Transkript
thema PHYTOTHERAPIE
Nachtkerzenöl zur Behandlung von atopischer Dermatitis
Belegte Wirksamkeit der Gamma-Linolensäure-reichen Arzneipflanze
Patienten mit einer atopischen Dermatitis weisen hohe Plasmawerte von Linolsäure und tiefe Plasmawerte von Gamma-Linolensäure auf. Dies brachte Wissenschaftler auf die Idee, durch Supplementierung mit Gamma-Linolensäure die Symptome der atopischen Dermatitis zu verbessern. Die in der Folge vorgestellte Studie dokumentiert, dass dies mit einem Gamma-Linolensäure-reichen Extrakt aus der Nachtkerze gelingt.
Christoph Bachmann
Atopische Dermatitis
Atopische Dermatitis (AD) ist eine entzündliche Hautkrankheit mit den bekannten Symptomen wie ekzematösen Läsionen, Hauttrockenheit und heftigem Jucken. Die Ursache für AD ist multifaktoriell und hängt von einer genetischen Veranlagung,
Redaktion AM thema Phytotherapie:
Dr. Christoph Bachmann Hirschmattstrasse 46, 6003 Luzern Tel. 041-210 32 82, Fax 041-210 52 82 E-Mail: c.a.bachmann@bluewin.ch
Wissenschaftlicher Beirat:
Dr. med. Roger Eltbogen, Solothurn Prof. Dr. Kurt Hostettmann, Champex-Lac Prof. Dr. Beat Meier, Wädenswil PD Dr. med. Andreas Schapowal, Landquart Prof. Dr. med. Günther Siegel, Berlin PD Dr. Ursula von Mandach
von allergischen Entzündungen und auch von Umweltfaktoren ab. Beim Vorliegen einer AD weist die Haut des Betroffenen eine gestörte Barrierefunktion auf, was unter anderem auf eine genetisch bedingte Verminderung der Fillagrinproduktion in der äusseren Hautschicht zurückzuführen ist. Dies wiederum führt zu einer erhöhten Irritabilität und entzündlichen Prozessen. Weiter scheint auch eine verminderte Aktivität des Enzyms Delta-6-Desaturase eine Rolle zu spielen, das die Bildung von Gamma-Linolensäure (Gamma-Linolenic acid; GLA) aus Linolsäure (Linoleic acid; LA) katalysiert. GLA wird im Körper zu DihomoGamma-Linolensäure (DGLA) metabolisiert, die der Vorläufer von Prostaglandin E1 (PGE1) und 15-Hydroxyeicosatriensäure (15HETrE) ist. In Patienten, die an einer AD litten, wurden hohe Werte von LA und tiefe Werte von GLA festgestellt (1). Deshalb bilden solche Patienten weniger DGLA und 15HETrE, deren antiinflammatorische Kapazität bekannt sind (2). Aufgrund dieser Tatsachen liegt die Idee nahe, mit einer Supplementierung von GLA die Blutwerte von GLA und DGLA zu erhöhen und so die Symptome einer AD zu verbessern.
Nachtkerzenöl
Das aus der Nachtkerze (vgl. Abbildung) gewonnene Öl ist reich an GLA. Eine Behandlung von Patienten, die an einer AD leiden, mit Nachtkerzenöl ist daher eine Therapiemöglichkeit. Um deren Wirksamkeit zu überprüfen, hat ein Forscherteam eine entsprechende Studie gemacht und die Resultate kürzlich publiziert (3).
Idee der Studie
Bei dieser Studie wurde überprüft, ob eine klinische Verbesserung der AD-Symptome durch EPO-Supplementierung bei AD-Patienten mit einem Plasmaanstieg von GLA
Abbildung: Nachtkerze, Oenothera biennis L. , englisch: evening primrose Die Pflanze wurde Anfang des 17. Jahrhunderts aus Nordamerika als Zierpflanze eingeführt. Das aus der Pflanze gewonnene Öl (evening primrose oil: EPO) ist reich an Gamma-Linolensäure.
und DGLA einhergeht. In diesem Fall könnten GLA und DGLA mögliche Biomarker für ein Ansprechen auf die EPO-Supplementierung darstellen und Therapieresponder durch Bestimmung der GLA- und/oder DGLA-Plasma-Konzentration identifiziert werden.
Design und Methode
Die Studie wurde als prospektive, explorative, offene, nicht kontrollierte Multizenterstudie durchgeführt.
Patienten Als Probanden wurden Personen zwischen 2 und 45 Jahren aufgenommen, die an einer AD gemäss den Kriterien von Hanifin und Rajka (4) litten und seit mindestens 2 Monaten vorzugsweise eine raue und rissige Haut mit Pruritus aufwiesen. Es wurden genaue Ausschlusskriterien definiert, die die Studie hätten beeinträchtigen können, wie das gleichzeitige Vorhandensein anderer Hauterkrankungen wie Psoriasis, Ichthyosis, seborrhoische Dermatitis und so weiter. Die Probanden durften weiterhin bisher verwendete Arzneimittel in den üblichen Dosen anwenden, ausser solche, die
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die Studie hätten beeinträchtigen können. Dazu wurde ein genauer Zeitplan aufgestellt, welche Arzneimittel ab welchem Zeitpunkt vor Studienbeginn nicht mehr erlaubt waren. Von den 36 ursprünglich rekrutierten Patienten wurden 23 als Probanden in die Studie aufgenommen. Davon waren 6 unter 12 Jahren, 2 zwischen 12 und 18 Jahren sowie 15 über 18 Jahre alt. 21 Probanden konnten in die ITT-Population aufgenommen werden. 7 wurden ausgeschlossen, da sie < 75 Prozent der vorgesehenen Studiendosen eingenommen hatten. 14 Probanden stellten also die PP-Population dar. Von den 23 Probanden wiesen 14 gleichzeitig vorhandene allergische Erkrankungen auf, wie Asthma bronchiale, allergische Rhinitis oder Rhinokonjunktivitis. Tabelle: Differenzierte SCORAD-Werte (Mittelwert ± SD) bei Baseline und am Schluss der Behandlung (ITT-Population; n = 21) SCORAD-Items A: Fläche der AD (%) B: Intensität der AD B1: Erythem B2: Ödem B3: Nässen/Krusten B4: Schrunden B5: Lichenbildung B6: Hauttrockenheit Objektiver SCORAD C: Total subjektive Symptome* Total SCORAD * Jucken + Schlaflosigkeit, VAS in mm Objektiver SCORAD = A/5 + 7B/2 Totaler SCORAD = A/5 + 7B/2 + C Baseline 13,7 (12,0) 6,9 (1,9) 1,4 (0,5) 0,7 (0,7) 0,4 (0,7) 1,1 (0,8) 1,5 (0,7) 1,8 (0,8) 26,7 (7,6) 51,0 (34,5) 31,8 (8,7) nach 12 Wochen 4,0 (3,6) 4,0 (2,4) 1,0 (0,7) 0,2 (0,4) 0,2 (0,5) 0,5 (0,6) 1,0 (0,6) 1,0 (0,6) 14,6 (8,9) 43,5 (49,8) 19,0 (12,7) p-Wert < 0,001 < 0,001 0,046 0,021 0,470 0,004 0,046 0,003 < 0,001 0,145 < 0,002 Zielvariablen Bei Baseline sowie nach 4 und 12 Wochen wurden folgende Parameter ermittelt beziehungsweise dokumentiert: N SCORing Atopic Dermatitis (SCORAD) Index (5) N Plasmagehalt von GLA und DGLA N unerwünschte Ereignisse N Laborwerte. Studienmedikament Als Studienmedikament wurde ein Präparat verwendet, das pro Kapsel 932–1073 mg EPO (Oenothera seminis oleum) enthielt, das auf 80 mg GLA/Kapsel standardisiert war. Probanden bis 12 Jahre erhielten zweimal täglich 2 Kapseln, ältere Probanden zweimal täglich 3 Kapseln. Als Compliance wurde die Einnahme von ≥ 75 Prozent der vorgesehenen Medikation definiert. Als Notfallmedikament im Fall von Exazerbationen des Ekzems beziehungsweise des Pruritus wurden eine Prednicarbatcreme beziehungsweise ein Hydroxyzinsirup vorgesehen. Resultate Alle gefundenen Resultate wurden statistisch ausgewertet. Die Veränderung des SCORAD-Indexes ist in der Tabelle dargestellt: Bei Baseline wiesen 42,9 Prozent der Probanden milde AD-Symptome auf (objektiver SCORAD < 25) sowie 57,1 Prozent moderate AD-Symptome (objektiver SCORAD 25–50). Am Schluss der Behandlung hatten nur noch 6,8 Prozent der Probanden moderate Symptome, während der Prozentsatz der Probanden mit milden Symptomen auf 93,2 angestiegen war. In der Tabelle ist die Verbesserung der verschiedenen SCORADParameter dargestellt. Mit Ausnahme für die Symptome Nässen/Krusten sind alle Verbesserungen signifikant. Der totale SCORAD, in dem die von AD betroffene Hautfläche, objektive Hautparameter sowie die subjektiven Symptome Jucken und Schlaflosigkeit eingeschlossen sind, zeigte sowohl nach 4 wie auch nach 12 Wochen eine signifikante Verbesserung. Diese Resultate belegen also, dass bei Patienten mit AD eine Supplementierung mit EPO zu einer klinisch signifikanten Verbesserung der Symptome führt. Plasmawerte der Fettsäuren In der ITT-Population wurde ein signifikanter Anstieg der Plasmawerte von GLA und DGLA festgestellt (GLA: 9,46 µg/ml bei Baseline; 15,52 µg/ml nach 4 Wochen; 15,70 µg/ml bei Studienende. DGLA: 38,01 µg/ml bei Baseline; 46,89 µg/ml nach 4 Wochen; 48,73 µg/ml bei Studienende). Dieser Anstieg war von Baseline bis Woche 4 besonders evident, veränderte sich dann aber von Woche 4 bis Studienende kaum mehr. Die Signifikanz für GLA zwischen Baseline und Woche 4 betrug p = 0,001, von Baseline bis Studienende p = 0,002. Die entsprechenden Werte für DGLA waren zweimal p = 0,002. Der GLA-Anstieg war in der PP-Population umgekehrt proportional zur Abnahme des objektiven SCORADWerts. In der ITT-Population war die Korrelation zwischen dem objektiven SCORADWert unter Plasma-GLA jedoch nicht signifikant, für DGLA konnte keine signifikante Korrelation festgestellt werden (p = 0,36). Notfallmedikamente Während der Studie verwendeten in Übereinstimmung mit dem Studienplan 71,4 Prozent der Probanden eines der beiden erlaubten Notfallmedikamente, entweder den Hydroxyzinsirup oder die Prednicarbatcreme. 6 Probanden verwendeten beide Notfallmedikamente. Zwischen diesen Probanden und denjenigen, die kein Notfallmedikament eingesetzt hatten, konnten aber keine Unterschiede in der Verbesserung des objektiven SCORAD festgestellt werden (p = 0,20 bzw. p = 0,89). Sicherheit 13 Patienten dokumentierten während der Studie 26 unerwünschte Ereignisse, von denen keines schwerwiegend war. Nur 5 UE wurden mit dem Studienmedikament in Zusammenhang gebracht. Bei den Laborparametern wurden keine klinisch relevanten Veränderungen festgestellt. Diskussion Mit der hier vorgestellten Studie konnte gezeigt werden, dass eine Supplementierung mit EPO zu klinisch signifikanten Ver- 450 2/2014 besserungen der AD-Symptome führt. Gleichzeitig bewirkt diese Supplementierung auch einen Anstieg der Plasmakonzentrationen von GLA und DGLA. Dieser Plasmaanstieg war schon 4 Wochen nach Studienbeginn erreicht. Daraus lässt sich schliessen, dass der Plasmaanstieg von GLA ein geeigneter Marker zum Identifizieren von Respondern sein könnte. In diesem Sinn könnten Patienten, bei denen nach 4 Wochen kein Plasmaanstieg feststellbar ist, als Nichtresponder ausgeschieden werden. Schlussfolgerung Diese Studie zeigt, dass das in der Studie eingesetzte Nachtkerzenölpräparat zu ei- nem Anstieg von GLA- und DGLA-Plasma- werten führt und eine signifikante Verbes- serung fast aller SCORAD-Werte einer atopischen Dermatitis bewirkt. Es eignet sich daher zur symptomatischen Behand- lung der atopischen Dermatitis bei Kindern und Erwachsenen. N Anschrift des Verfassers Dr. Christoph Bachmann Hirschmattstrasse 46 6003 Luzern E-Mail: c.a.bachmann@bluewin.ch Literaturreferenzen: 1. Yen C.H., Dai Y.S.,Yang Y.H.,Wang L.C., Lee J.H., Chiang B.L.: Linoleic acid metabolite levels and transepidermal water loss in children with atopic dermatitis, Ann Allergy Asthma Immunol 2008(1); 100: 66–73. 2. Ziboh V.A., Miller C.C., Cho Y.: Metabolism of polyunsaturated fatty acids by skin epidermal enzymes: generation of antiinflammatory and antiproliferative metabolites, Am J Clin Nutr 2000 (1 Suppl); 71: 61–66. 3. Simon D. et al.: Gamma-Linolenic Acid Levels Correlates with Clinical Efficacy of Evening Primerose Oil în Patients with Atopic Dermatitis, Adv Ther DOI 10.1007/s12325-014-0093-0, published online 17 January 2014. 4. Hanifin J.M., Rajka G.: Diagnostic features of atopic dermatitis. Arch Dermatol.1980; 113: 663–670. 5. Oranje A.P., Glazenburg E.J., Wolkerstorfer A., de Waard-van der Spek F.B.: Practical issues on interpretation of scoring atopic dermatitis: the SCORAD index, objective SCORAD and the threeitem severity score, Br J Dermatol. 2007(4); 157: 645–648. Anmerkung der Redaktion Das in der Studie verwendete Nachtkerzenölpräparat ist in der Schweiz unter dem Markennamen Epogam® 1000 Vegicaps soft im Handel und wird von der Firma Zeller Medical AG vertrieben.