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FORTBILDUNG
Prellungen, Zerrungen, Wunden …
Behandlung häufiger Verletzungen
Hausärzte werden häufig mit Verletzungen konfrontiert. Insbesondere ältere Menschen mit Sturzneigung infolge von Multimorbidität oder Polypharmazie haben ein erhöhtes Traumarisiko. Bei jüngeren Patienten entstehen Verletzungen häufig in Zusammenhang mit Sportaktivitäten. Dieser Fortbildungsartikel soll einen Überblick über Bewährtes und Neues bei der Versorgung der wichtigsten Verletzungen im hausärztlichen Spektrum geben.
STEPHAN FUCHS, JENS ABENDBROTH UND ANDREAS KLEMENT
Jeder fünfte allgemeinmedizinische Beratungsanlass betrifft Beschwerden des Bewegungsapparates oder Verletzungsfolgen (18). Die erste Anlaufstation von Patienten mit nicht unmittelbar immobilisierenden Verletzungen ist häufig der Hausarzt. Er übernimmt die Primär- und die Weiterversorgung leichterer Verletzungen. Hausärzte im ländlichen Bereich führen am häufigsten Wund- und Frakturversorgungen durch (Wundversorgung: Land: 91% der Hausärzte, Stadt: 68% der Hausärzte; Frakturversorgung: Land: 55% der Hausärzte, Stadt: 20% der Hausärzte). Beinahe drei Viertel der ländlichen Hausärzte nehmen eine bis fünf Wundversorgungen pro Woche vor. Fast jeder vierte Allgemeinarzt führt sechs bis zehn Wundversorgungen pro Woche durch (17, 18). Verletzungsträchtige Sportarten sind insbesondere Ballsport-
Merksätze
O Bei einem Muskelfaserriss sollte vier bis sechs Wochen, bei einem Muskelriss zwölf Wochen ruhiggstellt werden.
O Bei Frakturen wird immer auch der Weichteilschaden beurteilt, und es werden Durchblutung, Sensibilität und Motorik geprüft.
O Bei oberflächlichen Wunden ist eine abgestufte Wund- und Umgebungsreinigung mit NaCl 0,9 Prozent oder Polyhexanid (z.B. Lavasept®) sinnvoll.
O Erstmassnahmen bei Verbrennungen sind Kühlung, Analgetikagabe und gegebenenfalls Elektrolytinfusionen.
arten (v.a. Fussball, Basketball) und Sportarten mit dynamischer Fortbewegung (v.a. Velofahren, Skating) (13).
Prellungen und Zerrungen Stumpfe Gewalteinwirkungen auf das muskuloskeletale System verursachen Ödeme und Hämatome im Bereich von Haut, Knochen, Gelenken und Muskulatur. Die Folge ist eine Reizung von Schmerzrezeptoren und eine daraus resultierende schmerzbedingte Funktionseinschränkung der betroffenen Körperregionen. Primär sind kühlende Umschläge und orale NSAR sinnvoll. NSAR wirken analgetisch und antiphlogistisch. Eine Hochlagerung des betroffenen Körperabschnitts kann zu einer geringeren Schwellung führen. Bei Zerrungen kommt es zu einer unphysiologischen Überdehnung eines oder mehrerer Muskeln. Bei grösserer kinetischer Belastung kann es je nach Ausdehnung zu einem Riss von Muskelfasern, Muskelbündeln oder eines vollständigen Muskels kommen. Kennzeichnend ist ein plötzlich eintretender, stechender Schmerz. Die Ausdehnung der Verletzung bestimmt die Dauer der Ruhigstellung. Eine Ruhigstellung erfolgt bei einem Muskelfaserriss für vier bis sechs Wochen und bei einem Muskelriss für zwölf Wochen. Sie kann mit einem antiphlogistischen Salbenverband oder entlastenden Verbänden (Tapeverband) erfolgen. Anschliessend wird die Belastung schmerzabhängig langsam gesteigert (12). Initial sollte die Muskelspannung reduziert sowie die Extremität ruhiggestellt und gekühlt werden. Nach drei Tagen Ruhigstellung können lokale Wärmeanwendungen und eine schonend dosierte und schmerzadaptierte muskuläre Belastungssteigerung zu einer schnelleren Regeneration des verletzten Muskels beitragen. Die symptomatische Therapie erfolgt mit NSAR.
Distorsionen und Bänderrisse Die häufigsten Bänderläsionen ereignen sich im oberen Sprunggelenk. Hierbei kann es zu einer Bänderdehnung, einem Bänderteilriss oder zum Durchriss eines oder mehrerer Haltebänder kommen. Ursächlich sind häufig Supinationstraumen bei Ballsportarten sowie Laufen auf unebenem beziehungsweise glattem Untergrund (14). Vorerkrankungen (Polyneuropathien, Osteoporose, Gleichgewichtsstörungen, Adipositas, Diabetes), Polypharmazie und eine erhöhte Sturzneigung provozieren Läsionen am Bandapparat oder sogar Frakturen des oberen Sprunggelenks (1). Differenzialdiagnostisch muss bei einer Bänderläsion, besonders in der Gruppe der älteren, körperlich inaktiven Patienten, immer auch an eine ossäre Beteiligung gedacht werden.
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Tabelle 1:
Indikation für Röntgenaufnahmen des OSG/ Mittelfusses nach den Ottawa-Regeln (7)
O Patientenalter > 55 Jahre
O Patient kann nach der Verletzung (sofort oder bei der Konsultation) nicht mehr als vier Schritte mit vollständiger Gewichtsverlagerung gehen
O erhöhte lokale Empfindlichkeit im Bereich des Aussenknöchels: untere 6 cm der Fibulahinterkante
O erhöhte lokale Empfindlichkeit des Os naviculare oder der Basis des Os metatarsale V
Basismassnahmen durchgeführt. Die Thrombembolieprophylaxe erfolgt bis zum Wiedererlangen der Vollbelastung (wie vor dem Trauma) beziehungsweise bis zur Aufhebung der Immobilisation (5). Die sportliche Vollbelastung ist meist nach acht Wochen möglich.
Frakturen Direkte (eindeutige) Frakturzeichen sind: O Knochenfragmente in der Wunde O Fehlstellung des Knochens oder des Gelenks O provozierbare Krepitation. Zu den indirekten Frakturzeichen zählen: O Schwellung O Schmerz O Funktionseinschränkung beziehungsweise -verlust.
Patienten stellen sich häufig mit einem deutlichen Hämatom am seitlichen Sprunggelenk und einem schmerzbedingt eingeschränkt belastbaren Fuss vor. Die Frage nach dem Unfallhergang sowie die körperliche Untersuchung mit Erfassung von Motorik, Durchblutung und Sensibilität sind indiziert. Mit den Ottawa Ankle Rules lässt sich mit einer Sensitivität von fast 100 Prozent die Notwendigkeit einer Röntgendiagnostik einschätzen. Sollte eines der genannten Kriterien zusätzlich zu einer lokalen Schmerzhaftigkeit des Sprunggelenks oder des Mittelfusses vorliegen, ist ein Röntgen in zwei Ebenen entweder des oberen Sprunggelenks oder des Mittelfusses indiziert (Tabelle 1). Im Einzelfall kann zum Beispiel bei Verdacht auf Verletzung der Syndesmose oder Talusbeteiligung eine MRT-Untersuchung sinnvoll sein. Zu den Erstmassnahmen gehören nach dem Akronym PECH Pause (P), Eis (E), Kompression (C) und Hochlagerung (H). Ein stabilisierender elastischer Verband ist bei einfachen Distorsionen häufig ausreichend. Primär kann für die anfängliche schmerzadaptierte Teilbelastung die Verordnung von Unterarmgehstützen hilfreich sein. Bei Ruptur mehrerer Bänder und/oder klinischer Instabilität sind ein Tapeverband, ein Kompressionsverband oder eine Orthese (z.B. Aircast®, MalleoLoc®) bis zur Beschwerdefreiheit oder zum Rückgang der Schwellung beziehungsweise des Instabilitätsgefühls (in der Regel nach ca. 5 Wochen) sehr empfehlenswert (12). Mit der Orthese ist eine Vollbelastung meist unmittelbar möglich. Nach einer kurzzeitigen Ruhigstellung erfolgt anschliessend der schmerzadaptierte Belastungsaufbau. Ein sensomotorisches Aufbautraining kann die Heilungsphase beschleunigen. Während der gesamten Genesungsphase sind eine ausreichende Schmerzmedikation (z.B. Ibuprofen, Diclofenac) sowie eine wiederholte Überprüfung der Indikation zur Thrombembolieprophylaxe sinnvoll. Die prophylaktische Gabe eines niedermolekularen Heparins erfolgt risikoadaptiert bei höhergradig und längerfristig eingeschränkter Mobilität. Bei einem niedrigen Thromboserisiko erfolgen Basismassnahmen (Frühmobilisation, Bewegungsübungen, Anleitung zur Selbstübung). Das mittlere und erhöhte Risiko verlangt eine medikamentöse Thrombembolieprophylaxe. Hierfür sind in Deutschland niedermolekulare Heparine, Danaparoid, Faktor-Xa-Inhibitoren oder Vitamin-K-Antagonisten zugelassen. Zusätzlich werden die oben genannten
Neben der Beurteilung eines möglichen Weichteilschadens werden Durchblutung, Motorik und Sensibilität geprüft und dokumentiert. Die Indikation für Röntgenuntersuchungen richtet sich unter anderem nach der therapeutischen Konsequenz bei Bestätigung der vermuteten Fraktur (4). So würde eine geschlossene Fraktur eines Zehenglieds ohne sichtbare Fehlstellung oder Achsabweichung nicht unbedingt über ein Röntgenbild bestätigt werden müssen, da die konservative Frakturbehandlung (Dachziegel-Tapeverband mit Einschluss der Nachbarzehe) hierdurch wahrscheinlich nicht beeinflusst wird. Bei frischen Frakturen ist eine frühzeitige ausreichende Analgesie (z.B. auch durch Morphinderivate) notwendig. Als häufige Nebenwirkungen zeigen sich Erbrechen (problematisch bei älteren Patienten) und mögliche Bewusstseinstrübungen (problematisch bei Operationsaufklärung). Eine schonende Kühlung (z.B. durch ein in ein Handtuch eingeschlagenes Cool Pack) in der Frakturregion reduziert Schmerzen und beugt der Ödembildung vor. Grundsätzlich gilt es, den frakturierten Körperabschnitt ruhigzustellen. Als temporäre Ruhigstellung bei Frakturen an distalen Extremitätenabschnitten bieten sich für den Allgemeinarzt anpassungsfähige Schienen (Cramer®, SAM® Splint) an. Offene Knochenbrüche werden steril abgedeckt. Anschliessend erfolgt der begleitete Transport (Rettungswagen, ggf. Notarztwagen) in eine unfallchirurgische Abteilung. Die Erhebung von Frakturkomplikationen (Verletzungen von Nerven, Blutgefässen, Organen, Weichteilen, Kompartmentsyndrom) ist therapeutisch und prognostisch von enormer Bedeutung und kann klinisch mitunter schwierig sein. Bei einem entsprechenden Verdacht sollte dieser auf dem Einweisungsschein vermerkt oder in der telefonischen Voranmeldung mitgeteilt werden. Bereits beim Verdacht einer Wirbelsäulenbeteiligung ist eine konsequente Immobilisation bis zur Schnittbilddiagnostik notwendig. Gerade beim Erstkontakt ist eine vollständige Untersuchung des Patienten erforderlich, um Begleitverletzungen nicht zu übersehen. Eine engmaschige Vitalzeichenkontrolle, insbesondere auch nach Medikation und während Lagerungsmanövern oder Transport, ist bei Verdacht auf (Poly-)Trauma selbstverständlich. Vor Verabreichung eines Medikaments ausserhalb einer unmittelbar lebensbedrohlichen Situation ist eine Kurzanamnese über Unfallhergang, Vorerkrankungen, Medikamente und Allergien zu erheben.
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Tabelle 2:
Indikation zur aktiven und passiven Tetanusimmunisierung bei verschiedenen Wunden in Abhängigkeit der Impfanamnese
Vorgeschichte der Tetanusimmunisierung
Saubere, geringfügige Wunden
Alle anderen Wunden (z.B. tiefe und/oder verschmutzte Wunden)
unbekannt 0–1 2
3 oder mehr
TDaP Ja Ja Ja
Nein (ja, wenn mehr als 10 Jahre seit der letzten Impfung vergangen sind)
Tetanus-Immunoglobulin Nein Nein Nein
Nein
TDaP Ja Ja Ja
Nein (ja, wenn mehr als 5 Jahre seit der letzten Impfung vergangen sind)
Tetanus-Immunoglobulin Ja Ja Nein (ja, wenn Verletzung älter als 24 Stunden) Nein
TDaP = Kombinationsimpfstoff Tetanus-Diphterie-Pertussis (azellulär)
Tabelle 3:
Mindestanforderungen an jede Wundversorgung (mod. nach 8, 10)
O Vermeidung von Mazerationen an der umliegenden Haut im Wundbereich
O atraumatischer Verbandwechsel, z.B. durch ein feuchtes Wundmillieu
O Schaffung/Beibehaltung eines feuchten Millieus im Wundbereich O thermische Isolierung der Wunde O Schutz vor Sekundärinfektion
Antiseptika Traditionell kommt in Hausarztpraxen eine Vielzahl von Flüssigkeiten zur Wundreinigung und Wunddesinfektion zur Anwendung. Einige sind aus heutiger Sicht weniger geeignet (11, 16): O Glukoselösung (Problem: wird resorbiert) O Ethanol (Problem: Schmerzen) O Leitungswasser (Problem: mikrobielle Belastung möglich) O Aqua ad injectabilia (Problem: hyposmolar) O alkoholische Hautdesinfektionsmittel (Problem: Schmerzen) O jodhaltige Desinfektionsmittel (Probleme: Reizung, Allergie) O Ethacridinlactat und Merbromin (Probleme: verfärbend,
Allergie).
Wunden Wunden zeichnen sich durch Hautdefekt, Schmerzen und Blutung aus. Durch sorgfältige Anamnese, Inspektion und Palpation sollen Begleitverletzungen erkannt werden. Obwohl Ärzte nach ständiger Rechtsprechung keine «unauffälligen» Befunde dokumentieren müssen, sollte bei offenen Verletzungen eine Mindestdokumentation «MDS (Motilität, Durchblutung, Sensibilität) unauffällig, kein Fx-Hinweis» vorliegen. Bei Wunden mit Verdacht auf knöcherne Beteiligung erfolgt eine bildgebende Diagnostik (6). In Abhängigkeit vom dokumentierten Tetanusimpfstatus und Verschmutzungsgrad ist gegebenenfalls eine aktive und/oder passive Immunisierung nötig (vgl. Tabelle 2).
In der letzten Zeit hat sich für einige in Hausarztpraxen häufig eingesetzte Wunddesinfektionsmittel eine zusätzliche Anwendungseinschränkung herausgestellt: Jodhaltige Desinfektionsmittel verursachen durch die Bildung von Jodradikalen eine Hemmung der Mitose und somit eine verlangsamte Wundheilung. Octenidin (z.B. Octenisept®) kann bei der Applikation in die Tiefe (z.B. Stichkanäle) lokale Nekrosen verursachen. Bei oberflächlichen Wunden ist daher ine abgestufte Wund- und Umgebungsreinigung mit NaCl 0,9 Prozent oder Polyhexanid (z.B. Lavasept®) sinnvoll. Zu den allgemeinen Prinzipien der Wundversorgung gehören eine möglichst kontaminationsvermeidende (idealerweise sterile) Vorgehensweise, das Tragen von sterilen Einmalhandschuhen und die Hochlagerung betroffener Körperabschnitte während der Wundversorgung. Weitere Prinzipien sind in Tabelle 3 aufgeführt.
Verunreinigte Wunden Verletzungsbedingte Wunden gelten als bakteriell kontaminiert. Infizierte oder verunreinigte Wunden werden zuerst mit NaCl 0,9 Prozent, Wasser oder Polyhexanid gereinigt. Bereits infizierte Wunden werden bis zum Wundschluss offen behandelt (18). Eine Wundspülung unter forciertem Druck ist wegen einer potenziellen Keimverschleppung in die Tiefe zu vermeiden.
Schnittverletzungen Schnittverletzungen können in Abhängigkeit von Lokalität, Tiefe und Ausdehnung zu (nicht offensichtlichen) Verletzungen an Blutgefässen, Nerven, Muskeln, Sehnen und anderen Strukturen führen. Die Wunde wird inspiziert und gesäubert (19). Danach erfolgt eine Funktionsprüfung der anatomischen Strukturen (18). Verletzungen von Blutgefässen zeigen im nachgeschalteten Versorgungsgebiet eine Minderperfu-
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Tabelle 4:
Einteilung der thermischen Hautschädigung nach klinischen Zeichen und empfohlener Therapie (2, 3)
Gradeinteilung Grad 1 (epidermal) Grad 2a (oberflächlich dermal) Grad 2b (tief dermal)
Grad 3 (komplett dermal)
Anzeichen
Rötung, Schwellung, Schmerz, intaktes Epithel Blasenbildung, schnelle Rekapillarisierung, Hautanhangsgebilde intakt, starker Schmerz fetzenförmige Epidermolyse, Blasenbildung, weisslicher Untergrund, gestörte Rekapillarisierung, Hautanhangsgebilde partiell vorhanden, mässiger Schmerz trockene, weisse Hautnekrose oder Verkohlung, Verlust von Hautanhangsgebilde, keine Schmerzen
Therapie
konservativ (z.B. Bepanthen®, Flammazine®) konservativ (aseptische Wundreinigung mit Débridement und Okklusivverbänden) chirurgisch (tangentiale Nekrosektomie bis zum blutenden Untergrund)
Chirurgisch (tangentiale oder epifasziale Nekrosektomie bis zum blutenden Untergrund und Spalthaut)
sion mit Sensibilitätsveränderungen, Hautblässe oder verändertem Pulsverhalten. Die Nervenläsion verursacht eine An-, Hyp- oder Dysästhesie im korrespondierenden Versorgungsgebiet. Läsionen an Blutgefässen und Nerven erfordern in der Regel eine chirurgische Weiterbehandlung im Anschluss an die Erstversorgung (steriler Verband). Die Wundausdehnung in der Fläche, zum Beispiel bei Hauttaschenbildung am Wundrand, und in die Wundtiefe können mit einer Sondierung exploriert werden. Diese kann zum Beispiel mit einer stumpfen Kanüle (Knopfkanüle) oder dem Kunststoffmandrin einer Venenverweilkanüle erfolgen. Hierbei ist ein steriles Vorgehen erforderlich. In Abhängigkeit von der Schmerzempfindlichkeit ist gegebenenfalls eine Lokalanästhesie (Infiltrations-, Leistungsanästhesie) notwendig. Lokalanästhetika mit zugesetzten Vasokonstriktoren sollten an den Akren (Durchblutungsstörungen) nicht verabreicht werden. Zur primären Blutstillung kann man die Wunde mit Kompressen für mehrere Minuten komprimieren (9). Anschliessend erfolgt nach einer vollständigen Reinigung eine Wundrandadaptation, welche mittels Naht oder steriler Wundpflasterstreifen (z.B. Steri strip®) durchgeführt wird. Hierbei müssen die Wundränder vital sein (18). Hämatome und Serome sollten zur Vermeidung von Wundheilungsstörungen durch Blutstillung, elastische Kompressionsverbände, Hochlagerung und gegebenenfalls Drainage verhindert werden (11). Kontraindikationen eines primären Wundverschlusses sind Wunden, die älter als sechs Stunden sind, sowie potenziell infizierte oder verunreinigte Wunden (z.B. Bisswunden). Die Wundkontrolle sollte engmaschig, zum Beispiel alle zwei Tage, erfolgen. Abschliessend wird die Wunde mit einem sterilen Wundverschluss (Verband, Pflaster) abgedeckt (19). Bei Hinweisen auf verletzte Blutgefässe, Nerven, Muskeln, Sehnen, bei tieferen Wunden, welche sich nicht sicher inspizieren lassen, oder beiFremdkörpern in Wunden und der Notwendigkeit der Einlage einer Drainage sollte eine Überweisung zum Chirurgen erfolgen.
Schürfwunden Bei Schürfwunden erfolgt zunächst eine Wund- und Umgebungsreinigung mit NaCl 0,9 Prozent und die Wunddesin-
fektion mit Polyhexanid (z.B. Lavasept®). Bei ausschliesslich oberflächlichen Wunden kann die Wunddesinfektion mit Octenisept® durchgeführt werden. Kleine Fremdkörper werden nach vorheriger Lokalanästhesie mit einer Pinzette entfernt (7, 16). Die Wundabdeckung erfolgt mit sterilen, nicht haftenden Kompressen, zum Beispiel mit Vlieskompressen (z.B. Dermotekt®), eventuell mit aluminiumbedampfter Oberfläche (z.B. Aluderm®), oder alternativ mit Paraffingaze (z.B. Oleo-Tüll® classics) sowie mit einem elastischen fixierenden Verband beziehungsweise mit Wundschnellverbänden und wird alle ein bis zwei Tage erneuert (16). Hierdurch kann man das Verkleben des Wundmaterials mit dem Wundgrund kleinhalten, was Schmerzen beim Verbandswechsel sowie Schäden am Wundgrund reduziert.
Brandwunden Bei thermischen Hautverletzungen erfolgt primär die Beurteilung der Ausdehnung und der Verletzungstiefe (Tabelle 4). Erstmassnahmen sind Kühlung, Analgetikagabe und gegebenenfalls die Verabreichung von Elektrolytinfusionen bei grösseren betroffenen Hautarealen schon während der hausärztlichen Erstversorgung. Die Erstbehandlung der Hautwunden kann mit einer sterilen sauberen Wundabdeckung erfolgen (2). Als definitive Wundversorgung kommen bei oberflächlichen thermischen Wunden (Grad 1 und 2a) Salben oder Okklusivverbände zur Anwendung. Nicht appliziert werden sollten zinkhaltige Pasten (induzieren Austrocknung und somit Wundheilungsstörungen), Puder und fetthaltige Sprays (16). In den USA wird die Applikation von Honig, Aloe vera und antibiotikahaltiger Salbe auf Brandwunden empfohlen. Die medizinische Notwendigkeit zur Eröffnung von Hautblasen ist umstritten. Leitlinien treffen hierzu keine Aussagen (3). Eine initiale Kühlung der Brandwunden ist unter Beachtung der Risiken einer potenziellen Unterkühlung (erhöhte Infektionsrate und Mortalität) durchzuführen und erfolgt heute differenziert nach Ausdehnung und Tiefe der Verbrennungen: Bis etwa 10 Prozent der Körperoberfläche (KOF) können bis zu zehn Minuten mit Wasser nicht kälter als 10 °C als Erstmassnahme behandelt werden. Bei grossflächigeren Verbrennungen und bei auf der Haut haftenden Substanzen
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sollte nur primär «abgelöscht» werden. Bei mehreren Minuten zurückliegenden Verbrennungen ist eine Kühlung nicht mehr sinnvoll. Bei schwereren und tieferen Verbrennungen sollte zunächst nur eine Abdeckung und ein Schutz des Verletzten gegen Auskühlung erfolgen. Die Wundreinigung soll mit steriler Vollelektrolytlösung erfolgen. Die Therapieziele (15) sind: O schnelle Wundheilung O Schmerzkontrolle O gutes ästhetisches Ergebnis O vollständige Rückkehr der Funktionalität.
Die Überweisung zur chirurgischen Weiterbehandlung er-
folgt bei mehr als 5 Prozent betroffener Körperoberfläche
(Grad 2a oder tiefer) oder bei Beteiligung von Gesicht, Hän-
den, Füssen, Genitalien oder gelenknahen Regionen. Weiter-
hin sollten zirkuläre Verletzungen, Elektrotraumen und
Inhalationstraumen stationär behandelt werden. Das gilt
auch bei chemischen Noxen oder Beteiligung des Respira-
tionstrakts (2, 3).
O
Stephan Fuchs AIW für Allgemeinmedizin Prof. Dr. med. Andreas Klement Allgemeinarzt, Chirurg Sektion Allgemeinmedizin Medizinische Fakultät Universität Halle-Wittenberg D-06112 Halle (Saale)
Interessenkonflikte: keine
Literatur: 1. Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie: Sprunggelenksfraktur. AWMF-Leitlinie.
Stand: 14.3.2011. 2. Deutsche Gesellschaft für Verbrennungsmedizin: Thermische und chemische Verlet-
zungen. AWMF-Leitlinie. Stand: 6.4.2011. 3. Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie: Thermische Verletzungen im Kindesalter
(Verbrennung, Verbrühung). AWMF-Leitlinie. Stand: 13.10.2010. 4. Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie: Unterarmschaftfrakturen im Kindesalter.
AWMF-Leitlinie. Stand: 13.10.2010. 5. Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen und medizinischen Fachgesellschaften:
Venöse Thrombembolie-Prophylaxe. Stand: 8.5.2010. 6. Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie: Wunden und Wundbehandlung. AWMF-
Leitlinie. Stand 4/2011. 7. Bachmann LM, Kolb E, Koller MT, Steurer J, ter Ried G: Accuracy of Ottawa Ankle Rules
to Exclude Fractures of the Ankle and Mid-foot. BMJ 2003; 326: 417. 8. Bültemann A: Verbandmaterialien der «modernen» Wundversorgung, Wundcentrum/
Asclepius Klinik Harburg. 9. Dioda K: Nicht nur die Zeit heilt Wunden. Sprechstunde 2008; 12–14. 10. Ehrenthal K, Hollmann K: Behandlung chronischer Wunden. KVH aktuell 2008; 4–8. 11. Farwick-Bürfent W: Wundversorgung beim Kind. Der Allgemeinarzt 2003; 16. 12. Gesenhues S, Ziesché R: Praxisleitfaden Allgemeinmedizin. Elsevier, 6. Auflage 2010;
145– 178. 13. Ivins D: Acute Ankle Sprain: An Update. Am Fam Physician 2006; 15: 74(10):
1714–1720. 14. Leumann A, Frigg A, Pagenstert G, Ebneter L, Valderrabano V, Hintermann B: Präven-
tion der akuten Distorsion und der chronischen Instabilität des oberen Sprunggelenkes. Sportortho Sporttrauma 2006; 22: 155–159. 15. Lloyd EMC, Rodgers BC, Michener M, Williams MS: Outpatient Burns: Prevention and Care: American Family Physician 2012; (85): 25–32. 16. Peter W: Erstversorgung in der Hausarztpraxis – Häufige Verletzungen. Der Allgemeinarzt 2011; 11: 12–16. 17. Prem R: Die moderne Wundversorgung in der Praxis für Allgemeinmedizin, Projektarbeit im Rahmen der Weiterbildung Wundmanagement am AZW in Innsbruck 2011. 18. Tschudi P, Rosemann T: Die Zukunft der Hausarztmedizin. Primary Care 2010; 4: 62–66. 19. Van Heerde S, Noll A: Akute Wunden in der Hausarztpraxis – Die erste Wundversorgung. Universitätsklinikum Heidelberg.
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 3/2014. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor. Eine Anpassung an Schweizer Verhältnisse erfolgte durch die ARS-MEDICI-Redaktion.
BUCHTIPP
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Pressemitteilung Parkinson Schweiz
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