruchraten widerspiegeln dabei die gute Verträglichkeit der neuen Substanzen. Viel versprechend sind beispielsweise die Daten aus dem Hepatitis-C-Studienprogramm von AbbVie, das im Rahmen des Kongresses an einer Pressekonferenz zusammenfassend vorgestellt wurde. Bei insgesamt rund 2500 Patienten mit HCV (GT) 1 in verschiedenen Stadien der Erkrankung wird darin ein rein orales, interferonfreies Therapieregime (Fixkombination aus ABT-450/Ritonavir und Ombitasvir einmal täglich sowie Dasabuvir mit oder ohne Ribavirin [RBV] zweimal täglich, kurz 3DAA plus/minus RBV) untersucht.
... bei therapienaiven Patienten sowie bei neuerlicher Behandlung Die SAPPHIRE-Studien zeigten hohe Ansprechraten sowohl bei bis anhin unbehandelten als auch bei vorbehandelten Patienten: Die SAPPHIRE-I-Studie (n = 631) untersuchte die Kombination von 3DAA mit RBV bei behandlungsnaiven Patienten mit HCV GT1 (1). Mit 12-wöchiger Therapie erreichten 12 Wochen nach Abschluss gesamthaft 96,2 Prozent der Patienten ein anhalten-
des virologisches Ansprechen (SVR12). In der schwieriger zu behandelnden Subgruppe mit GT1a erreichten dieses Ziel 95,3 versus 98,0 Prozent der Patienten mit GT1b, wie Prof. Dr. Ola Weiland Stockholm berichtete. Die Abbruchrate war in der Verum- sowie in der Plazebogruppe mit 0,6 Prozent gleichermassen niedrig. Auch die Rate eines virologischen Durchbruchs oder Wiederauftretens war mit 1,7 Prozent gering. Die Kombination war allgemein gut verträglich, in allen Gruppen wurden am häufigsten Kopfschmerzen und Müdigkeit als Nebenwirkungen angegeben. Unter den vorbehandelten Patienten der SAPPHIRE-II-Studie (n = 349) erzielten 96 Prozent der GT1a-Patienten sowie 96,7 Prozent der GT1b-Patienten ein SVR12 (2). Virologisches Wiederauftreten oder Durchbruch wurden hier mit 2 Prozent beziffert, zu Abbrüchen aufgrund unerwünschter Ereignisse kam es bei 1 Prozent. Im Falle eines Therapieversagens sei bis anhin die Chance einer neuerlichen Therapie sehr stark vom Ansprechen beim ersten Mal abhängig, sagte Prof. Dr. Stefan Zeuzem, Frankfurt. Hier nun erzielten die Behandelten unabhängig vom vorherigen Ansprechen (Rückfall, partielles Ansprechen oder Nullresponse) eine SVR12-Rate über 95 Prozent, so der Experte weiter, und das bei einer sehr gut verträglichen Behandlung.
Auch für Patienten mit Zirrhose Die Turquoise-II-Studie (n = 380) konnte als bis anhin einzige Phase-III-Studie zeigen, dass auch Patienten mit kompensierter Zirrhose mit einer 12-wöchigen interferonfreien Behandlung gute Ansprechraten erzielen können, unabhängig davon, ob sie bereits vorbehandelt waren (3). Von den insgesamt 380 Patienten mit HCV GT1a und GT1b
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Gute Optionen auch für Patienten mit Hepatitis C Genotyp 4
F¨ür Patienten mit einer HVCV-Infektion vom Genotyp (GT) 4 gab es bis anhin nur limitierte Behandlungsoptionen, so der EASL-Generalsekretär Prof. Dr. Markus Peck-Radosavljevic, Wien. Auch wenn dieser Genotyp hauptsächlich im Mittleren Osten, in Zentralafrika und Ägypten verbreitet ist, liegen die Infektionsraten mittlerweile in Europa ebenfalls bei 10 bis 24 Prozent. In der RESTORE-Studie, einer multizentrischen, einarmigen Phase-III-Studie, erhielten Patienten mit HCV GT4 (n = 107) 12 Wochen lang Simeprevir 150 mg einmal täglich in Kombination mit Peginterferon und Ribavirin, gefolgt von weiteren 12 oder 36 Wochen mit Peginterferon und Ribavirin (8). Alles in allem erreichten 65,4 Prozent der Behandelten ein SVR12. Dabei erhielten therapienaive Patienten sowie solche mit virologischem Wiederauftreten Peginterferon und Ribavirin abhängig vom Ansprechen 24 oder 48 Wochen lang und erreichten in 82,9 respektive 86,4 Prozent der Fälle ein SVR12. Vorherige partielle oder Nullresponder wurden 48 Wochen lang mit Peginterferon und Ribavirin behandelt (SVR12 60,0 resp. 40,0 Prozent).
Bei Patienten ägyptischer Herkunft mit HCV-4-Infektion (n = 60) konnte Sofosbuvir plus Ribavirin auch ohne Interferon gute Ergebnisse erzielen (9). Zuvor Unbehandelte erreichten durch eine 12wöchige Therapie ein SVR12 von 79 Prozent, Vorbehandelte 59 Prozent. Durch eine Verdoppelung der Therapiedauer auf 24 Wochen verbesserte sich das SVR12 auf 100 respektive 87 Prozent. Diese neuen Ergebnisse sind deshalb bedeutsam, weil sie Patienten einschlossen, für die eine Behandlung mit Interferon nicht infrage kam, die es nicht vertrugen oder bei denen die vorherige Therapie versagte, eine Gruppe also, die Bedarf an Therapieoptionen hat, so Peck-Radosavljevic.
erhielten 208 das 3DAA-Regime mit RBV über 12 Wochen (SVR12 91,8%) und 172 über 24 Wochen (SVR12 95,9%). Die längere Therapie scheint bei vorherigen Nullrespondern mit GT1a effektiver zu sein. Vor dem Hintergrund, dass viele der heutigen Patienten mit Hepatitis C eine Zirrhose entwickeln werden, ist dieses Ergebnis umso bedeutsamer, so Prof. Dr. Fred Poordad, San Antonio, Texas.
Verzicht auf Ribavirin möglich? Die PEARL-III-Studie (n = 419) schliesslich widmete sich der Frage, ob HCVPatienten mit GT1b ohne Vorbehandlung möglicherweise auf Ribavirin verzichten könnten (4). Nach 12-wöchiger Behandlung erreichten unter 3DAA mit RBV 99,5 versus 99 Prozent ohne RBV ein SVR12, berichtete Prof. Dr. Peter Ferenci, Wien. Es gab keine Abbrüche aufgrund von Nebenwirkungen – das lässt auch in der Praxis eine gute Compliance und Wirksamkeit erwarten, so der Experte. Ein virologisches Wiederauftreten beziehungsweise ein Durchbruch war lediglich in der Gruppe mit RBV zu beobachten (0,5%). Ferenci schloss, dass man bei diesen Patienten auf den Einsatz von Ribavirin verzichten könne, da damit kein zusätzlicher Benefit einherginge. «Wir hoffen, dass diese Studienergebnisse in die Praxis übertragbar sind», so
Prof. Stanislas Pol, Paris, in der anschliessenden Diskussion, «und dass die Hepatitis C heilbar wird, ohne dass wir uns wie bisher um schwierig zu behandelnde Patientengruppen sorgen müssen.» Aufgrund der Kombination seien keine Resistenzen zu erwarten, ergänzte Weiland, damit könnte das Virus langfristig eradiziert werden. Allerdings ist bislang erst ein kleiner Teil der betroffenen Patienten diagnostiziert, das wird dann eine der nächsten Herausforderungen sein ...
Für ausgewählte Patienten noch kürzere Therapiedauer? Auch das ION-Studienprogramm von Gilead befasste sich mit der Behandlung von HCV-GT1-Patienten, hier konnten ebenfalls vielversprechende Phase-III-Daten präsentiert werden. In der ION-1-Studie erzielten behandlungsnaive Patienten (n = 865) unter einer Kombination aus Ledipasvir (LDV) und Sofosbuvir (SOF) für 12 Wochen ein SVR12 von 99 Prozent (5). Weder die Zugabe von Ribavirin noch eine Verlängerung der Therapie auf 24 Wochen erhöhte die Ansprechrate weiter – bei den nicht zirrhotischen Patienten ist demnach eine Therapie über 12 Wochen ohne Ribavirin ausreichend. Zirrhotische Patienten (n = 136) erreichten unter LDV/SOF ohne RBV über 12 beziehungsweise 24 Wochen ein SVR12
von 94 beziehungsweise mit RBV je 100 Prozent. Die Therapie war gut verträglich, aus der Zugabe von Ribavirin resultierten mehr Nebenwirkungen oder Laborauffälligkeiten. In der ION-2-Studie erhielten vorbehandelte Patienten (n = 440) ebenfalls LDV/SOF mit oder ohne RBV über 12 oder 24 Wochen (6). Diese Patienten erreichten SVR12-Raten von 94 bis 99 Prozent; auch hier verbesserte RBV weder das SVR12 noch verhinderte es ein Wiederauftreten des Virus. Die Mehrheit derer, bei denen es zu einem Wiederauftreten kam, waren Patienten mit Leberzirrhose (nach 12-wöchiger Therapie mit RBV 82% SVR12 bzw. 86% ohne RBV). Diese profitierten von einer Verlängerung der Therapie auf 24 Wochen (SVR12 je 100%). Bei der ION-3-Studie schliesslich kamen die Autoren zum Schluss, dass für zuvor unbehandelte, nicht zirrhotische Patienten mit HCV GT1 (n = 647) sogar eine 8-wöchige Behandlung mit LDV/ SOF eine Alternative ist (7). Auch hier konnte mit 94 Prozent eine hohe SVR12Rate erzielt werden, die Wirksamkeit unterschied sich im Vergleich zur 12wöchigen Therapie nicht signifikant. O
Christine Mücke
«AbbVie in Chronic Hepatitis C: Results of the phase III study program in Genotype 1 Patient Populations», Pressekonferenz im Rahmen des ILC, 12. April 2014 sowie weitere Präsentationen.
Literatur: 1. Feld JJ et al. Treatment of HCV with ABT-450/r–Ombi-
tasvir and Dasabuvir with Ribavirin, N Engl J Med 2014; 370: 1594–1603. 2. Zeuzem S et al.: Retreatment of HCV with ABT-450/ r–Ombitasvir and Dasabuvir with Ribavirin. N Engl J Med 2014; 370: 1604–1614. 3. Poordad F et al.: ABT-450/r–Ombitasvir and Dasabuvir with Ribavirin for Hepatitis C with Cirrhosis. N Engl J Med. 2014 Apr 11. DOI: 10.1056/NEJMoa1402869 4. Ferenci P et al.: ABT-450/r–Ombitasvir and Dasabuvir with or without Ribavirin for HCV. N Engl J Med. May 4 2014; DOI: 10.1056/NEJMoa1402338. 5. Afdhal N et al.: Ledipasvir and Sofosbuvir for Untreated HCV Genotype 1 Infection, N Engl J Med. April 12, 2014; DOI: 10.1056/NEJMoa1402454. 6. Afdahl N et al. Ledipasvir and Sofosbuvir for Previously Treated HCV Genotype 1 Infection. N Engl J Med. 2014; 370: 1483–1493. 7. Kwodley C et al. Ledipasvir and Sofosbuvir for 8 or 12 Weeks for Chronic HCV without Cirrhosis. N Engl J Med. April 11, 2014; DOI: 10.1056/NEJMoa1402355. 8. Moreno C et al.: Once-daily simeprevir (tmc435) with peginterferon/ribavirin in treatment-naïve or treatment-experienced chronic hcv genotype 4-infected patients: svr12 results of a phase III trial. Präsentiert am ILC 2014. 9. Ruane PJ et al.: Sofosbuvir plus ribavirin, an interferon-free regimen, in the treatment of treatmentnaïve and treatment-experienced patients with chronic genotype 4 hcv infection. Präsentiert am ILC 2014.
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